Digitale Revolution und Spiritualität – Gott ist tot?
Die digitale Revolution wird kommen, ob wir wollen oder nicht. Unvermeidlich ist sie deshalb, weil Menschen schon immer das getan haben, was sie tun können. Lediglich Regeln und Gesetze, vor allem aber die ihnen zugrunde liegenden ehernen Werte sind in der Lage zu verhindern, dass das Mögliche Realität wird. Digitale Revolution und Spiritualität wie verträgt sich das? Der freiwillige Verzicht auf eine Option zugunsten eines Versprechens auf zukünftiges Heil ist aber seit der Abschaffung einer über uns stehenden Souverenität als moralische Instanz unmodern geworden. Gott ist tot … Jetzt ist erlaubt, was gefällt und Erfolg verspricht.
Deshalb ängstigt mich nicht die selbständig operierende Maschine, der lernende Computer, die vernetzte Welt. Mich ängstigen die Machthungrigen, die sich diese schöne neue Welt aneignen werden und denen der Mensch nicht mehr ist als ein Kostenfaktor. Gott ist tot, der Mensch als geistiges Wesen mit einem spirituellen Auftrag hat ausgedient.
Nun bezieht er seinen Wert lediglich noch aus seinem Nutzen. Nicht auszudenken, was mit ihm passiert, wenn er ihn nicht mehr erbringen kann. Abgeschafft gehört daher nicht die Technik, abgeschafft gehört das Privileg Einzelner, sie gewinnbringend zu nutzen.
In den Händen aller gemeinsam aber kann die zukünftige smarte Welt ein guter Platz zum Leben werden. Man denke nur daran, dass Prognosen zufolge in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten 50 % aller heutigen Arbeitsplätze überflüssig werden sollen. Was als Horroszenario dargestellt wird, weil wir uns eine Welt ohne tägliche Tretmühle, die uns Bedeutung vermittelt, gar nicht mehr vorstellen können, bietet uns in Wirklichkeit aber eine einmalige Chance.
Verteilte man die restlichen Jobs auf alle Menschen, würde die Arbeitszeit nur wenige Stunden betragen. Arbeit, die als Ehrenamt, als Dienst an der Gemeinschaft verstanden werden könnte und die nicht bezahlt werden müsste, weil sie selbst Lohn genug ist. Fähige Computer, die der Gesellschaft als ganzer gehörten, leisteten dann den Löwenanteil der Arbeit und ihre Erzeugnisse stünden allen zur Verfügung, so wie sie benötigt würden. Und da mit dem, was alle leicht haben können, kein Staat zu machen ist und auch kein Geschäft, lohnt es sich wieder, statt Quantität Qualität herzustellen.
Digitale Revolution und Spiritualität – So funktioniert der Mensch nicht?
„So funktioniert der Mensch nicht? Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf? Er ist auf seinen Vorteil bedacht?“ So höre ich schon in sozialdarwinistischer Manier die Worte der ewigen Skeptiker, die sich eher den Untergang der Welt als das Ende einer kapitalistisch ausgerichteten Gesellschaft vorstellen können. Und: “Wer soll denn das bezahlen?
Wie soll denn das gehen?“ Ja, das moderne Leben ist komplex, Lösungen ohne tabula rasa fast nicht denkbar. Aber der Mensch hat es kompliziert gemacht, also kann der Mensch es auch vereinfachen. Und ich weigere mich, mich von einer angeblichen Alternativlosigkeit unserer Gegebenheiten einschüchtern und mundtot machen zu lassen und die Antworten auf die Fragen, die uns alle angehen, nur den bezahlten Experten zu überlassen. Und ich glaube an die Kraft von Menschen mit Visionen, die immer in der Lage sein werden, auch in scheinbar hoffnungslosen Zeiten, das Ruder herumzureißen.
Dafür braucht es weniger Wissen als Herzensbildung, oder wie Saint-Exupéry meint: Sehnsucht, denn „wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Recht hat er, nur in dem einen Punkt nicht: Die Sehnsucht muss man nicht erst lernen und man kann sie auch nicht lehren, schon gar nicht kann man darauf vertrauen, dass jemand es heute noch täte. Doch die Sehnsucht ist in uns allen vorhanden. Sie braucht nur Zeit und Ruhe, um sich zu entfalten.
Mit dieser Sehnsucht im Herzen kann jeder einen ersten Schritt in die richtige Richtung machen, auch wenn wir nicht wissen, wie das gemeinsame Ziel aussehen wird. Auf dem Weg dahin erschaffen wir aber vielleicht doch eine gerechtere Welt, in der kluge Maschinen helfen, uns mit allem zu versorgen, was wir zum Leben brauchen und die den Menschen die Muße schenkt, den toten Gott wieder zum Leben zu erwecken.
www.waldwandel.com
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Anja Mertens
zog 2015 in ein kleines Blockhaus im Wald in der Lüneburger Heide, wo sie mit Mann und Hund lebt. Dort entstand ihr Buch “Waldwandel”, das den dort gelebten Alltag beschreibt und versucht, eine ganz persönliche Antwort auf existentielle Lebensfragen des Menschen in der modernen Gesellschaft zu finden.
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