Interview der Rosenkreuzer – Der Rosenkreuzer. Interview – Dezember 2013
Maximilian Neff, Großmeister des AMORC, über persönliche Eindrücke des letzten Konvents, Smalltalk auf dem OP-Tisch, den spirituellen Alltag, schlummernde Spiritualität in jedem von uns, Meditation als „modisches“ Thema und den wahren Frieden, der nur von innen kommen kann.
Stichwort Konvent: Wie oft findet so ein AMORC-Konvent eigentlich statt?
Wir haben pro Sprachraum in der Regel einen Konvent im Jahr, das sind Tage, an denen AMORC seinen Mitgliedern die Möglichkeit gibt, sich in das rosenkreuzerische Wissen zu vertiefen. Gemeinsame Arbeiten, Vorträge, Seminare… viele zehren für ein ganzes Jahr davon. Sei 10 Jahren haben wir uns dabei nicht nur gegenüber Mitgliedern geöffnet, sondern lassen auch Freunde, die lediglich sympathisieren oder Familienmitglieder sind, zu. Eine wunderbare Zeit der Zusammenkunft. Unser Konvent findet übrigens immer in einer möglichst inspirierenden Landschaft statt. Wir wechseln den Ort so selten wie möglich, derzeit sind wir bereits seit neun Jahren im Hunsrück an einem ganz besonderen Ort.
Derzeit treffen sich dann meist bis zu 150 Personen, wir haben aber auch schon Zeiten erlebt, als dort mehr als 300 Personen zusammen kamen. Dieser Schwund ist aber nur ein scheinbarer, da wir mittlerweile dem großen Bedürfnis nachgekommen sind, unterm Jahr viel mehr zusätzliche Seminare und Workshops anbieten als noch vor etwa 10 Jahren.
Was nimmt denn ein AMORC-Großmeister aus so einem Konvent mit „nach Hause“. Können Sie auch für sich persönlich einen Nutzen ziehen?
Diese Konvente sind eben nicht nur für die Brüder und Schwestern wichtig, sondern auch für die Führung und Verantwortlichen.
Es ist und bleibt ein besonderes Ereignis, weil wir uns spirituell nahe kommen und zudem auch etwa durch Fragen oder Hinweise, mitunter auch Kritik gefordert und gefördert werden. So ein Konvent ist immer ein wunderbares Geben und Nehmen, ein geistiger Kommunikationsprozess, eben ein wichtiges spirituelles Ereignis.
Das heißt, Sie kommen durchweg gestärkt daraus hervor?
Geistig auf jeden Fall, physisch eher ausgelaugt.
Und sogar verletzt, wie ich sehe (zum Interview kommt Maximilian Neff auf Krücken, er trägt einen klobigen Stützschuh).
Ja, ich habe mir die Achillessehne gerissen, hatte aber erst hier in Baden-Baden die Gelegenheit zur Behandlung.
Sie sind die ganze Zeit mit einer gerissenen Achillessehne unterwegs gewesen?
Ja, eigentlich schon, bis zur OP. Da fällt mir eine interessante Geschichte ein, von wegen Spiritualität kann einem überall begegnen: Schon vorbereitet und auf dem OP-Tisch liegend, verabreichte man mir gerade eine erste Betäubungsspritze und die OP-Schwestern reden mit einem dann ja immer beruhigende Sachen, damit man schnell wegdämmert. Eine fragte mich nach meinem Beruf und meine Antwort war, um mich nicht auf Diskussionen einzulassen, etwas vage, dass ich mystisch-philosophische Vorträge halte. „Interessant“ sagt da die Schwester, „glauben Sie eigentlich an Reinkarnation?“ Selbst kurz vorm Einschlafen musste ich noch schmunzeln: Eine OP-Schwester fragt ihren Patienten auf dem OP-Tisch, ob er an Reinkarnation glaube… vertrauenserweckend, nicht wahr?
Dann bleiben wir doch gleich bei den großen Fragen der Menschheit. Was würden Sie denn heute als besonders wichtig für den Menschen erachten?
Es ist meine Überzeugung, dass der Mensch heutzutage, in dieser extrem materialistisch ausgerichteten Welt ein großes Bedürfnis nach Spiritualität hat. Und da spielt Mystik eben ganz große Rolle. AMORC steht ja für den westlichen Einweihungsweg, den die Rosenkreuzer seit vielen Jahrhunderten praktizieren. Und unsere Studien und Übungen sind zum größten Teil darauf aufgebaut, den Menschen wieder dorthin, zum Spirituellen, hin- oder sogar zurück zu führen. Wir sind als Menschen doch in erster Linie geistige Wesen.
Aber gerade in unserer heutigen Welt führen viele Menschen doch ihr Leben eher extrovertiert, veräußerlicht. Das ist einer geistigen Ausrichtung ja nicht gerade förderlich.
Nun, das mag auf den ersten Blick so scheinen. Doch gerade unter jungen Menschen ist derzeit eine gewisse Sehnsucht nach dem Geistigen zu beobachten. Sie fühlen sich in dieser materialistischen Welt zerrissen, und genau diese Menschen müssen wieder zu sich finden. Den Schritt hin zum Geistigen und vielleicht auch Spirituellen muss aber jeder für sich selbst machen – wir bei AMORC sind dann dazu da, Interessierten oder eben Suchenden einen Weg zu weisen. Einen Weg, auf dem er weiter kommt.
Apropos, „weiter kommen“. Alle Suchenden wissen, dass dies mit einer permanenten Arbeit an sich selbst verbunden ist. Doch wie ist das bei einem Großmeister – fühlen Sie sich bereits an einem ganz bestimmten Punkt angekommen?
Ganz und gar nicht, auch ich bin – besonders im Alltag – auf meinem letztendlich ja doch ganz „normalen“ spirituellen Weg, durchweg gefordert.
Kennen Sie also auch so etwas wie einen spirituellen Alltag?
Aber sicher. Das fängt schon damit an, wie mein Tag beginnt. Für mich ist es selbstverständlich, nach dem Aufstehen zu meditieren und mich so auf den Tag einzustimmen. Jeder Mensch kann sich darin üben, sich geistig zu stärken und in der Intuition dann feststellen, wie der Tag werden kann. So geht man eine Verbindung zwischen einem selbst und dem Tag ein – so wird man von den Ereignissen des Tages nicht beherrscht, sondern beherrscht den Tag. Im späteren Verlauf des Tages halte ich öfter inne. Eine alte Regel, die man eigentlich auch in anderen Kulturen überall auf der Welt findet: morgens, mittags und abends etwa eine „kleine Meditation“ durchzuführen, um den Fluss der Seelenkräfte zu aktivieren und einen Kontakt mit seinem Inneren herzustellen.
Nun weiß man aber auch, dass ein Großmeister durchaus eng terminierte Tage haben kann. Gibt es denn wirklich keine Ausnahmen in diesem Ablauf?
Nein, dieses „Zurückziehen“ findet auch im engsten Terminstress statt. Der glaubens-religiöse Mensch würde das als Gebet bezeichnen, der Mystiker als Anrufung und Abstimmung. Es gehört dazu, ist fester Bestandteil. Ohne wenn und aber.
Der wahrscheinlich sicherste Weg für jeden Suchenden, zu seiner Spiritualität zurück zu finden.
Zurück finden?
Ja, es ist meine Überzeugung, dass in jedem Menschen diese Spiritualität schlummert. Sie muss nur geweckt und gefördert werden. Jeder Mensch ist von seinem tiefsten Wesen her darauf ausgerichtet. Man muss sich dabei von den Schlacken reinigen und befreien.
Doch der vielleicht wichtigste Schritt in diese richtige Richtung ist die Selbsterkenntnis. Der Blick in den Spiegel, sich zu fragen „wer bin ich“, dieses Wiedererkennen… das kann übrigens jeder für sich machen.
Jeder trägt den Weg in sich, der ihn zu seiner Persönlichkeit führt. Und diese Persönlichkeit ist eben nicht das, was man landläufig darunter versteht, sondern wir bei AMORC sehen darin die Seelenpersönlichkeit, die wiederum das Innere des Menschen repräsentiert. Und schon sind wir wieder bei der Reinkarnationslehre, aber diesmal ohne OP-Tisch: Das ist die Seelenpersönlichkeit, die sich über viele, viele Phasen bzw. Leben hinweg entwickelt hat. Und die muss der Mensch finden.
Aber wie?
Sie werden es nicht glauben, aber ein Weg können unsere Probleme sein. Viele Menschen haben Angst davor, andrerseits sind Menschen ohne Probleme flach. Durch den Umstand, dass wir uns mit unseren Problemen auseinander setzen, lernen wir sehr viel über unsere Seelenpersönlichkeit.
Ein anderer Weg, der je nach Veranlagung vielleicht effizienter sein könnte, ist die Meditation.
Die ja derzeit ebenfalls sehr angesagt ist.
Das stimmt. Aber wir sollten uns vor Augen führen, was die Menschen heute bereits als Meditation bezeichnen: Manche „meditieren“ schon beim Frisör, andere beim Zähneputzen. In der uralten Tradition des AMORC bedeutet Meditation aber „in die Stille gehen“. Das erfordert ein innere Vorbereitung und eine gewisse Übung, damit man während der Meditation tatsächlich in Berührung mit seinem Inneren gelangen kann, seiner Seele… oder eben mit den höheren Ebenen, wie etwa dem kosmischen Bewusstsein.
Darf ich Sie etwas wirklich Persönliches fragen? Haben Sie auch manchmal von alledem, also dem eher Geistigen, genug, sozusagen die „Faxen dicke“?
Natürlich. Und das gar nicht mal so selten. Aber das braucht man auch, dieses Abstand nehmen ist wichtig. Ich rege mich über Ungerechtigkeiten auf und ärgere mich über unfaires Verhalten.
Ich möchte auch gar nicht von diesen Emotionen unberührt bleiben – nur immer vergeistigt und mit Spiritualität beschäftigt wäre etwas einseitig. Für mich ist dann als Beispiel der Gang in die Natur sehr wichtig, um dort im wahrsten Sinne des Wortes abzuschalten. Die Atmosphäre verändert sich dann schnell und es gelingt mir unmittelbar, eine gewisse Spiritualität in der Natur wahrzunehmen – seltsam, nicht wahr -, von der wir ja ein Teil sind. Und diese Spiritualität baut mich dann auf, um wieder zurück vor den Computer zu gehen, um spirituelle Fragen zu beantworten.
Im AMORC-Magazin lautet diesmal das Leitthema „Frieden“. Die Rosenkreuzer lehren, dass wahrer Frieden nur vom Inneren des Menschen ausgehen kann?
Der Mensch kann keinen Frieden finden, wenn er nicht daran arbeitet, dass er diesen Frieden in sich selbst sucht und zu seinem inneren Frieden gelangt. Doch, stimmt, die große Frage ist eben „wie“? Bestimmt kein einfacher Weg, aber ein gangbarer: In Einklang mit sich selbst gelangen, schafft die beste Voraussetzung, um im Einklang mit dem Kosmos zu sein. Doch damit nicht genug: Der Kosmos ist wiederum in einer Art Mikro-Version im Menschen – und somit ist der Einklang, die Verbundenheit mit allem tatsächlich wörtlich zu nehmen. Denken wir nur an das alte chinesische Sprichwort: „Selbst wenn ein Blatt im Winde sich bewegt, hat dies Einfluss auf die gesamte Schöpfung.“ Dies ist durchaus auch rosenkreuzerisch.
Schauen wir uns doch die Kriegsschauplätze dieser Welt an. Die Mächtigen können ihren Einfluss nur deshalb ausüben und die Menschen aufeinander hetzen, weil diese innerlich zerrissen sind. Oder falsch gefestigt. In unseren Lehren heißt es: Der Krieg fängt immer bei uns selbst an.
Dieser wahre innere Friede zählt für uns zum Allerwichtigsten.
Heute erlebt Spiritualität vor allem unter jungen Menschen so etwas wie eine Renaissance. Was halten Sie als Großmeister einer mystisch-spirituellen Gemeinschaft davon?
Es begeistert mich. Es ist wunderbar, dass diese jungen Leute ihren eigenen Weg gehen wollen, sich im Gegensatz zu vorherigen Generationen wieder mehr auf die geistigen Welten einlassen. In einer Gesellschaft wie der unsrigen eine mutige, eben immer noch unkonventionelle Entscheidung. Mir fällt jedoch auf, dass sie ein wenig wie die Bienen von Blume zu Blume eilen – wer sich tatsächlich auf eine innere Erkenntnis und Entfaltung einlassen möchte, sollte länger an einem „Modell“ verweilen, um wirkliche Erfolge zu erzielen. Sonst kann das, was man erfahren möchte, nicht wirklich wachsen, sodass man für seine Entwicklung davon profitieren kann, und es ist lediglich Information.
Haben Sie einen Rat für diese Suchenden?
Suchen Sie sich einen neutralen Weg, auf dem Sie vorwärts kommen wollen; das heißt, ohne von Menschen erstellten Dogmen oder Zwängen. Und zeigen Sie mehr als nur ein Interesse, häufen Sie nicht nur Informationen oder äußeres Wissen an. Spiritualität muss gelebt werden! Haben Sie Geduld und Toleranz mit sich selbst, wenn Sie wirklich vorankommen wollen – und Ausdauer, denn erst in der Ausdauer machen sich die Früchte bemerkbar – dies sind mit die wichtigsten Voraussetzungen für ein spirituelles Leben.
Wollen Sie uns zum Abschluss vielleicht noch einen Einblick in Ihre ganz persönlichen Pläne für die nähere Zukunft geben?
Nun, meine Zukunft heißt AMORC, genau wie die Rosenkreuzer heute mein Lebensmittelpunkt sind und es gestern bereits waren. Ich bin nun seit beinahe vierzehn Jahren als Großmeister gewählt und ernannt und werde in 2017 seit 40 Jahren dabei sein. Das ist eine lange Zeit, in der ich unfassbar viel von AMORC gelernt und erhalten habe.
Wie lange ich noch Großmeister sein werde, das entscheide nicht ich und somit werde ich hierzu keine Prognosen abgeben. Aber eines ist sicher: Ich bin passionierter Rosenkreuzer und werde bis zuletzt nach den Lehren des AMORC leben.
Maximilian Neff, Großmeister des AMORC
Lebt in Baden-Baden, 63 Jahre, ledig, keine leiblichen Kinder (M. Neff legt Wert auf die Feststellung, dass AMORC-Großmeister nicht im Zölibat leben müssen),
Hobby: Wandern. Fühlt sich in der Natur zuhause.
15. Februar 2015
Fotos und Text (c) AMORC
www.amorc.de
www.amorc-verlag.de
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