Kommunion oder Kommunikation?

Giraffen im Gespräch

Kommunikation Giraffen im GesprächKommunikation oder Kommunion?

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Wir sind hyper-connected und können mit unseren Smartphones in jedem Moment unseres Lebens (sogar auf der Toilette) mit anderen in Kontakt bleiben. Viele Jugendliche sind fast dauernd am chatten – 100 Messages die Stunde sind da keine Seltenheit. Hast Du Dich schon mal gefragt, was das mit unserem Geist macht? Wir sind ohnehin schon so unruhig und jetzt fördern wir diese Unruhe auch noch mit nie zuvor dagewesenen Powertools! Es lebe die Kommunikation.

Es kommt nicht von Ungefähr, dass Stille in allen spirituellen Traditionen so einen hohen Stellenwert hat. Nur wenn wir die Stille in uns entdecken und kultivieren, können wir mit unserer wahren Natur in Kontakt kommen und innerlich glücklich werden.

Das heißt natürlich nicht, dass man gar nicht reden darf. Ein gewisses Maß an Kommunikation ist notwendig und gut, aber wenn man schon redet, sollte man mit Bedacht reden. Das heißt, man sollte bei der Wahl seiner Worte auf das Wohlbefinden seiner Mitmenschen achten und nicht mehr reden als notwendig. Mir fällt das manchmal auch nicht leicht, aber ich übe mich darin – werde ruhiger und habe immer weniger das Bedürfnis, anderen meine Meinung aufzuschwatzen. (Ja, ja – wenn ich das hier schreibe, ist das natürlich auch meine Meinung – ich versuche mich selber dabei aber möglichst aus dem Spiel zu lassen und hoffe, dass meine Worte in die „heilsame“ Kategorie fallen. ;P )

Hier eine (natürlich nicht vollständige) Liste von Gründen, warum wir so viel reden:

Praktisches

Ein gewisser Teil unserer Kommunikation hat mit praktischen Dingen zu tun – und das ist okay. Die Sprache hat es uns Menschen überhaupt erst ermöglicht, in unserer Entwicklung so weit zu kommen und in einer so ausgefeilten Gesellschaft miteinander zu leben. Das möchte ich nicht missen. Aber wenn man es ehrlich betrachtet, dann kann man sehen, dass der Großteil von dem, was wir sagen und denken, nicht in diese Kategorie fällt… beobachte das doch einmal für Dich selber. Hinterfrage eine gewisse Zeit Deine Worte und Gedanken und ich bin sicher, Du wirst sehen, dass dem so ist.

Ablenkung & Unruhe

Ein großer Teil unserer Kommunikation ist ganz einfach nur der Ablenkung gewidmet. Wir verspüren eine innere Unruhe, sind nicht ganz zufrieden mit uns und dem Moment, so wie er gerade ist. Und wir haben auch nicht den Nerv und die Geduld tiefer in uns zu gehen, um herauszufinden, woher diese Unruhe und Unzufriedenheit kommt – also decken wir das ungute Gefühl mit Worten zu. Und wir merken es nicht einmal, sondern machen uns stattdessen vor, dass wir die vielen Worte wirklich brauchen.

Die eigene Meinung

Ein weiterer interessanter Aspekt unserer Sprechsucht ist das Bedürfnis, der Welt immerzu unsere Meinung kund zu tun. Es ist kein Schaden, wenn man etwas wohl durchdenkt und dann zum Ausdruck bringt, nur leider ist unsere Meinung sehr selten wohl durchdacht. Und selbst wenn wir eine fundierte Meinung haben, sollte wir uns immer im Klaren sein, dass es eben nur eine einzelne Meinung aus einem beschränkten Sichtwinkel ist. Wir sollten daran arbeiten, so wenige Meinungen wie möglich zu haben und wenn wir eine Meinung zu einem Thema haben, sie bloß als Arbeitsthese betrachten, die uns das Leben etwas leichter macht, aber stehts dazu bereit sein, sie über Bord zu werfen, wenn sie sich als falsch erweist oder uns zu einer Last wird.

Die „Geschichte von Mir“

Ein Begriff, den Eckart Tolle immer wieder verwendet und den ich erstmals bei Barry Long gehört habe ist „The Story of Me“. Wir sind süchtig danach, unsere Lebensgeschichte in Gedanken zu spinnen und sie zu bekräftigen, indem wir der Welt immer davon erzählen. Das kommt daher, dass wir unsere dauerhafte, innere Natur nicht kennen, und dadurch in steter Angst vor dem Tod leben. Um dieser Angst entgegenzuwirken, versuchen wir unsere Identität zu bekräftigen. Das Erzählen unserer Geschichte gibt uns das Gefühl, eine feste, dauerhafte Existenz zu haben. Aber es ist eben nur eine notdürftig zusammengeflickte Geschichte, die auf unsicherem Grund aufbaut. Wie Jesus gesagt hat, sollten wir unser Haus nicht auf Schlamm bauen!

Exemplarisch für dieses Verhalten sind Menschen, die nicht in der Lage sind anderen zuzuhören, sondern immer nur von sich selbst reden können, egal ob es im Gespräch gerade passt oder nicht. Aber auch wenn es in uns nicht ganz so offensichtlich ist, sollten wir uns trotzdem von unserer Geschichte abwenden. Der beste Weg, um dieser Tendenz entgegenzuwirken, ist es unseren Fokus auf andere zu richten und mehr zuzuhören. Und natürlich hilft auch hier, wie immer, die Meditation.

Kommunion

Kommunikation hilft uns auch mit anderen in Verbindung zu kommen. Wir fühlen uns einsam und klein und wollen in Kontakt mit anderen Menschen sein. Das ist nur natürlich und auch nicht schlecht, doch wir sollten erkennen, dass wir diese Verbundenheit auch ohne andere Menschen erleben können. Im Kontakt mit anderen, spüren wir einen Abglanz dessen, wie es ist, wenn wir mit unserer wahren Natur in Verbindung sind. Also sollten wir auch hier wieder gut auf uns achten und uns darin üben mit uns selbst in Kontakt zu kommen. Aber wir können dieses Bewusstsein auch dazu nutzen, einen wertvolleren Kontakt zu anderen Menschen aufzubauen.

Vielleicht brauchen wir Worte, um den Kontakt aufzubauen. Und irgendein Thema brauchen wir dafür auch – sei es das Wetter oder einen Film. Aber wir können gleichzeitig darauf achten, dass das Thema heilsam oder zumindest neutral für unseren Geist ist, und dass wir mindestens ebenso viel Energie dem Zuhören widmen, wie dem Sprechen. Und lass uns nach Innen fühlen, um zu sehen, wann wir genug gesagt haben und wann wir in Kommunion mit unserem Mitmenschen verharren können.

Es gibt viele Tätigkeiten, in denen wir diese Kommunion aufbauen können, ohne normale Worte zu verwenden. Wie etwa gemeinsam zu meditieren, tanzen oder auch zu musizieren. Und jeder Musiker weiss, dass das Zuhören mindestens ebenso wichtig ist, wie das eigentliche Musizieren.

Lass uns also in unserer Interaktion miteinander Musik machen – eine Musik ohne Töne und ohne Formen, eine Musik, die uns miteinander verschmelzen lässt – eine Seelenmusik…

Sean

13. April 2015


Sean GrünböckEs ist mir ein Anliegen, im Alltag mit all seinen Höhen und Tiefen präsent zu bleiben und die tiefere Verbindung mit unserer inneren Geistesnatur auch Abseits von Meditationskissen, Seminaren und Retreats aufrecht zu erhalten.

Zu diesem Thema schreibe ich Artikel und singe Lieder.
Den sonntäglichen Artikel sowie das kommende Album gibt’s auf gruenboeck.at
SEAN GRÜNBÖCK: Leise-Schreiber, mit Bedacht-Komponierer, Tief-Singer und Buddha-Meditierer, Yoga-Verrenker, Web-Gestalter, Langsam-Läufer und Dreifach-Vater.

Autorenseite: www.gruenboeck.at

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