Hochsensibilität neu erzählt – Vom Winde erzählt

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Hochsensibilität neu erzählt lupinen Berge LichtHochsensibilität neu erzählt, 
Vom Winde erzählt

Episode 2 aus What is your story?

Hochsensibilität neu erzählt – In dem Film „Chocolat“ folgt die wundervolle Vianne Rocher dem Nordwind, der sie eines Tages zielsicher in ein französisches Städtchen führt, in dem die Menschen ihre Hilfe brauchen. Mithilfe der Köstlichkeiten aus ihrer kleinen Chocolaterie gelingt es Vianne, dass die Bewohner, die den echten Kontakt zu sich selbst und anderen längst verloren hatten, sich wieder mit ihrem Herzen und ihren Sehnsüchten verbinden.

Beate Gauder erinnert auf vielen Ebenen an Vianne. Sie hat inmitten von Corona einen Ort der Begegnung und der Berührung geschaffen. Ihre Geschichte ist ein Plädoyer für die Kraft des Zuhörens und eine Einladung an den Raum der Möglichkeiten.

Als unserem kleinen Catering Unternehmen, das ich mit meiner Freundin Claudia führe, im März wegen Corona alle Aufträge abgesagt wurden, haben wir uns sofort um die finanzielle Unterstützung gekümmert. Nachdem die ganzen Anträge ausgefüllt und abgesendet waren, gab es auf einmal nichts mehr zu tun. Gefühlt von einem Tag auf den anderen war die Pausetaste gedrückt worden – die Menschen sind nicht mehr zu Arbeit gegangen, es fuhren keine Autos und es flogen keine Flugzeuge mehr. Auf einmal war alles still.

Dann traf ich meine Nachbarin im Hausflur, und sie seufzte: „Wie soll das alles bloß gehen, Homeschooling und Homeoffice, wie sollen wir das alles schaffen?“ Da wurde mir klar, ich kann jetzt nicht zuhause bleiben. Die Nachbarn brauchen Hilfe. Ich muss jetzt etwas tun.

Die Idee war sofort da:

Claudia und ich brauchen eine öffentliche Küche und dann kochen wir gesundes und leckeres Essen für die Nachbarn. Dann habe ich eine Liste geschrieben – Bürgermeister kontaktieren, Küche suchen, Hygieneamt anrufen und so weiter.

Über ein Nachbarschaftsportal hat sich dann eine Pastorin gemeldet und vorgeschlagen, dass wir die Küche im Gemeindesaal direkt an der Kirche nutzen können. Das musste dann nur noch mit dem Kirchenrat geklärt werden und innerhalb weniger Tage hatten wir das Go.

Hochsensibilität neu erzählt lupinen Berge Licht aurum cordis beate gauderDas Projekt war wie eine Antwort aus dem Wind,

es hat sich mir einfach gezeigt. Ich habe nicht überlegt, es gab einen Impuls und dann hat sich das Ganze wie ein Fächer vor mir aufgeblättert. Es war der Raum der Möglichkeiten, der sich entfaltet hat.

Es gibt so ein paar typische Sätze im Leben, zum Beispiel „Da können wir nichts machen“, oder „Das geht jetzt nicht“. Solche Sätze reichen schon, dass mein System anfängt, genauer hinzuschauen und zu fragen: Ist es wirklich so eng? Schon in dem Augenblick weitet sich etwas, das passiert automatisch. Wenn mein System hört, „Da kann man nichts machen“, dann aktiviert sich sofort ein Teil und sagt „Guck mal– vielleicht ja doch!
Der Raum der Möglichkeiten öffnet sich dann ganz von allein und es zeigt sich darin, was auch immer sich zeigen möchte.

Schon als Kind habe ich mir oft die Antworten vom Wind geben lassen.

Gerade jetzt im Sommer, wenn die Luft so warm ist und ein Windhauch kommt, dann habe ich immer das Gefühl, da steckt so viel drin. So viele Geschichten, und ich frage mich, wo dieser Wind wohl schon überall war.

Was er schon alles berührt hat, und gibt es darin eine Antwort? Wenn ich nicht wusste, was ich mit mir anstellen sollte, oder wenn ich mich gefragt habe, wie meine Schmerzen weniger werden können, die mich aufgrund einer chronischen Knochenerkrankung in meiner Kindheit und Jugend so einschränkten. Dann habe ich heimlich mit dem Wind gesprochen und mich ein bisschen weniger allein gefühlt. Ich habe mir vorgestellt, der Wind trägt die Antworten zu mir, oder streichelt sie zu mir – und ich habe die Antwort dann gefühlt.

Ich liebe es auch bis heute an Steinen zu hören, als könnten die Geschichten erzählen. Ich frage mich, wo kommt der Stein her, und wieso liegt der da so, wie er da liegt – zerklüftet oder vom Wasser rund gewaschen. Bei Menschen habe ich immer sehr aufgepasst, wem ich was erzähle oder wen ich was frage, aber die Hilfe von Wind und Steinen habe ich immer schon für mich genutzt.

Der Wind kann mich streicheln oder sich um mich legen wie ein Vorhang.

Am besten draußen im Sommer, wenn ich mich in das Gefühl hineinbewege, wo der Wind schon überall gewesen sein könnte und was ihm dort alles begegnet ist. Und wenn ich mich dann frage, was ich brauche, dann kann es passieren, dass mir darüber eine Idee einfällt. Dass sich diese Erfahrung des Windhauchs auf mich legt, das mag ich. Steine halte ich gerne in den Händen, ich mag es, wenn die auf einmal so heiß werden, und dann ist mir, als könnte ich ihren Herzschlag spüren, wie so ein Pulsieren. Ich stelle mir dann vor, da sitzt eine weise Alte drin und fängt an zu flüstern.

Ein Austausch, in dem sich die Möglichkeiten zeigen können

Als es mit Corona losging, hatte ich seit langer Zeit wieder das Gefühl, der Wind und die Steine sprechen wieder zu mir. Mir war jedoch, als hätte sich da was umgedreht. Früher hatte ich von ihr die Weisheit genommen, und jetzt spricht Mutter Erde zu mir und sagt:
Du hast uns immer zugehört, hör uns auch jetzt! Es ist too much.

Es passiert zu viel Ausbeutung in der Welt. Die Menschen wollen zu viel und sehen zu selten hin, was sie damit anrichten. All die Chemie, all das Plastik, die ungerechte Verteilung des Geldes, es ist wirklich too much. Ich beobachte zum Beispiel die Bäume, die sich im Wind biegen und denke, „Hey, es ist Sommer, wo kommt bloß dieser Sturm her?“ Gerade ist von einer Eiche in meiner Straße ein Stück Ast abgebrochen, da musste die Feuerwehr kommen. Da liegt dann jahrzehntealte Weisheit auf der Straße, einfach so abgetrennt. Das macht mich betroffen, und ich frage mich, was habe ich damit zu tun?

Früher habe ich Mutter Erde oft gefragt:

Kannst du meine Schmerzen nehmen? Du bist so groß, du machst so viel, ich kann das nicht allein, kannst du das tragen?“ Und jetzt habe ich das Gefühl, sie sagt, „Es ist so viel, ich kann das nicht mehr tragen, kannst du machen, dass es weniger wird?

Corona hat mich aufgerufen, dieses Feld zu öffnen. Und mich dabei nicht gleich zu fragen, wo das nötige Geld herkommt. Es ging mir eher darum, wie ich ohne erhobenen Zeigefunker einen Raum öffnen kann, wo Freude entsteht und wo Menschen denken, „Da will ich mitmachen!“ Ich möchte kein reines angst- oder pflichtgesteuertes „Oh Gott, wir müssen das tun!“, sondern ein „Da bekomme ich etwas und da gebe ich etwas!

Es muss ein Austausch stattfinden, ein Ausgleich von Geben und Nehmen. Ein Austausch, in dem sich die Möglichkeiten öffnen dürfen, und in dem sich der Reichtum zeigen kann. Auch ohne Geld.

Die Corona Zeit ist eine Erinnerung für uns alle, ausnahmslos

Ich frage mich bloß, wie ich diesen Raum der Möglichkeiten in einer sanften und zarten Form zu den Menschen und in die Welt bringen kann. Wie soll das gehen? Um in dieser heutigen Welt überhaupt gehört zu werden, musst du doch einen ziemlichen Auftritt haben, es muss irgendwie „Bämm“ machen, aber an Zartheit und Schönheit gehen doch alle vorbei.

Oder nicht? Muss man immer demonstrieren, gibt es nicht auch eine liebevolle, sanfte Weise, all die Möglichkeiten und Räume aufzuzeigen? Allein die Fragestellung berührt mich zutiefst.

Wenn ich weiter so darüber nachdenke, wie ich mit Zartheit und Schönheit berühren kann, dann kommt mir zum Beispiel das Bild der Seerose, die sich öffnet, aber tief verankert ist in ihren Wurzeln. Oder Seegras, das auch fest verankert ist, aber oberhalb ganz zart ist. Hafer ist auch unglaublich flexibel und bricht nicht im Wind.

Bei allem geht es um eine tiefe Verwurzelung und gleichzeitig um eine große Flexibilität.

Darum, mit Mutter Erde verankert zu sein, und gleichzeitig eine Öffnung zu all den Möglichkeiten zu haben, die es gibt. Das ist eine Fähigkeit, die wir alle in uns tragen, aber wir haben uns im Laufe unseres Menschseins starr und eng gemacht. Die Corona Zeit ist eine Erinnerung für uns alle, ausnahmslos. Corona hat uns still stehen lassen, und alles, was als „so ist die Welt“ definiert wurde, das funktionierte nicht mehr, und so sind die Zwischenräume entstanden bzw. hatten die Möglichkeit, sich überhaupt erst zu zeigen.

Viele Menschen haben aufgeräumt, und sich dabei an Ideen und Pläne

Erinnert, an irgendetwas, das sie früher einmal machen wollten. Auch die Natur hat sich durch diesen Stillstand regeneriert. Ich glaube, wenn diese Regeneration in uns Menschen sichtbar gewesen wäre, also wenn man in unsere Körper hätte schauen können und all diese Ideen sichtbar gewesen wären, dann wären die wie aus ihren Nestern gekrochen!

Was uns jedoch fehlt, ist die Kraft und das Vertrauen, diesen Ideen Glauben zu schenken. Wann immer sich etwas zeigt, dann kommt gleich die Frage: „Wie soll das denn gehen? Das ist zu teuer, das geht nicht.“ Da sind viele Ängste im Spiel, die Angst vor Veränderung, davor, die Sicherheit aufzugeben, der Neugierde zu folgen . . . die Liste ist endlos. Jetzt gehen wir zurück in den Alltag, aber ein „Zurück“ in der Form gibt es nicht. Durch diese Erfahrung ist in unserem System etwas passiert, und ich glaube für sehr viele Menschen wird sich das so anfühlen, dass das nicht mehr wirklich zusammenpasst, ohne dass sie diese Schere konkret benennen können.

Was ist das, was ich wirklich liebe, und was ich in die Welt bringen möchte?

Vielleicht sind bei einigen die Ängste nun stärker sichtbar, andere sind überbeflutet mit Ideen und dann wird versucht, diese Ideen in ein logisches erklärbares Paket zu packen. Und dann ist da niemand, der sagt, „Hey, erzähl mal, schreib auf, spinn rum!

Deswegen muss es neue Berufe geben, den Beruf des Zuhörers zum Beispiel, jemand der sagt: „Erzähl mir einfach nur!“ Ohne dass wir versuchen, es wieder runterzuschlucken oder gleich irgendwo hineinzupressen. Es geht darum, dass es erzählt wird, und dass es allein dadurch mehr wird. Dass das die Fäden sind, die einen neuen Teppich weben.

Im herkömmlichen Coaching ist die Frage in der Regel:

Was ist ihr Anliegen?“ Aber es geht gar nicht immer um ein Anliegen, sondern darum, wer alles daran beteiligt sein möchte, um überhaupt einen solchen Faden zu weben.

Wenn jemand zum Beispiel gern beobachtet, dann muss die nächste Frage nicht gleich sein: „Was beobachtest du denn gern?“ oder “Ah, du kannst gut Zusammenhänge herstellen!“ Erstmal geht es ums Innehalten: „Du guckst. A-ha! Was macht das Gucken mit dir?“ Das ist eine Erforschung.

Wenn wir diesen Impulsen folgen, dann geht es nicht in erster Linie darum, wie sich damit Geld verdienen lässt, sondern darum, was das Herz glücklich macht. Was ist das, was ich wirklich liebe, und was ich in die Welt bringen möchte?

Zu unserer Essensausgabe sind zum Beispiel zuerst nur Frauen gekommen, die haben sich ausgetauscht, wie sie den neuen von Corona geprägten Alltag wuppen. Nach und nach sind dann auch Männer gekommen, für die es anfangs kaum vorstellbar war, kein Fleisch zu essen. Doch schon nach ein paar Tagen fühlten sie sich genauso genährt!

Egal ob mit Rollator oder mit Krücken, sie sind jeden Tag gekommen und sie haben mit dieser einen Mahlzeit am Tag gemerkt, dass sich da in ihrem Körper etwas verändert. Das ist auch wie eine kleine Berührung. Allein der Umstand, dass die Menschen einen Grund hatten, vor die Tür zu gehen und uns täglich gesehen haben, hat ihnen Sicherheit gegeben.

Das Essen hatte etwas Verbindendes.

Wir waren gut drauf und haben den Menschen über das Essen dieses Sicherheitsgefühl gegeben, ohne das es ausgesprochen wurde. Alle haben irgendwann ein Lächeln auf den Lippen gehabt. Viele haben auch gesagt, sie haben aufgehört, Nachrichten zu sehen.

Es gab all diese wundervollen kurzen Begegnungen, und wenn ich die heute in ein Gefäß schütte, dann ist das so voll, dass ich merke, es ist meine Pflicht, da was draus zu machen. Das ist wie Nektar, ich habe ein volles Fass Honig. Ich muss das in die Welt bringen und kann das nicht nur für mich allein nehmen. Ich erarbeite jetzt ein Konzept für Stadtteilküchen in ganz Hamburg, in denen gegessen, gesprochen und sich begegnet wird.

Ein Raum für Versorgung und Fürsorge und für Austausch zwischen Jung und Alt. Ein Ort, wo über das Essen das Miteinander gefördert wird. Ein Ort, an dem man nicht mehr allein ist und jemandem vielleicht einfach mal sagen kann: „Ich bin erschöpft.“ Und dann hört einem jemand zu, und man muss das nicht mehr alles allein tragen.

Ich wünsche mir so sehr,

Hochsensibilität neu erzählt Porträt Beate Gauder Aurum Cordis
Porträt Beate Gauder

dass all diese Erfahrungen, die viele Menschen in der Corona-Stille gemacht haben, nicht verloren gehen. Dass nicht das passiert, was so oft geschah, wenn wir als Kinder aus den Ferien kamen, oder auch als Erwachsene, wenn wir nach dem Urlaub wieder ins Büro mussten, und der vermeintliche Ernst des Lebens wieder begann. Weil wir niemanden haben, mit dem wir unsere Erfahrungen teilen können, und das, was uns zart berührt hat, die Entdeckung einer Blumenwiese zum Beispiel, dann ganz schnell wieder in Vergessenheit gerät.

Gerade baue ich meine „Praxis für Inspiration“ auf. Dort möchte ich einen Raum offenhalten für all diese Dinge, die zart angeklungen sind. Diese Dinge, die eigentlich aus dem Alltäglichen heraus keinen Sinn machen, die sollen dort Raum bekommen. Ich möchte diesem zarten Gefühl lauschen und dem, was sich den Menschen darin eröffnet hat. Es geht mir nicht um ein Ziel, ich möchte die Menschen vielmehr einladen, mit mir einen Moment zu teilen – zum Beispiel, dass sie einer Blume im Wind zugeschaut haben. Mehr ist es erstmal nicht, aber es kann sein, dass dann eine Schwingung in den Körper zurückkehrt, die lange fort war.

Wir wollen oft eine Veränderung über eine Tablette, einen neuen Partner, einen Urlaub oder über Sport, aber es könnte vielleicht schon reichen, von einer Blume im Wind zu berichten. Es geht darum, einer Spur zu folgen, ohne gleich zu wissen, wohin sie führt.


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Hochsensibilität neu erzählt.

Hier gibt Autorin und Story Coach Sabrina Görlitz hochsensiblen Menschen die Möglichkeit, ihre ganz persönliche Geschichte zu erzählen und endlich gehört zu werden.

Sabrina Görlitz ist freiberufliche Autorin, Story-Coach und Palliativbegleiterin. Sie ist außerdem Kooperationspartnerin von Aurum Cordis, Kompetenzzentrum für Hochsensibilität, und Co-Autorin des Fach.Buchs Hochsensibilität.


25.08.2020
Beate Gauder
Mehr über Beate Gauder auf annapurnaloves.me und Beate Gauder.de

Fach.Buch HochsensibilitätAurum-Cordis-Buch-3D

Worauf es bei der Begleitung Hochsensibler ankommt
Jutta Böttcher ist Herausgeberin und Mitautorin des ersten Fachbuchs Hochsensibiltät.
Das Buch erscheint im Verlag Fischer & Gann.
Für Therapeuten, Coaches, Berater und jeden interessierten Laien.

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