Zwangsstörungen Hintergründe

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Zwangsstörungen verstehen 1 finger aus handZwangsstörungen verstehen und ihnen die Stirn bieten

Zwangsstörungen verstehen und ihnen die Stirn bieten. „Ist nicht eigentlich jede Störung ein Zwang?“ Das ist die neueste These und es ist sicher nicht falsch, auf diesem Weg zu begreifen, wie oft wir Zwängen unterworfen sind; nicht nur im Alltagsstress, sondern auch schon bei Psychosen und Neurosen, die ganz anders betitelt werden nämlich: Ängste, Phobien, Panikstörungen, Schlafstörungen, Depressionen ja bis hin zu physischen Störungen und unangenehmen Gewohnheiten und Abhängigkeiten.

Alles ist Zwang – Dekliniert man diese These weiter konsequent durch, bekommt man ganz neue Einsichten in den Zwang und es ist höchste Zeit, ihm die Stirn zu bieten; dazu muss man erstmal den „klassischen Zwang“ verstehen:

Zwangsstörungen sind für Betroffene und für Angehörige von Menschen mit Zwangsstörungen ein leidiges, nerviges, oft das Leben und Zusammenleben stark belastendes Thema! Für völlig Außenstehende und rein objektiv ist es ein sehr spannendes Wissensgebiet. Und Zwänge sind noch dazu sehr vielfältig. Und sie sind sogar so vielfältig und zahlreich in der Bevölkerung vertreten, dass TV-Autoren bald kaum noch einen Ermittler ohne Zwangsstörung auf die Mattscheibe lassen. Nur -und dies ist die gute Nachricht vorneweg: Zwänge sind gut behandelbar und in der Regel auch nicht tödlich.

Egal ob Wasch-, Putz-, Ordnungs- oder Kontrollzwang, Berührungszwang, Wiederholungszwang, Zählzwang, verbale Zwänge, Sammeln, Stapeln, Horten, ja auch zwanghaftes Kratzen oder Haare ausreißen, Zwangsstörungen aller Art greifen ein in unser Leben, beeinflussen uns und unser soziales Umfeld genauso stark wie eine Axt Holz spaltet.

Zwei Prozent der Bevölkerung quer durch alle Längen- und Breitengrade sind von Zwängen betroffen, doch niemand spricht darüber! Ängste hingegen scheinen derweil salonfähig. Haben Zwänge gar ein Imageproblem? Was genau sind Zwangsgedanken, was sind Zwangshandlungen? Wer ist betroffen? Mehr Singles, mehr Frauen als Männer? Was sind die konkreten Symptome, wie fühlen sich die Patienten, was sind die Ursachen und was kann den Betroffenen helfen?

Entwarnung und Warnung

Zwangsgedanken, ja sogar Zwangsimpulse, jemanden zu verletzen oder zu töten, auch eine nahe stehende Person (auch gerichtet gegen die eigene geliebte Religion), sind recht häufig, kommen aber tatsächlich als Handlung durchgeführt eher in Film und Fernsehen als in Wirklichkeit zur Umsetzung. Dabei gibt weit mehr Formen von Zwängen, als man für möglich halten mag. Die Liste der möglichen Zwänge ist ganz einfach unendlich. Genauso wie bei den Ängsten. Es gibt nichts, was es nicht gibt!

Besonders wichtig ist, eine Zwangsstörung möglichst frühzeitig zu erkennen und ihr entgegen zu wirken, denn Zwangserkrankungen haben die Tendenz, sich auszuweiten und zu chronifizieren. Es bleibt dann nicht mehr nur bei dem einen Zwang, es kommen im Laufe der Zeit weitere hinzu. Oft kann dann nur noch ein Facharzt oder ein spezialisierter Heilpraktiker für Psychotherapie dem Zwangserkrankten helfen.

Zwangsstörungen – Millionen-Krankheit ohne Image

In Deutschland geht man von über einer Million Betroffenen aus. Die vermutete Dunkelziffer ist sogar weit höher. Damit sind Zwänge nach Depression, Schizophrenie und Angststörungen die vierthäufigste psychische Erkrankung. Experten schätzen, dass höchstens 10 % der von einem Zwang Betroffenen einen Psychiater aufsuchen. In England und den USA nennt man Zwänge deshalb auch zu recht THE HIDDEN DESEASE. Frauen und Männer sind in etwa gleich oft betroffen. Bei Frauen ist der Waschzwang häufiger, bei Männern der Kontrollzwang. Der Beginn der Symptomatik liegt in der Regel vor dem 35ten Lebensjahr, meist bereits in der Kindheit. Zumindest die Wurzel des Seelenleids liegt oft in den frühen Kinderjahren, was sich hier als ein Zwang zu erkennen gibt. Wer daher nur am Zwang und seinen für jeden offensichtlich erkennbaren Symptomen wie dem Kontrollieren, dem Waschen, dem Putzen, dem Zählen etc den Therapieerfolg sucht, der wird den immer nur kurzfristig haben.

Ist der eine Zwang weg, wird sich dann der gleiche oder ein anderer sehr bald wieder zeigen, weil eben, ganz einfach, nicht an der Ursache gearbeitet wurde. Diese Ursache/n liegt/liegen nach meiner Erfahrung, und ich kenne derweil, Stand Januar 2018, rund an die 1.000 derartige Fälle von Zwangsstörungen aller Art in unseren ersten Lebensjahren, die gestört wurden durch negative Ereignisse, die unsere “Pflöcke”, auf dem unser Wohlfühl-Seelen-Konstrukt gebaut war demoliert oder gar vernichtet haben. Enttäuschungen, verbaler, visueller oder physischer Missbrauch, zu strenge Erziehungsmaßnahmen, Umzüge, Schulwechsel, Beziehungsprobleme der Eltern sind nur einige der vielen möglichen negativ-Determinanten auf diesem Ursachensektor.

Zwänge haben ein Image-Problem

Zwänge sind weit weniger hoffähig als zum Beispiel Ängste. Sie haben keine gute Lobby und bleiben so wie ihre Träger meist im Verborgenen. Woran liegt das? Eine Betroffene und Autorin von „Ich und mein Zwang“, die jedoch mit ihrer über zehn Jahre langen Leidensgeschichte und Therapie-Erfahrung anonym bleiben will, gibt dazu im Interview zu verstehen: „So eine Frage kann nur von einem Nicht-Betroffenen kommen! Wenn man äußert, Angst zu haben, meinetwegen vor gefährlichen Menschen oder Tieren, vor der Zukunft, vor den Kollegen oder zum Beispiel vor der Arbeit, dann kann dies fast jeder halbwegs nachvollziehen. Das Gefühl von Angst kennt schließlich jeder in irgendeiner Form.

Die Angst ist ein gesellschaftsfähiger Gefühlszustand. Aber wie bitte schön“, so die Autorin weiter, „soll man erklären, dass man den ganzen Tag den Gedanken und damit die Angst hat, bei Unterlassen der Kontrolle eines Wasserhahns in der eigenen Wohnung eine Katastrophe im Mietshaus, in dem man wohnt, zu verschulden? So dass man den Wasserhahn zig Mal am Tag prüfen muss, ob er auch wirklich nicht tropft? Beim Zwang entsteht schnell bei allen, die davon hören, der Eindruck, man sei verrückt. Als Betroffener gewinnt man diesen Eindruck von sich selbst ja auch. Trotz gut funktionierender Vernunft überwiegt das ungute Gefühl, man könnte in allernächster Zeit eine Katastrophe verursachen. Dann hat man Schuld auf sich geladen, dann ist man ein Monster“.

Aufklärung tut Not und Aufklärung tut gut

Daher bleiben Zwänge gerne im Geheimen, werden dabei jedoch keineswegs weniger. Aber nur, wer sich seinen Zwängen stellt, der kann auch Erfolge erzielen im Kampf gegen sie. Aufklärung tut Not und Aufklärung tut gut. Dies zeigt sich zum Beispiel an dem erfreulichen Rückgang der Suizidalität in Deutschland. Diese positive Tendenz begann gleichzeitig mit der rasenden Entwicklung der Neuen Medien und dem freien Zugang zu Informationen über Therapien durch das Internet. Dies zeigt: Aufgeklärte, gut informierte Patienten erkennen ihren Hilfebedarf eher als Unwissende. Dazu helfen als erstes ein paar Fakten über Zwänge, Patienten, Symptome, Ursachen und -ganz wichtig- über den Vorgang, was genau bei uns im Körper passiert, wenn sich Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen ankündigen.

Betroffene berichten

Zwangsstörungen gehören zu den psychischen Krankheiten, die mit am häufigsten auftreten und dabei selbst dem Laien leicht auffallen. Andererseits ist die geschätzte Dunkelziffer besonders hoch. Denn für viele ist es noch immer wesentlich peinlicher, sich mit ihrem Zwang gleich welcher Art zu outen als zu sagen: „Du, ich geh’ da nicht hoch, ich hab’ Höhenangst.“ Im Grunde sind dabei Zwänge mit Ängsten stark verwandt, sie basieren sogar auf ihnen.
Petra, 44, aus Detmold zum Beispiel leidet wie viele unter Gedanken, die sie wie Befürchtungen urplötzlich martern. Diese Zwangsgedanken kann sie eigentlich nur ihrem Freund gestehen, meint sie zumindest. Womit sie nicht ganz Unrecht hat. So manch’ ein uninformierter Arbeitgeber wird sich beim Bekanntwerden einer Zwangstörung in seiner Mitarbeiterschaft oder gar bei Stellenneubesetzung eher gegen einen Zwangserkrankten entscheiden.
Petra meidet zum Beispiel das Einkaufen, bestellt alles nur noch per Internet. Eine Vermeidungstaktik, die ihren Zwang eher noch verschlimmert.

„Ich hab’ Angst, mich anzustecken, da wo Leute sind, viele Leute, in Einkaufzentren, Supermärkten, Wochenmärkten, Bus, Bahn, Flugzeug, Festivals, Kino. Das nervt mich fürchterlich, auch meinen Freund natürlich. Und kaum bin ich zuhause angekommen, wasche ich meine Hände ausgiebig, zwanghaft. Oft desinfiziere ich sie auch noch anschließend. Bin ich gerade fertig, und ich habe das Gefühl, noch immer nicht ganz sauber zu sein, geht das Ganze von vorne los!

Das geht so weit,

dass ich, wenn meine Mutter zu Besuch kommt oder mein Freund von der Arbeit, die auch erst mal ins Bad zum Duschen schicke“.
Thomas, 39, aus Brandenburg an der Havel, sieht mit seiner Brille aus wie ein sympathischer EDV-Nerd und hat neben seinem ausgeprägten Waschzwang zusätzlich den Zwang, ständig kontrollieren zu müssen, ob er etwas auf dem Gehweg, der Straße, im Supermarkt verloren hat. „Wenn ich zwei Schritte vor mache, muss ich gleich drei Schritte wieder zurück machen, um zu sehen, ob da nicht etwas von mir auf dem Boden liegt“. Das nervt natürlich nicht nur Thomas, sondern auch seine Familie.

Wenn sie ihn aber damit aufziehen und drängeln, er möge sich beeilen, dann wird es, wie Thomas erzählt, „nur noch schlimmer und wir kommen nie ins Kino oder fahren erst Stunden später los in den Urlaub. Und das stresst alle –allerdings mich wohl am meisten. Ich mache das ja nicht mit Absicht. Ich habe auch ein paar Therapie-Sitzungen gemacht. Das geht aber auch ins Geld. Die Konfrontationstherapie sollte ich auch, laut Therapeut, alleine machen. Ich hatte mir die Hilfe doch irgendwie anders vorgestellt“. Thomas arbeitet beruflich und privat viel am PC, so dass er zur Selbsthilfe griff und ausgiebig recherchierte: Er fand ein quasi Zwänge-Wundermittel, das die körpereigene Glückshormon-Produktion von Serotonin positiv beeinflussen soll durch die Aminosäure L-Tryptophan als Inhaltsstoff. Die Angst vor Nebenwirkungen gab Thomas zudem kreative Anstöße.

Er erfuhr: Diese Aminosäuren liefern insbesondere die an Getreide erinnernden Amaranth-Körner und der sogenannte Inka-Reis namens Quinoa. Thomas besorgte sich daraufhin in einem Reformhaus je 500 Gramm der ihm bis dahin völlig unbekannten kleinen Körner und startete eine self-made-Kur. Wir kommen später wieder zurück zu Thomas und sind gespannt, wie diese Eigentherapie bei ihm angeschlagen hat.

Unterschied Neurose – Psychose

Petra und Thomas sind nicht verrückt. Beide haben keine Psychose, nur eine Neurose. Was ist der Unterschied? Sie erkennen die Unsinnigkeit, sind sich sicher, „da ist etwas Verkehrtes los bei mir und in mir“. Würden sie dieses Gefühl nicht haben, und würden sie der Meinung sein, dies sei normal, dann hätten Petra und Thomas eine Persönlichkeitsstörung, eine sogenannte anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung. Wenn der Betroffene aber seine Zwangsgedanken nicht als seine eigenen ausmacht, sondern der Überzeugung ist, es seien Befehle von wem auch immer, die ihn veranlassen, seine Zwangshandlungen zu vollziehen, dann liegt eine schwere Psychose vor und spätestens dann sollte der Facharzt aufgesucht werden!

Probleme durch Zwänge

Zwangsgedanken und insbesondere Zwangshandlungen kosten Zeit, weil sie mit ständigen Wiederholungen verbunden sind, mit Taten, die der vom Zwang Betroffene bereits längst ein oder mehrere Male vollzogen hat. Sie können sogar etliche Stunden des Tages für sich vereinnahmen. Tätigkeiten am Arbeitsplatz dauern länger, weil der Kontrollzwang oder der Perfektionszwang einen stets weiter einfordert, Termine können nicht eingehalten werden, weil zuhause zum X-ten Male Fenster, Herdplatten, Türen und elektrische Geräte überprüft werden. Und beim Waschzwang leidet die Haut, besonders an den Händen sehr stark. Sie wird extrem brüchig, rissig, oft entzündlich und beginnt zu bluten. Nicht zuletzt leiden die jeweiligen Familien und Beziehungen und es kommt nicht selten zu Trennungen.

Dem Affen besser keinen Zucker geben

Gibt man dem Zwangsgedanken nach, dann erfahren die Zwangserkrankten erstmal Erleichterung, aber geben damit sozusagen „dem Affen Zucker“. Heißt: Der Zwang wird stärker! Einige Experten empfehlen sogar, dass man seinen Zwang personifizieren soll, zum Beispiel als einen Bären. Da mag man von halten, was man will, eine Kanalisierung kann hilfreich sein. Jeder reagiert und empfindet bekanntlich anders. Allerdings besteht die Gefahr auch dabei, dem Zwang dadurch nicht nur einen noch höheren Stellenwert zu geben, sondern auch noch den entscheidenden Schritt ins Wahnhafte und damit ins Psychotische zu machen. Der Zwang ist dann nicht Teil von einem selbst, sondern wird als von außen gemacht empfunden.

Was können Freunde und Familienmitglieder tun?

Das Umfeld ist früher oder später mindestens genauso genervt wie der Zwangserkrankte selber, nur anders. Während der Patient wahre Kämpfe aussteht, sehen die anderen nur, wie da jemand immer und immer wieder kontrolliert, ob die Wohnung abgeschlossen ist, die Fenster zu sind, die Autotüren verschlossen, ob sie nicht doch etwas verloren haben oder die Herdplatte noch angestellt ist. Die Zeit verrinnt, völlig sinnlos in den Augen des Beobachters, man kommt zu spät zum vereinbarten Termin, verpasst den Zug, das Flugzeug, die Bahn, das Essen wird kalt und der Streit ist vorprogrammiert: Der Erkrankte wird ermahnt, beschimpft und zusätzlich unter Druck gesetzt. „Das macht es“, so Petra schluchzend „nur noch schlimmer! Und ich fange dann wieder von vorne an, mir die Hände zu waschen und alles noch mal zu kontrollieren, und mein Freund denkt, ich bin verrückt und wir kommen nie mehr aus dem Haus“.

Tatsächlich ist der Effekt bei Ermahnungen der Lieben in solchen Situationen so, als ob man auf einen Topf mit kochendem Wasser einen Deckel setzt! Aber was kann der Freund oder das Familienmitglied tun? „Am besten ist für mich in der Stresssituation, keinen extra Druck zu bekommen. Gut ist, wenn mein Freund für mich kontrollieren geht und mir sagt, alles ist okay“. Nur gibt dies -fast genauso wie das „Selber-dem-Zwang-Nachgehen“- dem Betroffenen nur kurzzeitig Erleichterung. Dies ist kein Therapieweg, aber immerhin kurzfristig besser für die Beziehung.

Staumauer-Fluss-damm

Was geht vor im vom Zwang Betroffenen?

„Energetisch gesehen“, so die Co-Autorin des Buchs und der gleichnamigen DVD „Den Zwang abstellen“, Gabriele Raubart, „sind Zwänge Stauungen im Energiefluss. Normalerweise fließt das Wasser schnurgerade durch das Flussbett und wird nirgends gestaut. Werden Situationen oder Gedanken überbewertet und von Ängsten begleitet, kommt es im Lauf des Flusses zu einem Stau. Um den Stau aufzulösen, führt der Betroffene eine Zwangshandlung aus, wie zum Beispiel das unsinnige Kontrollieren dessen, was er gerade schon „geprüft“ hat. Er fühlt sich gezwungen, die Kontrolle solange zu wiederholen, bis er zu der Erkenntnis und somit zur Gewissheit gelangt, dass wirklich alles in Ordnung ist. Dann erst kann er die Zwangssituation verlassen und ist für eine Weile, die mit zunehmender Dauer der Erkrankung immer kürzer wird, beruhigt“. Doch dieses Kontrollieren ist nichts anderes als das Eintrittstor zum Teufelskreis der Zwangsspirale.

Selbsthilfe-Tipps

Was Betroffenen selber helfen kann, sagt sich leicht, ist es aber nicht: Gelassen sein. Die Zwangsgedanken akzeptieren. Akzeptieren, dass sie da sind und dass sie unrealistisch sind. Sie werden von alleine wieder gehen, so wie sie gekommen sind, so wie ein Vogel, der vorbei fliegt oder eine Wolke am Himmel vorbei zieht. Das braucht auch etwas Ausdauer, ja vielleicht Training. Und warum es nicht als sportliche Herausforderung sehen, seinen Zwang zu besiegen? Vielleicht jeden Tag ein bisschen mehr, eine Kontrolle weniger oder einmal sich weniger oft die Hände waschen? Warum: Andere haben es doch auch geschafft! Positives Denken, den Willen, den Kampf aufzunehmen, sich Ziele setzen und die Einsicht, dass keinerlei Gefahr für sich oder andere entsteht, wenn man dem Zwang nicht nachgibt, das kann jeder Betroffene für sich selber leisten. Und last not least, sich selber, seinen Fähigkeiten und seinen Sinnesorganen wieder neu vertrauen!

Denn es stimmt:

Die Katastrophen, die der Zwang dem Betroffenen weismachen will wie zum Beispiel, das Mietshaus brenne ab, wenn die Herdplatte unkontrolliert bliebe oder stünde bald unter Wasser, wenn nicht gleich noch mal alle Wasserhähne geprüft werden würden, diese Katastrophen treffen einfach nicht ein.

Meditation, Yoga, Ausdauersport, Schwitzen, Gelassenheit, Joggen, Gärtnern, PMR/E, Schwimmen, Radfahren, Hypnosetherapie, Selbsthypnose, Schreiben, Selbsthilfegruppen, Entspannungstechniken, Qigong, sogar Boxen soll helfen. Andere stricken, sticken oder nähen, was mehr in Richtung Ablenkung geht, verbunden mit körperlicher Bewegung tun wir auch etwas für unseren Serotoninspiegel, der ja in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Kleine Erfolge gewährleisten, seien sie auch noch so klein und darauf aufbauen
Drüber reden, Positives Denken, Willen fassen
Ziele setzen , Sich selbst vertrauen, Seinen eigenen Sinnen vertrauen

Ernährung:

Bananen, Schokolade, Rohkost, eiweißarmes nicht erhitzt, gründlich und ausgiebig kauen, Vitamin B6, Vitamin C, Omega 3 Fettsäuren, Nüsse (Cashew), Bohnen, Samen: Sonnenblumenkerne, Sesam, Hirse, Amaranth, Quinoa, Weizenkeime, Pilze, Früchte wie Kiwi, Pflaumen, Pfirsiche, Wildheidelbeeren.

Meiden: Kaffee und alles was Sie triggert wie Stress etc.

Lehrmeinungen der Schulmedizin über Zwänge

Wann kann man eigentlich wirklich von einem Zwang sprechen? Denn eine Herdplatte, ein Türschloss, ein Fenster hat sicher jeder schon mal mehr als einmal kontrolliert. Schlagen wir nach in der druckfrischen Neuauflage des Lehrbuchs von Jürgen Koeslin zum Thema „Psychiatrie und Psychotherapie für Heilpraktiker“, so erfahren wir, dass ein Zwang vorliegt, wenn „es nicht gelingt, sich immer wieder aufdrängende Denkinhalte oder Handlungsimpulse zu unterdrücken oder zu verdrängen, obwohl erkennbar ist, dass diese unsinnig oder unbegründet sind“. Die Betroffenen haben dabei aber einen klaren Realitätsbezug, das heißt in anderen Worten, sie wissen, es sind ihre eigenen zwanghaften Gedanken und sie empfinden ihren Zwang als lästig. Eine Erkrankung liegt vor, wenn Denken, Handeln und das soziale Verhalten beeinträchtigt werden.

Wenn keinerlei Krankheitseinsicht auszumachen ist, hat der Patient vermutlich auch einen Realitätsverlust. Dann handelt es sich wie bereits angeführt um eine schwere Psychose mit Verdacht auf Wahnanteilen, vor allem wenn der Zwang deutlich für den Außenstehenden erkennbar ist, jedoch vom Patienten als normal angesehen wird. Der Weg zumindest zum Facharzt für Neurologie oder Psychiatrie sollte dann auf dem schnellsten Weg eingeschlagen werden.

Wie viele Zwänge gibt es?

Oder: Ein Chamäleon namens Zwang

Im Grunde ist die Anzahl wie gesagt unbeschränkt. Aber der Wunsch zum Kategorisieren ist nur menschlich und verständlich. Die wohl bekanntesten sind der Waschzwang, der Kontrollzwang, Ordnungszwang, Wiederholungszwang, das zwanghafte Aufkratzen von Hautunreinheiten, sowie der Zwang zum Sammeln und Horten und die primäre zwanghafte Langsamkeit, bei der alles wie im Zeitlupentempo gemacht wird. Außerdem gibt es zwanghafte Gedanken in Verbindung mit Angst vor Ansteckung und Missbildung, Zwangsgedanken mit (auto-)aggressivem Inhalt oder den Zählzwang, den Bet-Zwang, den Auflist-Zwang, Anfasszwang, Anstarrzwang sowie Zwänge, die mit abergläubischem Verhalten in Verbindung stehen. Die Liste ist endlos. Das Gemeine ist dabei oft: Kaum hat man den einen Zwang in den Griff bekommen, kommt ein anderer hinzu. Der Zwang sucht sich dann wie oben erwähnt neue Wege. Zwänge sind also flexibel und neigen noch dazu zur Chronifizierung, WENN MAN NICHT DIE URSACHE BEARBEITET.

Nicht selten waschen sich die Waschzwang-Betroffenen an die hundert mal am Tag oder öfter die Hände, meist nach einem bestimmten, selbst festgelegten Ritual. „Jede meiner Handseiten“, so Petra, „hat einen Namen. Und die werden in einer Reihenfolge, die mir ins Blut übergegangen ist, eben gereinigt. Oft bin ich mir dann aber im Anschluss nicht mehr sicher, ob wirklich alle Seiten sauber sind. Dann muss ich wieder und wieder von vorne anfangen.

Klar, sind meine Hände rau und ich muss sie ganz oft eincremen, sonst platzt die Haut und ich blute an den Händen“. Ähnlich also dem Kontrollzwang, bei dem ein und die selbe Handlung immer wieder wiederholt wird. Dahinter steckt die Angst, Fehler zu begehen, die schwere Folgen haben können, respektive der Zwang, Fehler vermeiden zu wollen. Egal, welchen Namen der Zwang trägt, er nervt den Patienten und die Umwelt, ist schädlich und kostet Zeit. Und doch ist ein Zwang oft alleine nicht zu besiegen.

Therapieformen:

Zwangsstörungen nannte man früher auch Zwangsneurosen und ging davon aus, dass eine Behandlung sinnlos sei. Heute werden gerne Psychotherapie und Psychopharmaka kombiniert. Aber auch so werden nur 10 bis 20 Prozent der Betroffenen symptomfrei, die Zahlen schwanken. Etwa die Hälfte der Zwangserkrankten leidet ihr ganzes Leben an dieser tatsächlich nervigen Störung.
Sigmund Freud, der Großvater der Psychoanalytik, macht eine mögliche Fixierung auf die anale Phase in unserer frühkindlichen Entwicklung verantwortlich, was so viel heißt wie: Im Alter von etwa zwei oder vier Jahren erfahren wir die Afterregion oder den Toilettengang oft im Kontext mit Lob und Tadel, Macht und Widerstand.

Diese Phase ist entscheidend für die Entwicklung der Autonomie,

der besonders rigide Eltern entgegen wirken können. Wenn dadurch die Entwicklung stockt, Schädliches erlebt wird, und es so zu einer Fixierung kommt, kann es später zur Entwicklung eines „analen Charakters“ kommen, so der freudsche Ansatz. Dieser anale Charakter ist charakterisiert durch Geiz, Eigensinn und Ordnungsliebe. Allerdings verdrängen wir das Kindheitsproblem in unser Unterbewusstes, was der Psychoanalytiker in zahlreichen Sitzungen im Gespräch mit dem Patienten wieder zu Tage bringt.

Es erscheint fraglich, ob Psychopharmaka (spezielle Antidepressiva und Serotonin-Präparate) hier die richtige Ergänzung sind. Zumal die Hirnforschung bis heute in Sachen Zwänge eher auf wackeligen Beinen steht: Eine Hypothese besagt, dass bei der Zwangsstörung bestimmte Botenstoffe ihren „Job“ im Hirn nicht richtig ausführen, eine andere geht davon aus, dass gewisse Bereiche im Gehirn überaktiv sind, so dass beim Betroffenen die Information nicht ankommt, dass die Handlung, zum Beispiel die Herdplattenkontrolle, längst ausgeführt ist. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer sollen dagegen wirken. „Tatsächlich konnte in verschiedenen Studien belegt werden, das solche Serotonin-Wiederaufnahmehemmer eine positive Wirkung auf die Zwangssymptomatik haben. Es konnte allerdings bislang nur ungenau erklärt werden, weshalb genau diese Medikamente eine zwangsmindernde Wirkung haben“, so der Schweizer Psychotherapeut Dr. phil. Hansruedi Ambühl in seinem Buch „Wege aus dem Zwang“.

WAS GESCHIEHT IM HIRN EINES ZWANGSGESTÖRTEN?

Peter-Abadh-Kuehn(c) Peter Abadh Kühn- Interview des Autors zum Thema Zwangstörungen mit Peter Abadh Kühn, Leiter Berliner Schule für Heilkunde, langjähriger Gestalttherapeut, Heilpraktiker, Hypnosetherapeut
Frage: Was geschieht im Gehirn bei einer Zwangsstörung?
Antwort: Man kann sich das in etwa so vorstellen: Im Gehirn arbeiten viele Systeme eng miteinander zusammen, die sich gegenseitig ergänzen und kontrollieren und wechselseitig voneinander abhängig sind; vorzugsweise ist alles dabei im Gleichgewicht, was unser Körper einfach braucht.

Ist dieses Gleichgewicht gestört, kommt es zur Zwangsstörung. Bei einem solchen Ungleichgewicht, einem Serotoninmangel, ist das Zusammenspiel der Nerven, Synapsen und Neurotransmitter gestört. Serotoninwiederaufnahmehemmer verstärken die Wirkungsweise des körpereigenen Serotonins, und kommen hier oft zum Einsatz. Allerdings wirken die erst nach einigen Wochen und dann nur bei etwa der Hälfte der Patienten bei einer Rückfallquote von an die 90 %, selbst bei einer Einnahme von einem Zeitraum über ein oder zwei Jahre. Und es ist bis heute noch unklar, was genau bei diesen Präparaten direkt oder indirekt wirksam auf die Zwangsstörung ist.

Es wird unter anderem auch vermutet, dass die Schlafverbesserung, die bei der Einnahme oft mit einhergeht, ursächlich für eine Verbesserung sein kann.

Frage: Da scheint die Forschung ja noch wahrlich reichlich Bedarf zu haben. Aber weiß man, wo genau bei einer Zwangsstörung dieses Ungleichgewicht passiert?
Antwort: Wenn man das Gehirn genau in der Mitte längs durchschneidet, ziemlich genau in der Mitte oberhalb des Balkens, lateinisch Corpus Callossum, befindet sich der Gyrus Cinguli. Unter anderem hat dieses System die Aufgabe, unsere kognitiven Fähigkeiten und unsere Anpassungsfähigkeit zu bewahren. Bei einer Störung in diesem System verliere ich diese kognitiven Fähigkeiten.
Frage: Wie kann man sich das genau vorstellen?
Antwort: Im Alltag müssen wir ständig unterscheiden zwischen wichtig und unwichtig. Auf dem Weg zum Zeitungskiosk begegne ich Autos, Passanten, Radfahrern, Hunden, Kindern, Fliegen, Flecken auf dem Fußweg, was auch immer –alles irrelevant für mich auf dem Weg zu meiner Zeitung. Unser Cinguläres System entscheidet für uns dabei -für uns völlig unbewusst-, was für mich wichtig ist und was nicht. Ist das System gestört, und das ist bei Zwangsstörungen so, dann verhafte ich plötzlich zum Beispiel bei völlig unwichtigen Dingen, dem Fleck auf dem Fußweg, dem Strich auf der Straße, der Laterne, die dann als Zwang zum Beispiel gezählt wird, und das Leiden beginnt.

Aber der Zwang hat auch noch einen Aspekt:

Oft tritt er auf, wenn wir das Gefühl verspüren, keine Kontrolle zu haben und hat dann die Halt gebende Funktion, sei es Nägel kauen oder auch Haare ausreißen. Es ist eine Art Angst-Bewältigung über die Zwangsgedanken oder in dem Fall Zwangshandlungen. Genau betrachtet kann Angst die Ursache sein von einem Zwang, aber auch die Folge, weil der Betroffene wiederum Angst hat, durch seinen Zwang etwas Unerwünschtes zu tun.
Frage: Wann spricht man überhaupt von Zwangsstörungen?
Antwort: Zwanghaftes Verhalten, Angewohnheiten und Rituale geben auch Ordnung und Sicherheit. Unzählige Menschen stehen zum Beispiel nur mit dem rechten Bein zuerst auf, so etwas ist noch lange nicht pathologisch, erst in der Übertreibung wird es zwanghaft. Das merkt der Klient und seine Umwelt. Zwanghaft kann auch Nägelkauen sein oder zwanghaftes Zählen von Laternen oder Platten in Fußwegen ebenso wie der Wiederholungszwang. Da muss der Betroffene zum Beispiel die Haustür mehrfach, also eine ganz bestimmte Anzahl, vorher auf- und zumachen, bevor er sie dann final oder auch nach einem Ritual endlich abschließt. Besonders gemein wird es dann bei Trichotillomanie, dem Zwang, sich die Haare auszureißen zu müssen. Bei Zwangsgedanken ist es recht häufig, man könne von einem Stein, der vom Himmel fällt erschlagen werden oder anders herum: Man könne jemanden verletzt haben. Dann geht der Betroffene noch mal zurück um die Hausecke, um zu sehen, ob da jemand von ihm verletzt am Boden liegt.

Die Ursachen sind noch immer nicht eindeutig geklärt,

da hat die Forschung bis heute noch großen Bedarf. Einig ist man sich, dass es, ohne eine richtige Erbkrankheit zu sein, eine genetische Veranlagung gibt. Kommt dann ein Auslöser hinzu, meist schon in einer sehr frühen Zeit im Leben, kann diese genetische Veranlagung wirksam werden.
Frage: Welche Art von Auslöser gibt es?
Antwort: Meistens sind es Lebenskrisen, Belastungen, die im Leben passieren, Beziehungskrisen, Trennungen, Tod, starker Stress oder zum Teil sogar frühkindliche Störungen.
Frage: Wo setzt da die Hypnosetherapie ein?
Antwort: In der Hypnosetherapie können wir in diese Bereiche zurück gehen, sogar in Bereiche, zu denen wir selber keine bewusste Erinnerung haben. Diese Methode nennt sich „back to the roots“, dabei gehen Therapeut und Klient dessen Leben phasenweise zurück und gemeinsam wird nach einer Stimmung oder einer Lebenssituation Ausschau gehalten, die als Auslöser verursacht hat, was der Klient jetzt als Störung empfindet. Dafür gibt es keine festen Zuordnungen wie bei Freud, sondern: Einsamkeit, Bedrohung, Schläge, Vernachlässigung, Trennung der Eltern…alles ist als Auslöser möglich. Man kann sagen: Die Lebenskrise findet über den Zwang ein Ventil. Diese Lebenskrise schauen sich Therapeut und Klient in der Hypnosetherapie gezielt gemeinsam an und der Klient durchläuft und erfährt dann diese Krisensituation neu und besser und geht daraus gestärkt hervor, nicht zuletzt deshalb, weil das Unterbewusstsein nicht unterscheidet zwischen real oder in Trance Erlebtem.
Frage: Das erklärt auch, wie erholt man sich nach einer geführten Reise in Hypnose fühlt, die man ja de facto gar nicht gemacht hat?
Antwort: Ja, so könnte man das erklären.

Frau Maske zweites Gesicht

Eine Zwangsneurose entsteht

„Schon als Kind wurde mir eingetrichtert: rechts ist gut, links ist schlecht. Da bin ich deshalb auf dem Heimweg immer umständlich ausschließlich rechts um Hindernisse wie parkende Autos herum gegangen. Und wenn ich etwas wiederholte, dann musste ich das dreimal machen, weil drei eine, ja einfach die gute, heilige, Zahl sei, hieß es immer. Von wegen Dreifaltigkeit und so“. Wie wir noch sehen werden, wurden hier bei Petra die ersten Voraussetzungen und Grundsteine für ihre Karriere als Zwangsneurotikerin geschaffen. „Ich erinnere mich auch noch, dass ich ständig gefragt wurde, ob ich mir auch die Hände gewaschen hätte nach dem Spielen, vor dem Essen oder vor dem Schlafengehen, und ich hab dazu regelmäßig gruselige Geschichten über wie Aliens aussehende Bakterien zu hören bekommen.

In die Kirche musste ich auch ständig gehen. Da muss man ja auch immer alles dreimal machen“. Als ihr Vater sehr tragisch und plötzlich verstarb, kamen Petras Zwänge mit Ende 20 so richtig zum Ausbruch.
Bei der Autorin des Buchs „Ich und mein Zwang“ begann das Zwangs-Szenario bereits im zarten Alter von sechs Jahren mit ausgeprägten Kontrollzwängen. Daneben entwickelte sie mit Beginn der Pubertät und dem Einsetzen der Menstruation, ca. ab dem 11. Lebensjahr, den Zwangsgedanken, schwanger zu werden, falls sie sich auf Stühle setzte, auf denen vorher Männer gesessen hatten. Der Nährboden für diesen Zwangsgedanken bildete die mangelhafte Aufklärung seitens ihrer tief katholischen Mutter. Um die Angst, die mit dem Zwangsgedanken einherging, zu reduzieren, begann sie sich fortan ständig zu waschen. Aus psychodynamischer Sicht entstehen Zwänge, um einen Abhängigkeits-Autonomie-Konflikt abzuwehren.

Das strenge „Über-Ich“ steht im klaren Widerspruch zum „Es“, unserer Triebhaftigkeit,

vielleicht kann man auch einfach dafür „Natürlichkeit“ sagen. Das Kind wird ja in der analen Phase weiter selbständiger. Das ist die völlig normale Entwicklung. Es will die Welt erkunden und erobern. Wenn besonders strenge Eltern übermäßig viele Verbote und Gebote setzen, kommt es zum Konflikt. Sie unterbinden das Bestreben des Kindes nach Autonomie, mit oder ohne Strafen. Das Kind kommt dadurch in einen Konflikt mit seinem „Es“, also seinem Trieb, dem Wunsch nach Autonomie und dem strengen Über-Ich, in diesem Fall in Form der Eltern. Fertig ist der Konflikt, der sich dann unaufgelöst in einem Zwang äußern kann.   Es muss dabei nicht mal zu einem großen Familien – Drama kommen. Der Konflikt ist da und der Konflikt wandert mit der Zeit ins Unterbewusstsein. Eine Speicherleistung unseres Gehirns für alles, was wir nicht unbedingt ständig brauchen. Gut möglich, dass ein heftiger Streit mit anschließender Schlichtung das Kind vor einer Zwangs-Karriere bewahrt hätte.

Zurück zu Petra: Sie hat ihre Medikation sofort abgebrochen, als sie damals von den Nebenwirkungen ihres Medikaments erfuhr. „Und beim Expositionstraining kam ich mir vor wie ein Hund im Versuchslabor. Ich habe mich jetzt zwischen Hypnosetherapie und Klopfakupressur entschieden und will das mal mit dem Klopfen ausprobieren, ich bin ganz aufgeregt und furchtbar gespannt, ob es funktioniert“.

Klopfen Sie schon oder leiden Sie noch?

Die Welle der Klopfakupressur ist relativ neu aus den USA über den großen Teich zu uns herüber „geschwappt“, basiert aber wie so vieles auf der Jahrtausende alten chinesischen Medizin. Grundthese ist, dass bei Zwängen das eigentliche Problem die Gefühle sind: das unangenehme Gefühl, der Herd sei noch an oder die Hände seien noch schmutzig.
Man konzentriere sich auf sein Problem und klopfe eine Reihe von Punkten an seinem Körper ab, während man positive Affirmationen spricht wie: „Auch wenn ich diesen Waschzwang habe, bin ich völlig okay“. Die Methode ist nicht unumstritten. Es fehlen wissenschaftlich relevante Studien und man sagt der Klopfakupunktur nach, sie sei nicht nachhaltig. Ihre Fans jedoch sind überzeugt, Klopfakupunktur würde bei nahezu allen psychischen Krankheiten sowie auch bei chronischen Schmerzen helfen. Die aktuellen Bezeichnungen lauten heute EFT (Emotional Freedom Techniques) oder MET (Meridian-Energie- Techniken). Egal wie die Bezeichnung lautet, man konzentriert sich auf sein Problem und klopft seine Akupunkturpunkte ab.

Die bereits weiter oben erwähnte Expertin und Co-Autorin von “Den Zwang abstellen“, Gabriele Raubart, erklärt die Basis dieser Methode wie folgt: „Man nimmt an, dass die negativen Emotionen Unterbrechungen im Chi-Fluss verursachen. Denkbar möglich ist es natürlich auch umgekehrt, und durch das systematische Beklopfen werden diese Unterbrechungen, Staus, aufgelöst. Gibt man den Zwängen nach, werden sie stärker, beklopft man sie stattdessen, kann man sie wirklich loswerden“. Objektiv betrachtet fließen hier zum einen aus der Verhaltenstherapie die Konfrontationsmethode und zum anderen de facto das physische Klopfen zusammen.

Tritt eine Verbesserung ein,

dann hat also von dieser zweigleisigen Methode alle beiden Verfahren zusammen positiv gewirkt oder aber nur eines davon. Aber welches? „Das Beklopfen der Zwänge“, so Raubart, „ist im Grunde ein Konfrontationstraining, wie man es in der klassischen Verhaltenstherapie anwendet: Nicht vor der Angst davonlaufen, sondern sich ihr stellen! Wenn man sich in einer Situation befindet, die Zwänge hervorruft, so hilft das rhythmische Beklopfen der Akupunkturpunkte zum einen in der Weise, dass es den Fokus der Aufmerksamkeit von den Zwängen weg zur eigenen Person lenkt. Zum anderen -und das ist wesentlicher- verlangt das Klopfen, um wirksam werden zu können, ein bewusstes Auseinandersetzen mit der Angst. Sie hat sich regelrecht in einem angestaut, man kann sie fühlen, und man beklopft sie und spürt, wie sie kleiner wird, wie sich der innere Zwangs-Knoten langsam aber sicher auflöst. Wenn die Angst geht, können auch die Zwangsgedanken davonziehen, und man kann die zwangsbesetzte Situation verlassen“, so die Expertin Gabriele Raubart.

Kognitive Verhaltenstherapie Nach ausgiebiger Diagnostik, Information, Aufklärung und sozialem Kompetenztraining kann im Zuge von einer kognitiven Verhaltenstherapie ein Reiz-Konfrontationstraining „in sensu“, das Mittel der Wahl sein: Ein Betroffener, der zum Beispiel zwanghaft jegliche Ansteckungsmöglichkeit meidet, muss dabei Blutkonserven anfassen oder gar Aids-Erkranke umarmen.
Diese Expositionstherapie sollte nur Therapeuten mit expliziter und fundierter Ausbildung auf diesem Gebiet überlassen werden. Zum einen kann das Herz-Kreislauf-System stark beeinflusst werden, zum anderen ist der Erfolg nicht garantiert und sogar eine Verschlechterung der Symptome ist möglich. Der Klient könnte sich auch plötzlich verweigern und abbrechen.

Ergebnisse der Selbstversuche

Wie verabredet treffen wir Petra nach zehn Tagen wieder: „Ich bin total happy! Teils waren meine Zwänge komplett weg, da hab’ ich mich prima gefühlt, aber auch, ganz komisch, erst mal irgendwie unvollständig, als der Zwang nachließ. Dann kam er wieder und ich habe wieder geklopft. Heute bin ich so gut wie alle Symptome nahezu komplett los, ich habe mein Leben wieder, nein, ich starte ein neues Leben ohne Zwänge, jetzt!“ Aber sie gesteht auch, sie habe seit langer Zeit endlich wieder mit dem Joggen angefangen. Das wäre dann eine multimodulare Therapie und somit voll im Trend in der heutigen Psychotherapie.

Und Thomas? Was wurde aus Thomas? Der Computer-Nerd wirkt zumindest auf den ersten Blick schon mal um einiges vitaler, ja, sogar ein wenig schlanker und positiv aufgedreht: „Ich habe sofort am ersten Tag losgelegt und mit dieser komischen, ich nenne es mal Hirse gekocht, gebacken, experimentiert, Amaranth-Popcorn und Quinoa-Hamburger versucht, zusammen als Salat und Müsli genutzt und mir oft Puffer damit zubereitet. Das hat echt Spaß gemacht. Alles eher nach Gefühl. Parallel habe ich Tagebuch geführt und schon am ersten Tag, Placebo-Effekt hin oder her, habe ich starke Verbesserung und eine Abnahme meines Zwangs verspürt“.
Buchstäblich Schritt für Schritt hat sich Thomas dabei gesteigert. „Statt zwei Schritte vor und drei Schritte zurück um zu kontrollieren, ob das, was da am Boden liegt, vielleicht von mir stammt, konnte ich schon nach wenigen Tagen, mich auch gut gekräftigt fühlend, fast an die zweihundert Meter ohne einen Stopp zurücklegen“.

Heute schafft es Thomas schon, eine ganze Straße lang zu gehen,

ohne einen Blick hinter sich auf den Boden zu werfen. Das ist in jedem Fall ein großer Erfolg. Sein Zwang ist nicht völlig weg, aber auch sein Waschzwang ist, so Thomas, viel weniger geworden. Das freut seine Haut, seine Familie, ihn selber und auch sein Portemonnaie, „denn das Waschen und Duschen geht ja auch ins Geld“, wie er sagt. Thomas ist mit seinen Fantasierezepten so gut wie gar nicht Anleitungen oder Herstellerhinweisen gefolgt. Er hat stattdessen selbstständig und selbstbewusst sich und die fremden Körner ausprobiert. Sozusagen „frei von der Leber weg“ – das blanke Gegenteil von Zwang und Rigidität also.

Es gibt also viele Wege, die aus dem Zwang herausführen. So wie aber jeder Mensch individuell verschieden ist, gibt es auch kein Allheilmittel. Zwang und Rigidität selbstbewusst mit festem Willen und Ausdauer entgegen zu treten und neue Wege zu beschreiten, ist dabei ganz sicher mit die beste Voraussetzung, den Kampf gegen seinen Zwang zu gewinnen!

Und es gibt noch einen Weg, nämlich meinen. In meiner Praxis in Berlin arbeite ich zusammen mit meinen Patienten mit meiner „Big 5 – Methode“©. Dabei kommt –respektive kann zum Einsatz kommen- individuell abgestimmt und nach Absprache mit dem Klienten zusätzlich zu den klassischen Richtlinienverfahren: Hypnosetherapie, Tierunterstützte Therapie, Reiki, Psychoedukation (=Patientenaufklärung) und Massagen (Klangschalen und die neue Slow-Slow-Massage). Ich bin übrigens Heilpraktiker für Psychotherapie mit einer Praxis im wunderschönen Berlin-Schöneberg. Hypnosetherapeut, Tierheilpraktiker, Dozent, Reiki-Meister & Mitglied im Verband Unabhängiger Heilpraktiker bin ich außerdem, sowie Fachautor für Gesundheit und Ernährung mit zahlreichen Filmen und Artikeln.

Quellen zum Fachartikel:

  • Gabriele Raubart, Andreas Seebeck: Den Zwang abstellen (Buch und DVD), LOTUS PRESS, 2008
  • Anonyma: Ich und mein Zwang. Himmel-Erde-Mensch-Verlag, 2012
  • Jürgen Koeslin: Psychiatrie und Psychotherapie für Heilpraktiker, © 3. Auflage 2011 Elsevier GmbH, München
  • Hansruedi Ambühl: Wege aus dem Zwang, Patmos, 2007, Düsseldorf
  • Dilling/Mombour/Schmidt (Hrsg): Internationale Klassifikation psychischer Störungen, 9. Auflage, Verlag Hans Huber

Norbert Stolze

© by Norbert Stolze, Leib & Seele Coach, Heilpraktiker für Psychotherapie & M.A. Pädagogik, Englisch, Deutsch, Psychotherapie, Hypnosetherapie, Reiki- und Chakratherapie I PR & Fachartikel mit und für Leib & Seele I Mitglied im Verband Unabhängiger Heilpraktiker  I http://zwangsstoerungen.jimdo.com/     http://norbertstolze9.wix.com/leib-seele-coach

Für Klienten mit Zwangsstörungen
(c) Norbert Stolze

Heilpraktiker für Psychotherapie & M.A. Pädagogik

2. Februar 2018

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Über den Autor Norbert Stolze

Zwangs-Störungen Norbert Stolze

“Nachdem ich viele Jahre für TV-Sender Filme und Sendungen zum Thema Gesundheit produziert habe, machte ich mich als PR-Berater mit Spezialisierung auf… ”

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