SAT-CHIT-ANANDA – Glück ist dem Bewusstsein innewohnend

frau-blumen-springGlück ist dem Bewusstsein innewohnend – SAT-CHIT-ANANDA

In der legendären altindischen Philosophie des Advaita Vedanta wird die Natur der absoluten Wirklichkeit als Sat-Chit-Ananda beschrieben. Diese drei Zentralbegriffe sollen die „Eigenschaften“ des wahren Selbst komprimiert auf den Punkt bringen. Die populärsten Vertreter des Advaita Vedanta – Shankara und Ramana Maharshi – heben in ihren Lehren immer wieder die Bedeutung von Sat-Chit-Ananda hervor.

Sat-Chit-Ananda stammt aus dem Sanskrit, der ältesten und ursprünglichsten Sprache Indiens. Sat steht für Sein oder Realität. Chit ist Bewusstsein. Aus der Erkenntnis der Einheit von Sat und Chit resultiert Ananda: Glückseligkeit.

Es sind einzig die konditionierten Gedanken, welche unsere Erfahrung in ein scheinbar inneres Selbst und eine vermeintlich äußere Welt aufteilen. Dies ruft die Unterscheidung zwischen einem wahrnehmenden Subjekt und einem wahrgenommenen Objekt hervor. Unabhängig von Gedanken ist jene Trennung schlicht und ergreifend nicht existent.

Wenn diese Illusion nicht als solche erkannt wird, dann glaube ich, Bewusstsein (Chit), eine Welt (Sat) außerhalb meiner selbst wahrzunehmen. So scheint die Natur der Erfahrung eine grundsätzliche Verschiedenheit zu beinhalten. Die Folge dieser fundamentalen Täuschung ist Identifikation: Das Bewusstsein teilt die nahtlose Totalität der Erfahrung, mit der es ursprünglich eins ist, in „ich“ und „anderes“ auf. Es identifiziert sich mit einem Körper und nimmt die äußerst einschränkende Perspektive eines separaten Wesens ein, das in einer bedrohlichen Welt lebt und stetig ums Überleben kämpfen muss.

Tiefe spirituelle Erfahrungen können schließlich zu einer Einsicht führen, die weit über die Verstandesebene hinausreicht. Diese Einsicht impliziert den Kollaps jeglicher Unterscheidung zwischen „mir“ und „der Welt“. Gedankenfreie Stille enthüllt eine totale Intimität und Vertrautheit mit allem, was mich „umgibt“. Das farbenfrohe Bild auf der Leinwand des Bewusstseins wird als Ausdruck des ureigenen Selbst erkannt: Sat und Chit, Sein und Bewusstsein, sind eins. (- ausführlichere Erläuterung im Beitrag „Bewusstsein ist alles“)

Wenn klar gesehen wird, dass die Vielfalt zwar ihren Wert hat, weil sie viele einzigartige Ausdrucksformen ermöglicht, aber letztlich nur eine vorübergehende Erscheinung auf der Oberfläche des Seins ist und dass ihr stets absolute Einheit zugrunde liegt, dann wird jegliche Trennung und Unterscheidung durch den unmittelbaren Einblick in die wirkliche Essenz der Natur restlos zerschmettert und kehrt nie wieder zurück.

Normalerweise wird diese Erkenntnis durch einen Prozess, der sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken kann, zunehmend etabliert. In seltenen Fällen (Bsp. Ramana Maharshi und Eckhart Tolle) kommt es zu einem plötzlichen radikalen Erwachen ohne vorausgehende spirituelle Praxis. Ob prozesshaft oder unvorbereitet, die Effekte sind schwerwiegend: Weil das Selbst und folglich die Welt fortan mit gänzlich neuen Augen gesehen werden, kann egozentrisches, liebloses Verhalten auf der Basis eines falschen Selbstbildes nicht fortbestehen, und zwar weil es ein solches nicht mehr gibt. Die Gewissheit der ausnahms- und bedingungslosen Einheit allen Lebens/Seins beeinflusst – sofern authentisch – zwangsläufig die gesamte Lebensführung in außerordentlicher Intensität. Es kommt zu einem gründlichen Ausmerzen der fehlerhaften Grundannahmen, mit erheblichen Konsequenzen… Das Resultat: Empathie, Vertrauen und bedingungslose Liebe. Eine Herzensneigung zur Harmonie zählt bekanntlich auch zu den charakteristischen Nachwirkungen einer Nahtoderfahrung.

Gelegentlich begebe ich mich in einen Wald, setze mich auf eine Bank, schalte den Verstand aus und genieße die überwältigende Freude und den unerschütterlichen Frieden, die jeder Erfahrung innewohnen und sich offenbaren, sobald jegliche Konditionierung außer Gefecht gesetzt wird. Es ist allerdings nicht unbedingt notwendig, die Natur aufzusuchen, um nachvollziehen zu können, weshalb die ursprüngliche Lehre so eindringlich darauf hinweist, dass die Erkenntnis der Einheit von Sat und Chit mit Ananda, also Glückseligkeit, einhergeht (manchmal wird Ananda auch mit Verzückung oder einfach Seligkeit übersetzt).

Wohin ich auch schaue… Ich erblicke überall nur mich selbst (und ich spreche nicht von der Persönlichkeit S. B.!). Das hat mit Größenwahn nichts zu tun, weil ich keine Hierarchisierung vornehme und mich niemandem überordne. Wen sollte ich mir unterordnen, wenn es keine anderen mehr gibt? Man kann über „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ noch hinausgehen:

„Erkenne deinen Nächsten als dich selbst!“
Eckhart Tolle

Nun gibt es auch keinen Liebenden und Geliebten mehr, sondern nur reine Liebe, die wir nicht empfinden, geben oder empfangen, sondern sind.
Wenn all die Gedanken und Gefühle, die unsere Gesellschaft für erstrebenswert erachtet, abwesend sind, wird dadurch das wahre Wunder zur Entfaltung gebracht…
Das Bewusstsein genießt seine eigene Kreation und stellt fest: Es fehlt nichts! Hier und jetzt, völlig unabhängig von sämtlichen Umständen, gibt es wahrlich nichts, was der Erfahrung hinzugefügt werden müsste, damit sie als makellos bezeichnet werden darf.

Die Vollkommenheit ist da, ich wiederhole: Hier und jetzt!

Die Suche nach beständigem Glück in der „Außenwelt“, d. h. bspw. in „Objekten“, bestimmten Ereignissen, zwischenmenschlichen Beziehungen usw., entlarvt sich als der größte Beitrag zum Drama des menschlichen Seins. Die Unkenntnis der Tatsache, dass Glückseligkeit dem Bewusstsein selbst innewohnt, dass Frieden seiner Natur inhärent ist, kann im Grunde als Garant für das Unglücklichsein begriffen werden. Nichts vermag so zuverlässig das Leid des Menschen aufrechtzuerhalten wie seine Suche nach Glück in flüchtigen Erscheinungen.

Wenn wir das „innere“ Glücksempfinden, dessen Auslöser ein „äußeres“ Ereignis zu sein scheint, zu seiner Quelle zurückverfolgen, dann wird offensichtlich, dass es niemals von außen in unser Bewusstsein eingepflanzt werden kann, sondern unterhalb der Oberfläche immer vorhanden ist und nur vorübergehend durch illusionäre Strukturen verschleiert wird.
Man möge mir im Folgenden die vertraute Anrede gestatten, da ich sie als wirkungsvoller empfinde, um die gewünschte Botschaft zu vermitteln.

Suche nicht nach Glück. Es ist immer da. Du bist immer da. Du bist Glück! Du bist, was Sat genannt wird. Ebenso bist du Chit und Ananda. Du bist Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit! Es sind drei verschiedene Begrifflichkeiten für ein- und dieselbe „Sache“ (diese Einschränkung der Sprache müssen wir akzeptieren), drei unterschiedliche Namen für das, was du bist.
Die letzten Worte möchte ich Rupert Spira überlassen:

„Die Entdeckung, dass Frieden, Glück und Liebe innerhalb unseres eigenen Wesens immer präsent sind und vollständig verfügbar in jedem Moment der Erfahrung, unter allen Umständen, ist die wichtigste Entdeckung, die jeder machen kann.“

28.04.2018
Simon Bartholomé

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Glück ist dem Bewusstsein innewohnend Bartholome SimonSimon Bartholomé,

verspürte schließlich das intensive Bedürfnis, die Tiefe des Lebens zu erforschen und gab sich diesem Impuls vollständig hin – was sich als die beste Entscheidung erwies, die er jemals getroffen habt.
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2 Kommentare

  1. SATCHIDANANDA ist die wahre natur des menschen. sein und bewusstsein in kombination bilden eine einheit, aus der die glückseeligkeit entsteht. bewusstsein kennen die spirituellen menschen aus der meditation. meditaion ist also die komponente bewusstsein aus satchidananda. sein ist ebenfalls sehr einfach. sein nennt man wahrheit, wirklichkeit. wenn du bist, dann tauchen keine gedankeninhalte auf. in der persönlichkeitsentwicklung kannst das sein mit authentisch sein gleichsetzen. es bedeutet wahrhaftigkeit, weil du dich nach außen hin nicht verstellst und dich so zeigst, wie du innerlich bist. wenn du das tust, dann wirst du nur noch wenig bis gar keine gedanken haben. da spreche ich aus erfahrung. sein ist das bewusstsein auf dich, das subjekt. bewusstsein ist die aufmerksamkeit auf das objekt. wenn du diese beiden einfachen dinge umsetzt, ergibt sich daraus ananda, die glückseligkeit. das ist das geheimnis hinter satchidananda

    • Mit Persönlichkeitsentwicklung hat das nichts zu tun. Auf der Ebene der Persönlichkeiten gibt es gewaltige Unterschiede. Im Sat-Chit-Ananda geht es um die Überwindung jeglicher Trennung, um die Erkenntnis der vollkommenen Einheit. Die allein auf konditionierten Gedanken basierende Identifikation mit der individuellen Persönlichkeit geht mit der Vorstellung eines separaten Selbst einher, das wiederum mit einer vermeintlich äußeren Welt Hand in Hand geht – “ich” und “nicht ich”. Eben jene Unterscheidung wird im Advaita Vedanta aufgelöst. Die unbeständige Persönlichkeit ist nicht mit unserer essenziellen Identität gleichzusetzen. Sie ist lediglich eine Ausdrucksform dessen, was wir wirklich sind: Reines, unpersönliches Bewusstsein.

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