Die Technologie-Maschine des 1%

feld saat village

Technologie-Maschine feld Die Technologie-Maschine des 1%

Leseprobe aus dem Buch: Eine Erde für alle! – Aufstehen gegen die Monokultur von Wirtschaft und Weltsicht von Vandana Shiva

Wie die Raubritter und das Giftkartell unser tägliches Brot und unseren Planeten vergiftet haben
Unser schöner Planet hat sich in vier bis fünf Milliarden Jahren entwickelt und er hat die Menschheit 200.000 Jahre lang am Leben erhalten. Wir haben 10.000 Jahre lang ohne Gift gewirtschaftet. Wir haben mehr als 10.000 Pflanzenarten gegessen, die auf kluge Weise für Vielfalt, Ernährung, Geschmack, Qualität und Widerstandsfähigkeit gezüchtet wurden. Heute sind die Erde, unsere Bauernhöfe, unser täglich Brot vergiftet und verunreinigt. Das Wohl des Planeten und seiner Bewohner ist bedroht. Die biologische Vielfalt wird ausgeraubt und geplündert und in einer Geschwindigkeit zum Aussterben gebracht, die die Existenz unserer Spezies bedroht. Um Rosemary A. Mason zu zitieren: „Eine anthropogenes [von Menschen verursachtes] Massenaussterben ist im Gange, das sich auf alles Leben auf dem Planeten auswirken wird, und die Menschen werden angesichts dieses Phänomens um ihr Überleben kämpfen müssen.“

Der Giftcocktail aus der Landwirtschaft

Die industrielle Landwirtschaft, die auf Giftstoffen und fossilem Brennstoff beruht, ist die Hauptursache sowohl für das sechste Massenaussterben als auch für den Klimawandel. Laut einem Bericht, der dem UN-Menschenrechtsrat von Hilal Elver, Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, und Baskut Tuncak, Sonderberichterstatter für Toxikologie, vorgelegt wurde, haben Pestizide „katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt, die menschliche Gesundheit und die Gesellschaft als Ganzes, darunter schätzungsweise 200.000 Todesfälle pro Jahr durch akute Vergiftungen […] Chronische Belastung mit Pestiziden wurde mit Krebs, Alzheimer und Parkinson, Hormonstörungen, Entwicklungsstörungen und Unfruchtbarkeit in Verbindung gebracht.“ Das vom Menschen verursachte Artensterben und die Klimazerrüttung sind ein Ökozid, ein Verbrechen gegen die Natur. Bauern durch Verschuldung und Menschen durch Krebs und Pestizidvergiftung zu töten, ist Völkermord, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Das Giftkartell

Vor hundert Jahren vereinigten sich das Geld und das Öl der Raubritter mit den Finanzen und den giftigen Technologien der Labore der I.G. Farben zu einem Giftkartell, das tödliche Waffen entwickelte. So begann ein Jahrhundert des Öko- und Völkermords durch Gifte und giftige Chemikalien. Chemikalien, die während des Zweiten Weltkriegs entwickelt wurden, um Menschen in Hitlers Konzentrationslagern zu töten, wurden nach Kriegsende zu den Agrochemikalien für die industrielle Landwirtschaft. Diese industrielle Landwirtschaft hat man dann den Menschen überall aufgezwungen.

Standard Oil und I.G. Farben gründeten 1927 ein Unternehmen, Standard I.G. Farben, und tauschten Patente aus, um die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks zu kontrollieren. Sie schlossen sich zusammen, um Zugang zum Konzentrationslager Auschwitz für die Produktion von künstlichem Gummi und synthetischem Benzin aus Kohle zu erhalten. Sie stellten das Kapital und die Technologien zur Verfügung, und Hitler lieferte die Arbeitskräfte aus dem Konzentrationslager.

Monsanto und Bayer, die jetzt fusionierten, haben eine lange Geschichte. Sie stellten Sprengstoffe und tödliche Giftgase mit gemeinsam entwickelten Technologien her und verkauften sie während der Weltkriege an beide Seiten, an die Alliierten und die Achsenmächte. Bayer war damals ein Teil der I.G. Farben, Hitlers Wirtschaftsmacht und Deutschlands größter Devisenbringer der Vorkriegszeit mit Büros in den Vereinigten Staaten und der Schweiz. Die I.G. Farben gehörte auch zu einer Operation des Auslandsgeheimdienstes.

Die Reise nach Jerusalem

Die verschiedenen Unternehmen, die aus den Kriegsjahren hervorgegangen sind, werden zwar als separate Unternehmen dargestellt, sind aber eins in Bezug auf vergangene und gegenwärtige Partnerschaften und durch die gleichen Eigentümer. Ihre größten Investoren sind die neuen Finanzgiganten mit der Vanguard-Gruppe an der Spitze.

Die Fusionen ähneln eher einer „Reise nach Jerusalem“, die von den wirklichen Eigentümern, Investmentfonds wie Vanguard, Blackrock, Capital Group, Fidelity, State Street Global Advisors, Norges Bank Investment Management (NBIM) und anderen, organisiert werden.
Dieses Spiel der „Reise nach Jerusalem“ hat zwei Ziele: Marktexpansion und Verringerung der Haftung. Durch einen äußerlichen Zusammenschluss wird Monsanto beispielsweise zu einem europäischen Unternehmen, verliert seinen Namen und damit auch seine Haftung, wenn die Kosten für Schäden an der Erde und den Gemeinden sichtbar werden.

Das Monsanto-Tribunal und die Monsanto-Volksversammlung 2016 hat diese Nicht-Haftung und das Ablegen des Namens Monsanto für die Firma erforderlich gemacht.
Während Monsanto angeblich seine problematischen Produkte wie Roundup einstellt, kann das Unternehmen gleichzeitig seinen Markt in Europa als europäisches Unternehmen weiter ausbauen; die Übernahme durch Bayer wurde sogar von den europäischen Steuerzahlern mitfinanziert, ohne deren Erlaubnis oder Wissen.

Ausdehnung der Kontrolle

Heute wird nicht nur das alte Giftkartell durch Megafusionen zu einem neuen Kartell zusammengeführt, es geht über die Konzentration auf Saatgut, Pestizide und chemische Düngemitteln hinaus und dehnt sich weiter aus: auf Landwirtschaftsmaschinen, Informationstechnologien sowie auf Klima- und Bodendaten und Versicherungen. So soll die totale Kontrolle über unsere tägliche Nahrung erlangt werden. Dies ist eine rücksichtslose Übernahme um jeden Preis durch das gewaltsame Profit-Paradigma. Obwohl die Wissenschaft missbraucht und die Wahrheit unterdrückt wird, benutzen diese aus der Kriegswirtschaft hervorgegangenen Konzerne das Wort „Wissenschaft“, um ihr Giftimperium mit Hilfe von PR-Kampagnen auszuweiten, indem sie behaupten: Ohne Gifte und das Giftkartell wurde die Welt verhungern.

Eine gescheiterte Strategie wird weiter als Zukunftslösung angepriesen, weil sie im Mittelpunkt der linearen Erzählung von „Fortschritt“ und „Kontrolle“ sowie von „Technologie“ steht: wie sie von dem 1% definiert werden. Dies ist die Grundlage ihres falschen Narrativs, „Schöpfer“ zu sein und die zivilisatorische Mission unserer Zeit zu erfüllen. Sie machen Profit, indem sie in Zeiten des ökologischen und sozialen Zusammenbruchs die Risiken und die Verwundbarkeit erhöhen. Dies ist auch die Grundlage für die Beanspruchung von Patenten auf Leben, wobei sich das 1% als „Erfinder“ und „Schöpfer“ ausgibt. Für sie sind Patente, Gebühren und Monopole das Endspiel.

Informationstechnologie und Biotechnologie werden zu einem neuen „grünen“ Goldrausch, mit Bill Gates und Monsanto an der Spitze. IT wird genutzt, um genetische Daten „zu schürfen“ und Patente auf Pflanzen zu beanspruchen, die weder Gates noch Monsanto geschaffen haben und über die sie keinerlei Kenntnisse besitzen – sie haben nur „Daten“.

Die Klimakrise, zu der die industrialisierte, auf fossilen Brennstoffen beruhende Landwirtschaft 50 Prozent beiträgt, wird nun von Gates genutzt, um neue Schurkenstreiche für Geo-Engineering anzustoßen. Monsanto setzt Technologie ein, um klimaresistentes Saatgut, das Bauern gezüchtet haben, zu stehlen, Klima- und Bodendaten in neue Rohstoffe für neue Monopole zu verwandeln und sie mit Versicherungen zu verknüpfen. Das Unternehmen sieht zusammengenommen einen drei Billionen-Dollar-Markt in den Bereichen Landwirtschaft, Daten, Versicherungen, Saatgut und Chemikalien.

Der Besitz unseres eigenen Saatguts durch Saatgutfreiheit, unserer eigenen Nahrung durch Lebensmittelfreiheit, unseres eigenen Verstandes und unserer Intelligenz durch geistige Freiheit, unserer eigenen Wirtschaft durch die Freiheit, ökologisch und lokal zu produzieren und zu konsumieren, das ist die „Barbarei“, die das 1% auslöschen möchte. Aber dies sind auch die Freiheiten, für deren Verteidigung Dr. Vandana Shiva sich zusammen mit einer Reihe anderer sozialer Bewegungen einsetzt.


Über die Autorin Vandana Shiva

2-Vandana Shiva-copyright-Drona-Chetri
Vandana Shiva ©Drona Chetri

Vandana Shiva (* 5. November 1952 in Dehradun) ist eine indische Wissenschaftlerin, soziale Aktivistin und Globalisierungskritikerin.

Für ihr Engagement in den Bereichen Naturschutz, biologische Vielfalt, Frauenrechte und Nachhaltigkeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet.

Ihr wurde 1993 der Right Livelihood Award – inoffiziell auch Alternativer Nobelpreis genannt – verliehen, weil sie die Themen Frauen und Ökologie in den Mittelpunkt des Diskurses um moderne Entwicklungspolitik gestellt hat.

Sie ist unter anderem Mitglied der Internationalen Organisation für eine Partizipatorische Gesellschaft (IOPS). Des weiteren ist sie Gründungsmitglied beim World Future Council.
Quelle: Amazon


Video Oneness vs. The 1%: #Vandana Shiva at the United Nations Office at Geneva


Mit Abspielen des Videos stimmen Sie einer Übertragung von Daten an Youtube zu. Bitte beachten Sie die Datenschutzerklärung.



Buchtipp: Vandana Shiva-cover-eine-erde-fuer-alle

Eine Erde für alle! – Einssein versus das 1 % – Aufstehen gegen die Monokultur von Wirtschaft und Weltsicht

In diesem klug auf Fakten aufgebauten Buch zeigt Vandana Shiva, wie eine kleine Gruppe superreicher Einzelpersonen, Stiftungen und Investmentfirmen die Kontrolle über unsere Lebensmittelversorgung, unser Informationssystem, unser Gesundheitswesen und unsere Demokratien immer weiter ausbaut. Die Autorin macht sehr deutlich, dass unser Überleben von der Vielfalt unseres Saatgutes und dass unsere Demokratien von einer aufgeklärten Öffentlichkeit abhängen. Es ist ein sehr leidenschaftlicher, weiblicher wissenschaftlicher Diskurs, der eine globale Leserschaft verdient….

Zum Buch

20.10.2021
Vandana Shiva
indische Wissenschaftlerin, soziale Aktivistin und Globalisierungskritikerin

Alle Beiträge der Autorin auf Spirit Online

Für Artikel innerhalb dieses Dienstes ist der jeweilige Autor verantwortlich. Diese Artikel stellen die Meinung dieses Autors dar und spiegeln nicht grundsätzlich die Meinung des Seitenbetreibers dar. Bei einer Verletzung von fremden Urheberrecht oder sonstiger Rechte durch den Seitenbetreiber oder eines Autors, ist auf die Verletzung per eMail hinzuweisen. Bei Bestehen einer Verletzung wird diese umgehend beseitigt.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*