Abschied am offenen Sarg – des ersten Mannes meines Lebens
Abschied am offenen Sarg – Gestern Abend erlebte ich das Gegenteil von Heiraten.
Statt am Arm meines Vaters in einem viel zu teuren, sahnetorteartigen weißen Kleid und mit ebenfalls viel zu teuren Rosen in der Hand, einen Gang entlang auf den zweiten Mann meines Lebens zuzugehen, schwankte ich diesen Gang alleine auf den offenen Sarg des ersten Mannes meines Lebens zu.
Abschied am offenen Sarg – Ich dachte nicht, dass ich es schaffe
Da liegt mein so lebendiger, lebensfroher Vater, der, wie er immer sagte, das Leben bei den Hörnern packte und uns das auch vermittelte.
Ich habe von ihm gelernt, nie zu kneifen, sondern mich hinzustellen und zu sagen, was ich zu sagen habe.
Auch und sogar ihm gegenüber. Jetzt liegt er da, eiskalt und bleich.
Ich telefonierte vor dem Gang zum Sarg mit einem Seelenfreund, der mir vom Tod seines Vaters erzählte und wie er mit ihm umging, als dieser tot im Krankenzimmer lag. Das gab mir den Mut, meinen Vater anzufassen, ihn zu küssen, meine Hand auf sein Herz zu legen. Nicht, um zu spüren, ob es noch schlägt, sondern um die Verbindung zu ihm zu erleben, das letzte Mal durch Berührung.
Der Tod entfremdet mir meinen Vater nicht, spürte ich, ich fasse ihn an, ich rede mit ihm, es ist immer noch mein Vater. Ich dachte, ich spüre sehr deutlich, dass er das eben nicht mehr ist, doch so war es nicht.
Es ist dieser Körper, den ich als Kind so gut kannte und der mir so unendlich viel Halt in meinem Leben gab. Es sind die Hände, die mich hielten und jetzt eiskalt sind. Es sind immer noch die Hände meines Vaters.
Ich hielt sie und konnte akzeptieren, anerkennen, dass ich sie nicht mehr wärmen kann. Es ist immer noch sein Gesicht, sein Haar. Er war mir tief vertraut, es war nichts Fremdes und ich konnte mit ihm reden, ein wenig weinen, aber nicht viel.
Ich hatte Sorge, wie ich da bei ihm stand und meine Hände auf seinen hatte, dass ich niemals mehr diese Trauerhalle verlassen und ihn zurücklassen könnte. Doch plötzlich kam der Impuls, und ich sprach es laut aus:
„So. Du bist tot. Und ich bin am Leben. Und deshalb gehe ich jetzt hier raus und mache weiter.“
Abschied am offenen Sarg – Ich drückte ihm die Schulter, küsste ihn und ging und es war ok
Es ist ok, das ist ein Wunder. Nach dieser Begegnung kamen Frieden und Leichtigkeit, nicht nur bei mir, auch bei den anderen Familienmitgliedern. Ich bin keine Trauerbegleiterin. Ich weiß nicht, welche Magie da wirkt.
Doch ihn da liegen zu sehen, zu realisieren, sein Körper ist nicht mehr beseelt und ihn gleichzeitig so vertraut zu spüren, das hat etwas mit mir gemacht. Ich konnte etwas loslassen. Es ist vielleicht ein Botenstoff im Gehirn, der wirkt, wenn man „Tod“ realisiert, und ich kann meinem Gehirn nur DANKE sagen.
Etwas wirkt. Etwas schaltet sich ein, das den Tod als Teil des Lebens nicht nur kennt, sondern auch verarbeiten kann. Es ist, als übernehmen Bereiche in mir die Kontrolle, die genau mit dieser Situation umgehen können, Bereiche, die ich noch nie bemühen musste. Ich habe Tiere verloren, sehr, sehr geliebte Tiere, doch meinen Vater, das war in meinen Gedanken immer das Schlimmste, das passieren kann.
Wenn ich in mir irgendwo eine Kraft habe, die damit umgehen kann, dann wüsste ich nicht, was sonst noch passieren sollte.
Natürlich weiß ich, dass das so nicht stimmt. Es gibt weitaus größeres Leid, als den Vater in einem doch immerhin akzeptablen Alter zu verlieren. Das weiß ich. Dennoch. Etwas trägt, das größer ist als ich und es nicht nur spirituell. Es ist etwas Irdisches. Etwas, das den Tod kennt und als Teil des Lebens nicht nur annimmt, sondern auch verarbeitet. Etwas sehr Tiefes, sehr Irdisches in mir weiß, was zu tun ist, schüttet die richtigen Hormone aus, lässt mich tun, was zu tun ist, damit ich den Tod verarbeiten kann.
Ich bin geführt, nicht nur seelisch, nicht nur spirituell.
Sondern auch und insbesondere durch Mechanismen, die sich mit „Tod“ auskennen, für die der Tod real ist und die damit umgehen können.Es hilft mir nicht ein bisschen, wenn mir jemand sagt:
„Der Tod ist nicht real, in Wahrheit sind wir alle Licht.“
Das stimmt nicht.
Mein toter, kalter Vater ist äußerst real. Er wäre übrigens sehr pikiert, wenn man ihm diese Realität absprechen würde …
Und real muss er auch sein, damit die Anteile in mir, die mit dieser Realität umgehen können, anspringen und ihre Arbeit in mir erledigen. Mein Vater ist tot, und es gibt etwas in mir, das nichts mit der inneren Kind Arbeit zu tun hat, das sich mit Tod auskennt und einen Mechanismus hat, um ihn zu verarbeiten. Was für ein unendlicher Segen.
Ich kann mich darauf verlassen, dass der Mensch, der ich bin, auch mit dem Tod umgehen kann. Das ist eine wirklich neue Erfahrung und gibt mir tiefsten menschlichen Frieden.
Der seelische Frieden mit ihm, der kommt, weil wir alles miteinander geklärt haben, was es zu klären gibt. Weil ich alles, was mein Vater mir an Gutem gab, dankbar nahm, weil ich alles andere loslassen konnte. Weil ich für mich und mein inneres Kind zu hundert Prozent selbst verantwortlich bin und auch sein will. Die seelische Beziehung zu ihm ist unabhängig vom körperlichen Ausdruck. Sie wird sogar stärker, wenn der Körper nicht mehr ist.
Doch den menschlichen Frieden mit dem Tod, den trage ich in mir und er greift
Ich bin gerüstet. Weil ich ein Mensch bin. Weil mein Inneres mit allem, was das Leben ausmacht, umgehen kann, von sich aus, wenn ich es erlaube.
Ich lerne gerade das Wunder des Menschseins kennen, das, was geschieht, wenn man der eigenen menschlichen Natur Raum gibt und sie machen lässt. Friede, der höher ist als alle Vernunft, möge uns alle begleiten in dem Wissen, dass wir gerüstet sind.
Für alles, was das Leben uns natürlicherweise (!) zumutet.
Ich erlebe es gerade und ich verneige mich tief vor deinem Schmerz, wenn du es anders erlebst.
Friede sei mit dir, lieber Leser.
Und Friede sei mit dir, mein geliebter Papi. Aber das ist er auch, das spüre ich.
Weitere Gedanken von Susanne Hühn zum Tod ihres Vater:
– Der Tod meines Vater
30.01.2019
Susanne Hühn
www.susannehuehn.de
Susanne Hühn
Ich steh für das innere Kind. Ich stehe dafür, euch Werkzeuge zu geben, mit denen ihr in Selbstverantwortung soviel wie nur irgendwie möglich von eurer Liebe, eurer Schönheit, eurer Strahlkraft und eurer Wildheit in die Tat, in die Form bringen könnt. Mein wichtigstes Werkzeug ist die Arbeit mit dem inneren Kind und damit zeige ich mich.
Und nur darum geht es. Positioniere dich. Zeig dich mit dem, was dir heilig und wesentlich ist und geh dafür. Wofür brennst du? Das ist dein Alleinstellungsmerkmal und dein Marketingkonzept. Sei, wofür du stehst und zeig dich damit.
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Liebe Susanne Hühn
Vielen Dank für Ihren Beitrag.
Mein Vater ist am 03.01.19 gestorben. Auch ich habe mich von ihm so in dieser Art verabschiedet. Zuerst zuhause und 1 Tag später im Beerdigungsinstitut.. ..auch ich habe ihm die Hand gestreichelt und ihn wie zu jeder Verabschiedung auf die Wange geküsst.
Ich bin für jede Minute und für Alles was er für uns gegeben hat dankbar.
Und ich konnte auch in diesem Moment loslassen. Auch wenn ich ihn sehr vermisse. Das wird sich auch nicht ändern….
Ich habe es auch im Freundeskreis erlebt dass viele Sachen nicht untereinander geklärt waren, ja sogar kein Kontakt mehr bestand. DAS stelle ich mir schlimm vor! Man hat nie mehr die Möglichkeit sich zu versöhnen oder auszusprechen.
Die haben mir wirklich sehr aus dem Herzen gesprochen
Ich wünsche Ihnen viel Kraft für die kommende Zeit
Liebe Grüße
Claudia Blumenau
Liebe Claudia, ich danke dir von Herzen für dein Teilen, der Verlust ist immens, riesig, und gleichzeitig ist das Frieden, der trägt, weil alles geklärt ist – was für ein Segen. Ich mag mir nicht vorstellen, er wäre mitten in den Prozessen gegangen, wie das ja viele auch erleben. Ich fühle mich sehr gesegnet, dass ich genug Zeit mit ihm für alles hatte.
Liebe Susanne,
Es tut mir sehr leid für deinen Verlust. Und gleichzeitig – was für ein wundervoller Prozess. Wie unfassbar schön, dass dein Sein diesen Kreislauf des Lebens so friedlich verarbeiten kann.
Ich habe innerhalb von drei Wochen gerade beide meine Grosseltern gehen lassen, mit welchen ich im selben Haus gross geworden war.
Nach dem Tod meiner Grossmutter, ist ihr mein Opa sogleich gefolgt.
Natürlich ist es nicht dasselbe, wie ein ElternTeil zu verlieren, doch ich habe auch in mir diesen Teil, welchen du so zauberhaft beschreibst, gespürt.
Und nach dem Tod meines Grossvaters war mir sogar zum Feiern zumute, da ich wusste, dass sie nun den weiteren Weg gemeinsam antreten können. Sogar auf dem Friedhof liegen sie nebeneinander, was an ein Wunder grenzt.
Ich schicke dir meine herzlichsten Gedanken und wie schön, dass Trauer und Liebe und Frieden miteinander diesen Tanz tanzen können.
Von Herzen,
Priska