Einfache Meditation gegen Angst

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Wir leben in unsicheren Zeiten. Wir leben immer in unsicheren Zeiten, doch derzeit wird uns diese Tatsache richtig bewusst. Das macht Angst. Angst gründet immer in der Furcht, das zu verlieren, was wir für unser Ich oder das Ich der anderen halten. Angst ist immer die Angst vor dem Tod des Ich. Deshalb stelle ich hier eine einfache Meditation gegen Angst vor.

Wenn wir mit unserer Angst umgehen, stoßen wir also immer auf die Frage nach unserem Ich. Wir kommen nicht darum herum.

Was ist das, was da vermeintlich gefährdet ist?
Was ist das, was vom Tod bedroht ist?

Wir können diese Fragen nicht rational beantworten, aber wir können sie ergründen in unserem Sein. Das möchte ich im Folgenden tun.

Unternehmen wir darum zusammen eine kleine Meditation,

eine Meditation zum Ich, eine Mediation gegen die Angst.

Richten Sie dabei zunächst Ihre Aufmerksamkeit auf den Atem und beobachten sie die Körperempfindungen, die den Atem begleiten. Schließen Sie dabei die Augen. Mit dem Einatmen weitet sich der Bauchraum, ein gewisses Druckempfinden stellt sich ein.

Beim Ausatmen entspannt sich die Bauchdecke. Versuchen Sie das optische Bild ihres Körpers fallen zu lassen und nehmen sie einfach wahr, was durch den Atem geschieht.

Atemmeditationen sind zunächst nützlich, um die Aufmerksamkeit von den 1000 Dingen dieser Welt, die uns ständig beschäftigen, abzulenken – weg von unseren Bildschirmen, Wünschen, Sorgen, Ängsten usw. hin zu einem einzigen Ding, dem Atem. Dabei haben wir schon den Eindruck uns selbst näher zu kommen.

Stellen Sie nun fest, dass sich der Atem ständig ändert.

Es gibt keinen Moment, der dem vorherigen gleicht. Dauernd ist etwas im Gange. Die Körperempfindungen unterliegen einem steten Wandel.

Mal ist da Druck, dann Zug, Mal Wärme, dann Kälte, Kribbeln, Pochen, Strömen, Streichen.
Körperempfindungen lassen sich schwer beschreiben. Je mehr wir sie beobachten, desto vielfältiger erscheinen sie uns.

Der Atem kommt und geht. Alles ändert sich ständig.

Alle Dinge ändern sich ständig. Selbst ein Stein, den wir für sehr dauerhaft halten, ändert sich, wandelt sich um. Wir müssen ihn nur lang genug beobachten, um das zu erkennen.

Alles was wir wahrnehmen, unterliegt einem solchen sich ständig ändernden Prozess. Beständige Dinge gibt es gar nicht. Niemals. Sie erscheinen uns nur manchmal mehr oder weniger stabil. Auch ein Stein ist ein Prozess, genauso wie der Atem.

Beobachten Sie weiter ihren Atem! Der Atem weitet sich, verharrt unmerklich kurz und fließt zurück, steigt auf und geht. Er bleibt niemals was er gerade ist. Er ist flüchtig, unbeständig, instabil.

Aber nun kommt die entscheidende Frage:

Gibt es in der Beobachtung des Vorgangs irgendwas, was sich nicht ändert, was immer da ist, was bleibt, was ruht, was nicht kommt und vergeht? Versuchen Sie das Bleibende im Vergänglichen zu entdecken! Versuchen Sie zu ergründen, ob dem wechselnden Atem etwas Konstantes, etwas Ruhendes begegnet!

Sie werden bestätigen, dass da irgendetwas ist, das nicht dem Wandel unterliegt, das nicht kommt und geht wie der Atem. Doch was ist das? Vielleicht haben Sie den Eindruck, dass das Ihr Körper ist, der immer anwesend zu sein scheint. Wir halten unser Ich für unseren Körper.

Doch wenn Sie nur darauf achten, was Sie tatsächlich spüren und sich den Körper nicht gedanklich vorstellen, dann besteht Ihr Körper aus einer Ansammlung von Empfindungen. Und diese Empfindungen ändern sich ständig. Sie sind alles andere als dauerhaft. Der Körper ist ein Prozess, genau wie der Atem.

Sie finden nichts Beständiges?

Dann haben Sie im Grunde recht. Alles, auf was wir unsere Aufmerksamkeit richten können, ist immer eine Art Ding, eine Empfindung, ein Gedanke oder eine Sinneswahrnehmung.
Und all das ändert sich ständig, bleibt niemals, was es gerade ist. Wir können also niemals „etwas“ finden, das sich nicht ändert. Wir können niemals unsere Aufmerksamkeit auf etwas richten, das bleibend wäre.

Sind also auch wir selbst ein Prozess, der sich ständig ändert?
Ein Ich, das sekündlich neu entsteht und vergeht? Dann wären wir eine flüchtige Erscheinung. Aber wie sollten wir dann den Wandel registrieren, der uns scheinbar umgibt? Und wenn es so wäre, woher käme dann unsere Angst? Wo nichts Bleibendes ist, könnte ja auch nichts sterben, oder?

Haben Sie nicht den Eindruck, dass Sie jetzt gerade die Erfahrung von Dauerhaftigkeit, von Unveränderlichkeit machen?

Ist es nicht gerade diese gegenwärtige Erfahrung, die immer da ist? Die Erfahrung der Erfahrung?

Machen Sie sich klar, dass in diesem Moment ein Bezeugen, ein Registrieren, ein Bemerken des Atems vorhanden ist. Sie, wer sonst, bezeugen den Atem! Wenn das nicht der Fall wäre, dann könnten wir uns jetzt nicht darüber austauschen. Sie wissen, dass jetzt gerade ein Atmen stattfindet. Ihr Ich nimmt den Atem wahr. Ist es nicht so?

Sind dieses gegenwärtige Bezeugen, ihre bewusste Anwesenheit, ihre Präsenz, das Wissen um ihr Dasein und um das Dasein des Atems auch vergänglich? Wenn der Atem kommt, kommt dann auch Ihre bewusste Anwesenheit?

Wird Ihr Ich also mit dem Atem stärker?

Wenn der Atem geht, verschwinden Sie dann mit ihm von der Bildfläche? Sind Sie also mal weg und dann wieder da? Ist Ihr Sein an den Atem gebunden? Oder ist es nicht genau umgekehrt?

Der Atem kommt und geht, Sie aber als das gegenwärtige Erfahren des Atems, bleiben immer konstant anwesend, unberührt. Das Bleibende ist also nicht in den Dingen, in den Prozessen, sondern es ist in unserem Wissen um das Dasein dieser Dinge. Wir selbst sind der bleibende bewusste Hintergrund hinter aller Änderung.

Gehen wir noch einen kleinen Schritt weiter und untersuchen diese unzweifelhaft vorhandene Erfahrung unserer Gegenwärtigkeit noch etwas genauer.

Finden Sie in dieser bewussten Präsenz, in diesem gegenwärtigen Dasein eine Begrenzung?

Fehlt diesem Dasein irgendetwas? Kann man etwas davon wegnehmen oder hinzufügen? Natürlich nicht.

Gäbe es eine Begrenzung, gäbe es einen Mangel, dann wäre Ihre Gegenwärtigkeit nicht bleibend, nicht unveränderlich, sondern sie würde zu einem Prozess, zu einem flüchtigen Ding. Etwas, was nicht dinglich ist, kann auch nicht begrenzt sein.

Es kann auch nicht fehlerhaft, es kann überhaupt nicht irgendwie sein. Es ist.

Sie sind kein Ding! Sie sind kein Prozess!

Sie sind niemals das, auf was sich Ihre Aufmerksamkeit richten kann. Sie leben nicht in der Zeit und auch nicht im Raum, den Sie bezeugen. Gegenwart kennt kein Vergehen. Gegenwart ist kein Moment in der Zeit. Gegenwart ist. Sie sind. Unwandelbar, unveränderlich, ungefährdet.

Sie, ich, wir alle leben nicht in unsicheren Zeiten. Wir leben gar nicht in der Zeit. Und das ist keine abgehobene, philosophische Erkenntnis, sondern unsere immerwährende und jederzeit erfahrbare Wahrheit. Gibt es einen besseren Trost als diese Erfahrung? Gibt es wirklich eine andere Medizin gegen die Angst?

23.04.2020
Peter Pfrommer

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Vita: Prof. Peter Pfrommerkamphausen-Peter-Pfrommer

Peter Pfrommer geb. 1966, studierte in Stuttgart und promovierte im Bereich der Gebäudeklimatik.
Seit 1998 lehrt er als Professor an der Hochschule Coburg im Spannungsfeld von Wissenschaft und Kunst. Seine Erfahrungen in Fragen der Selbsterforschung vermittelt er u.a. seit 2013 im Hochschulseminar „Wer ist Ich?“.
Mehr unter: www.ichexperimente.de


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