Spirituelle Vernunft – Kein ODER zwischen Geist UND Materie

AMORC-Spirituelle-Vernunft

AMORC-Spirituelle-VernunftSpirituelle Vernunft – Kein ODER zwischen Geist UND Materie

Spirituelle Vernunft – Wir leben in einer Welt der Extreme. Wir sehen beides, eine stetig zunehmende Veräußerlichung des Menschen, aber auch ein gesteigertes Interesse an Spiritualität, was auch immer im Einzelfall darunter verstanden werden mag. Die Menschen verspüren, dass etwas Wesentliches auf der Strecke bleibt, wenn wir so weiter machen wie bisher. Und doch scheinen sich unsere Probleme eher zu vergrößern, da es uns kaum gelingt, diese beiden Seiten in Harmonie zu bringen.

Wir leben quasi in zwei Sphären, einer irdischen und einer himmlischen Welt. Die Rosenkreuzer betrachten zwar die geistige Welt als die primäre, betonen aber stets auch, dass deren Ausdrucksmedium die materielle Welt der Erscheinungen ist. Bringen wir unsere Verbundenheit mit der geistigen Welt nicht auf dem irdischen Plan zum Ausdruck, so leidet der Mensch an einer Spaltung. Gelingt uns jedoch die harmonische Vereinigung von Geist und Materie durch auf das Höhere ausgerichtete edle Tun, so entfaltet sich das Bewusstsein und die Veredelung des Wesens Mensch spiegelt sich im Außen wider.

Ein Ausdruck der Spaltung des Menschen ist, die beiden Seiten seines Wesens als Gegensätze zu betrachten.

Wir tendieren dann dazu, eine der beiden Seiten in den Schatten zu verdrängen. So neigen gnostische Strömungen dazu, die materielle Welt zu verneinen oder als böse zu betrachten. Auch die heutige Esoterikszene hat häufig kaum etwas mit wahrer Spiritualität zu tun; denn hier besteht ebenfalls der Hang, die materielle Welt zu vernachlässigen und sich in Fantasien zu ergehen. Wird die spirituelle Dimension des Menschen verneint und lediglich die materielle Außenseite des Menschen anerkannt, so reduziert sich die im Menschen angelegte Vernunft auf einen kalten Intellekt, der zwar alles berechnen kann, aber als seelenlose Rechenmaschine. Die Folge: ein totes Leben unter der Zwangsherrschaft der Ökonomie, in unzählige Sachzwänge verstrickt. Spirituelle Vernunft!

Die Rosenkreuzer betrachten die beiden Welten daher nicht als Gegensätze; vielmehr befruchtet die geistige Welt die materielle Welt der Erscheinungen und verlebendigt diese, so dass eine Frucht hervorkommt und etwas Neues geboren wird. Die Bibel drückt dieses Geschehen in einem Bild aus: „Und Gott machte den Menschen aus Erde vom Ackerboden, uns blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und so ward der Mensch eine lebendige Seele.“ Die Rosenkreuzer sprechen hier von einer vollendeten Manifestation nach dem Gesetz des Dreiecks, der Schaffung des Wesens Mensch mit Körper, Geist und Seele. Auch das Rosenkreuz symbolisiert diesen Zusammenhang. Das Kreuz steht für das Zusammenwirken der materiellen und der geistigen Ebene. Wenn dieses Zusammenwirken in harmonischer Weise geschieht, entsteht eine dritte Kraft, in der die Seelenpersönlichkeit des Menschen zum Ausdruck kommt. Für diese erwachende Seelenpersönlichkeit als das Höchste und Edelste im Menschen steht die aufgehende Rosenknospe im Schnittpunkt des Kreuzes.

Die spirituelle Dimension entfaltet sich am Schnittpunkt des Kreuzes, dort wo sich Geist und Materie begegnen.

Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich auch die Psychologie betrachten, steht diese doch ebenfalls an der Grenze zwischen Innen und Außen, ist quasi der innerste Teil des äußeren Menschen oder auch der äußerste Teil des inneren Menschen. Dieser Vorstellung kommt die ursprüngliche Vorstellung der Psychologie als Seelenkunde nahe, die einst als Teil der Metaphysik betrachtet wurde. Im Verlauf der Jahrhunderte wurde die Psychologie jedoch immer mehr nur noch mit dem sich stetig entwickelnden rein äußerlichen Intellekt betrieben, so dass die ursprüngliche Verbindung zur Spiritualität verloren ging. Spirituelle Vernunft!

Ein großer Teil der heutigen Psychologie stützt sich noch immer auf die Schriften Siegmund Freuds, jenes großen Neurologen und Psychiaters. Er entwickelte das, was man als Psychoanalyse bezeichnet und zeigte den Wissenschaftlern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Bedeutung des Unbewussten auf. Die Sichtweise Freuds war jedoch zu rationalistisch, vielleicht weil er sich bemühte, seinen Hypothesen und Theorien objektive wissenschaftliche Kriterien zu verleihen, um in den Augen der Gelehrten dieser Epoche als glaubwürdig und vernünftig zu erscheinen. Diese Vorgehensweise brachte ihn dazu, viele Phänomene mystischer, religiöser oder künstlerischer Art als Sublimierungen zu betrachten. Vielleicht die Folge von zu viel Verstand auf Kosten höherer Vernunft. Und zuwenig Spirituelle Vernunft.

Dennoch, die Lehren Freuds bieten mögliche Erklärungen und Deutungen für psychische Vorgänge und liefern Antworten auf Fragen zur Struktur des Ich, zur seelischen Gefühlsentwicklung des Menschen oder zur Lebenskraft, auch wenn diese völlig einseitig auf sexuelle Triebkräfte reduziert wurde. Doch auch wenn Begriffe wie zum Beispiel das Unbewusste und damit verbundene Vorstellungen mittlerweile weit über Fachkreise hinaus allgemein akzeptiert sind, so genügen heute die klassischen Theorien nicht mehr. Eine wachsende Anzahl von Menschen, darunter auch immer mehr Ärzte und Psychologen, betrachten die herkömmlichen Ansichten als unzureichend, da sie kaum in der Lage sind, den innersten Wesenskern des Menschen zu berühren, geschweige denn zu erfassen. Spätestens seit Beginn des 21. Jahrhunderts und den damit einhergehenden drastischen Änderungen der Gesellschaft wird das Bedürfnis immer offensichtlicher, die spirituelle Dimension des Menschen zu berücksichtigen und Lehren, die sich dem verweigern, erscheinen als unzureichend.

Vor einigen Jahren schrieb der bedeutende Psychotherapeut Carl Rogers: „Vielleicht erleben wir in der nächsten Generation Psychotherapeuten voller Hoffnung, frei von akademischer Abwehr und Widerständen, die es wagen, einen zulässigen Weg zu suchen, der nicht mehr auf die fünf Sinne begrenzt ist, eine Realität, […] die nur wahrgenommen und erkannt werden kann, wenn wir empfänglich sind, anstatt auf aktiven Erkenntniserwerb aus zu sein.

Spiritualität und Vernunft

“ Das Feld der Psychologie würde sich beträchtlich erweitern, wenn Themen wie Reintegration, Karma, Intuition, mentale und psychische Projektion, kosmische Kommunikation, etc. von einer größeren Zahl von Wissenschaftlern ernst genommen werden und könnte dieser Wissenschaft ihre spirituelle Dimension wieder zurück geben. Eine Herausforderung für die Psychologie, die erfordert, dass sich Psychologen und Psychiater mystischen Disziplinen öffnen und sich der Spiritualität zuwenden. Jeder, der sein spirituelles Bewusstsein erweckt, trägt zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins der Menschheit bei. Spirituelle Vernunft!

Mehr und mehr Menschen interessieren sich für die Geheimnisse, die über das Gewöhnliche hinausgehen, sind davon überzeugt, dass es verschiedene Bewusstseinsebenen im Menschen und andere Dimensionen im Universum gibt; sie stellen sich Fragen über den Tod, das Leben danach und den Sinn des Daseins. Mehr oder weniger bewusst fühlen sie sich durch die Mystik angezogen und beginnen eine innere Pilgerfahrt, die sie allmählich dahin führt, das Kosmische Bewusstsein zu entdecken. Die Psychologie an der Nahtstelle zwischen Geist und Materie könnte als Portal für eine derartige Entwicklung stehen, für eine Öffnung in eine Zukunft, die den materiellen Bedürfnissen und den spirituellen Erwartungen der Menschen des 21. Jahrhunderts Rechnung trägt. Spirituelle Vernunft!

Um sich der Geisteshaltung der Rosenkreuzer anzunähern und den erforderlichen Wandel herbeizuführen, sollten wir die Welt als Spiegel betrachten, um noch nicht als in uns liegend erkannte Anteile unserer Persönlichkeit anzunehmen und zu integrieren. Der Mensch spiegelt seine eigene Umwelt wider, und die Umwelt wiederum ist jene Grundlage, auf der sich der Mensch zum Ausdruck bringt. Eines bedingt das andere. Doch die Ent-Scheidung zwischen dem Selbst und der Umwelt, zwischen Ich und Wir, zwischen Innen und Außen hängt von unserer Identifikation ab. Gelingt es uns, die vermeintliche Trennung zu überwinden, so erweitert sich unser selbst, aus der Umwelt wird eine Mitwelt und wir treten ein in unsere ureigene spirituelle Dimension.

Notwendigerweise sind wir angehalten, uns selbst und unser bisheriges Leben in Frage zu stellen.

Unsere im weitesten Sinne ungesunden Gewohnheiten abzulegen und dauerhaft zu überwinden, ist mit schmerzhaften Änderungen unserer Lebensweise verbunden. Und dennoch gilt es, einen Blick in den Spiegel zu werfen. Was erkennen bzw. verspüren wir, bei dem symbolischen Blick in den Spiegel? Häufig vernehmen wir einen Appell aus den Tiefen unserer Seele. (Spiritualität)

Wird dieser innere Ruf verdrängt, so finden wir uns früher oder später mit mehr oder weniger stark ausgeprägten psychologischen Symptomen konfrontiert. Egal wie die Symptome im Einzelnen auch aussehen mögen, wir sind im tiefsten Inneren unserer Selbst unzufrieden, wobei diese Unzufriedenheit ihren Ursprung in einem Gefühl des Unbehagens hat. Wir fühlen uns nicht mehr wohl mit uns selbst und unserer Mitwelt, weil wir es nicht vermögen, unserem Leben einen Sinn zu geben. Die meisten von uns sind mit einem bestimmten religiösen Hintergrund aufgewachsen und haben diesen vielleicht auch abgelehnt, jedoch nicht durch etwas anderes ersetzt, was ein Gefühl der Frustration und einen inneren Drang, eine ungeahnte Sehnsucht hervorruft. Ein Gefühl der Unzulänglichkeit macht sich breit und wir haben das Gefühl, ein Leben zu leben, das uns nicht wirklich entspricht, das nicht unser eigenes zu sein scheint, irgendwie nicht zu uns gehört. Spirituelle Vernunft!

Letztendlich ist der Hauptgrund der gegenwärtigen existentiellen Krise spiritueller Natur.

Herkömmliche psychologische Antworten reichen daher nicht mehr aus, sind aber immer ein erster Schritt zur Annäherung an unser Wesen. In diesem Sinne kann die Psychologie, Spiritualität,  auch als Tor zum Inneren Menschen verstanden werden, sofern sie sich nicht damit begnügt, den Menschen in seinem äußeren Leben besser funktionieren zu lassen. In dem Augenblick wo beide Dimensionen des Menschen, die materielle und die geistige Welt in Betracht gezogen werden, beginnt der notwendige Wandel und die Entfaltung des Wesens Mensch in eine Zukunft, die seine ureigene ist und wirklich zu ihm gehört. Durch diese Veränderungen sehen wir neue Werte zu Tage treten, die auf Partnerschaft, Gemeinschaftsarbeit und Teilhabe beruhen. Spirituelle Vernunft!

So scheint das, was die kommende Zeit charakterisiert, darin zu liegen, dass auf den meisten Gebieten, ob es sich nun um Wissenschaft, Technologie, Therapeutik oder Kunst oder Spiritualität usw. handelt, kein Einzelner die Aufgaben seiner Aktivität allein bewältigen kann. Ebenso ist keine Nation allein imstande, ihre eigenen Probleme positiv anzugehen und wirkungsvoll zu bewältigen. Die Arbeit im Team mit sich ergänzenden Kenntnissen und gegenseitiger Respektierung der Kompetenzen ist daher zu einer Notwendigkeit geworden, nicht mehr mit dem Bestreben zu siegen oder der Beste zu sein, wie es heute noch allzu oft der Fall ist, sondern mit der Perspektive, zum Besten für das Gemeinwohl zusammenzuwirken. Dies trägt zur Entwicklung der Brüderlichkeit unter allen Menschen bei und ermöglicht jedem, sich der Notwendigkeit bewusst zu werden, in gegenseitiger Harmonie zu leben. Die Veredelung des Wesens Mensch ist gekennzeichnet von einer tiefgreifenden Verwandlung in Richtung höchster Menschlichkeit und führt dazu, dass wir die subtile Gegenwart Gottes in uns selbst und allem, was ist, spüren können. Spirituelle Vernunft!

22.11.2017
Bild und Text (c) AMORC
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Vita des Autors:Dr. rer. nat. Alexander Crocoll

Dr. rer. nat. Alexander Crocoll, geb. 1966. Während seiner wissenschaftlichen Tätigkeit Publikation von Arbeiten zur Genetik molekularer Embryologie. Er beschäftigt sich seit frühester Jugend mit spirituellen Fragen, ist seit drei Jahrzehnten AMORC-Mitglied und arbeitet heute als Sekretär in der deutschen AMORC-Zentrale.


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