Herbst Lehrmeister im Loslassen
Wie der Baum still und gelassen seine Blätter fallen lässt, so können auch wir unsere Blätter fallen lassen und loslassen. Unsere Blätter sind unsere Gedanken, aus denen wir stets neue Welten formen und von ihrer Existenz so überzeugt sind.
Wir wissen wohl, dass jeder Mensch in seiner eigenen Welt lebt, jeder sein individuelles Gedankengut hat, dass es Ähnlichkeiten, jedoch niemals Gleichheiten gibt!
Weil das so ist, können wir uns auch nicht wirklich verstehen. Es gibt Missverständnisse, Streit und daraus Sorgen und Schmerz. Wegen Gedanken. „Man muss einfach loslassen“…, sagen einige Menschen. Ja, wie denn? Wie lässt man etwas aktiv los? Das ist doch ein Widerspruch in sich selbst.
Man muss einfach loslassen
Die Natur sorgt für einen natürlichen Wechsel, bringt Stürme, die alles herunter wehen, was nicht mehr kräftig genug ist, was verwelkt ist.
Wie freuen wir uns doch über die herrlichen Farben im Herbst, die in den Bäumen leuchten, doch es sind die Farben des Sterbens, des Wandels!
Hast du schon mal Blätter gesehen, die sich an den Ast klammern?
Im Gegenteil, mit sanfter Anmut lassen sie sich tanzend zur Erde gleiten, wo sie sich der Erde hingeben, welche sie wiederum in sich aufnimmt. Was übrig bleibt, ist der kahle Baum. Aber, hat er willentlich losgelassen? Oder ist es einfach geschehen… als Reaktion auf den Wechsel der Jahreszeit.
Loslassen ist kein Willensakt, es ist ein geschehen lassen
Beim menschlichen Körper ist es genau so. Er zerfällt wieder in seine ursprünglichen Elemente, wird eins mit der Erde.
Und sein Geist?
Die Gedanken und die Welt, die sie sich erschaffen haben, die sterben auch, fallen ab, wie die Blätter vom Ast.
Warum fürchten wir uns so vor dem Sterben, vor dem Tod?
Weil wir unseren Gedanken glauben, die sagen, dann sei alles zu Ende.
Darum klammern wir uns an alles Mögliche, um dem Unausweichlichen zu widerstehen.
Loslassen kann man nicht machen – es geschieht einfach
Es geschieht dann, wenn etwas Stärkeres unsere Aufmerksamkeit, fordert. In dem Augenblick schwindet die Kraft, die etwas festgehalten hat und wendet sich dem Neuen zu.
Der Herbst ist eine wunderbare Möglichkeit, uns dieses Vorgangs wieder gewahr zu werden.
Wir müssen nicht bis zum körperlichen Tod warten, um loszulassen.
Die Beobachtung, dass unsere Gedanken sich ständig neue Gebilde erschaffen, kann uns zur Erkenntnis führen, dass diese Gebilde nicht wirklich wahr sind. Es sind eben Einbildungen.
Bilder, wie Blätter…, welche zuerst zart, hellgrün, dann kräftig und in sattem Grün bis hin zur Welkung in schönsten Goldtönen leuchten.
Aus einem Gedanken entstehen viele, und es entstehen immer mehr Gedankenbilder. Wir sind so eins mit ihnen, sodass sie Gefühle in uns erzeugen, und diese wiederum beeindrucken uns so sehr. Wir sind von ihrer Wahrheit überzeugt. Vielleicht machen sie uns glücklich, vielleicht trauring, wütend, sehnsüchtig…
Aber Gefühle sind nur die Folgen von Gedanken.
Gefühle sind nur die Folgen von Gedanken
Emotionen sind Erinnerungen an Gefühle, beziehungsweise festgehaltene Gefühle. Alle unsere Anstrengungen, Wünsche, Hoffnungen... sie sind die Blätter unseres „Ichs“.
Diesem „Ich“ geben wir so viel Bedeutung, dem Aussehen, den Benimmregeln, der beruflichen Karriere, den Vorstellungen von gut und böse, den religiösen Anschauungen und Überzeugungen.
„Mach etwas aus dir“, wird gesagt, oder „Sei Jemand“..., oder Verurteilungen wie „Du bist ein Nichts“ usw.
Es gibt so viele Pägungen… lauter Gedanken, die wir glauben und ernst nehmen, als wären sie unumstössliche Wahrheiten.
Wir glauben diesen Gedanken, sind damit identifiziert.
Einfach loslassen, sagen schlaue Leute – ja, wie denn?
So, wie es Herbststürme gibt, so gibt es auch im menschlichen Leben Stürme, die unser Gedanken- und Überzeugungsgut durcheinander wirbeln können. Sei es Liebeskummer, Parnterverlust, Kündigung einer Arbeitsstelle oder der Wohnung, ein Unfall, Krankheit… Es gibt so viele große und kleine plötzlich auftretende Ereignisse, die uns schockieren.
Und genau da haben wir die Wahl!
Wir können versuchen, uns mit aller Kraft gegen den Sturm zu wehren, unbedingt am Bisherigen festzuhalten um uns schließlich eingestehen zu müssen, dass die einwirkende Kraft stärker ist. (Es gibt allerdings auch Menschen, die sich diese Niederlage niemals eingestehen und sich einbilden, es sei alles so wie früher.)
Oder es gibt die Bereitschaft, sich diesem Sturm hinzugeben. Geschehen lassen.
Sich dem Sturm hingeben und geschehen lassen
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Werden Gedankengebilde nicht länger gefüttert von unserer Identifikation, verlieren sie ihre Kraft, ihre Gestalt… sie fallen ab wie welke Blätter im Herbst und lösen sich auf.
Es entstehen Zweifel, Selbstzweifel… eigentlich eine wunderbare Angelegenheit.
Und doch für die meisten Menschen kaum aushaltbar, da sie sich sicher fühlen wollen, festhalten, um nicht zu fallen.
Stürme sind unausweichlich – Veränderung geschieht,
auch wenn wir dagegen ankämpfen wollen
Die Bäume lehren uns das. Die gesamte Natur lehrt uns das. Und der Herbst ist ein wundervoller Lehrer.
Sobald wir erkennen, dass mit jedem Verschwinden etwas Neues im Entstehen ist, können wir uns neugierig und aufmerksam diesem Unbekannten zuwenden. Wir können einfach, wie ein Kind, alles wahrnehmen, ohne es zu benennen oder gar zu beurteilen. Wir müssen nichts festhalten. Es gibt nichts zu befürchten.
Die Existenz hat nie böse Absichten oder will uns schaden, sie denkt nicht. Aber sie lässt entstehen und verschwinden in nicht endendem Fluss.
Als zuschauendes Wesen erkennen wir schließlich, dass alle unsere Gedankengebilde, seien sie noch so schön und überzeugend, sich einfach auflösen, wenn sie nicht mehr dienlich sind.
Wir sind nicht unsere Gedanken, nicht die Gefühle,
nicht unsere Lebensgeschichte
Was bleibt, ist das staunende, wohlwollende Bewusstsein.
In diesem Zustand der reinen Beobachtung, des Gewahrwerdens, liegt die grundlose Freude, die grenzenlose Stille, die das Leben selbst erzeugt!
16.10.2022
Herzliche Grüße
Navyo Brigitte Lawson
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