Frust an der Schulbildung statt die Lust an der Bildung 

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Ein Plädoyer für ein Leben ohne Schule und für mehr Liebe, Vertrauen & Gelassenheit im Umgang mit unseren Kindern Teil 2/3

Zu Teil 1 – Was macht unsere Schulbildung mit unseren Kindern?
Den Begriff „Freilerner“ kannte ich noch gar nicht so lange, genauer gesagt erst 16 Monate, als ich mich entschloss, im Dezember 2016 Mutter eines freilernenden Sohnes im Alter von 13 Jahren zu werden. Im August 2015 hatte ich ein spirituelles Seminar in der Nähe von Berlin besucht, deren Leiterin, (selbst Mutter von 4 Kindern, damals im Alter zwischen 13 und 5 Jahren, die allesamt nicht in die Schule gingen), mich in Berührung mit diesem Thema brachte.
Ich kann mich daran erinnern, dass mich die Vorstellung, sein Kind nicht in die Schule zu schicken, damals doch sehr befremdete. Ich hatte gelernt und war darauf traininiert/konditioniert worden, Schule mit Bildung gleichzusetzen und die Notwendigkeit der Existenz unseres Schulsystems nicht in Frage zu stellen.
Von „Home schooling“ und frustfrei lernen hatte ich wohl schon gehört und wusste, dass es Eltern gab, die ihre Kinder zu Hause unterrichten und dass es auf der ganzen Welt Länder gibt, die dieses Konzept unterstützen (Deutschland zählt bedauerlicherweise nicht zu diesen Ländern).

In der dritten Klasse hatte David eine Lehrerin, die es für didaktisch wertvoll erachtete, der versammelten Klasse Aufsätze von Mitschülern laut vorzulesen, die ihrer Meinung nach nicht gelungen waren, um den Kindern dadurch zu vermitteln, wie man es denn nicht tun sollte – David war eines dieser Kinder, dessen Hausaufgaben vorgelesen wurden. Seine Scham und das Gefühl, versagt zu haben, waren unvorstellbar. Als die Situation mit seiner Lehrerin sich immer mehr zuspitzte und trotz vieler Gespräche und der Unterstützung der Konrektorin nicht aufgelöst werden konnte, ließen wir ihn in der Mitte des dritten Schuljahres die Klasse wechseln – und bereiteten ihm damit weiteres Leid durch das Herausreißen aus seinem Klassenverband.

Anfang der vierten Klasse war das Schreiben von Märchen-Aufsätzen Teil des Lehrplans – Frust an Schulbildung

Es wurde in der Schule und zu Hause intensiv geübt, bis der große Tag kam, an dem ein Märchen als Probe geschrieben werden musste. In dieser Probe ging es um einen alten König, der im Sterben lag und der nur gerettet werden konnte durch ein wundersames, seltenes Kraut, das in einem fernen Wald wuchs. Diese Einleitung wurde den Kindern vorgegeben, den Rest sollten sie selbst verfassen.

David verlor sich in einer sehr phantasievollen Geschichte von einem jungen Ritter, der sich auf den Weg machte, in einem Gasthaus die halbe Nacht lang mit wilden Gesellen zechte und Karten spielte und am nächsten Morgen vollkommen verkatert im Wald einem dreiköpfigen Drachen begegnete, den er auf sehr originelle Art und Weise aus dem Weg schaffte, um wenig später einer Handvoll Zwergen zu begegnen, die ihm den Weg versperrten. Kurzerhand ließ David seinen Ritter die Zwerge kopfüber in eine Klosettschüssel, die praktischerweise im Wald stand, stopfen und hinunterspülen, bevor er endlich weiterreiten konnte, um das Heilkraut zu finden und zu es pflücken.

Die Fassungslosigkeit seiner Lehrerin war in der schriftlichen Bewertung und in der Benotung (Note 4) deutlich zu lesen und zu spüren – keine Zeile des Lobes über die Abenteuer, die der junge Ritter bereits bestanden hatte, als er auf die Zwerge traf und sie so überraschend (und zugegebenermaßen unpassend) in einer Kloschüssel versenkte.

Kein Wort des Lobes über Spannungsbogen und Kreativität. David hatte mit seinem Märchen schlichtweg den geforderten Rahmen gesprengt… und das konnte per se keine gute Leistung sein.

Ich behaupte an dieser Stelle nicht, dass es angemessen ist, beim Verfassen eines Märchens eine Klosettschüssel im Wald auftauchen zu lassen, aber es ist zumindest kreativ. Genau das ist allerdings die Crux unseres Schulsystems: dass Kreativität nicht gefragt ist. Die Schüler sollen einfach nur das tun, was man ihnen sagt und bei der Umsetzung jedwede Vorgaben ohne sie zu hinterfragen 1:1 berücksichtigen – in diesem Geist werden unsere Kinder in der Schule groß.

Schule reißt die Kinder aus ihrem Emotionalkörper heraus – Frust an Schulbildung

Emotionalkörper, dem feinstofflichen Körper in der menschlichen Aura, mit dem wir fühlen, und presst sie in den Mentalkörper hinein – dem feinstofflichen Körper, in dem sich alles um Gedanken und Intellekt dreht. Und so schleusen wir unsere Kinder durch ihren oft so leidvollen Schulweg und nehmen dabei in Kauf, dass sie am Ende ihres Schulweges leer, ausgebrannt und desillusioniert sind. Und wenn wir ganz naiv sind oder extrem gut im Wegschauen und Verdrängen, wundern wir uns darüber warum das so ist…

Aber eines sind sie am Ende ihrer schulischen Karriere im Regelfall immer, nämlich systemkonform, denn bei den allermeisten Kindern funktioniert die „Gehirnwaschanlage Schule“. Die Gymnasiasten beginnen im Regelfall ein Studium, in dessen Verlauf sie abermals bulimieartig lernen und spätestens nach Abschluss ihres Studiums integrieren sie sich freiwillig in eine Arbeitswelt, die der Kreativität ebensowenig huldigt, sondern wo es wiederum darum geht, Vorgaben erwartungsgetreu zu erfüllen.

Als Mutter zweier Söhne, eines zwischenzeitlich 22-jährigen und des besagten 14-jährigen, der zwischenzeitlich Freilerner ist, bin ich jahrelang diesen Weg mitgegangen. Ich habe die Hefte meiner beiden Söhne seit der erste Klasse in der Grundschule bunt ausgemalt und verziert, wenn sie mit hängender Zunge und völlig apathisch über ihren Hausaufgaben „hingen“ (im wahrsten Sinne des Wortes!) und das Ausmalen Hausaufgabe war bzw. schöne Heftführung bewertet/benotet wurde.

Ich habe sie motiviert, begleitet, ermahnt, geschimpft, mit ihnen gelernt und geübt…, die ganze Palette rauf und runter…, diesen ganzen Mist habe ich mitgemacht. Spätestes ab der dritten Klasse war ich bei beiden Jungs oft verzweifelt über das Pensum, das sie absolvieren mussten: Hausaufgaben bis spät in den Nachmittag hinein, Aufsätze schreiben bis in die Abendstunden, lernen für die „Proben“ an den Wochenenden. Das war damals schon Wahnsinn für mich, gleichwohl wäre es mir nie in den Sinn gekommen, einen von Beiden von der Schule zu nehmen – so weit war ich damals noch nicht.

Kurz bevor mein Jüngster in die Grundschule kam, hatte ich begonnen, kostenfreie Vorträge in Kindergärten, Schulen und Horten zu halten:

„Über den heilsamen Umgang mit Kinder- und Jugendlichenseelen“.

Mit diesen Vorträgen, die ich fast 2 Jahre lang in über 50 „Einrichtungen“ (man beachte das Wort!) gehalten habe vor Tausenden von Eltern, vielen Lehrern und Schulleitern, wollte ich Eltern eine Hilfestellung geben im Umgang mit dem täglichen Schulwahnsinn, ihnen vermitteln, dass es meiner Erfahrung nach die Angst der Eltern ist, dass aus ihren Kindern nichts werden möge, wenn sie denn kein Abitur haben, die wie bleierner Druck auf den Schultern der Kindern lastet.

Ich hatte damals auch relativ frisch als Heilpraktikerin für Psychotherapie meine eigene Praxis als Gesprächs- und systemische Therapeutin eröffnet und hatte begonnen, Elterncoachings anzubieten. Im Verlauf der Jahre ist mir während dieser Arbeit aufgefallen, dass die Verhaltensauffälligkeiten ihrer Kindern, welche die Eltern in den Coachings mit mir aufführten, immer mit den Eltern zu tun hatten und so gut wie nie mit den Kindern.

Ich begann mich schon damals zu fragen, warum so viele Kinder therapiert werden und nicht deren Eltern

Warum so viele Kinder bei Kinder- und Jugendpsychiatern gemäß ICD10 (der „International Classification of Diseases) als psychisch krank klassifiziert wurden und werden, nicht aber deren Eltern.

In meine Praxis kamen Eltern, deren Kinder (auch im fortgeschrittenen Alter) einnässten oder einkoteten, deren Töchter magersüchtig oder bulimisch waren oder die an einer Zwangserkrankung litten, deren Söhne computersüchtig oder Schulverweigerer waren. Kinder, die an Ängsten litten, die vor Angst nicht einschlafen konnten und am nächsten Morgen vor Angst nicht in die Schule gehen wollten, die jeden Morgen Bauchweh hatten oder einfach nur weinten.

Es kamen sogar Eltern zu mir in die Praxis, deren Kinder bei einem Kinder- und Jugendpsychiater als depressiv diagnostiziert worden waren. 8-, 10- und 12-jährige Mädchen und Jungs mit Depressionen – das ist so haarsträubend, dass es mich auch heute immer noch fassungslos macht.

Gängiger war die Variante, dass Eltern sich an mich wandten, deren 14 – 18-jährige Töchter, die das Gymnasium besuchten, an Depressionen litten und medikamentös behandelt wurden. Frappierend war für mich immer wieder zu erleben, dass es für die meisten der Eltern gar nicht in Frage kam, ihre Mädels von der Schule zu nehmen und sie in eine psychotherapeutische Klinik zu überweisen, denn die Medikamente taten ja „ihren Dienst“ und erlaubten es ihnen, „auf Zeit zu spielen“. Und zwar mit der seelischen Gesundheit ihrer Schutzbefohlenen.

Ich kann mich nicht daran erinnern, während meiner Zeit als Kind und Heranwachsende auch nur ein einziges depressives Kind gekannt zu haben, und ich frage mich heute noch, wie so etwas überhaupt möglich ist. Und was mich am Fassungslosesten macht, ist, dass wir als Gesellschaft so etwas einfach hinnehmen: dass wir hinnehmen, dass unseren Kindern so etwas widerfährt.

Die Pharmaindustrie hat die Kinder und Jugendlichen schon lange „auf dem Schirm”

Denn sie hat erkannt, dass man mit dieser Zielgruppe richtig gut Geld verdienen kann. „Ritalin“, das meistverkaufteste Medikament zur Behandlung sogenannter Aufmerksamkeitsstörungen bei Kindern und Jugendlichen hat sich als echter Verkaufsschlager erwiesen – die Absatzzahlen steigen Jahr für Jahr nach wie vor und vollkommen ungebremst seit mehr als 20 Jahren in die Höhe.

Auch mit Medikamenten für Depressionen bei Kindern und Jugendlichen lässt sich gutes Geld verdienen. Aber wo bleibt da die Moral?

Und wie kann es sein, dass Eltern von Kindergartenkindern sich heutzutage schon Psychopharmaka für ihre Kinder verschreiben lassen?
Und weiter: wo führt uns dieser Trend als Gesellschaft hin?
Und vor allem: was macht es mittel- und langfristig mit unseren Kindern?

Mir scheint, als stünden diese Fragen gar nicht zur Diskussion.

Ich habe in den vergangenen 15 Jahren, in denen ich mich intensiv mit dem Thema Kinder, Schule, kindliche Verhaltensauffälligkeiten & deren Therapie beschäftige, lediglich von Gerald Hüther, dem renommierten Professor für Neurobiologie, im Jahr 2011 ein Interview mit dem „Spiegel“ gelesen, in dem er vor dem Einsatz von Ritalin bei Kindern gewarnt hat.

Er hat damals schon darauf hingewiesen, dass Versuche an Ratten gezeigt hätten, dass Methylphenidat, der Hauptwirkstoff von Ritalin, in jungen Gehirnen anders wirke als in alten, dass ihr Gehirn sich nicht optimal entwickle, wenn ihnen denn vor der Geschlechtsreife Ritalin verabreicht worden war. Er stellte damals schon den Zusammenhang zwischen Ritalin und Parkinson-Erkrankung dar.

Auch prangerte er in diesem Interview die verheerende Verschreibungspraxis (von Ritalin) in Deutschland an, denn gleichwohl dieses Medikament zu dem Betäubungsmitteln zählt und nur von qualifizierten Kinder- und Jugendpsychiatrien verordnet werden sollte, kann fast jeder Kinder- oder Hausarzt ein Ritalin Rezept ausstellen. (Quelle: Spiegel Heft 11/2002, vom 11. März 2002/Seite 220)

Mehr dazu in Teil 3 – Schulbildung und kindliche Verhaltensauffälligkeiten  am 04. Dezember 2018  hier auf Spirit-online.

23.11.2018
(c) Isabel Segarra-Hallmeyer

Alle Beiträge der Autorin auf spirit online

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