
Das Glück und seine Facetten
Wer dauerhaft glücklich sein will, sollte dies einüben. Gerade in Industrieländern herrscht häufig Unzufriedenheit vor, während man sich in Entwicklungsländern auf das Positive konzentriert.
Wenige Begriffe sind so facettenreich wie „Glück“. In der westlichen Welt wird er oft verkürzt auf das materielle Wohlergehen. Eine weltweite Studie zeigte 1998 jedoch Länder wie Bangladesh, Indien und Nigeria in Sachen Glück auf den ersten Plätzen – Deutschland rangierte auf Rang 42. Die Ergebnisse der Forscher belegen, dass Schönheit, Geld, Heirat, Familie, Kinder und Jugend nichts mit dem Lebensglück zu tun haben. So sind beispielsweise die glücklichsten Menschen in unserer Gesellschaft die „jungen Alten“ zwischen 65 und 70, und nicht die oftmals vergötterten jungen Leute – vielleicht, weil man im Alter oft stressfreier und gelassener lebt. Von allen Faktoren des Glücks scheinen zudem befriedigende soziale Kontakte immer wichtiger zu werden je virtueller, spezialisierter und technischer das Umfeld ist.
Glücksmomente erleben und Vorfreude nähren – Glück und seine Facetten
Am leichtesten ist das Glück zu beschreiben, wenn man es an körperlichen Merkmalen festmacht: das Herz schlägt schneller, die Haut wird besser durchblutet, sie wird wärmer und feuchter, ihr elektrischer Widerstand sinkt. Solche Körpersignale sind an die Ausschüttung von Hormonen wie Dopamin und Oxytocin gekoppelt. Hier schenken uns Zärtlichkeit, Sex, Spiel und Sport sowie die Bewegung an der freien Natur auf einfache Weise Glücksmomente. Und je mehr man davon hat, umso glücklicher ist man. Neben momentanen Glückszuständen unterscheidet man eine zeitlich überdauernde Grundgestimmtheit, die veranlagt ist, und künftig erwartetes Glück. Letzteres kann ein erwarteter Umzug, eine kommende Beförderung oder der nächste Urlaub sein. Wichtig ist die Vorfreude auf ein solches Ereignis. Glücklich ist also auch derjenige, der immer wieder neue, lohnende Perspektiven entwickelt.
Einflüsse von Kindheit und Kultur
Was aber ist mit der zeitlich überdauernden Grundgestimmtheit? Hier begegnet man Veranlagungen und negativen frühkindlichen Erfahrungen, die viele Menschen nicht glücklich sein lassen und nur durch therapeutische Arbeit verändert werden können. Auch die Kultur spielt eine Rolle. So sind Japaner eher unzufrieden, Mittelamerikaner eher fröhlich, Nordamerikaner optimistisch und Europäer stärker auf Sicherheit bedacht. Hier erkennt man, wie zweifelhaft Vergleiche sind. So lagen bei einer ökologisch ausgerichteten Studie von 2006 vor allem Inselstaaten und Bananenrepubliken vorne. Deutschland folgte auf Platz 81 und die USA auf Platz 150. Im gleichen Jahr erschien jedoch ein Vergleich, der Gesundheit, Wohlstand und Bildung fokussierte. Hier rangierten Dänen, Schweizer und Österreicher an erster Stelle. In einer individualistischen Kultur sind zudem Selbstbestimmtheit und Mitwirkungsmöglichkeiten für das Glück von Bedeutung, in einer kollektivistischen Kultur kommt es dagegen auf das Wohlbefinden der Sippe an.
Schon die Philosophen der Antike versuchten, kulturunabhängige Antworten zu finden. Sokrates selbst beeindruckte durch einen einfachen Lebensstil und erstaunliche Körperbeherrschung. Wie die anderen griechischen Philosophen pries er Tugenden, die man heute als „klassische Werte“ bezeichnen würde. Platon betonte die Rolle einer erfüllenden Tätigkeit und der Muße. Aristoteles riet zur Askese, seine Anhänger empfahlen Ataraxie (Unerregtheit). Diesen Begriff kann man auch mit Gelassenheit und Stressfreiheit übersetzen, was ja, siehe oben, die „jungen Alten“ auszeichnet. Epikur wiederum steuerte genießerische und sinnliche Aspekte bei, sowie die Idee der Unlustvermeidung: Tue das, was du gern tust! Generell findet man in der griechischen Antike die Idee einer maßvollen Bedürfnisbefriedigung und die hohe Wertschätzung der Freundschaft.
4. Oktober 2014
Uwe Taschow