C. G. Jung – Spiritueller Pionier, moderner Schamane, Wissenschaftler

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C. G. Jung  traeumende frau voegel auf wolkenC. G. Jung – Spiritueller Pionier, moderner Schamane, Wissenschaftler

Der Begründer der analytischen Psychologie, C. G. Jung, hat wahrhaft schamanische Reisen unternommen, um die Landschaft der Seele zu kartografieren.

Als Kind hatte Carl einen merkwürdigen Traum, der ihn gleichermaßen erschreckte und faszinierte: von einem Monster in einem mit rotem Teppich ausgelegten Saal. Die Stimme seiner Mutter warnte ihn aus einem Grab heraus vor dem Menschenfresser.

Dieser Traum, so erkannte Jung Jahre danach, war eine Einladung zur Erforschung des „Unterbewusstseins“ – jenes Teils von uns, der die meisten unserer Handlungen motiviert, doch sogar vor uns selbst verborgen in unseren innersten Tiefen liegt.

„Der Traum ist diese kleine versteckte Tür im tiefsten und intimsten Inneren der Zufluchtsstätte der Seele“, schrieb Carl Gustav Jung später – ein Schweizer Arzt und Psychiater, der wie kein anderer die menschliche Seele für die moderne Welt erkundete.

Als Wegbereiter der Tiefenpsychologie erarbeitete er nie zuvor dagewesene Theorien,

mit denen er absolutes Neuland betrat, und war sich dieser Aufgabe sehr bewusst, bezeichnete er sich doch selbst als „Pionier und Erforscher des unkartographierten Geheimnisses der menschlichen Seele“ (Murray Stein).

Seine Erkenntnisse sind heute absolut unverzichtbar für unser Verständnis vom menschlichen Geist, das er um Konzepte wie die Kollektivität des Unbewussten, die Archetypen, Introversion, Extraversion oder auch die Beziehung des Ichs zum Selbst, dem Kern unserer Persönlichkeit, bereichert hat.

Doch Jung war auch ein Pionier, was Spiritualität und ihre Notwendigkeit für die ganzheitliche Gesundheit des Menschen betrifft:

Er führte den Begriff der Seele in die wissenschaftliche Diskussion ein, glaubte an eine Bestimmung im menschlichen Leben und die Bedeutung von Spiritualität, deutete Zeichen und Symbole universal, betrachtete Kindheit und Jugend als wichtigste Phasen des Lebens und erklärte den Schatten, dessen Akzeptanz einen Menschen erst „ganz“ macht.

Jung beobachtete und hinterfragte, was er sah; er suchte und fand Sinn und Bedeutung, wo andere nichts weiter als eine Störung wahrnahmen. Er setzte sich intensiv mit Alchemie und Astrologie auseinander, mit Okkultismus und Wissenschaft, östlicher und westlicher Philosophie, Religion und Ethnologie, Literatur und Kunst.

In seiner Person schaffte er so in einem regelrecht alchemistischen Prozess die Verbindung zweier Stoffe, welche die meisten seiner Zeitgenossen als diametral entgegengesetzt wahrnahmen: klinische Psychologie und das Reich von Seele, Traum und Vision.

Mein Leben ist die Geschichte einer Selbstverwirklichung. Alles, was im Unbewussten liegt, will Ereignis werden, und auch die Persönlichkeit will sich aus ihren unbewussten Bedingungen entfalten und sich als Ganzheit erleben.

Mit diesen Worten beginnt Jung im Alter von 81 Jahren seine Autobiographie, die er teilweise diktiert, teilweise selbst schreibend aufarbeitet: „Erinnerungen, Gedanken, Träume.

Um zu verwirklichen, was im eigenen Unbewussten liegt,

muss man es erst kennenlernen, muss sich unerschrocken aufmachen, dorthin zu schauen, wo es am dunkelsten ist und am meisten schmerzt. Dies war der Weg, den er unbeirrt ging. 1875 in der Schweiz als Sohn eines Pfarrers geboren, studierte er Medizin, setzte sich aber auch mit Jura, Philosophie und Spiritismus (dem damals beliebten „Tischerücken“, über das er eine Doktorarbeit schrieb) auseinander.

Schließlich spezialisierte er sich auf die Psychiatrie und machte Karriere als Oberarzt einer Klinik und außerordentlicher Professor an der Universität Zürich, gründete auch eine eigene Praxis.

Ganz entscheidend war seine Begegnung mit dem 19 Jahre älteren Sigmund Freud,

dem Begründer der Psychoanalyse, und dessen Traumdeutung. Doch während Träume für Freud nichts weiter als ein Ausdruck unterdrückter Wünsche waren, sah Jung in ihnen eine wertvolle Handreichung des Unbewussten.

Als die Freundschaft und kollegiale Unterstützung später nach seiner Kritik an Freuds Arbeit zur Libodo endete, begann für Jung eine „Zeit innerer Unsicherheit, ja Desorientiertheit“, die auch zu einem Umbruch seiner Arbeit führte und letztendlich in der Entwicklung der analytischen Psychologie münden sollte.

Er unternahm lange Reisen an exotische Orte und besann sich von neuem auf Interessen wie Mythologie und Religion. Mit 38 Jahren arbeitete er nicht nur seine Kindheit auf, sondern brach auch in sein Unbewusstes auf mittels einer von ihm entwickelten Technik, die er „aktive Imaginationen“ nannte – und die im Grunde schamanische Reisen waren, um Träume und Phantasien intensiv zu erforschen.

Murray Stein sieht in Jung einen

Visionär in der Tradition von Meister Ekkehard, Böhme, Blake und Emerson“, der als wichtigsten Lehrmeister der „Wirklichkeit der Seele“ und Begleiter in die Imaginationen seine Traumgestalt Philemon nannte.

Dabei ging Jung bis an die Grenzen seiner selbst:

Er hatte im wahrsten Sinne des Wortes keine Vorstellung, ob er einen Schatz finden oder über die äußerste Kante der Welt in den Weltraum stürzen würde“, so Stein in „C.G.Jungs Landkarte der Seele“.

Jung hielt das Erfahrene als Notizen in den „Schwarzen Büchern“ fest, auf denen sein „Rotes Buch“ basiert (ein großformatiges und schweres, illustriertes und kalligrafiertes Werk, das sich jedem Genre entzieht) und die Grundlage seiner Theorien bildeten.

Für Jung zeigen uns Träume nicht nur den wahrend Grund für unser Verhalten und unser Leiden,

sondern gleichen auch Störungen des mentalen Gleichgewichts aus, „indem sie Inhalte komplementärer und kompensatorischer Art hervorbringen.“

Sie arbeiten mit Symbolen, wie sie auch Alchemisten benutzten, und mythologischen Bildern, die wir alle instinktiv erkennen, da sie Teil des kollektiven Unbewussten sind, das Menschen miteinander verbindet und die Summe der menschlichen Erfahrungen umfasst.

Die Schriftensammlung „Die Archetypen und das kollektive Unbewusste“ ist eines seiner wichtigsten Bücher. Energetisch hoch aufgeladene Symbole wie etwa das Mandala, mit dem er seinen Patienten beim Gang ins eigene Innere half, inspirierten Jung bis hin zum letzten Buch, das er vor seinem Tod schrieb.

Jung, der von Gott als „eine der allersichersten unmittelbaren Erfahrungen“ sprach, beschäftigte sich sein ganzes Leben lang mit Spiritualität (die er „Religiosität“ nannte und als konfessionslos wahrnahm). Er sah beide Seiten Gottes, die gütige wie auch die strafende. Religiöse Kultur stand für ihn der menschlichen Seele so nahe, „dass am allerwenigsten die Psychologie sie übersehen darf.“

Er glaubte an einen Daseinsgrund, der in der Seele des Menschen liegt,

sich in dessen Leben zeigt und diesem einen Sinn gibt, der über das Materielle hinausgeht. Die Seele sucht nach diesem Sinn, der für sie so wichtig wie Nahrung für den Körper ist; wenn sie ihn nicht findet, kommt es zu Störungen, die zu behandeln Aufgabe der Psychotherapie ist.

Religion – resp. Spiritualität – war für Jung Ausdruck des kollektiven Unbewussten und von grundlegender Bedeutung für das individuelle Wohlergehen; sie ist Grundlage von Kultur und Menschlichkeit.

Zusammen mit Nobelpreisträger Wolfgang Pauli tauschte sich Jung über die Synchronizität aus: Ein äußeres Ereignis, das zeitnah auf ein inneres Ereignis folgt, mit dem es nicht in kausalem Zusammenhang steht, das aber dennoch als mit ihm verbunden erlebt und so mit Sinn aufgeladen wird.

Seine Begriffe und Konzepte von Animus und Anima,

der „Persona“ als Seite, die der Mensch der Welt präsentiert, während er deren „Schatten“, die verleugneten, ungeliebten Anteile, sogar vor sich selbst versteckt; seine Typisierung der Persönlichkeiten und seine Entdeckung der Archetypen, die sich ihm in den aktiven Imaginationen offenbarten, prägen unser Verständnis vom Menschen – und unser Wissen darum, dass der Weg zur Ganzheit über die Akzeptanz unseres gesamten Selbst und der Sinnhaftigkeit in unserem Dasein liegt.

Auf Jungs Grabstein steht auf lateinisch der Spruch, der auch über seiner Türschwelle stand:

Gerufen oder nicht gerufen, Gott wird da sein.“


Information & Inspiration

Antony Stevens: „C.G.Jung: Eine sehr kurze Einführung“, Huber Verlag
Murray Stein: „C.G.Jungs Landkarte der Seele“, Patmos Verlag
C.G.Jung: „Schriften zu Spiritualität und Transzendenz“, Edition C.G.Jung
C.G.Jung: „Erinnerungen, Träume, Gedanken“, Edition C.G.Jung

Zitate:

Was du unterdrückst, verfolgt dich; was du akzeptierst, verändert dich.
Carl Gustav Jung

Ich bin nicht das, was mir passiert ist. Ich bin das, was ich entscheide zu werden.
Carl Gustav Jung

Es gab einmal eine Blüte, ein Stein, ein Kristall, eine Königin, einen König, einen Palast, einen Liebenden und seine Geliebte, irgendwo, vor langer, langer Zeit, auf einer Insel mitten im Ozean, vor 5000 Jahren – Solcher Art ist die Liebe, die mystische Blume der Seele. Das ist das Zentrum, das Selbst.
Carl Gustav Jung


29.08.2020
Martina Pahr
Autorin, Bloggerin und PR – Expertin

cover-martina-pahr-sorge-fuer-dichBuchtipp:

Martina Pahr: „Sorg für dich selbst, sonst sorgt sich keiner! Wie du dir selbst höchste Priorität im Leben einräumst.“
mvg Verlag
Softcover, 208 Seiten
ISBN: 978-3-7474-0069-2

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