Geisteszustand achtsam sein – trainierbar wie ein Muskel

buddha sonnenuntergang

Achtsamkeit ist ein Geisteszustand Buddha im WasserAchtsamkeit ist ein Geisteszustand trainieren wie ein Muskel!

„Bitte seien Sie achtsam!Der Alltag.
Zwischen Bahnsteig und U-Bahntüre ist ein Spalt.“ denn Achtsamkeit ist ein Geisteszustand!

Diese Ansage kam mir gestern in der U-Bahn zum Ohr. Sie hat mich an die Myna Vögel aus Aldous Huxley’s letztem Roman Island erinnert. Myna sind „redende Vögel“, die die menschliche Stimme besonders gut reproduzieren können. In Island spielt Achtsamkeit eine zentrale Rolle und die Myna Vögel erinnern die Einwohner immer wieder daran, achtsam zu sein. Achtsamkeit trainieren!

Geisteszustand achtsam – Hier ein kurzer Ausschnitt aus Island:

“Attention”,  a voice began to call, and it was as though an oboe had suddenly become articulate.
“Attention”,  it repeated in the same high, nasal monotone. “Attention”  (…)
“Is that your bird?” Will asked.
She shook her head.
Mynahs are like the electric light”, she said. “They don’t belong to anybody.”
“Why does he say those things?”
“Because somebody taught him”, she answered patiently…
“But why did they teach him those things? Why ‘Attention’? Why ‘Here and now?'”
“Well …” She searched for the right words in which to explain the self-evident to this strange imbecile.
“That’s what you always forget, isn’t it? I mean, you forget to pay attention to what’s happening. And that’s the same as not being here and now.”
“And the Mynahs fly about reminding you — is that it?”
She nodded. That, of course, was it. There was a silence.

Achtsamkeit ist ein Geisteszustand – Achtsamkeits Reminder

achtsamkeit ist wie ein Muskel, den wir trainieren müssen – je mehr trainieren, desto leichter fällt es uns, achtsam zu sein. Eigentlich ist es gar nicht schwierig, achtsam zu sein, es ist ein ganz natürlicher Zustand. Achtsam zu bleiben und sich daran zu erinnern, wieder achtsam zu werden, wenn man mal wieder in die Abgelenktheit hineingerutscht ist, hingegen fällt uns schwer.

Meditation hilft uns länger achtsam zu bleiben und gewöhnt uns an diese Art des Geisteszustands. Im Alltag jedoch brauchen wir Reminder, die uns daran erinnern, achtsam zu sein – wir brauchen also unsere eigenen Myna Vögel.

Neben dezidierten Erinnerungs-Techniken – wie APPs, Post-Its, Newsletter, Teachings, etc. –, können uns alle möglichen Sinneseindrücke zur Achtsamkeit aufrufen. Das Rattern einer vorbeifahrenden Straßenbahn, die Vibration unter meinen Füßen. Das Klingen eines Löffels auf der Tasse, der Geschmack des Jasmintees. Das Knallen der sich schließenden Eingangstüre, der Geruch der frischen Winterluft. Die violetten Tupfen auf der Orchideenblüte, das Lächeln eines Passanten.

Oder eben die U-Bahn-Ansage.

Ob sich die Produzenten und die Sprecherin der Ansage der spirituellen Natur ihrer Schaffung bewusst waren, wage ich zu bezweifeln. Ich wurde darauf hingewiesen, dass der Produzent sehr wohl bewusst das Wort „Achtsamkeit“ gewählt und gegenüber den Wiener Linien vertreten hat… Und über mein falsches Urteilen habe ich auch gleich noch einen Artikel geschrieben… [Korrektur: 23.01.2015] Dem Otto Normalverbraucher mag sich das ja auch nicht erschließen. Aber so ist es eben in unserer Welt – sie ändert sich, je nachdem wie wir sie betrachten.

Ein Spalt

Der zweite Teil des U-Bahn Reminders zeigt auch noch was interessantes auf:

„… Zwischen Bahnsteig und U-Bahntüre ist ein Spalt.“

Wenn man also über den Spalt steigt, soll man achtsam sein, um nicht zu stolpern. Das ist logisch. Aber wenn man in diesem Moment achtsam ist, hat man zwei Dinge erreicht:

  1. Man ist nicht gestolpert.
  2. Man war achtsam.

Also war der Spalt selber schon ein Achtsamkeits-Reminder.

Wir können jeden Abstand zwischen zwei Zuständen als Moment zur Achtsamkeit nutzen.

Auf der körperlichen Ebene haben wir hierfür eine Vielzahl von Übergangsmomenten zur Verfügung, wie zum Beispiel: das Ankommen an einem Ort, das Fortgehen von dort, das Durchschreiten von Türen, das Aufstehen von einem Sessel, das sich Hinsetzen, das Ein- und Aussteigen aus Verkehrsmitteln und so weiter.

Neben der äußeren körperlichen Bewegung, kann man auch die innere Bewegung nutzen. Hier bietet sich die Atmung an. Zwischen Ein- und Ausatmen gibt es immer einen Moment der Pause. Diesen Übergangsmoment bewusst zu erleben, ist bereits eine wundervolle Meditation (die man jederzeit einschieben kann).

Und im Geist gibt es auch jede Menge Übergangsmomente.

Wir erleben unsere Gedanken zwar als nicht endend wollenden Strom, aber in Wirklichkeit sind sie nicht ein Fluss, sondern eher eine lose Kette. Ein Gedanke folgt auf den nächsten und zwischen ihnen ist ein klitze-kleiner Abstand. Den Abstand zwischen Gedanken zu verlängern ist auch Teil der Meditationspraxis. Aber auch im Alltag können wir uns jederzeit dafür entscheiden, bewusst den leeren Raum zwischen unseren Gedanken zu erleben. Und was für Gedanken gilt, gilt auch für Emotionen. Auch sie kommen und gehen und dazwischen gibt es Pausen.

Und auf einer zeitlich größeren Ebene gibt es natürlich viele andereZyklen, die ein Anfang, ein Ende und eine Pause dazwischen haben. Nachdem wir es nicht gewohnt sind, in einem gedankenleeren Zustand zu verharren, finden wir es auch schwierig, in der äußeren Erscheinungswelt in Limbo zu verharren. Wenn also ein Zyklus zu Ende kommt, sind wir in Gedanken schon wieder beim nächsten und verpassen so den erholsamen Moment der Ruhe dazwischen. Die Meister sagen uns jedoch, dass die Pause wesentlicher ist, als die Aktivität. Das reine Sein also wesentlicher als das Tun.

Im Buddhismus werden die Übergangsmomente Bhardos genannt.

Die wesentlichsten Bhardos sind die des Lebens, des Sterbens, der Zeit nach dem Tod und der Wiedergeburt. Aber auch andere kräftige Übergangsmomente im Leben (oder vielleicht alle Übergangsmomente?) verdienen den Namen Bhardo und können zur Erleuchtung genutzt werden. Also offenbart sich hier noch eine interessante Facette der Praxis, die Übergangsmomente bewusst zu erleben: nämlich die Vorbereitung auf das Sterben. Wenn wir in diesem Leben gekonnt entspannt den Dingen ihren Lauf lassen und Entstehen, Auflösen und den Abstand dazwischen gleichermaßen gelassen hinnehmen können, dann ist das eine gute Vorbereitung auf unser Erleben während und nach dem Tod…

Jetzt ist ein Artikel fertig geschrieben (und gelesen) – also wieder ein Übergangsmoment. Zeit für eine kurze Atempause. Und nicht vergessen! Achtsamkeit trainieren! Denn Achtsamkeit ist ein Geisteszustand!

16. Februar 2015
Sean
(c) Sean Grünböck
www.gruenboeck.at

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Sean GrünböckEs ist mir ein Anliegen, im Alltag mit all seinen Höhen und Tiefen präsent zu bleiben und die tiefere Verbindung mit unserer inneren Geistesnatur auch Abseits von Meditationskissen, Seminaren und Retreats aufrecht zu erhalten.

Zu diesem Thema schreibe ich Artikel und singe Lieder.
Den sonntäglichen Artikel sowie das kommende Album gibt’s auf gruenboeck.at
SEAN GRÜNBÖCK: Leise-Schreiber, mit Bedacht-Komponierer, Tief-Singer und Buddha-Meditierer, Yoga-Verrenker, Web-Gestalter, Langsam-Läufer und Dreifach-Vater.

P.S.: Vielleicht interessieren Dich auch meine Lieder ‑„Weich wie Wasser“, von dem du ein Video auf YouTube sehen kannst

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