Neue Weiblichkeit als Lebensprinzip

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Neue Weiblichkeit – erobert, gelebt, geliebt

Neue Weiblichkeit als Lebensprinzip und gelebt? Wo stehen wir in der Weiblichkeitsdebatte?
Die Debatte zur Weiblichkeit erlebt seit einiger Zeit eine Renaissance.
Webinare boomen.
Vorträge sind an Fantasie nicht zu überbieten.
Zeitschriften sind voll von guten Ratschlägen und von Interviews mit Vorzeigefrauen.
Frauen wie z.B. Maria Magdalena werden als Vorbild bemüht – ohne sich mit dieser Frau je in ihrer Tiefe auseinandergesetzt zu haben (nicht dass das einfach wäre – das will ich gar nicht behaupten).
Unternehmen und Institutionen entdecken, dass die Quote heute wichtiger denn je ist und das frau gebraucht wird – man will ja mithalten, wenn erforderlich, auch per Gesetz.
Es wird heftig diskutiert, wie frau sich zu präsentieren hat, wie sie in eine neue Form kommt und wer schon als Vorbild, als role model (neudeutsch) herhalten kann.

Ich schreibe bewusst pointiert als eine Frau, die die erste Dekanin einer Privatuniversität in Österreich war (Anfang der 2000er) und die als erste Frau eine Abteilung im Verteidigungsministerium der Republik Österreich leitete (2008-2012).
Was damals eine echte Besonderheit war, ist heute scheinbarer Standard – und gleichzeitig von einer unglaublichen Hohlheit und Leere, von einer Masse an Nichtsagendem gekennzeichnet.

Mit Quotenfrauen zu agieren ist Augenwischerei.

Frauenworkshops und Frauenrunden anzubieten zu wenig – weil viele Frauen gar keine tiefere Ahnung über ihr Frausein haben – was es ist, was es sein kann und wie man in die Neue Weiblichkeit gelangen kann und was das bedeutet – für sich und für das Umfeld. Es reicht vor allem deshalb nicht, weil das Gros der Frauen sich nach wie vor anpasst und viel zu wenig bereit ist, den Ursinn des Weiblichen zu erkennen und zu leben. Was ich beobachte – wenn es ums Eingemachte geht, d.h. um die Frage, was Weiblichkeit denn tatsächlich ist, womit wir sie gemeinhin verbinden, welchen Klischees wir folgen, wie stark das Kollektiv die/den Einzelne/e prägt, hindert, klein macht und ein inneres Bild erzeugt, etc. pp – dann gehen viele in Deckung – Frauen im Übrigen eingeschlossen.
Wollen wir den Ursinn des Weiblichen gar nicht sehen?
Haben wir Angst davor?
Haben wir Angst vor der Kraft des Weiblichen? Neue Weiblichkeit gelebt!

Dieses Erkennen des Ursinns des Weiblichen ist am Beginn unangenehm, weil Anpassung eben leichter ist als sein Selbst zu erkennen, freizulegen und auf Himmel komm raus zu leben.
Noch immer sind die Anerkennungsjunkies in der Mehrheit – da nutzt kein noch so schlauer Workshop. Frausein ist mit einem tiefen Prozess, der oft eine Berg- und Talfahrt ist, verbunden.
Den kann man gehen oder auch weiterhin in der vielzitierten Komfortzone verbleiben.

Dabei haben Frauen in diesem Renaissanceprozess eine besondere Rolle.

Nicht dass es vorher keine Frauen gab und die Weiblichkeit nicht gelebt wurde – jenseits feministischer Konzepte, jenseits von Klischees. Um gleich einem Missverständnis vorzubeugen: Die feministische Bewegung war wichtig, hat jedoch mehr zu einer Vermännlichung der Frau geführt als dass das Urweibliche hervortreten konnte. Doch sie hat ihre Meriten.

Nun geht es jedoch weiter auf dem weiblichen Weg – nicht nur durch die #metoo-Bewegung. Ich will dazu in die Tiefe gehen.

Was kann die Neue Weiblichkeit bedeuten – Jenseits von #metoo?

Ich will mit einer Frage beginnen: Was macht Weiblichkeit grundsätzlich aus?

  • Wenn wir vom weiblichen Prinzip sprechen, dann ist es der Gegenpol und meint etwas Diffuses, Zyklisches wie der Mond.
  • Das Weibliche hat eine Doppelnatur aus Innen und mein Außen – beides ist oft grundlegend unterschiedlich und scheinbar unvereinbar – und doch sind beide Seiten untrennbar miteinander verbunden.
  • Beides ist so synchronisiert, dass sie als Ganzes funktionieren. Gemeinsam sind sie nahezu unzerbrechlich, auch wenn es immer wieder im Außen versucht wird und das Gegenhalten anfänglich viel Kraft kostet.
  • Es ist in die Tiefe und Breite zerfließend, strömend, emotional und ohne Form – muss es ja nicht haben.
  • Es ist schöpferisch, kreativ, Leben gebärend, aufnehmend, umwandelnd und heilend.
  • Die weibliche Energie ist überfließende Liebe und dient sich selbst.
  • Das weibliche Prinzip steht für Hingabe; es ist empfänglich und passiv.
  • Das Weibliche ist die Stille, die Ruhe, die Beobachtung, das Gewahrsein.
  • Das Weibliche hat Akkuratesse des Instinktes, des intuitives Feingefühls, die Vorliebe für das spielerische Herangehen an das Leben und die unverrückbare Loyalität zum Ganzen.
  • Es weist eine hohe Robustheit, Großmut, ist territorial, instinktiv treu, vital und verspielt, einfühlsam und mitfühlend.
  • Sie bewegt sich aus sich selbst heraus, aus der Leere nimmt sie den männlichen Impuls auf.
Man kann diese Beschreibungen natürlich noch erweitern. Ich will hier erste Impulse geben.
Die Neue Weiblichkeit, verstanden als ein Erkennen und Leben der ureigenen Prinzipien im Verbund mit jenen der männlichen Prinzipien, wie ich sie wahrnehme und mehr und mehr lebe –  tritt kraftvoll und in ihrer ihr eigenen Weise zu Tage – nicht als Gegensatz zum Männlichen, sondern als natürlicher Teil des Ganzen.

Man muss das gar nicht akzellieren und in einen besonderen Raum stellen.

Diese Zeiten sind vorbei. Das ist schlicht nicht mehr zeitgemäß. Es geht weder um Feminismus noch um eine Förderung des Weibchens via eine Herausstellung der Familie. Dies sind bestenfalls ergänzende Themen. Es geht schlicht um die Frau selbst, um ihr Wesen, um ihren Kern und um den Ausdruck desselben. Es geht ums Eingemachte, um die weibliche Essenz, um das weibliche Urwesen.

Frauen aller Altersgruppen entdecken sich selbst, sind mutiger und erobern in ihrer Art ihre neue Rolle als Frau. Dies ist ein Prozess, der Bewusstsein und Achtsamkeit braucht – regelmäßig und durchgängig. Es geht dabei ja schließlich um einen selbst. Wer Selbstachtung in sich lebt, der erfährt auch Achtung und Wertschätzung im außen – das ist gelebte Resonanz.

Das Leben der Neuen Weiblichkeit verlangt einen Blick auf das, was war, was ist. Z.B. einen Blick auf den kollektiven und den eigenen weiblichen Schmerzkörper, auf die Rollen, die wir als Frauen unbewusst und bewusst spielen, warum wir sie spielen, die Rolle von Mutter und Vater – und wie Frauen dies alles zu ihrem eigenen Wohle wandeln können, um im Frauenland auch anzukommen und dort lustvoll zu leben.

Um das Neue zu erkennen, das unser Urgrund als Frau ist, ist ein Blick auf das, was war, hilfreich. Es ist ein Wandeln von einem Pol in den anderen Pol. Es ist ein Prozess der Selbsterkenntnis, der Würdigung dessen, was war – als Grundlage, damit das wahrhaft Weibliche hervortreten kann. Dann erst kann Neues entstehen. Dann erst kann die Neue Weiblichkeit, wie ich sie erfasse und lebe, an den Tag treten.

Der Weg zur Neuen Weiblichkeit

Folgende Fragen bilden für mich in Diskussionen und Gedankenaustauschen die Grundlagen für die Neue Weiblichkeit:

  • Wo stehst Du als Frau – in Deinem Sein, im Leben, in deinem sozialen Netzwerk? Stehst Du alleine mit Dir? Wer begleitet Dich? Wer sind Deine Referenzmenschen? Hast Du Vorbilder? Was nimmst Du von Ihnen mit? Was ist überhaupt heute noch brauchbar davon?
  • Wer beeinflusste Dich auf Deinem Weg? Mutter, Großmutter, Tanten, Schwester, Freundin … Hast Du Gleichgesinnte, die den Weg mit Dir teilen?
  • Welche Rolle hat Deine Mutter – schau in den Spiegel und Du begegnest ihr, ob Du willst oder nicht – wie gehst Du damit um? Die Sippe darf sein und dann gehen.
  • Welche Rolle hat Dein Vater – die erste große Liebe Deines Lebens mit allen möglichen Rollen von der Prinzessin über die Rebell etc. pp.? Die Sippe darf sein und dann gehen.
  • Wie kann man die Mutterwunde heilen? Erkennen, heilen im Sinne einer Ganzwerdung, heraus aus der Opferhaltung und hinein in ein selbstbestimmtest Leben. Hast Du den Mut dazu?
  • Wie kann man die Vaterwunde heilen? Erkennen, heilen auch hier im Sinne einer Ganzwerdung, heraus aus der Opferhaltung und hinein in ein selbstbestimmtest Leben. Bist Du bereit, in diese Deine Kraft einzusteigen und sie zu leben – frei von Wettbewerb und Konkurrenzdenken?
  • Was ist der kollektive Schmerzkörper? Wie lässt sich der weibliche kollektive Schmerzkörper heilen und was hat das mit Dir zu tun? Erkennst Du das Grundthema und die Zusammenhänge zwischen „groß und klein“. Wenn Du Dich dem nicht widmest, wirst Du Deine Neue Weiblichkeit weder entdecken noch leben können.
  • Der Weg ins Frauenland ist kein Weg zurück sondern ein Weg weiter und tiefer ins Leben – wie geht das? Bist Du bereit, Dich auf Dich selbst einzulassen oder hast Du Angst vor Deiner weiblichen Kraft?
  • Der weibliche Körper – ein Mysterium? Warum kennen so wenige Frauen ihren eigenen Körper, den sie täglich mit sich tragen und in dem sie täglich unterwegs sind? Schau auf Deinen Körper und nimm ihn an – gleich wie er aussieht, gleich, ob er Schönheitsidealen entspricht.
  • Die weibliche Seele – das Gefäß, der heilige Tempel – auch ein Mysterium?

Natürlich kann man die Fragen ergänzen und erweitern.

Natürlich mögen Unterschiede zwischen Frauen in verschiedenen Altersgruppen, aus verschiedenen Kulturkreisen, mit verschiedenen Erfahrungshorizonten sein. Doch die Frau in ihrer Selbsterkenntnis, in ihrer Selbstfindung bleibt immer die Frau an sich.

Sich auf diesen Weg zu machen, ist Ausdruck des Lebens der Neuen Weiblichkeit.
Es ist kein Geheimnis, das es  keine Erfolgsgarantie gibt. Es ist auch kein bilanztaugliches Ziel dabei.
Der Weg – eine Pilgerschaft zu sich selbst, zur großen Urmutter in einem selbst.  Der Pfad zur Quelle, flussaufwärts, zur Geborgenheit und zur Nahrung in sich selbst, zum Schutz in sich, zur Wärme in sich. Nichts im Außen kann dies bewirken. Der Weg zur Neuen Weiblichkeit ist ein innerer Weg, den es sich jedenfalls zu gehen lohnt – allein und/oder in Gemeinschaft mit Frauen, die Ähnliches tun.

Meine Vision von Neuer Weiblichkeit: Frau ist Frau und Mann ist Mann. Du bist die Frau Deines Lebens – und niemand sonst. Dazu braucht es keinen Wettbewerb, keinen Kampf. Dazu braucht es Erkenntnis, Mut, Vertrauen, Annahme und ein Gehen des Weges ins eigene Frausein.

Anspruchsvoll?
Natürlich – weil Frauen Ansprüche haben dürfen und auch sollen – an sich und an ihr Umfeld.

04.04.2018
Außerordentl. Honorarprofessorin Dr.habil. Dr. Andrea Riemer, Ph.D.

Zur Autorin finden Sie alles Wissenswerte unter:
www.andrea-riemer.de

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Neue Weiblichkeit gelebt Portait Andrea Riemer November 2020Andrea Riemer:
nach einer einzigartigen, 25 Jahren umfassenden internationalen Karriere als Wissenschafterin und Beraterin für Sicherheitspolitik und Strategie (Doktorat in BWL, Ph.D. und Habilitation in Militärwissenschaften; außerordentl. Honorarprofessorin), hat sich Andrea Riemer ab 2012 als eine der erfahrensten Buchautorinnen und Vortragenden zu existentiellen Fragen des Lebens in der poetischen Philosophie etabliert.
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4 Kommentare

  1. Berufsbedingt komme ich mit vielen unterschiedlichen Frauen zusammen. Neulich fanden sich 4 Frauen bei mir ein, wie die 4 Himmelsrichtungen. Jede absolut in ihrem “So-Sein” sich annehmend ohne große Selbstdarstellung. Das spannende an dieser Begegnung war, daß uns alle, obwohl fremd, ein Band verknüpfte und wir auf telepathischer Ebene kommunizierten ohne es bewußt herbei zu führen. Jede spürte es und wir waren “uns einig” und ausnahmslos alle genoßen dieses freie spielerische geschehen lassen, ganz selbstverständlich.
    Als sich unsere Wege trennten sprachen wir, auch ganz zwanglos, darüber und waren uns einig, dass dies die Urkraft ist. Es war wie ein gemeinsames Bad.
    So wie wir uns gefunden hatten, so trennten wir uns. Keine weiß wie die andere heißt, welchen Status sie einnimmt, es war nicht erforderlich dies zu wissen.
    Wir bemerkten allerdings, dass eine “männliche” Energie (wie sie noch demonstriert wird) sich störend ausgewirkt hätte, was den Fluß der Energien, die so wunderbar ineinandergriffen in spürbare Begrenzung gezwungen hätte.
    Obwohl “fremd” verabschiedeten wir uns mit herzlichen Umarmungen, ganz selbstverständlich.

    Nach einer langen Sinnkrise bezüglich meiner Arbeit war diese Begegnung für mich ein Zeichen unbedingt weiter zu machen, da sich fast nur Frauen bei mir einfinden oder Männer die die Frau in ihrem “So-Sein” achten und lassen.

    Eine “männliche Begegnung” ließ mal folgende Metapher bei mir:

    Der Mann ist der Rahmen, die Frau das Bild.
    (Anmerkung von mir – gute Rahmenbedingungen lassen Lebendigkeit zu; Der Rahmen allein ist leer, das schönste Bild wirkt und strahlt erst mit dem richtigen Rahmen, am richtigen Platz).

    • Danke für den ausführlichen Kommentar, der auch meine Erfahrungen in den vergangenen Monaten bestätigt. Wenn sich Frauen auf der gleichen Wellenlänge treffen und ihr so Sein respektieren und auch das Sein des Männlichen achten, dann ergeben sich diese wundervollen Möglichkeiten.
      Die Metapher gefällt mir auch sehr gut – es geht um die Komplementarität. Ihnen auf Ihrem persönlichen Weg von Herzen das Beste.

  2. Ohne die geistige Definition der Frau durch den Mann gibt es auch keine wahre Weiblichkeit, da er logisch definiert, warum sie sich vor ihm geniert, und plötzlich ist sie dadurch in der Lage, dass sie ihren wahren körperlichen Lebenstrieb, aus ihrem innersten Gefühl heraus, zitiert. Wenn dies nicht so ist, der ewige Kreislauf von Tod und Wiedergeburt (also das Hamsterrad, in dem alle sitzen) dadurch profitiert.
    Siehe hier: http://upvs.wordpress.com

    • Danke für den Kommentar, den ich gerne aufgreife. Sie schreiben, dass der Mann in Ihrem Verständnis “der Erste” – das widerspricht meinen Ausführungen, weil ich von einer Gleichwertigkeit in der Andersartigkeit ausgehe. Es gibt kein zuerst in meinem Zugang. Es ist ein Wechselspiel … aus der Leere, der Ruhe, der Stille – urweibliche Aspekte – entsteht durch den Wunsch der Ausdehnung ein innerer Impuls – hier kommt das Männliche ins Spiel – etwas Neues.
      Es ist ein ewiger Kreislauf in dem es kein “Erste/r” und “Zweite/r” gibt. Keine/r ist besser, wichtiger als die/der andere.
      Wenn man das begreift, dann steigt man aus dem Dilemma aus – das ist auch mein Ansinnen mit meinem Beitrag.

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