Tibetische Gebetsmühlen – Die Energie aktivierter Gebete

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 tibetische Gebetsmuehlen prayer wheelsDie Energie aktivierter Gebete – Tibetische Gebetsmühlen

Ein Gebet muss nicht ausgesprochen werden, damit seine Energie in die Welt gelangt. Die tibetischen Gebetsmühlen zeigen dies auf faszinierende Weise. Manche sind aus Holz und so klein, dass sie in einer Hand gehalten und mit einer Bewegung des Handgelenks gedreht werden können – andere sind meterhoch, aus Stein oder Metall. Die Gebetsmühlen sind im tibetischen Buddhismus allgegenwärtig. Ihre äußere Hülle ist oft mit Mantras im Halbrelief beschriftet; doch das Entscheidende ist meist ihr Herz im Innern: Die „Life Tree“, Lebensbaum, genannte Achse, um die mit Mantras bedruckte Schriftrollen gewickelt sind – Hunderte, oft Tausende oder sogar, bei großen Gebetsmühlen, Millionen von Gebeten.

Tibetische Gebetsmühlen – Am häufigsten taucht dabei das bekannte Mantra „Om Mani Padme Hum“ auf:

eine Kette von Silben, deren schützende, spirituelle Kraft nicht im Wortsinn, sondern im Klang liegen. Das Mani-Mantra wird dem buddhistischen Bodhisattva des Mitgefühls, Avalokiteshvara, zugeschrieben und gilt als das älteste und beliebteste Mantra des tibetischen Buddhismus. Es ist Ausdruck von umfassendem Mitgefühl; wer es rezitiert, bringt damit den Wunsch zum Ausdruck, dass alle Lebewesen der Welt von Samsara, dem Zyklus von Geburt, Tod und Wiedergeburt, befreit werden mögen.

Im tibetischen Buddhismus heißt es, dass man mit dem Anbringen einer Gebetsmühle einen Ort friedlich, angenehm und dem Geiste förderlich gestalten kann. Doch ganz gleich, ob es sich um eine schöne Kupferwalze handelt, die kunstfertig verziert neben vielen gleichen in eine Wand eingelassen ist und die Atmosphäre eines Tempels erhöht, oder um eine selbstgebastelte Dose für den Privatgebrauch, die einmal Milchpulver enthalten hat und nun eine Gebetsrolle beherbergt: Das Wesen einer Gebetsmühle besteht in ihrem Element der Bewegung.

Eine große Walze kann im Vorbeigehen angestoßen werden, so dass sie sich um die eigene Achse dreht, eine kleine wird in der Hand geschleudert, so dass sie sich durch die Zentrifugalkraft eines kleinen Gegengewichts, das an der Achse angebracht ist, bewegt. Die Mantras im Innern oder auf dem Äußern des Mani-Rads werden erst durch diese Bewegung aktiviert. Jede Umdrehung hat dieselbe Energie, wie wenn sämtliche Inschriften oder sämtliche Mantras der Schriftrolle laut rezitiert werden würden.

Darin ist sie der Gebetsfahne ähnlich:

Auch diese entlässt die Qualitäten der aufgedruckten Gebete durch die Bewegung im Wind in die Welt. Das Anstoßen der Gebetsmühle im Uhrzeigersinn (Anhänger der Bön-Religion drehen sie im Gegenuhrzeigersinn) ist zugleich auch eine symbolische Handlung, die das Wort „das Dharma-Rad in Bewegung setzen“ eindrucksvoll illustriert.

gebetsfahnen tibet

Dharma ist die Lehre des Buddhas, die durch ein Rad mit acht Speichen abgebildet wird. Das Rad der Lehre setzt sich dadurch in Bewegung, dass Buddha seine Erkenntnisse über die Erleuchtung mit anderen teilt. Eine spezielle Geste, die viele Buddhastatuen einnehmen, das sogenannte Dharmachakra Mudra, symbolisiert dies ebenfalls. Dabei sind beide Hände auf Brusthöhe; Zeigefinger und Daumen jeder Hand berühren sich und formen so einen Kreis, während die Fingerspitzen der linken Hand die Handfläche der rechten berühren.

Ähnlich wie im Christentum durch das Beten des Rosenkranzes kann man mit der Drehung der Gebetsmühle spirituelle Bonuspunkte erwerben.

Es gibt auch Mühlen, die mit Wind-, Feuer- oder Wasserkraft oder sogar elektrisch angetrieben werden. Doch im letzteren Fall meint Lama Zopa Rinpoche, der 1994 einen schönen Text über den Nutzen der Gebetsmühlen geschrieben hat, dass hier der Verdienst des Drehens der Kraftanlage zufiele. Er würde es deshalb bevorzugen, wenn Übende der Lehre des Buddhismus ihre eigene Energie verwenden würden. Das bewusste Bewegen der Gebetsmühle verstärkt die eigenen Gedanken und kann Teil einer äußerst kraftvollen spirituellen Übung sein.

Im Vajrayana-Buddhismus, der buddhistischen Lehre des Diamantwegs, die das Hochland von Tibet prägt, wird die spirituelle Praxis in das Alltagsleben integriert, indem einfache Tätigkeiten als Gelegenheit der Übung wahrgenommen und so bewusst und achtsam ausgeführt werden. So auch hier: Der Fokus des Bewusstseins transformiert die Gedanken.

Mit der Gebetsmühle als Werkzeug kann der Praktizierende Weisheit und gutes Karma anhäufen, während er sich gleichzeitig von schlechtem Karma reinigt; er vermehrt Mitgefühl, stärkt inneren Frieden und entwickelt positive Eigenschaften. Die Drehung des Mani-Rads verbindet eine Tätigkeit des Körpers mit mentaler Kraft, wie etwa auch bei der Übung mit der Mala, der buddhistischen Gebetskette, die mit dem Rosenkranz unserer Kultur vergleichbar ist.

Beim Drehen der Mühle kann man das Mantra „Om Mani Padme Hum

rezitieren und dabei visualisieren, wie Strahlen des Mitgefühls mit der Drehung in die Welt gesendet werden, wo sie allen Lebewesen als die „vier unermesslichen Gedanken“, die „Brahma Viharas“, zugute kommen: Liebe, Mitgefühl, Freude und Gleichmut, die in folgendem Gebet wunderschönen Ausdruck finden.

Mögen alle fühlenden Wesen Glück und die Ursache des Glücks besitzen /
Mögen alle fühlenden Wesen von Leiden und der Ursache des Leides getrennt sein /
Mögen alle fühlenden Wesen niemals von der Freude, die frei ist von Leiden, getrennt sein / Mögen alle fühlenden Wesen in Gleichmut verweilen, der frei ist von Anhaftung und Ablehnung.

Eine andere spirituelle Praxis besteht darin, sich vorzustellen, dass der Drehende, die Bewegung, die Gebetsmühle und alle Gebete darin untrennbar miteinander verbunden und Teile desselben Ganzen sind. Am Ende der Übung ist es Tradition, die dabei angehäuften Verdienste dem Wohle aller Lebewesen zu widmen.

Lama Zopa Rinpoche schreibt in seinem Artikel,

dass er sich in seiner Kindheit in Nepal, jung und unwissend wie er war, darüber gewundert habe, wie das Drehen der Gebetsmühle, dass die alten Leute beständig taten, eine Dharma Praxis darstellen könne. Inzwischen wisse er, dass bereits das bloße Berühren und Drehen des Mani-Rads unglaubliche Reinigung und Anhäufung von unfassbarem Verdienst bringe.

Lama Zopa Rinpoche beschreibt, wie er in alten Manuskripte des großen Lawudo Lamas namens Kunsang Yeshe, als dessen Reinkarnation er gilt, von der Geschichte der Welt und die Herkunft der Gebetsmühle gelesen hat. Und er erzählt, wie er beim Besuch eines Instituts in Australien eine deutliche, friedvolle Veränderung des Ortes gespürt hat, die er auf das Anbringen einer Gebetsmühle zurückführte – eine Beobachtung, die er andernorts bestätigt fand. Buddhas und Bodhisattvas würden sich in Gebetsmühlen manifestieren, um die fühlenden Wesen von negativem Karma zu befreien, so der Lama – was so stark wirke, dass sämtliche Lebewesen, die im Umfeld einer Gebetsmühle leben, allein durch deren Gegenwart von einer niedrigen Wiedergeburt befreit wären.

Schon der bloße Gedanke an eine Gebetsmühle könne einem Sterbenden helfen,

sein Bewusstsein durch das Kronchakra zu schießen und eine hohe Wiedergeburt zu erlangen. Ein Mani-Rad im Wasser segnet das Wasser, das es berührt, und alle Lebewesen darin; wenn er einen Wunsch frei hätte, so würde er eine Gebetsmühle im Meer bauen. Der verdienstvolle Lama ist davon überzeugt, dass jede Gebetsmühle von kranken Menschen für ihre Heilung genutzt werden kann.

Die Übung mit einer Gebetsmühle kann im buddhistischen Glauben gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es ist der bewusste Fokus bei der Ausübung einer Tätigkeit, hier das Anstoßen des Mani-Rads, der spirituelle Energie in den Alltag einlädt.

INFO
Bildschirmschoner: Auf dieser Seite lässt sich eine digitale Gebetsmühle per Mausklick für drei Umdrehungen anstoßen, begleitet vom Chanten des Mani-Mantras: www.dharma-haven.org/tibetan/prayerwheel.mov
Artikel des Lama Zopa Rinpoche: www.lamayeshe.com/article/benefits-prayer-wheels

20.09.2020
Martina Pahr
Autorin, Bloggerin und PR – Expertin


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Martina Pahr
ist Autorin, Bloggerin und PR – Expertin, hat vor einigen Jahren den Sprung ins kalte Wasser gewagt und sich selbständig gemacht. Seither tut sie, wovon sie immer geträumt hat, und lebt vom Schreiben.
Beruflich wie auch privat setzt sie sich mit den spirituellen Aspekten des Lebens und den vielen Erscheinungsformen der New-Age-Bewegung auseinander – und nicht immer ist ihr gesunder Menschenverstand überzeugt von dem, was er vorgesetzt bekommt. Sie glaubt ungebrochen an das (viel zu oft ignorierte) Göttliche im Menschen: Eigenverantwortlichkeit und Eigenmächtigkeit, Selbstwert und Selbstheilungskräfte.
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