Nächstenliebe und das weltweite Flüchtlings Drama – Was wäre, wenn Du selbst ein „Flüchtling“ bist?`
Es gibt Zeiten, in denen man aufgefordert ist, die Komfortzone zu verlassen, in der man sich wie in großen Ferien allein auf sich besinnen konnte und froh war, etwas hinter sich gebracht zu haben. – Mir geht es so bei der Betrachtung meines komfortablen Lebens, dass ich mich in den letzten Jahren ganz auf mich und mein engeres Umfeld konzentrieren durfte, allein vor meiner eigenen Tür zu kehren brauchte, und Streitigkeiten, die da draußen tobten, nicht an mich herankamen. Sie gingen mich nichts an. Schließlich hatte ich in siebzig Lebensjahren begriffen, dass die Wirklichkeit unendlich viele Wahrheiten kennt und auf geheimnisvolle Weise aus Zwietracht Eintracht entsteht, wenn die Widersprüche aus These und Antithese im ewigen Wandel sich zu einer Synthese fanden. Diese Synthese war dann die Einsicht, dass es faule Kompromisse waren, die man um des vordergründigen, lieben Friedens gemacht hatte, statt sein Kreuz auf sich zu nehmen und ggf. für seine subjektive Wahrheit zu sterben. –
So konfrontiere ich mich – und vielleicht auch dich – damit, ob ich für die Werte der so genannten „freien Welt“ zu sterben bereit bin. Ich frage mich, ob ich wirklich bereit bin, diesen den Willen des Volkes vertretenden Politikern zu folgen, die analytisch klar nachweisen, dass das Land, in dem ich wohne, Not leidende Flüchtlinge abweisen muss, weil wir das „nicht verkraften“ könnten.
In der Komfortzone meines Wohnzimmers oder Büros höre oder sehe ich, dass da draußen nationale Grenzen geschlossen werden. Ich sehe frierende, verzweifelte Menschen. Sie kommen aus Ländern, wo die Machtinteressen aus politischen, religiösen, aber meist wirtschaftlichen Gründen aufeinanderprallen und jeweils der als Terrorist bezeichnet wird, der nicht der Leitlinie des jeweiligen Machtblocks folgt.
Da gibt es jene, die freiwillig ihr Leben hingeben, weil sie davon überzeugt sind, dass ihre subjektive Wahrheit auf diese Weise durchgesetzt werden könne. Sie sind mit den Leitlinien ihrer Religionsführer oder ihrer Regierungen identifiziert – und sie sind vielfach davon überzeugt, dass ihnen Gott Vater bzw. Allah ihre gute Tat anrechnen wird und das Leben im Jenseits oder in einem nachfolgenden, neuen Diesseits die (Er-) Lösung bringt. „Für Volk und Vaterland“ sich opfern – das ist nicht so lange her, dass wir im „freien Westen“ dieselben Werte hochhielten und unsere Großväter dafür starben.
Aus der jüngeren Geschichte weiß ich, wie viele von denen, die heute nach dem großen Sterben für das Vaterland meine Mitbürger sind, Flüchtlinge waren bzw. Nachkommen von Flüchtlingen sind. –
All diese Wahrheiten – und es kommen viele andere Wahrheiten hinzu – lasse ich Revue passieren und komme zu dem Schluss: Jede Grenzziehung, die darauf abzielt, materielle Werte zu bewahren, kulturelle Werte zu schützen, nationalstaatliche Interessen zu verteidigen, Andersgläubige auszugrenzen, Vormachtstellungen polizeilich und militärisch zu behaupten, ist gleichbedeutend mit ANGST – mit angus, Enge, Engstirnigkeit.
Sich zu öffnen für das Unbekannte, erfordert Mut und den erklärten Willen, das, was ohnehin nicht aufzuhalten ist, anzunehmen und aus der Grundmotivation, LIEBE schenken zu wollen, die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben zu schaffen: für jeden, der da kommt. – Ein deutsches Sprichwort sagt: „Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein.“ – Die Kehrseite: „Wer zu ist und dicht macht, ist noch lange kein Dichter.“ – Synthese (Vorschlag): Lassen Sie uns den Raum (Deutschland) öffnen, damit darin unsere Nächstenliebe (entsprechend der Vorgaben aus der „Bergpredigt“) wirken kann. Wir gönnen uns die Zeit, die es braucht, um die Angst, die wir nach wie vor haben, die wir aber als Leben verhindernden Ratgeber erkannt haben, zu überwinden. Während dieses Prozesses in Zeit und Raum lernen wir das Feindliche, Fremde zu lieben. Wir machen uns den zu uns Gekommenen als liebenswert erkennbar. Wir schreiten langsam voran. Wir bleiben nicht im Konservativen stecken. Nein, wir entwickeln uns wieder zu einem Volk der Dichter und Denker. Das bedeutet, mit Schiller, Goethe, Hesse im Bund unserer Pfarrerstochter Angela Merkel zuzurufen: „Die Tugend, sie ist kein leerer Wahn. Der Mensch kann sie üben im Leben. Und sollt´ er auch straucheln überall, er kann nach der göttlichen streben…..Ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt, wie auch der menschliche wanke. Hoch über der Zeit und dem Raume webt lebendig der höchste Gedanke. – Auch wenn alles im ewigen Wechsel kreist, es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.“
Die „Tugend“ ist eindeutig: „Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei – und würd´ er in Ketten geboren. Lasst Euch nicht irren des Pöbels Geschrei, nicht den Missbrauch rasender Toren. Vor dem Flüchtling, wenn er die Grenzen bricht, vor dem freien Menschen erzittert nicht!“ –
So mische ich mich mit dieser, meiner Wahrheit ein und nenne jene scheinheilig, die vorgeben, christlich zu sein und nicht bereit sind, das, was wir haben, mit den Bedürftigen so lange zu teilen, bis keiner mehr hungern muss. In der Konsequenz heißt das, dass achtzig Millionen meist satten Deutschen zuzumuten ist, dass sie ihren Zehnten abgeben. Folglich sind es acht Millionen, die wir bewusst zu uns lassen, sie warm empfangen und integrieren. – In der kleineren Einheit zu den deutschen Grenzen wirkt sich das in der Begrenzung eines deutschen Restaurants so aus, dass wir im Gastraum, der normalerweise achtzig Personen fasst, zusammenrücken, um acht weiteren Personen Platz zu schaffen, damit sie mit uns am „Abendmahl“ teilnehmen können.
9. Mai 2016
Herzlichst,
Wolfgang Maiworm
Herausgeber und Autor
www.medizinundbewusstsein.de
www.lebens-t-raeume.de
Wolfgang Maiworm,
“… Daraus folgere ich: Wenn mein Leben eine Melodie werden soll, muss der einzelne Ton immer wieder sterben dürfen. So ist mein Blickwinkel, den ich zu den Themen der Zeit einnehme, je nach nachfolgender Veränderung, Erfahrung und Erkenntnis immer wieder neu zu formulieren. Heute gilt Folgendes: …”
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Lieber Wolfgang,
ich hätte dies nicht anders formuliert…eben…genau so sehe ich es. Danke für deinen Mut.
Walter Ohler