Der Tzolkin, der Kalender der Maya

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maya-kalender-pyramide-sonnenuntergang-pyramidDer Tzolkin, der Kalender der Maya

Die astronomischen und kalendarischen Berechnungen der Mayas
von Dieter Vogl
Die Mayas, die mittelamerikanischen Indianer, entwickelten bereits vor tausenden von Jahren einen Kalender, dessen Komplexität und Genauigkeit unvergleichlich ist. Nicht nur die Bestimmung der Zeit, sondern auch kosmologische Abläufe des Universums und inhaltliche Qualitäten der Zeitzyklen bilden den Gegenstand ihrer Beobachtungen.

Inhaltsverzeichnis

Im Zusammenhang mit dem Kalender ist auch die Mathematik der Mayas Gegenstand des Artikels sowie außerdem gewisse Verbindungen zwischen den Mayas und der vedischen Kultur.

1. Prähistorische Astronomie in der Alten und Neuen Welt

Die vedische Astronomie-Schrift Surya-siddhanta gehört weltweit zur umfangreichsten und detailliertesten schriftlichen Überlieferung auf dem Gebiet der prähistorischen Astronomie. Auch bei genauer Betrachtung anderer Mythen kann man feststellen, dass die Art und Weise, wie darin die Planetensysteme, das Universum und die zeitli­chen Verhältnisse beschrieben werden, an Genauigkeit kaum noch überboten werden können.

Lediglich zwei mythologische Überlieferungszyklen kommen der Aussagekraft der Veden nahe. Das ist zum einen der biblische Schöpfungsmythos und zum anderen die chrono-magische Kosmogo­nie der Mayas. Wobei auch die sumerische und ägyptische Kosmogonie nicht unerwähnt bleiben darf, denn gerade sie hatten unverkennbar ein ganz besonderes Verhältnis zu ihren himmlischen Schöpfern und richteten dementsprechend eine Vielzahl von Tempelbezirken nach den Gestirnen aus.

Alle drei Schöpfungszyklen haben eine individuelle Zählweise,

und geht man ins Detail ihrer Aussagen, dann treffen trotzdem alle drei uneingeschränkt zu. Oftmals sind sie sich in ihren Ergebnissen sogar so tiefgreifend ähnlich, dass es verwundert, wie diese Übereinstimmung in unserer primitiven Vorzeit zustande kommen konnte.

Selbst dort, wo die Zählweise im ersten Augenblick nicht als ähnlich oder identisch angesehen werden kann, kann man feststellen, dass sich die Resultate weitgehend gleichen.

Aufgrund dieser und anderer, insbesondere archäologischer Analogien, vermuten Forscher, dass zumindest ab der indischen Harappa-Kultur die Inder mit den Sumerern, Assyrern, Babyloniern und anderen semitischen Kulturen in ständiger Verbindung standen.

Hierfür spricht auch, dass beispielsweise die Verfasser der Bibel davon ausgehen,

dass das Elysium, der erste Lebensraum der Menschen, an den Flüssen PISchO’N, GIChO’N, ChiDä’QäL und PöRa’T liegt.
Forscher sind mittlerweile der Ansicht, dass mit dieser Aufzählung die Flüsse Nil, Eufrat, Tigris und Indus gemeint waren. Und in der Tat müssen wir heute uneingeschränkt davon ausgehen, dass die ersten städtischen Hochkulturen exakt in diesen Gebieten entstanden.

Es ist also kein Wunder, wenn derzeitig von der Wissenschaft gelegentlich die Meinung vertreten wird, dass zwischen diesen ersten kulturellen Hauptzentren der Menschheit Handelsbeziehungen bestan­den und eine wechselseitige Beeinflussung stattfand.

Vor allem ar­chäologische Funde, die auf gemeinsame Güter hindeuten, belegen ebenfalls diese Annahme und wenn sich auch im mythologischen und religiösen Bereich unterschiedliche Denkstrukturen entwickelten, kann dies nicht als Argument angesehen werden, dass es keine Gemeinsamkeiten gegeben hätte.

Ganz im Gegenteil, denn betrachtet man sich die ersten Ballungsgebiete,

dann wird deutlich, dass selbst Stadtstaaten, die geografisch nur wenige Kilometer auseinander lagen, sich dennoch kulturell abgrenzten, um einer religiösen und ideologischen Zentralisierung aus dem Weg zu gehen.

Dies wird wiederum besonders dadurch belegt, dass offensichtlich jede aufstrebende Kultur eigene Gottheiten anbetete und ein eigenes Verständnis vom Weltganzen entwickelt hat.

Betrachten wir uns die Astronomie als faktische Größe und als eines der ersten Felder menschlicher Betätigung, dann wird durch einen Blick in ein gutes Geschichtsbuch sehr deutlich, daß vielerorts schon im Neolitikum ernsthafte Astronomie betrieben wurde.

Megalithbauten in Frankreich (Carnac),

England (Stonehenge) und die prähistorischen Tempelanlagen auf Malta bestätigen, dass z.B. die Menschen in Europa schon sehr früh Bauwerke für astronomische Zwecke errichteten.

Auch in Indien reichen astronomische Anlagen in ein geschichtlich dunkles Zeitalter zurück, und betrachtet man sich die ägyptischen Pyramiden im Norden Afrikas, die nachweislich ebenfalls nach den Gestirnen ausgerichtet wurden, dann wird einem anhand dieser gigantischen Kathedralen der Vorzeit erst richtig bewusst, wie weit die astronomische Betätigung des Menschen wirklich in die Vergangenheit zurückreicht.

Auch hier haben die sumerisch/babylonischen (Zikkurats), indischen (Gopuras) und mesoamerikanischen (Pyramiden) Völker vergleichbares vorzuweisen und eine Vielzahl von Bauwerken, die beispielsweise in Indien in früh- und nachvedischer Zeit entstanden, wurden ausschließlich zu Ehren jener Gottheiten erbaut, deren Personifizierung mit den Gestirnen in enger Verbindung stand.

Geht man nun über den Ozean nach Mesoamerika in die Neue Welt

und beschäftigt man sich eingehend mit den dort ansässigen Völkern, dann wird einem anhand der hier vorhandenen astronomischen Bauwerke (Observatorien u.ä.) bewußt, wie weit prähistorische Sternen- und Planetenkunde wirklich reichte.

Die Astronomie und Kosmogonie der Mayas muß gegenüber den sumerischen, ägyptischen, aber auch den indischen Formen als die komplexeste bezeichnet werden. In diesen Pyramiden symbolisiert jeder einzelne Stein eine kosmische Bezogenheit. Alleine die Bemaßung der einzelnen Pyramiden bestätigen, dass dabei Zahlengrößen verwendet wurden, die eindeutig auf die Planetenbewegungen hinweisen.

Sowohl das Sonnenjahr als auch das Heilige Jahr der Maya wurde danach ausgerichtet. Sage und schreibe über 120 Tempelstädte wurden bislang gefunden und allesamt deuten uneingeschränkt darauf hin, daß auch sie nur den einen Zweck hatten: die Verherrlichung der Gestirne und der dazugehörigen Gott­heiten.

2. Der Mayakalender

Eine umfangreiche Forschungsarbeit hat gezeigt, daß es weltweit aus prähistorischer Sicht nichts Ge­naueres als den Mayakalender gibt. Und obwohl es auch in anderen Teilen dieser Welt chronologisch aufgebaute Kalendersysteme gibt, kommt keines an die Präzision jener abgestuften Zeiteinteilung heran, die den Mayakalender vor allen anderen auszeichnet.

Man muss sich eingehend mit ihm beschäftigen, denn der Aufbau des Kalenders ist der Vermittler zwischen der periodisch ausgerichteten Pyramidenarchitektur und jenen Zeitspannen, die als göttlicher Zyklus angesehen wurden.

Betrachtet man sich das differenzierte System dieses Kalenders ge­nauer,

dann kann man die einzelnen Zeitabschnitte mit Bürden ver­gleichen. Lasten, die, ähnlich wie bei einem Staffetenlauf, gleich­sam in alle Ewigkeit von den göttlichen Trägern weitergereicht und übernommen werden. Eine Vielzahl von Stelen haben diesbezügliche Darstellungen.

So z.B. die Stele E, Quirigua (Abb. 1). Ihre Bilder­schrift verdeutlicht beispielsweise eindrucksvoll, wie der Nachtgott seine Hand zum Stirnband seines Vorgängers austreckt und sich dieser dabei von seiner Position erhebt, wodurch symbolisiert wird, dass die Nacht dem Tag weichen muss.

Jeder Tag wird dabei faktisch von zwei Gottheiten beherrscht und beeinflusst, denn jeder Tagesname wird als eine Verknüpfung von einer Nummer und einem Namen gesehen. Beide zusammen werden zur Personifikation des Göttlichen und dadurch zum Träger des Tages.

Obwohl es auch in der Alten Welt vergleichbares gibt,

(vgl. z.B. das hebräische Zahlensystem. Auch hier ist ein Buchstabe immer auch eine Zahleneinheit – die Zahl 1 [Aleph] ist dabei das Haupt, der Anfang und das Göttliche), hat diese göttliche Personifizierung des Tages und der Nacht die Mayakultur nachhaltiger und ausgeprägter beeinflusst als alle astrologischen und divinatorischen Praktiken der Alten Welt.

Die Mayas rechneten de facto immer nur mit vollendeten Tagen. Die Wiedergabe von Stunden, Minuten und Sekunden kennen die Mayas nicht. Dadurch wird beispielsweise der erste Tag des Monats Pop (Namensgeber für diesen Tag ist der Gott Pop (Poopl) immer mit der 0 berechnet.

So wird der 20tägige Zyklus dieses Monats mit 0 Pop (l. Tag), 1 Pop (2. Tag), 2 Pop (3. Tag) bis 19 Pop (20. Tag) ge­zählt. Ab 19 Pop beginnt ein neuer Monatszyklus. Diese Zählweise ist z.B. eines der gängigsten Verfahren in der PC-orientierten Indexzählung.

Sie ist an Logik nicht mehr zu überbieten, denn jede Liste oder Tabelle lässt sich am besten von der 0 ableiten. Vor allem deshalb, weil man von der Null ausgehend uneingeschränkt sowohl mit -0 als auch mit +0 in alle Richtungen arbeiten kann.

Die Mayas kennen zwei getrennte Jahreseinteilungen.

Sie stehen ne­beneinander und symbolisieren auf der einen Seite das Sonnenjahr, haab, mit 365 Tagen. Es wird eingeteilt in 18 uinal. Diesen 18 uinal werden 5 Tage ohne Namen, die uayeb, hinzugefügt. Jeder der 5 Tage gilt bei den Maya als ausgeprochener Unglückstag.

Auf der anderen Seite steht ein 260-Tage-Zyklus. Dieser Jahreszyklus hat bei den Mayas ganz besondere Bedeutung, denn er stellt das hei­lige, daß spirituelle Jahr, genannt tzolkin, dar.

Nach diesem Jahresrhythmus richteten sich alle Zeremonien und Fest­lichkeiten der Mayas. Selbst das private Leben wurde nach diesem Jahreszyklus ausgerichtet. Für einen Maya wurde der Gott des tzolkin-Tages, wenn er an einem solchen geboren wurde, zum ganz persönlichen Schutzpatron. Einzelne Mayastämme, wie beispielsweise die Cakchiquel im Hochland von Guatemala, benannten ihre Neugebore­nen ganz automatisch nach dem jeweiligen Tagesgott.

Im Gegensatz zum Sonnenjahr (haab) wurde das Heilige-Jahr

(tzolkin) nicht im üblichen Monatsrhythmus aufgeteilt, sondern in einer fest­gelegten Abfolge von 260 Tagen. Jeder dieser Tage erhält seinen Na­men nach den Zahlen 1 bis 13. Zusätzlich erhielt er einen der 20 Tagesnamen. Die Abfolge war so geordnet, daß jede dieser 13 Zahlen einmal mit jedem der 20 Tagesnamen kombiniert wurde. Erst dann war ein tzolkin-Jahr beendet und ein neues tzolkin-Jahr mit 13×20 Tagen konnte beginnen.

Das Sonnenjahr und das Heilige Jahr wurden chronologisch parallel zueinander berechnet.

Nach 73 tzolkin-Jahreszyklen hatte sich der haab-Jahreszyklus 52 mal wiederholt und konnte dann, wenn beide den gleichen Ausgangspunkt einnahmen, neu ablaufen. Seltsamerweise kennen zwar alle Völker Mesoamerikas diesen 52 Jahresrhythmus, aber nur bei den Mayas wurde über diesen Zyklus hinaus gerechnet.

Bei den Azteken wurde das Ende dieses Zeitraums mit dem Weltuntergang gleichgesetzt. Nur bei den Mayas hingegen war dieser Tag ein wahrer Freudentag, denn sie erhofften sich mit diesem Datum die Wiederkehr der weißen Götter.

Auf diesem Glauben entwickelten die Mayas einen Zukunftskult, der weltweit nahezu einmalig ist und in der Form seiner differenzierten Berechnungen eigentlich nur noch mit der sumerischen, hebräischen und vedischen Rechenweise verglichen werden kann.

3. Astronomie ist bei den Mayas gleich Pyramiden- und Tempelbau

Die Hoffnung der Mayas, dass ihre Schöpfer ihr Versprechen einlösen und eines Tages wiederkommen würden, ließ die Mayas einen Zukunfts­kult entwickeln, der auf einer Berechnung basierte, die mehrere Millionen Jahre umfasste.

Hierin gibt es auf astronomischen Gebiet nur noch eine vergleichbare Größe: die Veden. Auch darin wird, z.B. im Falle der Schöpfung, von Jahrmillionen gesprochen. Vergleicht man nun den Schöpfungsablauf der Mayas mit dem Indiens, dann kommen die abweichenden Aussagen nur daher, weil diese beiden Völker schon ein Zahlensystem besaßen und im Gegenzug die Hebräer noch keines entwickelt hatten. In der indischen Kosmogonie wird deshalb von Jahrmillionen gesprochen und in der hebräischen von Tagen.

Wobei diese deutsche Übersetzung des biblischen Verses ganz offensichtlich falsch ist,

denn der Originaltext der Bibel spricht nicht von Tagen sondern von “JOM“. Diese Begrifflichkeit darf man jedoch nicht mit Tag übersetzen, sondern auschließlich mit Periode.

Unter diesem Gesichtspunkt wird dann auch das Sechstagewerk der Schöpfung realistisch, weil nach modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen die Evolution nachweislich in sechs getrennten Zyklen ablief und diese Zyklen im Grunde genommen in kein zeitliches System eingeordnet werden können.

Für die Forschung war die Erkenntnis, dass die Maya mit Jahrmillio­nen rechneten,

sehr überraschend, denn im Anbetracht ihrer ausnahms­los vorherrschenden Sorglosigkeit, was die Vergangenheit im allge­meinen betraf, erschien es den Wissenschaftler zunächst zweifel­haft, dass die Maya ausgerechnet für die Zukunft so großes Interesse zeigten.

Die schriftlichen, in Stelen gemeißelten Beweise sprachen jedoch eine offensichtliche Sprache. Die Maya rechneten nicht nur in Jahrmillionen, sie berechneten auch den Lauf der Gestirne und der Planeten so exakt, dass zu modernen Erkenntnissen von heute nur geringfügige Unterschiede bestehen.

Diese auf die Gestirne ausgerichtete Lebenshaltung liegt ohne Frage im Glauben begründet und zwar in der Form, dass allgemein angenommen wurde, die Götter der Tage und Jahre würden in einem 7200 Tage-Rhythmus erscheinen – vorausgesetzt, die göttlichen Mächte wollten ihren Einfluss auch in der neuen Periode auf das Schicksal der Menschen ausüben.

Damit die göttliche Mächten den Mensch wohlgesonnen waren,

richte­ten die gläubigen Maya ihren gesamten Tages- aber auch Lebenslauf auf diese Gottheiten aus. Die himmlichen Wesen fanden so große Verehrung, daß die Priesterkönige sogar Menschenopfer fordern konnten und diese auch aus den niederen Kasten erhielten.

Selbst die Architektur und städtebaulichen Konzeptionen waren nach diesem Gesichtspunkt ausgerichtet. So entwarfen sie in allen ihren Städten Zentren, die ausschließlich für den Kult bestimmt waren und vornehmlich jenen Göttern geweiht wurden, die als Sonnen- und Mond­gottheiten religiöse Verehrung fanden.

Dies erklärt auch, warum sich die Architekten der Maya bei ihren Entwürfen vornehmlich von den Gedanken leiten ließen, die Städte ausschließlich wegen reli­giöser und astronomischer Zwecke zu errichten. Der Mensch selbst stand dabei immer nur im Hintergrund.

4. Das Zahlensystem der Mayas

Zu den großartigsten Leistungen der Maya gehört ohne Frage das Zahlensystem (Abb. 2). Es ist eng verbunden mit der komplizierten Datumsberechnung ihres Kalenderwesens und dadurch mit ihrer Kosmogonie, weil die Gestirne mit den Zahlen und diese wiederum mit den Tagen und durch diese mit den Göttern verbunden waren, die für jene Tage und Jahre Pate standen.

Während in den allermeisten Kulturen lediglich die zehn Finger als Hilfsmittel zum Zählen benutzt wurden und auf dieser Zählweise das Dezimalsystem entwickelt wurde, hat sich bei den Maya und den ande­ren Völkern Mesoamerikas ein Zwanzigerzählsystem ausgebildet.

Dieses Vigesimalsystem, dessen Ursprung ohne Frage eine Verbindung zwi­schen Finger- und Zehenzählung darstellt,

konnte jedoch nur deshalb so erfolgreich eingesetzt werden, weil es in ihrer Zahlenordnung die Ziffer 0 (Null) gibt.

Diese geistige Errungenschaft ist nach dem heutigen Erkenntnisstand der Wissenschaft auf dem amerikanischen Kontinent einzig und allein eine mathematische Erfindung, die von den Maya (oder den Olmeken?) vollkommen selbständig erbracht wurde.

Für die Maya lässt sich diese Zahl bis ins dritte Jahrhundert n. Chr. schriftlich zurück­verfolgen. Ganz sicher muss diese Rechenart aber zum Zeitpunkt ihrer ersten Niederschrift schon gut bekannt gewesen sein und so gehen wissenschaftliche Vermutungen dahin, dass die Erfindung der Null weit vor Christi Geburt lag.

Betrachten wir uns hingegen die Zahlensysteme der Alten Welt und der Indiens,

dann kann man feststellen, dass in Indien erst ab dem 4. oder 5. Jahrhundert sowohl der Stellenwert als auch die Ziffer Null zum rechnen benutzt wurde. Die Fachwelt ist sich daher einig, dass die ersten Benutzer und somit Erfinder des Stellenwerts und der Ziffer Null die Maya waren.

Um diese Leistung richtig zu bewerten, müssen wir uns vor Augen halten, dass der Stellenwert und die Null in Europa erst sehr spät im Mittelalter eingeführt wurde.

Wobei in Europa der Ausgangspunkt dieser Rechenweise auf die Vermittlung der Araber zurückzuführen ist. Diese dürften ihre Kenntnisse auf diesem Gebiet wiederum den Indern zu verdanken haben.

Was ebenfalls ein Beweis dafür ist,

dass die frühen Hochkulturen an den vier Hauptflüssen Nil, Eufrat, Tigris und Indus ständig in Handelsbeziehungen standen. Grundlage des Handelns ist ohne Frage die Zahl und je differenzierter die Zahlenordnung aufgebaut war, umso exakter konnten Waren berechnet werden.

Das rechnen mit Nullwerten muss also als wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Handelswesens angesehen werden. Aber auch, und dies steht im engen Zuusammenhang mit der Astronomie, für die akkurate Berechnung der Gestirne. Beide Faktoren treffen auf alle Hochkulturen zu. Alle hatten ausgedehnte Handelsbeziehungen und alle betrieben einen großen Aufwand in der Atronomie.

Vergleicht man nun das Vigesimalsystem der Maya beispielsweise mit der griechischen und römischen Art zu rechnen, dann erkennt man, um wieviel zweckmäßiger das System der Maya war. Und man möchte es nicht glauben – unser heutiges Dezimalsystem ist dem Zwanzigersystem der Maya ähnlicher als etwa dem Zahlensystem der Römer.

Dies hat seine Ursache möglicherweise darin, dass es in den alten Kulturen noch ein weiteres Vigesimal-System gab, das der Kelten. Man kann dies heute noch an dem französischen Wort für „Achtzig“ sehen: „Quatrevingt“.

5. Die Zählweisen

Die Maya kannten zwei unterschiedliche Arten, die Zahlen von 1 bis 19 und die Null niederzuschreiben. Zum einen wurden sie durch eine Anordnung fixiert, die aus Punkten und Strichen bestand.

Zum anderen wurden die Zahlen in Form der sogenannten Kopfvariante, namentlich den Glyphen festgehalten. Das Punkt-Strich-System ist dabei sehr einfach aufgebaut und kann von jedem unmittelbar ohne große Vorkenntnisse verstanden werden (Abb. 3).

Mit dem Punkt-Strich-System dürften vornehmlich Händler und Beamte gerechnet haben, denn mit Hilfe von leeren Schneckenhäusern (Null), Steinchen und kleinen Stöcken, die man als Rechenhilfe vor sich hinlegte, konnten alle Rechenarten schnell durchgeführt werden.

Wurden hingegen die Glyphen zum Rechnen verwendet,

dann handelte es sich meistens um eine Tages-, Monats- oder Jahresberechnung. Wurde das Punkt-Strich-System zusammen mit den Glyphen verwendet, dann steht das Punkt-Strich-System immer um 90° gedreht links von der Glyphe.

Aus rein ästhetischen Gründen wurden die Ziffern oftmals mit Füllseln und anderen Verzierungen ausgestattet. Hierin liegt auch ein Grund, warum es bei Steininschriften sehr oft zu Verwechslungen kommt. Die Fehldeutungen liegen dann meistens daran, dass die fixierten Teile durch Verwitterungen größtenteils unkenntlich wur­den.

Ein weiterer Grund für Fehldeutungen dürfte auch darin liegen, dass die Wissenschaft die komplizierte Bilderschrift der Maya immer noch nicht vollkommen entschlüsselt hat.

Wenn die Zahlen 1 bis 19 und die Null als Kopfvarianten fixiert wurden,

zeigen sie in den verschiedenen Modifikationen immer das Profil von Göttern (Abb. 4). Betrachtet man sich diese Modifikationen genauer, dann lassen sich anhand der un­terschiedlichen Attribute sowohl die Zahlenwerte als auch die entsprechenden Gottheiten sehr leicht identifizieren. So gibt es für die Zahlen 1 bis 13 jeweils einen bestimmten Gott und für die Ziffern 14 bis 19 werden wieder jene Gottheiten herangezogen, die schon für die Zahlen 4 bis 9 standen.

Allerdings haben die Profile der Götter dann einen knöchernen Unterkiefer. Bei der Kopfvariante wird die Null immer so dargestellt, dass eine Hand auf dem Unterkiefer liegt.

Im Gegensatz zum Punkt-Strich-System wird die Kopfvariante vielfach auch auf sehr wichtigen und heiligen Steinmonumenten angewendet. In diesen Fällen dient dann nicht nur das Haupt des Gottes als Ziffer, sondern sein ganzer Körper.

Es ist logisch,

dass das Punkt-Strich-System häufiger Verwendung findet als die Kopfvariante. Das Punkt-Strich-System wird deshalb auch als das »normale« und die Kopfvariante als das »symbolische« oder »personifizierte« System bezeichnet.

Um während eines Rechenvorgangs den exakten Stellenwert auszudrücken, setzten die Maya die Einer, Zwanziger, Vierhunderter, Achttausender usw. nicht nebeneinander, sondern übereinander.

Hierin unterscheidet sich beispielsweise unser Dezimalsystem entscheidend vom Vigesimalsystem der Maya. Dabei entsteht eine Zahlensäule, die ausschließlich von unten nach oben gelesen werden darf. Auf diese Art können beispielsweise ohne Schwierigkeiten große Summen wiedergegeben werden (Siehe Abb. 5).

Umstritten ist allerdings bis heute die Frage,

in welchem Zusammenhang und in welcher Funktion die Maya die Ziffer Null wirklich gesehen haben. Zur Debatte steht dabei zum einen die Ansicht, die Maya hätten die Null als »Nichts« betrachtet und zum anderen herrscht die Meinung vor, die Maya hätten die Null als »Vollendung eines Stellenwertes« gesehen.

Für beide Seiten gibt es eine ganze Reihe von einleuchtenden Argumenten. Die Funktion, die die Null im Vigesimalsystem selbst einnahm, bleibt jedoch von dieser Frage vollkommen unberührt.

6. Die außerordentliche Rolle der Zahl

Zahlen spielten in den schriftlichen Hinterlassenschaften der Maya eine sehr große Rolle. In allen Inschriften und Codices sind sie mehr oder weniger enthalten und es gibt nur ganz wenige, in denen sie überhaupt nicht zu finden sind. Es ist dabei äußerst merkwürdig, dass sich alle schriftlichen Überlieferungen und die darin enthaltenen Zahlen immer nur auf den Kalender und die damit verbundenen Zeitabschnitte beziehen.

Man hat bislang keine einzige schriftliche Überlieferung gefunden, die sich z.B. mit wirtschaftlichen Belangen beschäftigt. Im Vergleich dazu handelt es sich bei sumerischen oder ägyptischen Überlieferungen meistens um steuertechnische Berechnungen.

Bei den Maya hingegen erscheint es fast so,

als würde das Zahlensystem nur dazu dienen, nachfolgenden Generationen historische Tabellen (Königslisten) und astronomische Daten (Planetenbewegungen) zu übermitteln. Und auch hier dürfte bei allen Berechnungen der Glaube an die Wiederkehr der Götter eine wichtige Rolle gespielt haben.

Im Zusammenhang mit dem Kalender muss allerdings hervorgehoben werden, dass die Maya nicht das einfache Zwanzigersystem verwendeten, sondern im Umfang von Kalenderberechnungen ein modifiziertes Vigesimalsystem anwendeten.

Im Ausmaß der abgeänderten Kondition endet die zweite Stelle in der Zahlenordnung nicht mit 20, sondern kontinuierlich mit 18. Insofern handelt es sich bei der dritten Stelle nicht um Vierhunderter, sondern gleichbleibend um Dreihundertsechziger.

Diese im ersten Moment unlogische, aber dennoch sinnvolle Abänderung wurde ohne Frage deshalb durchgeführt, um die Anzahl der Tage den tatsächlichen Tagen des Sonnenjahrs näher zubringen.

Hierbei muss man betonen,

dass die Maya ganz sicher in ihrem modifizierten Vigesimalsystem keine abstrakten, sondern ganz reale Zahlen- und vor allem Kalendereinheiten sahen. Insofern handelt es sich bei den Einern um Tage, bei den Zwanzigern um Monate zu je 20 Tagen und bei den 400 in ihrer modifizierten Form um Jahre mit 360 Tagen.

Über die Zeiträume von Tagen (kin), Monaten (unial) und Jahren (tun) gabe es eine ganze Reihe von Maß- und Zahleneinheiten, die über diese Zeitabschnitte bei weitem hinausgingen.

1 alautun = 64 000 000 tun = 23 040 000 000 kin
1 kinchiltun = 3 200 000 tun= 1 152 000 000 kin
1 calabtun = 160 000 tun = 57 600 000 kin
1 pictun = 8 000 tun = 2880 000 kin
1 baktun = 400 tun = 144 000 kin
1 katun = 20 tun = 200 kin
1 tun = 360 kin
1 unial = 20 kin
1 kin

Nach Angaben des Mayaforschers J.E.S. Thompson

gibt es nachweislich sogar Steleninschriften, die von einem vergangenen Zeitraum handeln, der 90 und 400 Millionen Jahre zurückliegt.

Eine dieser Stelen, die Stele D in Quirigua, wurde bereits in den 50er Jahren bei Ausgrabungen gefunden und von Tompson in seinen Büchern “The rise and fall of Maya civilization“, Oklahoma 1955 und “Maya hieroglyphic writing“, Oklahoma 1962, ausführlich beschrieben.

Obwohl sich die Fachwelt einerseits darüber einig ist,

dass mit dem Vigesimalsystem ohne weiteres Berechnungen dieser Größenordnung und sogar darüber hinaus möglich sind, ist man sich andererseits ebenfalls darüber einig, dass es sich bei diesen Größenordnungen ausschließlich um intellektuelle Spielereien der Maya-Priester gehandelt haben kann.

Hier geht die Wissenschaft davon aus, dass zur Erstellung eines normalen Kalenders oder von Initialserien derartig große Zeiträume vollkommen unnötig waren.

Leider wird dabei nicht berücksichtigt, dass diese großen Zahlenberechnungen nicht ohne Sinn durchgeführt wurden, sondern in fast allen Fällen im direkten Zusammenhang mit der Kosmogonie, also der Weltentstehungslehre der Maya steht.

7. Der Kreis schließt sich

Nach den Berechnungen der kosmogonisch eingeweihten Maya-Priester entsprach beispielsweise 1 alautun dem Zeitraum von 64 000 000 tun (Jahren). Dass es noch größere Zeitperioden bei den Maya gab, ist durch die Forschung hinlänglich erwiesen.

Selbst wenn es für diese Zeiträume noch keine exakte Bezeichnung gibt, müssen diese als Gegebenheit anerkannt werden, denn dass es für diese Epochen keinen Namen gibt, liegt ausschließlich daran, dass die Schrift der Maya bislang nur zu einem geringen Bruchteil entziffert wurde.

Da der Mayakalender immer mit der Weltentstehung in Verbindung gebracht wird, sollte die Wissenschaft jedoch nicht spekulieren, sondern sich viel mehr auf jene Fakten verlassen, die durch das Zahlensystem der Maya den Forschern geboten werden. Rechnet man nämlich den Zeitraum von einem alautun hoch, dann kommt man auf die Summe von 6,4 Milliarden Jahre.

Vergleicht man nun diese Zahl mit der geologischen Evolution der Erde,

dann nimmt hier die Wissenschaft z.B. an, daß das Erdalter zwischen 4 und 6 Milliarden Jahren liegt. Wobei das tatsächliche Alter der Erde infolge von mineralogischen, petrologischen, tektonischen und stratigraphischen Untersuchnungen eher bei 6 als bei 4 Milliarden Jahren angesiedelt sein dürfte.

Suchen wir nun in anderen Mythen vergleichbares, dann stoßen wir unvermittelt auf die Veden. Und hier vereinigen sich die Alte und die Neue Welt, denn auch in den Veden wird die Erdenstehung in diesen Zeitraum gelegt.

Wer den derzeitigen Kenntnisstand der Wissenschaft mit dem der mythologischen Berichte sorgfältig vergleicht, wird wohl aufgrund der vorhandenen Tatsachen zwangsläufig zu dem Ergebnis kommen müssen, dass trotz erheblicher Lücken in der zeitlichen Berichterstattung des Mythos weit mehr kosmogonische Fakten enthalten sind, als der Wissenschaft offensichtlich lieb ist.

Würde auch die Wissenschaft den Mythos als verlässliche Quelle für historische Informationen betrachten,

wäre ein Großteil der noch offenen Fragen über die menschliche Vergangenheit viel leichter zu beantworten. Zumindest würde dadurch eine neue Effizienz in die Forschung  eingebracht, die zu neuen Fragestellungen und somit zu neuen Antworten führen könnte.

18.04.2020
Dieter Vogl

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