Die Sprache unserer Träume
Wir alle besitzen einen „inneren Traumdeuter“, der uns helfen kann, die Symbole unseres nächtlichen Lebens zu entschlüsseln.
Auch wenn du meinst, du hättest vergangene Nacht nicht geträumt: Du hast geträumt, wie wir alle, und zwar in jeder Minute, die du schläfst. Auch, wenn du dich nicht daran erinnerst. Unser Gehirn schaltet im Schlaf nicht ab, sondern ändert nur die Art seiner Aktivität.
Doch was sollen wir mit den Träumen?
Für Freud waren sie Ausdruck von Wünschen, die unser „Ich“ unterdrückt; für Jung waren sie Botschaften aus den Tiefen unseres Unbewussten, die mit universeller Symbolik arbeiten; für viele andere sind sie Aufräumarbeiten in den Synapsen, denen keine besondere Bedeutung beizumessen ist.
Wie viel Raum wir unseren Träumen zugestehen, ist eine sehr persönliche Entscheidung, konfrontieren sie uns doch mit den Dingen, die wir im Wachzustand nicht wahrzunehmen bereit oder in der Lage sind; die sich dem denkenden, agierenden Ich des Tages entziehen.
Es gibt Träume, die keinen Zweifel an ihrer Botschaft lassen: Albträume signalisieren Angst und unbewältigte Konflikte; Warnträume hinterlassen ein Gefühl von Gefahr, das nicht ignoriert werden kann; Wahrträume, so banal ihr Inhalt oft auch sein mag, nehmen im Detail etwas vorweg, das sich später im wachen Leben tatsächlich ereignen wird. Doch wer sich nicht damit auseinandersetzt, wird in den meisten Träumen nur ein buntes Chaos sehen, das manchmal den Griff zum Traumlexikon nahelegt.
Nachschlagen und dann zweifelsfrei Bescheid wissen …
das wäre eine wahrlich traumhafte Methode, die so aber nicht funktioniert. Bei dem einen mag ein Traum vom Fallen Angst vor Kontrollverlust ausdrücken, bei der anderen ein freudvolles Erlebnis wie auf der Achterbahn darstellen. Spinnen und Schlangen, Monster und Messer: Wir alle verknüpfen, unabhängig vom kulturellen Kontext, teilweise völlig andere Bedeutung mit den identischen Motiven.
Die verschiedenen Methoden der Traumdeutung sind deshalb bloße Werkzeuge und nur im Kontext der Auseinandersetzung mit den eigenen Lebensthemen zu gebrauchen. Kein einziges Nachschlagewerk kann jedes Symbol und Motiv allgemeingültig interpretieren, doch es kann hilfreiche Fingerzeige geben, die unsere Aufmerksamkeit in Richtungen lenkt, die sonst leicht übersehen werden.
Wir bräuchten vielmehr ein Lexikon, das individuell anhand unserer genetischen Veranlagungen, sozialen Prägungen, Erfahrungen und Erkenntnissen, Ängsten und Assoziationen erstellt wurde – und darüber hinaus ein regelmäßiges Update erfährt, den aktuellen Kontext der jeweiligen Lebensumstände miteinbezieht und auch darüber informiert ist, was wir zu Abend gegessen haben.
Tatsächlich verfügen wir alle über eine Art von „innerem Traumdeuter“.
Wir können ihn mit Wertschätzung wecken und mit Achtsamkeit um seine Hilfe bitten. Um unsere Träume verstehen zu lernen, müssen wir uns selbst, unsere eigenen Wünsche und Lebensträume kennen und aufrichtig sein.
Wonach wir uns sehnen, wovor wir uns fürchten und womit wir kämpfen gibt uns einen Kompass für die Traumwelt in die Hand. Die Beschäftigung mit unseren Träumen stellt schon an sich einen Wert dar, denn Träume sind die Sprache, in der unsere Seele zu uns spricht. Auch Autorin Renate Zellinger stellt fest:
„Traumdeutung dient zunächst einfach der Seelenpflege, sie fördert eine Achtsamkeit im Umgang mit sich und anderen.“
Achtsamkeit bedeutet auch, dass wir unsere Träume ernst nehmen, aber nicht überbewerten, mit Erwartungen überladen oder als „gut“ oder „schlecht“ kategorisieren.
Was die Deutung eines Traumes zur Herausforderung macht, ist seine fließende Natur:
keine Botschaft wird nur durch ein Motiv ausgedrückt, eines geht ins andere über, vermischt sich, verändert sich. Eine Anregung: Betrachten wir doch das nächtliche „Kopfkino“ (vielleicht besser: „Seelensehen“) einmal, als wäre es ein Theaterstück. Bestimmte Rollen werden von dafür geeigneten Schauspielern besetzt, ob tot oder lebend, ob uns nahe stehend oder nur flüchtig bekannt, real oder fiktiv.
Bestimmte Stimmungen werden durch ein entsprechendes Bühnenbild erzeugt, das sich bei Vorbildern im Wachleben ebenso bedient wie bei dem, was es von früheren „Aufführungen“ noch im Fundus findet. Ein wichtiges Motiv, das für das Thema steht, wird in Variationen dargestellt und von verschiedenen Figuren gespiegelt. Die Abfolge der Szenen gehorcht einer eigenen inhärenten Logik und ist nicht an das chronologische Nacheinander gebunden, das wir sonst erfahren.
Im Traum kennt unser Bewusstsein keine Grenzen, da es nicht den Gesetzen der Physik unterworfen ist:
Es kann auf tief vergrabene Erinnerungen zugreifen, zu denen wir auf bewusstem Wege längst nicht mehr gelangen, und so sämtliche szenischen Effekte einsetzen, um seine Botschaft an uns eindrücklich zu illustrieren. Wir können uns zurücklehnen und die Aufführung einfach nur genießen, da hier auch ohne unser Zutun viel Wichtiges verarbeitet wird.
Wir können sie aber auch als Anregung nehmen, einem bestimmten Bereich unseres Lebens näher zu betrachten und im Wachzustand dem Geträumten nachzuspüren. Träume setzen das, was tagtäglich passiert, in den größeren Kontext unseres Seelenerlebens – das meist völlig andere Prioritäten setzt als wir selbst. Sie regen uns mit all ihrer Kreativität dazu an, uns ähnlich kreativ mit ihnen – und unserem wachen Leben – auseinanderzusetzen.
Unabdingbar für das Deuten der Träume ist zunächst einmal, dass wir sie erinnern, wofür es verschiedene Techniken gibt.
Sehr bewährt hat sich ein Traumtagebuch, in dem man gleich nach Erwachen die Träume skizziert – nicht nur ihre Handlung, auftauchende Personen oder Motive, sondern vor allem auch die Gefühle, die sie in uns auslösen, auch wenn diese in keinem logisch erkennbaren, kausalen Zusammenhang zur Traumsituation stehen.
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Um ein „individuelles Traumlexikon“ zu erstellen,
kann man mit einigen Motiven und Szenarien anfangen, die regelmäßig auftauchen, und sie genau anschauen. Das gibt bereits erste Aufschlüsse darüber, wie unser Unbewusstes kommuniziert. Dann können wir erweitern:
- Sind wir mehr drinnen oder draußen?
- Sind wir unterwegs oder überwiegend an einem Ort?
- Kennen wir diesen Ort?
- Tauchen oft andere Personen in unseren Träumen auf oder sind wir meist allein?
- Wie fühlt sich beides an?
- Gibt es etwas oder jemanden, der uns schon einmal konkrete Ratschläge im Traum gegeben hat?
- Verarbeiten unsere Träume den jeweiligen Tag oder gehen ihre Geschichten weit in die Vergangenheit zurück?
- Wie nehmen wir unser „Ich“ des Traumes wahr – teilt es unsere wachen Charakteristika?
- Oder tut es Dinge, die unser waches Ich niemals täte?
Wer Zugang zum inneren Traumdeuter gefunden hat, hält damit den Schlüssel zu einer wahren Schatzkiste in der Hand.
Krisen können schneller bewältigt, Unverarbeitetes gezielter behandelt, neue Optionen erschlossen werden. Manche Menschen berichten gar davon, im Schlaf die Lösung für Probleme gefunden zu haben. Traumdeutung ist keine Wissenschaft – dafür ein individueller und achtsamer Versuch, sich der eigenen Seele zu nähern.
Information & Inspiration
Renate Zellinger: „Traumdeutung für ein glückliches Leben“, Komet Verlag
06.09.2020
Martina Pahr
Autorin, Bloggerin und PR – Expertin
Buchtipp:
Martina Pahr: „Sorg für dich selbst, sonst sorgt sich keiner! Wie du dir selbst höchste Priorität im Leben einräumst.“
mvg Verlag
Softcover, 208 Seiten
ISBN: 978-3-7474-0069-2
Martina Pahr
ist Autorin, Bloggerin und PR – Expertin, hat vor einigen Jahren den Sprung ins kalte Wasser gewagt und sich selbständig gemacht. Seither tut sie, wovon sie immer geträumt hat, und lebt vom Schreiben.
Beruflich wie auch privat setzt sie sich mit den spirituellen Aspekten des Lebens und den vielen Erscheinungsformen der New-Age-Bewegung auseinander – und nicht immer ist ihr gesunder Menschenverstand überzeugt von dem, was er vorgesetzt bekommt. Sie glaubt ungebrochen an das (viel zu oft ignorierte) Göttliche im Menschen: Eigenverantwortlichkeit und Eigenmächtigkeit, Selbstwert und Selbstheilungskräfte.
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