Strahlendes Licht
Klangfarben des Kosmos
„Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis,
sondern wird das Licht des Lebens haben.“
(Worte Jesu im Johannes-Evangelium 8, 12)
In Zeiten großer Krisen und gewaltigen Wandels ist die Sehnsucht nach erlösender Erleuchtungserfahrung geradezu verständlich. Die spirituelle Schulung und die tägliche Übung sind die wichtigsten Weg-Begleiter. Es fehlen uns leider genügende authentische Meister in dem Supermarkt vielfach fragwürdiger esoterischer Angebote.
„Die Sonne tönt nach alter Weise
In Bruderspähren Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebene Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,
Wenn keiner sie ergründen mag;
Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.“
( J.W. von Goethe, Faust: „Prolog im Himmel“)
„Und es ward Licht!“
In Joseph Haydns „Die Schöpfung“ (dieses großartige Werk sollte man regelmäßig hören!) finden wir eine klassische C-Dur-Stelle der Musikliteratur, wo der Durchbruch des C-Dur-Akkords bei „Und es ward Licht!“ nach dem vorausgegangenen finsteren f-moll-Akkord als der Subdominante von c-moll besonders wirkungsvoll ist.
Die italienische Tonbezeichnung für C ist DO (Dominus, Herr, Gott als Schöpfer). Viele große Werke der klassischen Musik streben am Ende sehr oft der erlösenden Strahlkraft von C-Dur zu. So z.B. der Finalsatz von Ludwig van Beethovens berühmter 5. Sinfonie c-moll op. 67, aber auch der zweite und letzte Satz von Beethovens Klaviersonate Nr. 32 c-moll op. 111, die berühmte „Arietta“ (der Aufstieg zum Licht geistiger Welten), Beethovens Waldstein-Sonate op. 53 und das 1. Klavierkonzert op. 15, W. A. Mozarts Klavierkonzerte KV 415, KV 467 und KV 503 sowie seine Linzer- (KV 425) und Jupiter-Sinfonie (KV 551) u.v.a.m.
Den reinsten Ausdruck von C-Dur finden wir vor allem im C-Dur Präludium des 1. Teils von J.S. Bachs „Wohltemperierten Klavier“ BWV 846. Dieses nur 35-taktige Stück ist wie kein anderes, ganz aus der Tonart heraus empfunden, dass hier zum ersten Mal in der Musikgeschichte der Charakter der Tonart mit aller Deutlichkeit den Charakter des Musikstücks bestimmt. Nur 5mal bewegt man sich in reinem C-Dur, zu Anfang und am Ende, in den Takten 4, 19 und 29, dazwischen findet eine geniale, spannungsreiche Akkordvielfalt statt, die immer die Tendenz hat, über klangvolle Umwege in das C-Dur-Licht zurückzugelangen. Das sehr aufmerksame und hingebungsvolle Spiel dieses einfach anmutenden Präludiums ist durch regelmäßige Wiederholungen zu einer fruchtbringenden Meditationsübung geworden.
Obwohl die Planetenmusik im allgemeinen nur in übernatürlichen Zuständen zu hören ist,
stoßen wir überall und immer wieder auf die Überlieferung, dass zumindest die Sonne Klänge hervorbringt, die auf der Erde zu hören sind. Der deutsche Romantiker E.T.A. Hoffmann (geb. 24. Januar 1776 in Königsberg – gest. 25. Juni 1822 in Berlin) fasste in ein paar Zeilen die gesamte Lehre des Aufstiegs durch die Musik zusammen und beschwört das antike Bild der Seele als Schmetterling: „Schaut die Sonne an, sie ist der Dreiklang, aus dem die Akkorde, Sternen gleich, herabschießen und euch mit Feuerfaden umspinnen. Verpuppt im Feuer liegt ihr da, bis sich Psyche emporschwingt in die Sonne“.
Hier auf Erden sind wir Raupen, bis wir uns verzaubern und einspinnen lassen von der Musik aus den Sternensphären – von den seidenen Harfensaiten der Sterne. Dann warten wir darauf, dass im Tranceszustand oder im Sterben plötzlich unsere Kokons abfallen und wir als geflügelte Seelenwesen aufwachen, die in ihre wahre Lichtheimat zurückfliegen können.
„Hier auf Erden sind wir Raupen, bis wir uns verzaubern und einspinnen lassen von der Musik aus den Sternensphären – von den seidenen Harfensaiten der Sterne. Dann warten wir darauf, dass im Trancezustand oder im Sterben plötzlich unsere Kokons abfallen und wir als geflügelte Geisteswesen aufwachen, die in ihre wahre Lichtheimat zurückfliegen können.“ (Roland R. Ropers)
GOTT in Freiheit, rein innerlich und geistig, und vor allem im Zeichen einer unbegrenzten und bedingungslosen Liebe zu begegnen, ist ein alter Traum der Menschheit, und nicht wenige haben sich darum bemüht, dies aber auch oft sehr teuer bezahlen müssen. Die bedeutsamsten Europäer, ungefähr mit Sokrates angefangen, die immer auf diesen Weg zu Gott hinwiesen, wurden von den institutionalisierten Glaubenssystemen unerbittlich bekämpft.
Die Geschichte dieser Verfolgung ist erschütternd und ebenso lehrreich;
wer sich in sie vertieft, kann seine Religiosität nur erweitern und reinigen. Warum verwandelten sich auch ernsthafte und ehrliche Unternehmungen, wie die der Theosophen oder der Anthroposophen, die doch am wenigsten von geist-tötenden Dogmen oder Riten überschattet waren, in ausstrahlungslose geistige Ghettos? Nicht, weil ihre Lehren etwas Falsches enthalten würden, sondern weil ihr Ausgangspunkt, ihr wichtigstes Hauptwirkungsmittel, der Begriff und das damit zusammenhängende Wort waren.
Dieses ist aber nur mit einer sehr oberflächlichen Schicht des Menschenwesens verbunden und kann deshalb nicht in der Seele jene erschütternden Bewegungen hervorrufen, die zur Suche nach einem höheren Glauben anregen. Diese Tatsache ist der so verkopften Religionsauffassung des modernen Menschen fast unfassbar geworden.
Das Zuviel an intellektuellem Wissen hat die geistige Wahrnehmungsfähigkeit abgestumpft.
Man hat die Naivität zu glauben, dass das bloße Aussprechen des Namens „Jesus“ oder „Christus“ genügt, um zu der dahinter verborgenen Wirklichkeit einen Zugang zu erhalten. Die moderne Glaubenskrise ist auch eine Krise des Wortes, indem man durch die intellektuelle Inflation und durch Missbrauch seinen geistigen Inhalt tötete. Geschulte Theologen verwechseln heute mit einer erschreckenden Unbekümmertheit den Logos, das göttliche Ur-Wort, mit den Substantiven, Verben und Adjektiven in ihren Predigten oder theologischen Abhandlungen. Die Konsumgesellschaft ist gleichzeitig eine Unterhaltungsgesellschaft, wodurch das Wort das Schicksal des Geldes und der Waren erleidet. Diese Entweihung des Wortes wurde schon von Ludwig van Beethoven erkannt. Er bezeichnete es als „einen schlechten Diener des göttlichen Wortes, das nur die Musik ausspricht.“
Der Ton, der Klang hingegen ist mit einer Schicht des Menschenwesens und überhaupt mit einer Daseinsebene verbunden, in der ganz andere Erfahrungen möglich sind. Alles in dieser Welt ist von der Musik geheimnisvoll durchdrungen und durchwoben, und für den Musik-Meditierenden geht es um das Erkennen der Urkraft des Tones, durch die wir unsere existentielle und unzerstörbare Verbindung mit dem schöpferischen, allumfassenden und allgegenwärtigen Logos erkennen. W.A. Mozart ist sehr ernst zu nehmen, wenn er uns sagt: „Wir wandeln durch des Tones Macht froh durch des Todes düstre Nacht.“
Die Musik selbst ist „Die Zauberflöte“, bei deren Ertönen die Welt geistig-göttlich aufzuleuchten beginnt.
Der Gott, zu dem die geistige Erfahrung der Musik einen Zugang eröffnet,
ist bestimmt nicht derjenige der Konfessionen – einfach deshalb, weil die Musik mit einer sektiererischen Trennung und Abgrenzung unvereinbar ist. Gerade aber durch die Musik kann man heute das finden, was – wenn man sich konfessionell abgrenzt – vergeblich gesucht wird. Nur der vom Geist der Musik durchdrungene Glaube wird „katholisch“ im wahrsten Sinne des Wortes, d.h. dem Ganzen gemäß.
Ein verinnerlichter Glaube ist aber auch einer, den wir als einzig richtigen bezeichnen können. Wenn wir in einem Wörterbuch die griechische Entsprechung für „rechtgläubig“ suchen, so finden wir dort das Wort „orthodox“. Durch die Musik lernen wir, was wahre Orthodoxie bedeutet, die in der mit diesem Namen bezeichneten kirchlichen Institution so grotesk verzerrt erscheint. Dann aber, wenn die Musik uns wirklich durchdringt, können wir nur gegen alle Falschheit und Heuchelei auf dem Gebiet des Sakralen protestieren, um mit unserem Schweigen nicht Komplizen des großen Lügners zu werden, und so entdecken wir auch den tiefen, verlorenen gegangenen Sinn des Protestantismus.
Man kann Begriffe wie „Theosophie“ (die Weisheit Gottes) und „Anthroposophie“ (die Weisheit des Menschen) nicht einander gegenüberstellen, wie die Anhänger der gleichnamigen Bewegungen es tun; durch die in den Klängen verborgene „Sophia“ (Weisheit) hat der nach tiefer Erkenntnis Suchende sowohl zum Gott- als auch zum Menschengeheimnis, zum „Theos“ als auch zum „Anthropos“ einen Zugang gefunden.
Wer den musikalischen Weg zum Geist aus einem ernsthaften inneren Entschluss heraus eingeschlagen hat, entdeckt diesen Weg als einen, der ihn immer weiterführt, zu einer Freiheit, zu einer Verinnerlichung und zu einer Liebe, für die es keine sektiererischen Grenzen gibt.
Warum ist die Musik für kaum jemand Quelle einer fundamentalen inneren Erneuerung geworden, wenn sie doch eine frohe Botschaft, ein Evangelium ist?
Einfach deshalb, weil man sie oft nur als Hintergrundkulisse missbraucht, ihr aber nicht zuhört.
Viele Musikhörer befinden sich noch im Stadium des Genießens, der Unterhaltung, der Berieselung. Man spielt mit etwas, was Robert Schumann so treffend als „unter Blumen eingesenkte Kanonen“ bezeichnete. Die Kunst des Hörens zu lernen ist die Aufgabe derer, für welche die Musik komponiert und interpretiert wurde. In keiner allgemeinen Schule ist diese Kunst zu lernen, genauso wenig wie das Selbstbewusstsein, die innere Freiheit und die wahre Liebe.
Wer die passive, sentimentale und genusssüchtige Beziehung zur Musik überwindet und ihr ehrfurchtsvoll meditativ zu lauschen lernt, entdeckt, dass er durch einen geistigen Schulungsweg, den musikalischen Weg zum Geist, eingeschlagen hat. Dies ist der Hörer der Zukunft, der den immer unvollendet bleibenden musikalisch-schöpferischen Prozess endlich krönen wird. Was in einem Konzertsaal geschieht, erreicht sein Ziel nur, wenn die äußerlich ertönende Musik in unserem Inneren ihr Werden fortsetzt, und zwar als führende Begleiterin zum Absoluten. Aus dem Reifwerden des heutigen Hörers, der vielfach die Musik noch so genießt wie ein Kind die Süßigkeiten oder Spielzeuge, wird eine neue Spiritualität entstehen, deren Essenz in der Auffassung der Musik als tönendem Evangelium zum prägnanten Ausdruck bekommt.
Georg Gurdjew (1872 –1949), Gründer des „Instituts zur harmonischen Entwicklung des Menschen“, lehrte nach Angaben seines zeitweiligen Schülers P.D. Ouspensky folgendes:
„Die Sieben-Ton-Leiter ist die Formel eines kosmischen Gesetzes, das von alten Schulen ausgearbeitet und auf die Musik angewandt worden ist“.
Die diatonische Skala ist in Gurdjews System nicht bloß ein Abbild der Siebenheit:
ihre innere Struktur ist von höchster Wichtigkeit. Bei der Tonleiter, die er aus vielen möglichen auswählt, handelt es sich um die heutige Dur-Skala, die durch die Reihenfolge ihrer Ganztonschritte (C-D-E), ein Halbton (E-F), drei Ganztöne (F-G-A-H) und bei Einbeziehung des Übergangs zur nächsten Oktave ein letzter Halbton (H-C`). Gurdjew erläutert, dass die Entwicklung beim Menschen und in der Natur nicht geradlinig verlaufen, sondern dass in jeder Phase, jedem Zyklus zwei Unterbrechungen auftreten. In der Tonleiter sind das die beiden Halbtonschritte mi-fa (E-F) und si-do (H-C`).
Manche von uns erinnern sich noch an den Musikunterricht in unserer Schul-zeit, wo uns die Töne C, D, E, F, G, A, H und C` mit den italienischen Bezeichnungen: do, re, mi, fa, so, la, si, do beigebracht wurden. Nie hat ein Lehrer zu der eigentlichen Bezeichnung dieser Tonbezeichnungen etwas sagen können. Und die meisten heute professionell tätigen Musiker kennen den Hintergrund auch nicht.
Es scheint interessant zu sein, die heute gebräuchlichen Tonbezeichnungen auf ihren Wesensgrund hin anzuschauen:
C = Do Dominus (Herr, Gott als Schöpfer)
D = Re Regina (Regina coeli, die Himmelsgöttin, der Mond)
E = Mi Microcosmos (die Erde – die Rolle des Menschen )
F = Fa Fatum (das Schicksal des Menschen)
G = So Sol (die Sonne)
A = La Lactea (die Milchstrasse, die Galaxis des Menschen)
H = Si Sidus (Sternbild, Gestirn)
In der französischen Terminologie wird für C oder Do die Bezeichnung Ut benutzt, zurückgehend auf das lateinische Wort „ut“ (so dass; damit) und in dem etymologischen Zusammenhang zu Thoth, dem ägyptischen Gott schöpferischer Intelligenz wie zu „tat“ im Sanskrit, dem unbestimmten „das“. Einen der bekanntesten und bedeutendsten Lehrsätze der indischen Vedanta-Philosophie finden wir in der Chandogya-Upanishad:
TAT TVAM ASI (wörtlich: „das bist du“.)
Wenn der Meister mit diesem Satz seinem Schüler die letzte Wahrheit übermitteln will, so sind auf Seiten des Schülers verschiedene Voraussetzungen nötig:
erstens muss er wissen, das mit „das“ nur Brahman, das Absolute, Ewige, Unwandelbare, der Urgrund, die innerste Urquelle gemeint ist, und zweitens muss er sich über das „du“ im klaren sein. „Du“ kann materiell wie geistig vielseitig ausgelegt werden.
Der Schüler muss durch eigene Erfahrung erkannt haben, dass er weder Körper noch Denken ist, sondern Atman (Geist), geburtloses, todloses Bewusstsein, jenseits aller Dualität und Körperidentifizierung.
Einer der Lieblingstexte meines spirituellen Meisters Dom Bede Griffiths (1906 – 1993) war „The Castle of Brahman“ in der Chandogya-Upanishad. Und jedem, der in diese Welt eintauchen möchte, empfehle ich Mozarts letzte Sinfonie C-Dur KV 551, die „Jupiter-Sinfonie“, wo die strahlende Leuchtkraft des Absoluten und Ewigen in himmlische Klänge verwandelt ist.
04.08.2022
Roland R. Ropers
Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher, Buchautor und Publizist
www.KARDIOSOPHIE-NETWORK.de
Über Roland R. Ropers
Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.
>>> zum Autorenprofil
Buch Tipp:
Kardiosophie
Weg-Weiser zur kosmischen Ur-Quelle
von Roland R. Ropers und
Andrea Fessmann, Dorothea J. May, Dr. med. Christiane May-Ropers, Helga Simon-Wagenbach, Prof. Dr. phil. Irmela Neu
Die intellektuelle Kopflastigkeit, die über Jahrhunderte mit dem Begriff des französischen Philosophen René Descartes (1596 – 1650) „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) verbunden war, erfordert für den Menschen der Zukunft eine neue Ausrichtung auf die Kraft und Weisheit des Herzens, die mit dem von Roland R. Ropers in die Welt gebrachten Wortes „KARDIOSOPHIE“ verbunden ist. Bereits Antoine de Saint-Exupéry beglückte uns mit seiner Erkenntnis: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Der Autor und die sechs Co-Autorinnen beleuchten aus ihrem individuellen Erfahrungsreichtum die Vielfalt von Wissen und Weisheit aus dem Großraum des Herzens.
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