Schlaf, dieser eigentümliche Zustand – In der Schwärze der Nacht

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Dunkelheit des Schlafes… gleitet der Mensch in seine eigene Dunkelheit: den Schlaf, diesen eigentümlichen Zustand, den wir imitieren, um ihn anzulocken. Shakespeare wusste, dass er „des Grams verworr’n Gespinst entwirrt“ und Balsam kranker Seele ist.
Von diesem „nährendsten Gericht beim Fest des Lebens“ essen wir jede Nacht – die einen mehr, die anderen weniger.
Donald Trump prahlt in seinem Buch „Think like a Billionaire“ damit, dass er seine Umtriebigkeit der Tatsache verdanke, dass er nicht mehr als vier Stunden davon pro Nacht brauche.

„Viereinhalb bis zehn Stunden gilt als normal, aber gesünder sind sechs bis zehn Stunden“, erklärt Dr. Brigitte Holzinger, Mitbegründerin des „Schlafcoaching“, und ergänzt:

„Zu kurzer Schlaf kann nicht nur zu physischen, sondern auch psychischen Problemen führen – Richtung Depression, Manien oder Hypomanien.“

Doch ganz gleich, wie individuell die Umstände unseres Schlafes sind, was Dauer, Zeit und Ort angeht:

Was in der Dunkelheit des Schlafes passiert, ist bei allen gleich.

Unser Schlaf ist rhythmisch in Zyklen getaktet:
Die einzelnen Phasen wiederholen sich im Schnitt alle 90 Minuten und werden in REM und non-REM eingeteilt.
REM steht für Rapid Eye Movement, die schnelle Bewegung der Augäpfel unter den Lidern, und stellt die intensivste, allerdings nicht ausschliessliche Traumphase dar.

Non-REM-Schlaf besteht aus Übergangsstufe, Leicht- und Tiefschlaf, wobei letzterer vermutlich für die körperliche Regeneration zuständig ist. Wenn wir schlafen, werden Atmung, Herzschlaf und Blutdruck langsamer; die Muskulatur entspannt, wird phasenweise völlig inaktiv. Wir verbrauchen weniger Energie auf unserem Weg in die eigene Innenwelt.

Das hohe Aktivitätspotenzial in Nervenenden und Synapsen wird heruntergefahren – und dabei Wichtiges (stark gefestigte Verbindungen) von Irrelevantem (schwach gefestigt) getrennt. Auf zellulärer Ebene werden Abfallprodukte des Stoffwechsels aufgeräumt, wovon Zellaufbau und Immunabwehr profitieren.
Im REM-Schlaf ist das Gehirn aber hochaktiv. Auf mentaler Ebene werden Erlebtes und Informationen verarbeitet. 

Schlaf hat einen positiven Einfluss auf die Problemlösungsfähigkeit:

Man denkt frisch ausgeruht klarer und lösungsorientierter. Und wer schläft, kann dabei tatsächlich auch lernen: Neurowissenschaftler Jan Born von der Universität Tübingen hat die Gedächtnisbildung im Tiefschlaf nachgewiesen. Was tagsüber aufgenommen wird, landet in einem „Zwischenspeicher“, dem Hippocampus.

Im Schlaf, wenn die neuronalen Netzwerke nicht mehr mit der akuten Reizverarbeitung des Tages beschäftigt sind, werden diese Informationen aussortiert und bei Bedarf in den Langzeitspeicher, z.B. den Neocortex, transferiert.

Gerade emotional gefärbte Informationen oder solche, für die es schon ein Vorwissen gibt, werden dort abgelegt. Wer tagsüber viele Informationen auflädt, schläft tiefer. Konkret bedeutet das: Vor dem Schlafengehen noch eine Lerneinheit einlegen, und dann gleich ohne Ablenkung ins Bett – dann bleibt es hängen.

Je weniger die Leute davon wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie. Otto von Bismarck

Da ein Teil unseres Bewusstseins nicht schläft, geht die sinnliche Wahrnehmung auch in der Ruhephase teilweise weiter.

Je nach Art des Störreiz’ wird ein anderes Hirnareal aktiviert. Manche Reize, obwohl stärker, betreffen uns nicht, weshalb wir nach einer kurzen Wachphase, die der Störreiz auslöst, sofort wieder einschlafen. Das Durchschlafen per se ist nicht das Anliegen bei Schlafstörungen, sondern vielmehr das erneute Abgleiten in den Schlaf nach einer Wachphase.

Gelingt das nicht, wird so der Ablauf des natürlichen Schlafzyklus durchbrochen. Die Betroffenen haben das Gefühl, die ganze Nacht über kein Auge zugetan zu haben, obwohl das Schlaflabor zeigt, dass man dennoch meist nur 30 bis 60 Minuten weniger geschlafen hat als sonst. Chronischer Schlafmangel ist lebensverkürzend, kann Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes verschlimmern und das Immunsystem schwächen.
Ganz abgesehen von den mentalen Folgen: Niedergeschlagenheit, Gereiztheit, Burn-out.

Wenn Schlaf und Wachen ihr Maß überschreiten, sind beide böse.

Hippokrates

Unsere Gesellschaft ist generell auf dem Weg in die Schlaflosigkeit. Daran ist zum einen die permanente Verfügbarkeit schuld: die eigene für den Job, die der Unterhaltungsangebote für einen selbst. Zum anderen die bekannteste Erfindung von Thomas Edison. Mit all dem künstlichen Licht, so befürchten heute Chronobiologen, verstellt sich unsere innere Uhr.

Das blaue Licht der elektronischen Geräte vermittelt dem Hirn: Sei wach! Wir haben im letzten Jahrhundert rund eine Stunde Schlaf nächtlich verloren. Zudem schlafen wir alle nicht nach unseren wahren Bedürfnissen, sondern nach äusseren Bedingungen: Aufstehen, zur Arbeit, wachbleiben bis spät.

Dabei hat auch der polyphasische Schlaf seine Berechtigung, wie Dr.Holzinger erklärt: „Physiologisch ist man auf ein Nickerchen nach dem Mittagessen eingestellt  – dann ist man viel besser ausgeruht.“
Nicht am Stück, sondern verteilt zu schlafen empfiehlt sich auch für Schichtarbeiter. Es muss ja nicht gleich das Uberman-Schlafkonzept sein, das dazu rät, alle vier Stunden einen zwanzigminütigen Powernap einzulegen und so insgesamt nur zwei Stunden am Tag zu schlafen.
Da Vinci soll so geschlafen haben, und der war immerhin ein Genie. Allerdings: Einstein war auch kein intellektueller Trittbrettfahrer – und schrieb seinen wachen Geist einem zehnstündigen Schlaf zu. Am Stück.

“Süsser Schlaf! Du kommst wie ein reines Glück ungebeten, unerfleht am willigsten.” J. W. von Goethe

Die gute Nachricht: Man kann einen gesunden Schlaf fördern

Das Schlafcoaching wurde auf Basis der Erkenntnis entwickelt, dass nicht-medikamentöse Ansätze bei Schlafstörungen ähnlich effektiv sein können wie Schlafmittel. Eingebettet in den ganzheitlichen Ansatz der Gestalttherapie, arbeitet es mit verhaltenstherapeutischen und Entspannungstechniken und hilft durch gezielte Information, einen Bezug zum eigenen Schlaf herzustellen.

Was Krankenkassen und Schuldmedizin anbelangt, wird unser Schlaf nämlich als allzu selbstverständlich wahrgenommen, was sich im schmalen Angebot an Behandlungsmöglichkeiten und einer zögerlichen Kostenübernahme spiegelt. Unter Berücksichtigung der individuellen Biographie und aktuellen Situation des Schläfers wird beim Schlaftraining vermittelt, wie man sich wieder in seinen optimalen Rhythmus einpendeln kann. Dunkelheit des Schlafes..

Schlafphysiologe Guy Meadows, Gründer der Londoner „Sleep School“, setzt bei seinem therapeutischen Ansatz die Akzeptanz- und Commitmenttherapie mit ein. Wir sollten aufhören, unseren Schlaf kontrollieren zu wollen, sondern stattdessen im Rahmen eines Fünf-Wochen-Programms achtsamer werden, negative Gedanken und Gefühle beobachten, akzeptieren – und dann loslassen: das Unerwünschte, die Kontrolle und damit letztendlich die Schlaflosigkeit.

“Schlaf ist das Hineinkriechen des Menschen in sich selbst” Friedrich Hebbel

Damit all dies passieren kann, muss man sich dort, wo man schläft, sicher fühlen.

Ein Bett ist nicht nur ein weiteres Möbelstück, sondern der ultimative Rückzugsort vor der Welt, im Idealfall eine Insel der Geborgenheit. Viele Umstände spielen zusammen, damit aus dem Bett ein Nest wird: Temperatur, Geräuschkulisse, Lichtquellen – und der Umstand, wie behaglich man sich bettet. Dunkelheit des Schlafes..

Schlafberaterin Petra Märchy: „Natürlich sollte eine gute Matratze anatomisch stimmen, stützen und und die Feuchtigkeit optimal regulieren. Doch die optimale Schlafstätte kann noch mehr.
Nämlich den Schläfer regelrecht liebevoll in den Arm nehmen und in den Schlaf schmiegen. Natürliche Materialien wie Hanf, Kokos, Kapok, Schurwolle oder auch Rosshaar erden, klären den Kopf und beruhigen.

Durch die Verbindung zur Erde erhalten wir Kraft. Diesen Energiefluss kann man gerade beim Schlafen fördern.“
Nach Märchys Erfahrung gehen Mensch und Material eine Verbindung miteinander ein. Wenn diese stimmt, sieht sie, wie die Gesichtszüge des Probeliegenden weich werden und entspannen:
Unser Körper reagiert sehr feinfühlig auf alles, was unseren Schlaf fördert oder belastet. Wir sollten uns Zeit nehmen, seine Empfindungen wahrzunehmen, und ihr vertrauen.“

Ein gutes Gewissen ist das beste Ruhekissen“, sagt der Volksmund – und beweisst einmal mehr seine Fragwürdigkeit. Man setzt besser auf feste Schlafenszeiten. Dunkelheit des Schlafes…

Sehr schön: ein Ritual zum Einschlafen,

das man auch wirklich jeden Abend einhält – ob es nun ein Jazztitel, ein Glas heisse Milch oder ein Gute-Nacht-Gebet ist. Noch schöner: Seine Sorgen auf ein guatemaltekisches Sorgenpüppchen übertragen.

Heisser Tipp aus der TCM: ein noch heisseres Fussbad.
Wer sich mit Fernsehkrimis oder Ballerspielen auf dem Laptop in den Schlaf mogeln will, ist selbst schuld. Lieber schöne – oder auch nur beruhigende – Gedanken pflegen: etwa, dass Wassersäugetiere wie Delfine Halbhirnschlaf betreiben, also quasi wirklich „mit einen Auge offen“ schlafen, um nicht zu ertrinken.

Erste-Hilfe-Massnahme, wenn man nachts aufwacht und die Gedanken Ping-Pong spielen:

sich nicht zwingen, sondern dreinfinden. Zum Schlaftagebuch greifen, das idealerweise auf dem Nachttisch bereit liegt, und sich alles von der Seele schreiben. Etwas tun, das nicht allzu aufreibend ist – und erst etwas später versuchen, erneut ins shakespearsche „Bad der wunden Müh“ einzutauchen. 

Weitere Info / Quellenangaben:

  1. Holzinger, G. Klösch: “Schlafcoaching. Wer wach sein will, muss schlafen.” Goldegg Verlag
    www.schlafcoaching.org
  2. Guy Meadows: „Schlaf gut! Das Geheimnis erholsamer Nachtruhe“, Rowohlt Taschenbuch
    www.wohnatelier.ch

14.05.2019
Martina Pahr

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Martina Pahr

ist Autorin, Bloggerin und PR – Expertin, hat vor einigen Jahren den Sprung ins kalte Wasser gewagt und sich selbständig gemacht. Seither tut sie, wovon sie immer geträumt hat, und lebt vom Schreiben.
Beruflich wie auch privat setzt sie sich mit den spirituellen Aspekten des Lebens und den vielen Erscheinungsformen der New-Age-Bewegung auseinander – und nicht immer ist ihr gesunder Menschenverstand überzeugt von dem, was er vorgesetzt bekommt. Sie glaubt ungebrochen an das (viel zu oft ignorierte) Göttliche im Menschen: Eigenverantwortlichkeit und Eigenmächtigkeit, Selbstwert und Selbstheilungskräfte.
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