Cannabis inside Mensch
oder die Wundermedizin in uns –
Endocannabinoide
Wozu eigentlich noch Cannabis legalisieren – haben wir es doch längst in uns und überall um uns herum!?
Cannabis ist überall
Cannabis ist die botanische Bezeichnung für das Maulbeerbaumgewächs Hanf und zählt zu den Pflanzen, die wir Menschen mit am längsten nutzen. Als „Marihuana“ oder „Haschisch“ dient es seit gefühlten Ewigkeiten sowohl als Medizin als auch als Droge. Heute gibt es nicht nur Hanf-Tee, -Samen, -Pulver und Hanf-Öl zu erwerben, sondern auch Hanf-Leggins, -Flaggen, -Handyschutzhüllen, -Tank Tops, -Hüte, -Duftkissen, -Babytragetücher, -Krawatten, -Shirts, -Teppiche und die Reihe kennt kein Ende. Das Blätter-Konterfei hat Platz gefunden auf T-Shirts, Basecaps, Gürtelschnallen, Buttons, Spardosen, Flaggen, Geldbörsen, Aufklebern, Aufnähern, Ohrringen, Silberringen und es gibt sogar Hanf-Kochbücher.
Natürlich muss hier auch die Berliner Touristenattraktion erwähnt werden, das Hanf-Museum. Aber die Diskussion zur Legalisierung von Cannabis scheidet die Geister nach wie vor.
Jetzt besonders, da „Die Grünen“ -sogar mit Unterstützung eines CDU-Politikers- einen Vorstoß gewagt haben, die gesetzlich erlaubte Menge, die man mit sich führen darf ohne einer Straftat bezichtigt zu werden, zu erhöhen -wie es bereits in anderen Ländern Usus ist. Wir gehen der Sache auf den Grund, in welcher Höhe und mit welchen Konsequenzen die erlaubte Menge erhöht werden soll. Der Streit um die Legalisierung ist nicht neu, aber zum einen bringt es nicht viel, die zulässige Menge um ein paar Gramm zu erhöhen, wie der Blick auf die Konsummengen nach England, Holland oder Spanien zeigt, und zum anderen haben wir doch Cannabis in uns! Sollen wir uns deswegen gleich gegenseitig alle verhaften? Ähnlich unserem weit mehr bekannten Serotonin-System haben wir auch ein Endocannabinoidsystem. „Endo“ bedeutet so viel wie „körpereigen“. Wir haben also Cannabis in uns?! Wie funktioniert das denn? Und wozu dann noch Politikergelder verschwenden für monatelange Plenarsaal-Diskussionen für oder gegen Cannabis?
Endocannabinoide
Endocannabinoide – „Endocanna – was?“, hört man fast den Leser dieser Zeilen sich verwundert fragen. Aber wenn man Endo-cannabi-noide langsam ausspricht, kommt man schnell der Sache auf die Spur:
Es geht um körpereigene, entzündungshemmende, Cannabis ähnelnde Stoffe. Körpereigene Substanzen also, die pharmakologisch betrachtet Cannabis ähnliche Eigenschaften haben, werden Endocannabinoide genannt. Klingt vielleicht noch immer etwas sehr wissenschaftlich, das System als solches ist jedoch im Grunde wie alles Gute ganz einfach.
Damals in der Apotheke an der Ecke
Bis ca. 1930 noch in jeder Apotheke unkompliziert zu bekommen, ist das damalige Volksheilmittel Cannabis heute wegen der berauschenden Wirkung seines Inhaltstoffes THC verdrängt und verteufelt. Wobei die entzündungshemmende Wirkung belegt ist, und somit entsprechende Präparate auch verschreibungspflichtig zu Therapien aller Art eingesetzt werden.
Emotionaler Lautsprecher-Regler
Wie geht das vor sich? Cannabinoide regulieren ähnlich fast wie ein Potentiometer an einer Stereoanlage oder einem DJMischpult schlicht und ergreifend das, was im Gehirn oder Körper zu viel ist. Daher die entzündungseindämmende Wirkung. Oft läuft unser Immunsystem einfach unrund; auch ein Fall für Cannabinoide. Wir haben also auch immer eine gewisse Menge THC in uns, daher -so heißt es oft- werden THC-Drogentests auch nicht auf 0 angesetzt. Verrückt? Ja, aber nicht ganz korrekt, so die befragten Experten; denn die Drogentests könnten sehr wohl zwischen THC und Endocannabinoiden unterscheiden.
Fragen über Fragen
Können Medikamente entwickelt werden, die den körpereigenen Abbau der Cannabinoide reduzieren wie beim Serotonin durch die sogenannten SSRI (selektive Serotonin-Reuptake Inhibitoren)? Kann man seine körpereigenen Cannabinoide selber vermehren und/oder den körpereigenen Abbau reduzieren, um am Ende selber seine Entzündungen zu regulieren und vielleicht auch noch mit dem Nebeneffekt einfach nur -aber ganz legal- gut gelaunt zu sein? Und wie funktioniert die Beeinflussung unseres Gehirns und unseres Immunsystems genau?
Cannabinoide in Aktion
Wer schon mal Schmerzen gehabt hat, egal wo, wird hellhörig werden. Für Betroffene mit Ängsten, Bewegungsstörungen, Parkinson, Tourette-Syndrom, MS, Epilepsie, Schlaf -oder Appetitstörung, Hitzewallungen, ja auch für Krebspatienten kann die belegte positive Wirkung der Cannabinoide eine Hilfe sein; nicht nur rein symptomatisch.
Wie die Cannabinoidforschung laufen lernte Seit Jahrtausenden wird Cannabis von uns Menschen konsumiert, aber über körpereigene Cannabinoide ist nur sehr wenig bekannt. Das mag daran liegen, dass unsere Cannabinoid-Rezeptoren erst vor ca. 30 Jahren entdeckt wurden.
Für die Wissenschaft ist das so wie für uns heutige Normalsterbliche wie: „Heute morgen habe ich auf Youtube ein cooles Video gesehen“. Mit anderen Worten: Die Uhren der Wissenschaft gehen sehr, sehr langsam. Bis ein neues Medikament mit wirklich gesicherten Tests und Erkenntnissen auf den Markt kommt, dauert es oft Dekaden. Wenn wir also hier über das Endocannabinoidsystem sprechen, dann reden wir im Grunde über ein brandneues körpereigenes System, was wir allerdings schon immer hatten. Es ist schon eigenartig und fast so als sprächen wir über einen brandneuen Sportwagen, der soeben auf den Markt gekommen ist. Aber wir fahren ihn schon, seit wir denken können.
Um diesen Artikel noch aktueller zu gestalten, sprechen wir mit den weltweit führenden Wissenschaftlern und Anwendern zu diesem Thema und erfahren teils noch nicht veröffentlichte Informationen über das „Cannabis in uns“.
Bewiesen ist: Endocannabinoide regeln den Transfer unserer Signale und sorgen dafür, dass unsere Neuronen nicht übererregt werden. Bei der Untersuchung von Mäusen wurde bereits bewiesen, dass wenn die Nager zu wenig Cannabinoid-Rezeptoren besitzen, dieses Regeln nicht funktioniert und zu Epilepsie führen kann.
Was ist eigentlich ein Rezeptor?
Vorweg: Ein Rezeptor hat genauso viel mit einem Rezept zu tun wie ein Scheusal scheu ist. „Rezeptor“ bedeutet so viel wie Andockstelle, Aufnehmer oder Empfänger. Diese Rezeptoren sitzen auf der Oberfläche unserer unendlich vielen Zellen. Jeder Rezeptor ist eine Anlegestelle oder Hafen für Botenstoffe, Hormone oder Proteine. Aber nicht jeder Botenstoff passt in jeden Rezeptor. Im Gegenteil: Botenstoff und Rezeptor müssen zusammenpassen -wie im wirklichen Leben. Wenn sie zusammen passen, kommt es zur sogenannten Reaktionsausbildung. Unser Nervensystem bekommt so die entsprechende Information.
Man entdeckte damals zwei Arten von Cannabinoid-Rezeptoren und nannte sie kurz und bündig: CB1 und CB2. CB1-Rezeptoren kommen vorwiegend im Gehirn vor, sowie in den Blutgefäßen, im Fettgewebe, der Leber und in unserem Rückenmark. „Die CB2-Rezeptoren findet man auf Zellen, die am Knochenauf- und abbau beteiligt sind und auf Immunzellen“, so der Experte Professor Dr. Michael Koch vom Institut für Hirnforschung in Bremen.
Die logische These war: Diese Rezeptoren in uns sind nicht primär für den Haschischkonsum angelegt. Also begann die Suche nach passenden körpereigenen Botenstoffen, die hier „vor Anker gehen“ -also passen. Und man wurde in den frühen 90er Jahren fündig. Womit bewiesen war, unser Gehirn produziert eigene Cannabinoide. Wer also Cannabis raucht, stimuliert en masse die Rezeptoren, die eigentlich für die körpereigenen Cannabinoide die Andockstellen sind.
Nicht vollkommen gesichert, aber sehr wahrscheinlich ist, dass unsere Cannabinoide den „Job“ haben, das Gehirn vor einem Übermaß an zu vielen Reizen zu schützen. Geht das Gleichgewicht verloren, liegt es nahe, dass dies der Grund ist für entweder rauschhafte Entspannung oder für alles, was symptomatisch mit Überreizung zu tun hat. Schlimmsten Falls kann, davon gehen die Forscher heute aus, ein Mangel an Cannabinoid-Rezeptoren nicht nur bei Mäusen zu Epilepsie führen. Es wundert also nicht, dass Cannabispräparate schon heute z.B. Tourette-Patienten helfen. „Auf legalem Wege lässt sich dies heute über einer Verschreibung von Dronabinol oder Sativex regeln“, sagt uns Frau Prof. Dr. Kirsten Müller-Vahl. Sie ist sowohl Neurologin als auch Psychiaterin und führend als Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover forschend und therapeutisch tätig. „Die Wirkungsweise und die einzelnen Effekte unseres Endocannabinoidsystems sind ganz besonders vielfältig, breit gefächert und bedürfen noch viel weiterer Forschung“, so die Professorin.
Trotz dieser sehr breiten klinischen Wirkung ist aber schon jetzt festzuhalten, dass das menschliche Endocannabinoidsystem im engen Kontext mit Stimmung und Stress, Knochen und Tumoren, der Leber, unserem Saugreflex und der Entstehung von Psychosen (Ängste, Traumata, Depressionen, Demenz) steht. Der gemeinsame Nenner ist jedoch noch nicht gefunden. Dies wäre sicher ein echter Durchbruch für Forscher, Therapeuten und nicht zuletzt für unzählige Patienten. Denn schon jetzt ist das therapeutische Wirkungs-Potenzial unseres Endocannabinoidsystems unumstritten. Es ist antispastisch, es wirkt bei psychiatrischen Erkrankungen, ist schmerzlindernd, Brechreiz mindernd, entzündungshemmend und neuroprotektiv.
Das bedeutet, ein weiterer Job des Endocannabinoidsystems ist es, buchstäblich unsere Nerven zu schonen, Neuroprotektion also. Nervenzellen und Nervenfasern werden geschützt und vor dem Absterben bewahrt, was bei Krankheitsverläufen das so oft hohe Tempo herausnimmt und die Lebensqualität des Patienten verbessert.
Es fehlen natürlich wie so oft die Gelder. Was ferner hinderlich ist, ist die geringe Förderquote von Bund und Wirtschaft von jeweils unter 5 %. „Allein eine neue Studie mit nur 100 Patienten benötigt in etwa 1.5 Millionen Euro. Dem gegenüber stehen sicher viele Milliarden Euro an Einsparungen, wenn man größer und nachhaltiger denken würde. Das klingt zwar spekulativ, ja, aber natürlich bedeutet verbesserte Lebensqualität eine Einsparung von direkten und indirekten Kosten in immenser Höhe“, so Prof. Müller-Vahl.
Wundersame bundesdeutsche Gesetzeswelt
Der Cannabiswirkstoff THC fällt allerdings unter das Betäubungsmittelgesetz. Liegt also keine Genehmigung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vor, gilt: „Wer Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft“, macht sich strafbar und kann mit einer Geldstrafe oder Gefängnisstrafe bis zu 5 Jahren rechnen, wenn er mit einer Cannabispflanze oder Teilen davon gleich welcher Art erwischt wird. Ausnahmeregelungen gibt es für speziell gezüchtete THC-arme Pflanzen sowie für wissenschaftliche Zwecke und für sogenannte Zwecke des öffentlichen Interesses.
Allein schon der Kauf von Hanf-Samen zwecks Anbau und der Versuch des Anbaus ist strafbar. Daher werden auch Besitzer von Vögeln nach ihrem Einkauf von Vogelfutter nicht zu Tausenden täglich verhaftet, ist doch in der Regel ein großer Bestandteil von Hanfsamen im Futter für unsere gefiederten Freunde.
Diese Samen dienen halt einem anderen Zweck, meistens. Allerdings ist es zwar eine Sisyphos-Arbeit, aber nach dem Herauspuzzeln der Hanfsammen aus den übrigen Futterkörnern und der Trennung der weiblichen von den männlichen Samen, steht dem Anbau -rein theoretisch betrachtet- nichts mehr im Weg.
Unsere Gesetze sind schon merkwürdig bis makaber: Beim Konsum ist es wie mit Suizid. Man geht straffrei aus.
Der Grund: Es heißt, man könne prinzipiell Drogen konsumiert haben, ohne dafür bezahlt zu haben und damit ist ein Rausch oder ein positiver Drogentest nicht strafbar. Dies mag der Grund sein, warum beim Polizeieinsatz Betroffene die Drogen schnell verschlucken, wenn die Gesetzeshüter im Anmarsch sind. Allerdings ist dann immer noch ein Eintrag in die Führerscheindatei möglich. Der Besitz kleiner Mengen für den Eigenbedarf geht in der Regel straffrei aus. Was eine „kleine Menge“ ist, ob 10 Gramm oder mehr oder weniger ist -man glaubt es kaum- von Bundesland zu Bundesland verschieden. Aber es kommt noch besser: 1990 hat ausgerechnet ein Richter die Forderung an das Bundesverfassungsgericht gestellt, Cannabis in Deutschland zu legalisieren. Daraufhin wurde die Innenministerkonferenz beauftragt, bundesweit zu regeln, was denn nun Eigenverbrauchsmenge maximal sei.
Der grüne Weg
Bis heute ist nichts davon eingetreten, wobei in Berlin-Kreuzberg der erste „Coffeeshop“ (=legaler Verkauf nach niederländischem Vorbild) kurz vor der Konzession steht und die Grünen zur Zeit – sogar mit vereinzelter CDU-Unterstützung für eine Verbraucherentkriminalisierung vorpreschen, die bei einem staatlich regulierten Markt dem Staat bis zu 2 Mrd. Euro jährlich bringen würde.
Unvergessen: Wohl um die Position seiner Partei plakativ zu demonstrieren hat sich vergangenes Jahr bei der sinnfreien „Ich schütte mir einen Eimer Eiswasser über den Kopf-Aktion“ (Ice Bucket Challenge) der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir zusammen mit einer Hanfpflanze in Szene gesetzt und sich anschließend darüber entrüstet, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ermittelte.
Nun haben Die Grünen einen 68-seitigen Gesetzesentwurf vorgelegt für das sogenannte CannKG = Cannabiskontrollgesetz. Inhalt: 30 Gramm Besitz bei Erwachsenen soll straffrei sein. Das ist schon eine ganze Menge. Aber was bringt diese nur marginale Verschiebung? Dann fängt die Strafbarkeit bei 31 Gramm an und nicht bei 10 oder 15. Zu Ende gedacht ist das Ganze scheinbar so richtig nicht.
Nur kurz zum Vergleich:
In Uruguay sind 40 Gramm, auf Jamaika knapp 60 Gramm Besitz legal. In Nord-Korea und den US-Staaten Colorado und Washington ist Cannabis schon jetzt legalisiert -respektive keine illegale Droge.
Im Pilgerschritt ins Patt
In Deutschland haben wir heute eine Patt-Situation: Eigentlich sollte z.B. schon seit 2014 laut Kölner Verwaltungsgericht chronischen Schmerzpatienten der Eigenanbau nach Überprüfung gestattet werden können. Dagegen hat jedoch das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ Berufung eingelegt. Rechtskräftig ist also der Kölner Entscheid nicht. Um etwas zu ändern für die Strafrechtssituation, die Kriminalität, die Patienten und natürlich für die Forschung und den Pharmamarkt müsste man also weit konsequenter vorgehen und nicht im Pilgerschritt zwei Schritte vor und einen zurück gehen.
„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“
Einen neuen Schritt nach vorne, -wobei dies nicht zwingend als richtige Richtung gewertet sein soll- zumindest jedoch aus dem Patt heraus, hat diesen Sommer die Berliner Bezirksbürgermeisterin der Szene-Distrikte Friedrichshain-Kreuzberg gestartet. Laut Monika Herrmanns Antrag auf kontrollierte Cannabis-Abgabe für Ü-18 Konsumenten soll der jeweilige legale Einkauf beschränkt auf 10 Gramm werden. „Vier Abgabestellen mit geschultem Personal“ sollen dabei zukünftig Jugendschutz und Verbraucherschutz gewährleisten, heißt es dazu in der Pressemitteilung des Bezirksamtes. „Ziel des regulierten Verkaufes von Cannabis ist es, die gesamte Kette von der Produktion bis zum Verbrauch streng zu regulieren. Nur so können die Oberziele Gesundheits- und Jugendschutz sowie Kriminalitätsbekämpfung umgesetzt werden“. Das alles noch dazu mit schadstoffarmen Produkten aus der Region, so der Antrag der Bezirksbürgermeisterin beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.
Neue Wege beschreiten
Was spricht eigentlich gegen eine Regelung oder Herangehensweise, die noch nicht in einem anderen Staat versucht wurde? Heutzutage können wir beispielsweise jedem x-beliebigen Produkt jedwedes Attribut dank gezielter Werbung und PR angedeihen lassen. Warum nicht Cannabis mit Medizin komplett gleichsetzen. Vielleicht ist es dann bald schon genauso „uncool“ sich mit Cannabis wie mit Hustensaft oder Klebstoff zu berauschen? Wobei noch dazu der direkte Bezug von Cannabis zu Medizin ja längst besteht und von den Marketingexperten dieses Attribut nur elaboriert werden müsste.
Als gesichert lässt sich allerdings schon jetzt zweierlei festhalten:
1. Ein legaler regionaler Verkauf birgt in jedem Fall die Gefahr, die Hauptstadt noch mehr zum Mekka der Drogeneinsteiger werden zu lassen nach dem Motto „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin -da ist Cannabis-Kauf legal, wenn ich einen Kumpel aus Kreuzberg habe“.
2. Der Antrag der Bezirksbürgermeisterin wird scheitern und gegen den Entscheid wird wieder geklagt werden. Und auch auf dieser Ebene wird wieder ein Patt entstehen.
Total entspannte Endocannabinoide
Zum Glück ist auch dieses Patt unseren Endocannabinoiden völlig egal. Sie machen ganz entspannt weiter und spielen, da sind sich die Forscher heute mehrheitlich einig, eine entscheidende Rolle bei uns und in uns, bezüglich ungezählter Störungen. „Das Spektrum des Endocannabinoidsdystem“, so Professor Carsten Wotjak vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, „kann man sich vorstellen so vielfältig wie ein bunter Wiesenblumenstrauß. Aber wir stehen bei Weitem nicht bei Null. Es gibt bereits einen CB1-Blocker, der jedoch den großen Nachteil hat, Ängstlichkeit und Depressionen hervorzurufen“. Was wiederum im Umkehrschluss aber auch der Beweis oder zumindest Hinweis ist, dass hier ein Zusammenhang besteht zwischen dem Endocannabinoid-Haushalt und unserer Stimmungslage und gegebenenfalls unseren Neurosen oder gar Psychosen.
Raus aus dem Patt!
Aber warum bekommt die Forschung so wenig Unterstützung? Warum investieren wir nicht in unser Endocannabinoid-System statt in marode Länder oder tödliche Waffen? Wir fliegen zu Satelliten, die hunderttausende von Kilometern entfernt sind, verstehen aber nicht das System, was maßgeblich unser Leben ausmacht. Läuft dieses System rund, verdient natürlich niemand daran, erst wenn wir erkranken, leiden, Störungen haben, dann geben wir Geld aus für Medizin und OPs. Schadet also die Forschung, wenn sie nun Fortschritte macht, unserer Wirtschaft?
Ist es so einfach und dabei so perfide, dass ein natürliches Heilmittel oder noch besser: ein Heilmittel, das wir in uns haben, nicht unterstützt wird, weil es so gut wie nichts kostet? Mag tatsächlich ein explizites wirtschaftliches Desinteresse eine Rolle spielen an der mangelnden Förderung, der geringen Presse und dem minimalen Bekanntheitsgrad dieses fantastischen Systems in uns? Und dies, obwohl die bisherigen Forschungen sicher aufzeigen, dass das Endocannabinoidsystem sowohl auf unsere Physis als auch auf unsere Psyche einen immensen Einfluss hat.
Größer denken!
Es muss einfach größer gedacht werden und nicht nur an den eigenen direkten Profit. Vielleicht haben wir sogar die Lösung direkt vor der Nase -oder noch besser- tatsächlich in uns? Die Lösung, die uns hilft, Leiden von A wie ADHS bis hin zu Z wie Zysten zu lindern oder gar zu heilen?
Cannabis selbst ist ja schon jetzt im Einsatz zum Beispiel gegen vielerlei Schmerzen, insbesondere gegen neuropathische Schmerzen (Schmerzen, die durch in Mitleidenschaft gebrachte Nerven entstehen). Außerdem ist bereits heute Cannabis im Einsatz für Krebspatienten gegen Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapien und es lindert Spastik bei MS. Die Palette ist lang, noch länger ist die Liste der vermuteten und noch weniger gesicherten positiven Wirkungsfelder von Cannabis und damit letztlich auch von unseren Endocannabinoiden: Selbst Epiliepsie, Parkinson, Haut, Darm, Schlaf und Haare sollen sich positiv beeinflussen lassen; insgesamt tut sich die Frage auf, ob Endocannabinoide nicht auch mit unserem Alterungsprozess zu tun haben. Liegt hier vielleicht sogar der „Anti-Aging-Schalter“ in uns und der älteste Traum der Menschheit könnte wahr werden? „In jedem Fall, das ist gesichert“, so der erfahrene Spezialist Prof. Beat Lutz aus Bern mit einem Augenzwinkern, “hat dieses Thema ein riesiges Potential und diese kleinen Endocannabinoide haben mich richtig süchtig gemacht. Wir bleiben dran“.
Können wir selber unser Endocannabinoid-System beeinflussen? Wenn ja, -wie?
Schon jetzt wissen wir, dass die Möglichkeit besteht, zum Beispiel Anandamid, eines der körpereigenen Cannabinoide zu stärken. Das funktioniert im Grunde wie oben angedeutet genauso wie im Fall von Antidepressiva, die den Abbau des Neurotransmitters Serotonin hemmen und somit die Verstoffwechslung -die sogenannte „Wiederaufnahme“- verzögern können. Ein weiterer Weg ist, die Produktion von Anandamid anzukurbeln, zum Beispiel mit Sport, protein -und omega 3-reicher Ernährung und Bewegung.
Tuning
Es ist bekannt, dass Paracetamol und Ibuprofen als Abbauhemmer von Endocannabinoiden fungieren und sich somit positiv auf unser Endocannabinoid-System auswirken. Darüber hinaus gelten als Förderer oder Lieferanten von Substanzen, die das Endocannabinoidsystem stimulieren: „Chilis, schwarzer Pfeffer und Gewürz-Nelken. Generell gilt: Sport, Fleisch, Fisch, frisches Obst und Gemüse machen ebenfalls unser Endocannabinoid-System fit.
Besondere Top-Scorer sind Trüffel wegen ihres besonders hohen Endocannabinoid-Gehalts und gewisse Magnolien, deren Inhaltsstoffe abbau-verhindernd sein sollen“, so der Berner Pflanzenexperte Prof. Jürg Gertsch.
Vorsicht: Ethik und Philosophie
Die Zusammenhänge von Endocannabinoiden und körperlichen und seelischen Problemen sind also unstreitbar, nicht jedoch die Dosierung. Und: Modulieren wir am System, wie zum Beispiel mit dem Appetitzügler Rimonabant, der ganz gezielt als sogenannter Antagonist hemmend auf unser Endocannabinoid-System einwirkt, gehen wir auch gleichzeitig Gefahren ein. Im Falle des Appetitzüglers zählen zu den Nebenwirkungen Depressionen und Angststörungen, die ja nun wirklich niemand haben will.
Das System hinter dem System
Andererseits: Natürlich bringt es Gefahren mit sich, immer, wenn wir in die Natur eingreifen. Allerdings tun wir das schon reichlich -auch an den sehr ähnlich arbeitenden Transmittersystemen Glutamat, Serotonin und Dopamin.
Diese Systemähnlichkeit kann einfach kein Zufall sein. Es ist also mehr als wahrscheinlich: Es gibt ein System hinter dem System.
Nun stellt sich unweigerlich dem Autor die Frage: Wer oder was ist verantwortlich für dieses System hinter dem System? Würde man die Antwort auf diese Frage personifizieren, dann müsste man doch sagen: „In jedem Fall steckt dahinter eher ein Genie als ein Chaot!“ -oder?
Tuning oder Balance
„Cannabis-Raucher wollen im Grunde ihre Endocannabinoid-Rezeptoren für „Erholungszwecke“ oder Selbstmedikation überaktivieren, wo hingegen Pharma-Unternehmen versuchen, die CB1-Cannabinoid-Rezeptoren zu blockieren. Aber keine dieser beiden Strategien erweisen sich auf lange Sicht als vorteilhaft, sondern eher schädlich“, so der ungarische in Portugal forschende Neurobiologe Dr. Attila Köfalvi. Besser als Tuning ist sicher, auf die Balance im Körper zu achten. Stressreduktion steht da an aller erster Stelle. „Jeder sollte für seine eigene Entspannung sorgen, am besten täglich eine halbe Stunde lang und zwar ohne jede Stimulation. Das bedeutet: kein Krach, keine Musik, kein Denken, kein helles Licht.
Damit fahren wir unser Cortisol runter, was unserem Endocannabinoidsystem gut tut. So stellen wir wieder die Balance her und können so selber viele Störungen im Körper positiv beeinflussen“. Des Weiteren empfiehlt der ungarische Forscher, Alkohol, Kohlenhydrate, Zucker, gentechnisch veränderte Lebensmittel und Emulgatoren möglichst zu vermeiden oder wenigstens moderat zu reduzieren und stattdessen pflanzliche Öle, Obst, Gemüse, Fisch, Vitamin C und B-Komplex und Körner zu uns zu nehmen. Zusätzlich steht für den Neurobilogen fest:
„Regelmäßiger Sport und Sex ist nicht nur gut für unser Dopamin-, unser Endorphin- und unser Endocannabinoid-Niveau, sondern es ist richtig wichtig!“
Zurück in die Zukunft
Wozu in die Ferne schweifen, liegt die Lösung doch in uns!? Wir müssen uns nicht immer nach anderen Staaten richten, wir können auch mal eigene Wege gehen und versuchen, mit dem, was uns mitgegeben wurde, verantwortungsvoll umzugehen, vorausgesetzt wir haben es hinlänglich erforscht und verstanden.
Dazu bedarf es noch eine gehörige Portion Zeit und Geld. Dann wird es auch schon in absehbarer Zeit möglich sein, die Wirkung von Cannabis, Cannabinoiden und von Endocannabinoiden verantwortungsvoll zum Wohle der Patienten zu nutzen. Es wäre ein Durchbruch wie seinerzeit die Entwicklung der Antibiotika zur Behandlung bakterieller Infektionskrankheiten und schon bald vielleicht keine Zukunftsmusik mehr.
30. Dezember 2016
(c) Norbert Stolze
Heilpraktiker
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Über den Autor Norbert Stolze
“Nachdem ich viele Jahre für TV-Sender Filme und Sendungen zum Thema Gesundheit produziert habe, machte ich mich als PR-Berater mit Spezialisierung auf… ”
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