Polschmelze – Wenn der Meeresspiegel steigt

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Meeresspiegel Eisberg schmelzen alaskaPolschmelze – Wenn der Meeresspiegel steigt

Meeresspiegel – „National Geographic“ zeigte bereits 2013, welche Folgen das Abschmelzen aller Gletscher und Polarkappen für die Landmassen der Erde hätte: In einigen Tausend oder Hunderttausend Jahren würden die Niederlande in der Nordsee versunken sein, genauso Dänemark und große Teile Norddeutschlands.

Auch Berlin stünde unter Wasser, Dortmund wäre eine Küstenstadt, und Metropolen wie London oder Venedig lägen ebenso unter Wasser wie New York, Bangladesch oder das Amazonas-Becken.

Was nach einer unvorstellbaren Prognose klingt, ist nichts anderes als der vom U.S. Geological Survey kühl errechnete Endpunkt dessen, was offenbar unabänderlich abläuft: der Meeresanstieg als Folge des Verbrauchs aller fossilen Brennstoffe durch sieben, bald sogar neun Milliarden Menschen.

Denn eine dramatisch veränderte Erde ist es, was unsere von fossilen Brennstoffen angetriebene Zivilisation derzeit erschafft: einen Planeten, auf dem Überflutungen wie nach dem Hurrikan „Sandy“ immer häufiger vorkommen werden – mit zerstörerischen Folgen für die Küstenstädte.

Durch den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre hat sich die Erde im vergangenen Jahrhundert um mehr als ein halbes Grad erwärmt und den Meeresspiegel um etwa 20 Zentimeter ansteigen lassen.

Selbst wenn wir morgen plötzlich aufhörten, fossile Brennstoffe zu nutzen, würden die bereits freigesetzten Treibhausgase den Planeten noch für Jahrhunderte aufheizen. Wir sind unwiderruflich dabei, künftigen Generationen einen wärmeren Planeten zu hinterlassen – und damit auch steigende Ozeane.

20 Meter über dem heutigen Stand

Im Mai 2013 erreichte die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre 400 ppm („Teile pro Million Luftpartikel“). Einen so hohen Wert gab es zuletzt vor drei Millionen Jahren. Damals lag der Meeresspiegel wohl bis zu 20 Meter über dem heutigen Stand; die Nordhalbkugel war weitgehend eisfrei.

Bis die Weltmeere wieder auf solch katastrophale Höhe ansteigen würden, würde es Jahrhunderte dauern. Prognosen für die nahe Zukunft klaffen weit auseinander, Forscher rechnen mit unterschiedlichsten Szenarien.

Doch der Ozeanologe und Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung gibt zu bedenken: „Frühere Prognosen zum Meeresspiegelanstieg sind inzwischen von den Messdaten überholt worden.“

Die globale Erwärmung beeinflusst den Meeresspiegel auf zweierlei Weise. Etwa ein Drittel des gegenwärtigen Anstiegs ist darauf zurückzuführen, dass das erwärmte Wasser ein größeres Volumen hat.

Dazu kommt das Abschmelzen des Inlandeises. Bisher betraf dies vor allem Gebirgsgletscher, aber die große Sorge gilt den gigantischen Eisschilden in Grönland und der Antarktis, in denen das meiste Eis lagert.

Vor sechs Jahren prognostizierte der Weltklimarat (IPCC) in seinem Bericht, dass die Weltmeere bis Ende des Jahrhunderts um maximal 59 Zentimeter ansteigen würden. Doch dieser Report ließ bewusst die Möglichkeit außer Acht, dass die Eisschilde schneller ins Meer abgleiten könnten: Die physikalischen Prozesse seien nicht hinreichend erforscht.

200 Milliarden Tonnen Eis gehen jährlich verloren

Ende September will der IPCC einen neuen Bericht herausgeben, in dem vermutlich ein stärkerer Anstieg des Meeresspiegels vorhergesagt wird. Klimawissenschaftler schätzen, dass Grönland und die Antarktis zusammen seit 1992 pro Jahr rund 208 Kubikkilometer Eis verloren haben – also rund 200 Milliarden Tonnen Eis jährlich.

Viele Experten rechnen damit, dass die Meere bis 2100 um bis zu einen Meter ansteigen werden. Selbst diese Zahl könnte zu niedrig sein. „Letzthin haben wir ein beschleunigtes Abschmelzen der Eisschilde in Grönland und der Antarktis beobachtet“, sagt Radley Horton vom Earth Institute der Columbia-Universität in New York. „Falls diese Beschleunigung anhält, ist zu befürchten, dass der Meeresspiegel bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um 1,80 Meter steigen könnte.“

Im vergangenen Jahr prognostizierte das pessimistischste von vier Szenarien einer Kommission, die die Wetter- und Ozeanografiebehörde der Vereinigten Staaten (NOAA) berufen hatte, einen Anstieg um zwei Meter. Das Ingenieurskorps der US-Armee empfiehlt Planern, mit einem um 1,50 Meter höheren Meeresspiegel zu rechnen.

Eine der größten Unbekannten in allen Szenarien zum Anstieg der Ozeane ist der gewaltige Thwaites-Gletscher in der Westantarktis. Dessen Eis wird von einem 610 Meter hohen, im Meer liegenden Gebirgszug festgehalten, der sein Abrutschen in den Ozean verlangsamt.

Doch durch den steigenden Meeresspiegel könnte mehr Wasser zwischen den Gebirgszug und den Gletscher einsickern und ihn aus seiner Verankerung lösen. Erst im Juli dieses Jahres brach eine Schelfeisfläche von der Größe Hamburgs vom benachbarten Pine-Island-Gletscher ab.

Sollte sich der Thwaites-Gletscher aus seinem felsigen Bett losreißen, würde so viel Eis frei, dass der Meeresspiegel in der Folge um drei Meter ansteigen könnte. „Noch sieht es zum Glück nicht so aus, dass dies in den nächsten hundert Jahren passieren wird“, sagt Richard Alley, Gletscherexperte an der Penn-State-Universität und einer der Autoren des letzten IPCC-Berichts. „Aber es bleibt eine gewisse Möglichkeit, dass wir eine böse Überraschung erleben.“

Auch ohne eine so dramatische Entwicklung sind die Städte an den Küsten der Erde auf doppelte Weise bedroht: Ansteigende Ozeane werden nach und nach tief gelegene Gebiete überschwemmen; der höhere Meeresspiegel verstärkt zudem die zerstörerische Wirkung von Sturmfluten.

Uwe Taschow

19. Juli 2017

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