Verantwortung und Bewusstsein heißt dem Leben antworten
Der Mensch und das Dia.logische Mensch.sein ist für mich gekennzeichnet durch die Fähigkeit zur Selbst.transzendenz, und das bedeutet: Der Mensch muss sich begreifen als ein Über-sich-selbst-hinaus-sein-Können, als ein Aus-sich-selbst-heraus-sein-Können, d.h. als ein Über.schreiten des eigenen Ichs und der Grenzen des eigenen Ichs in der Offenheit und Öffnung zur Welt, zur Mit.welt und Um.welt, zum Du hin.
Verantwortung und Bewusstsein
Diese Mit.Sein des Menschen als Bezug und Bezogenheit zum Mit.menschen hin hat nach meinem Verständnis den Primat vor dem In-der-Welt-Sein. Denn bevor die Welt in meinen Gesichtskreis tritt, ist meine Existenz schon vom Bezug zum anderen bestimmt.
Und dies bedeutet, dass Kommunikation mit den anderen einen eindeutigen genetischen Primat hat, denn das Bewusstsein des Kindes richtet sich auf die un.mittelbaren Bezugspersonen – die Eltern im Normalfall -, noch ehe ihm die Welt als Um.welt oder als Gegenstand bewusst wird.
Menschliche Existenz ist für mich daher ein dia.logisch geführter Austausch des Menschen mit seiner Mit. und Um.welt, mit seiner Situations.welt, und zwar so, dass er als der von der Welt und von den Situationen her Be.fragte und An.gesprochene stets ant.worten muss:
Mensch.sein heißt somit In-Frage-Stehen, und Leben – im Sinne von Tun, Handeln, Entscheiden, Unterlassen etc. – heißt Ant.worten.
Daher formuliere ich: Verantwortung und Bewusstsein
ich ant.worte, also bin ich, oder besser: ich bin, insoweit ich ant.worte, was näherhin heißt: ich entstehe und existiere in allen Schichten meines Seins (des Körpers, der Sinnesorgane, der Seele und des Geistes) nur insoweit, als ich ant.worte – wenn ich nicht mehr ant.worte, bin ich tot.
Existentielles Sein und mensch.liches Leben bedeuten demnach für mich, bewusst und in freier Entscheidungs.mächtigkeit Ant.wort zu geben und diese Ant.worten stets zu ver.ant.worten.
Ich sage auch gleich, worauf ich hinaus will:
Wenn Mensch.sein also wesent.lich meint, sich in der Position des Gefragt.seins und Angesprochen.seins zu befinden, und wenn man den hieraus resultierenden dia.logischen Charakter des Mensch.seins ernst nimmt, dann ist Ver.ant.wortung nicht etwas Peripheres am Menschen und keine pure Nebensächlichkeit oder akzidentale Randerscheinung, vielmehr gilt zu begreifen dies:
VER.ANTWORTUNG IST FUNDAMENTALER AUSDRUCK DER DIA.LOGISCHEN EXISTENZ DES MENSCHEN und damit WESEN.HAFT MIT DEM MENSCH.SEIN VERBUNDEN, welches gleichermaßen den Gemeinschafts.bezug wie den Du.Bezug und auch den Welt.Bezug integriert.
Sehr schön hat dies Erich Fromm ausgedrückt, wenn er vom Ver.ant.wortungs.gefühl sagt, es sei „keine Pflicht, die dem Menschen von außen aufgezwungen wird, sondern die Ant.wort auf etwas, von dem man fühlt, dass es einen angeht. Ver.ant.wortung und Ant.wort haben die gleiche Wurzel: Ver.ant.wortlich sein heißt zum Ant.worten bereit sein.“
Das Dia.logische ist es also, das dem Phänomen Ver.ant.wortung in wesentlicher Weise inne.wohnt, und so sind denn ver.ant.wortungs.bewusste Menschen stets mündig gewordene Menschen, also solche, die ihren Mund öffnen, um den Fragen und Ant.worten des Lebens angemessen zu begegnen.
Wenn für mich Ver.ant.wortung die Ant.wort des Menschen auf die An.forderungen und Heraus.forderungen des Lebens an ihn bedeutet, dann heißt dies auch:
Wer Ant.wort gibt, anerkennt ein Du, zu dem er spricht oder auf den er bezogen ist. Mit dem Leben auf Du und Du zu stehen, setzt jedoch Nähe zum Leben voraus, was nicht nur notwendig macht, Nähe zuzulassen, sondern auch, Nähe selber zu schaffen. Dies erfordert freilich Ich.Stärke und Autonomie – das sind relativ seltene Persönlichkeits.merkmale, aber dessen un.geachtet bleibt gültig, dass ein ver.ant.wortungs.bewusster Mensch in eine Du.Beziehung zum Leben eingetreten ist, womit Ver.ant.wortung den eben genannten dia.logischen Charakter erhält, den ich nachfolgend in vier gedankliche Schwerpunkte zu fassen versuche:
1. Ver.ant.wortung und Selbstwert.gefühl
2. Ver.ant.wortung und Gewissen
3. Ver.ant.wortung und Ent.scheidung
4. Ver.ant.wortung und Freiheit
Verantwortung beginnt mit der Sorge für das eigene Leben. Sich für sich selbst ver.ant.wortlich zu fühlen, setzt eine Wert.beziehung zum eigenen Leben voraus, die nicht für alle Menschen selbst.verständlich ist. So mangelt depressiven Menschen – gepeinigt von Selbst.zweifel und Skepsis – eine bejahende Grund.einstellung zum Leben, und auch Menschen, die unter Abhängig.keiten von Suchtmitteln leiden, haben ihre eigene Wert.schätzung verloren oder sie noch nie verspürt.
Selbstwertgefühl und Verantwortung
Wie soll aber ein Ver.ant.wortungs.gefühl dem Leben gegenüber herangewachsen sein, wenn die elementarste Du.Beziehung, die Beziehung zu sich selbst, gar nicht geboren wurde?
Diese positive seelische Grund.beziehung eines Menschen zu sich selbst nenne ich SELBSTWERT.GEFÜHL als das zentrale Gefühl eines Menschen. Ein Mensch, der Selbstwert.gefühl entwickeln konnte, hat in seiner Kindheit sehr viel emotional Bereicherndes erfahren und er hat erlebt, dass sein eigenes Da.sein als liebens.wert und erhaltens.wert betrachtet wurde, ohne dass er erst in Vorleistung hat gehen müssen
Die Emotional.wahrnehmung des eigenen Seins als Wert ist das Gewahr.werden und Erfühlen eigener Würde.
Das Selbstwert.gefühl befähigt den Menschen, zu seinem Leben Ja zu sagen und sich somit in seinem Hier.sein heimisch zu fühlen. Diese positive Grund.stimmung bildet das wirkliche emotionale Fundament für das Lebens.gefühl eines Menschen, und gerade das Gefühl des Wert.voll.seins entscheidet in bedeutendem Maße über die Persönlichkeits.bildung des einzelnen. Wer sein eigenes Leben als wert.voll empfinden kann, der hat damit das bedeutendste Motiv erhalten, um Ver.ant.wortung für sich selbst zu übernehmen, denn:
im wert.erfüllten Grund.erleben seines Da.seins verspürt er zugleich die Verpflichtung, das Geschenk des Lebens zu bewahren.
Die Ver.ant.wortung für das eigene Leben entwickelt sich jedoch nur in dem Maße, in dem der Heranwachsende sein Werden als Zuwendungs.prozess erlebt hat.
Aber auch später wartet der Mensch darauf, in seiner Existenz bestätigt zu werden, und gerade durch die Zuwendung, die sein emotionales Umfeld ihm gibt, empfängt er jene Akzeptanz, die er für sein seelisches Gedeihen benötigt.
In dieser psychischen Grund.qualität, nämlich Liebes.objekt geworden zu sein, erlebt er auch die Liebe sich selbst gegenüber:
Wiewohl wirkliche Zuwendung stets partielles Los.lassen eigener Wünsche und Absichten ist – also nicht ego.zentriert, sondern Du.zentriert ist -, ist Eigen.liebe wichtig, auch für eine stabile Partnerbeziehung, weil sie die trag.fähige emotionale Kontinuität schafft. Denn nur wer gelernt hat, sich selbst zu lieben, kann sich auch wieder einem anderen zuliebe verlassen.
Anders gesagt: Selbstwertgefühl und Verantwortung
Wer hinreichend Zuwendung empfangen hat, kann sie auch einem anderen weitergeben, ohne dabei etwas zu verlieren – dies gilt auch für die Zuwendung in Form von Lob und Anerkennung, im Alltag ebenso wie im Berufsleben, besonders in Hierarchien!
Ver.ant.wortungs.bewusste Menschen stehen zu ihrem Leben, sie stehen aber auch zu sich selbst. Und hierzu befähigt sie ihr Selbstwert.gefühl, denn sie haben gelernt, sich zu ertragen, sich elementar zu akzeptieren. Daher übernehmen sie auch die Ver.ant.wortung für das, was sie sagen, was sie tun. Diese psychische Selbständig.keit zeigt sich im Alltagsleben in der Konflikt.fähigkeit des einzelnen, denn gerade Konflikt.situationen sind der Prüfstein für die Echtheit des gewachsenen Selbst.wertes in der Persönlichkeit. Im Konflikt treffen Ver.ant.wortungen aufeinander: die Ver.ant.wortung für die eigenen Gefühle und für die vorgetragene Meinung.
Hier sichern sich viele Menschen ab durch konjunktivisches Palaver: man „könnte“, „möchte“, „würde“, „dürfte“. Abgesehen von der widerlichen Seinsweise des „man“, in der ein Mensch in die Allgemeinheit, in die Anonymität, in die Schablone des Durchschnittlichen und Typischen flieht, schafft der Mensch durch das Konjunktivische eine Atmosphäre der Pseudo.harmonie, er entfernt sich von seiner Ich.Realität, die angst.besetzt ist:
Wer nicht zu den Konsequenzen seiner klar artikulierten Meinung steht, lässt es elementar an Ver.ant.wortung seiner eigenen Persönlichkeit gegenüber fehlen.
Wer jedoch im Indikativ spricht, hat zuvor in seinem Inneren eine Ent.scheidung gefällt, und Ent.scheiden bedeutet, die Ver.ant.wortung zu übernehmen für die Konsequenzen, die sich aus einem klaren Ja oder Nein ergeben.
Das ist gelebter Selbst.wert, und einem solchen Menschen werden wir am ehesten Glaubwürdig.keit schenken.
Verantwortung und Gewissen – Dem Leben antworten
Verantwortung und Gewissen – Konstitutiv für den Begriff der Ver.ant.wortung ist, WOVOR jemand eine Handlung ver.ant.worten muss. Da kommen eine ganze Reihe von „Instanzen“ in Frage, von denen ich nur einige wenige aufzählen möchte: etwa der Partner oder Arbeitgeber, Kollegen oder Standesorganisationen, die Gesellschaft oder die öffentliche Meinung, Verwandte oder Freunde, Gott oder ein höheres Wesen, die Institution Kirche mit ihrem Normenkodex, die Idee der Menschheit oder das Recht als System, last but not least das
PERSÖNLICHE GEWISSEN – Verantwortung und Gewissen
als das subjektive Bewusst.sein von Gut und Böse,
als das Wissen um den sittlichen Wert des eigenen Tuns und Verhaltens und Unterlassens,
als das uns angeborene allgemeine Wert.bewusstsein, kurz: das Gewissen
als jene psychische Instanz, in der die handlungs.leitenden Werte eines Menschen verankert sind, sein klares Wissen um Werte und Normen.
Ver.ant.wortung entsteht durch eine konstruktive Gewissens.bildung.
Wenn Gewissen den sittlichen Urgrund eines Menschen bildet, dann schafft früh ansetzende Gewissens.bildung im Kind ein ethisches Bewusstsein, das ihm später Auskunft über die eigenen Motive und Tat.ziele gibt. Diese Fähigkeit zur Selbst.reflexion auf dem Fundament des Gewissens zeichnet die mensch.liche Persönlichkeit schlechthin aus und verleiht ihr eine einzig.artige Würde.
Wichtiges ethisches Anliegen der Gewissens.bildung ist es, den heranwachsenden jungen Menschen in eine sittlich geordnete Lebens.beziehung einzuführen, was jedoch nur gelingt, wenn die Normen – also die sittlichen Bausteine des Gewissens – nicht nur sinn. und ordnungs.stiftend vermittelt werden, sondern wenn Gewissens.bildung konstruktiv erfolgt, d.h. wenn das Heranführen an Normen und sittliche Werte relativ frei von Ängsten geblieben ist.
Im Klartext:
Die Gewissens.bildung im Kind ist konstruktiv dann verlaufen, wenn es erlebt hat, dass das Beachten von Regeln sinn.voll und notwendig für das eigene und für das Wohl anderer Menschen geworden ist. Wird jedoch jeder Verstoß gegen Normen immer wieder mit körperlicher oder seelischer Züchtigung geahndet, wuchert ein belastetes und verkümmertes Gewissen heran, das die Einhaltung einer Norm höher einstuft als das zwischen.menschliche Wohlergehen.
Diese Kümmer.form des Gewissens mag zum Freudsche ÜBER.ICH entarten als der Verinnerlichung äußerer Autoritäten bzw. der mehr oder minder un.kritischen Übernahme systemischer Normen aus Elternhaus, Schule, Staat, Gesellschaft oder Kirche. Solche Menschen sind stets von Identifikations.beziehungen abhängig, sie sind fremd.gesteuert und wagen keine selbständigen Ent.scheidungen, schon gar nicht solche, die sie in Widerspruch zu den Bezugs.personen oder Bezugs.systemen bringen könnten.
In Veranstaltungen zur Führungs.ethik in Industrie und Wirtschaft geißele ich ein solches Gewissen als funktionales, als ideologisiertes, als Funktionärs.gewissen, das eine Person dazu bringt, un.kritisch und ohne ver.ant.wortete Prüfung einfachhin System.interessen zu exekutieren, d.h. die an sittlichen Werten orientierte Ver.ant.wortung zugunsten der Unterordnung unter eine politische, kirchliche oder ökonomische Instanz zum Schweigen zu bringen.
Das sind System.agenten als reine Interessen.vollzieher, die die Normen und Werte eines Systems als ihrer Über.Ich.Kollektiv.person und un.bestrittenen Autorität total internalisiert haben und in ihrer Fremd.orientierung kaum bemerken, dass sie ein Leben aus zweiter Hand führen.
Im Namen eines solchen „Gewissens“ wurden in der Menschheits.geschichte die brutalsten und verabscheuungs.würdigsten Untaten begangen, von den Kreuzzügen und der Inquisition über die Ketzer. und Hexen.verbrennungen bis zu dem Kriegsgemetzel in unseren Tagen.
Ver.ant.wortungsvoll zu denken und zu handeln, ist ein heraus.ragendes Merkmal persönlicher Moralität. Die konstruktive Gewissens.bildung hat hierzu das Fundament gelegt – und das heißt:
Nur wer sich mit sittlichen Prinzipien wahr.haft identifiziert, empfindet auch das Phänomen Ver.antwortung als einen lebens.nahen Ausdruck seiner Dialog.fähigkeit mit dem Leben. Ohne Identifikation ist keine Ver.ant.wortung möglich. Wer aber keine Ver.ant.wortung übernimmt, kann auch nicht sittlich reifen, denn Ver.ant.wortung fordert eine Rechenschaft ein, in der sich der Mensch vor seinem Gewissen selbst begegnet. Dieser Konfrontation weicht der Ver.antwortungs.scheue aus, aber wer vor der Ver.ant.wortung flieht, bleibt dem Leben gegenüber – vor allem auch gegenüber seinem eigenen – weitgehend stumm.
Noch etwas ist wichtig:
Personales Gewissen ist nichts Vor.gegebenes und Fertiges, sondern etwas Auf.gegebenes, d.h. personales Gewissen „IST“ nicht, sondern es „WIRD“ und fordert stets neu ein ganzes Leben lang eine Orientierung an sittlichen Werten und Normen ein.
Solches Gewissen als innerer Seismo.graph für sittlich Wertiges bedarf ständiger Entwicklung und sorgfältig.liebevoller Pflege. Es macht uns fähig, stets den Anforderungen des Lebens zu ant.worten, in Resonanz zu unserer Situations.welt zu bleiben und unser Tun und Lassen und Ent.scheiden stets zu ver.ant.worten.
Mensch und Entscheidung? Verantwortung heißt dem Leben antworten – Dem Leben antworten
Was ist der Mensch? Mensch und Entscheidung? Er ist das Wesen, das sich immer ent.scheidet. Und was ent.scheidet er? Was er im nächsten Augenblick wird.
Diese zwei Kurzaussagen umreißen ein sehr dynamisches Menschen.bild und spiegeln meine Philosophie wider, wonach der Mensch kein faktisches, sondern ein fakultatives Wesen ist. Und damit ist dies gemeint:
Der Mensch ist nicht etwas Un.abänderliches im Sinne von Nun-einmal-so-und-nicht-anders-sein-Müssen, sondern mensch.liches Sein ist wesent.lich ein Immer-auch-anders-werden-Können.
Das gibt der menschlichen Existenz grundsätzlich und elementar einen dynamischen Charakter und die Möglichkeit – aber auch die Ver.pflichtung! – zur Veränderung und damit bei entsprechender Richtungs.angabe zu Wachstum und Entwicklung und Reife – alt wird man von selbst, reif nur, wenn man sich permanent darum bemüht. Keiner kann die Welt aus den Angeln heben und oftmals auch die persönlichen Umstände nicht un.geschehen machen oder wenigstens ändern, ändern kann der Mensch immer nur sich selber – sich selber aber immer!
Das ent.scheidende Wesen.
So pauschal kann man dies sagen, denn zwischen Ja und Nein, zwischen Pro und Kontra, zwischen Handeln und Nicht.handeln ist immer zu ent.scheiden. Un.entwegt und stets aufs Neue steht der normale gesunde Mensch am Kreuzweg einer neuen Ent.scheidung, auch der Ent.scheidung über sich, d.h. über diesen Menschen, auf den hin er sich ent.wickelt oder ent.wickeln will. Minimiert oder vermeidet der Mensch Ent.scheidungen oder drückt er sich vor ihnen, huscht das Leben an ihm vorbei – er gestaltet nicht Leben, sondern er wird gelebt.
Anders gesagt:
Was der Mensch ist, ist er durch die Sache, die er zur seinigen macht, durch die Aufgabe und durch die Menschen, denen er sich hingibt und für die er sich ent.scheidet: Verantwortung heißt dem Leben antworten
Im Sich.Hingeben und „Ant.worten“ schenkt sich mir die Welt, im Sich.Behalten und „Ver.stummen“ bleibe ich existentiell un.fruchtbar.
Wer sich jedoch ent.scheidet, muss los.lassen, er muss gelernt haben zu ver.zichten, denn der Akt des Wählens ist immer ein VER.ZICHT auf die nicht gewählte Alternative. Die oftmals als Ent.schuldigung vorgebrachte Ent.scheidungs.schwäche greift nicht, denn fast jedes Sich-nicht-entscheiden-Können ist eigentlich ein Nicht-verzichten-Wollen.
Jede Ent.scheidung ist Ab.scheidung, und daher ist die Ent.scheidungs.fähigkeit wirklich eng mit dem Opfer.geist verbunden, und der ist heute in einer Zeit der „Pleonexie“ als einer un.aufhaltbar eskalierenden Daseins.gier – ebenso wie grundsätzliche Verzichts.bereitschaft – eher selten.
Unsere Sprache ist weise, wenn sie sagt, ein Ver.zicht – der ja wesent.lich zur Ent.scheidung gehört – müsse „geleistet“ werden. Es handelt sich in der Tat um eine echte Leistung, die einem da abverlangt wird, denn im Ver.zicht erst – also im Nein zu der Vielfalt verschiedener Wünsche und Wollungen – wird der Mensch an die Grenzen seiner Persönlichkeit geführt, und dies beansprucht ihn körperlich und geistig ungeheuer, weshalb er das Ver.zichten – ohne gleichzeitige Ersatz.befriedigung! – durchaus als besondere Leistung empfindet.
Wer Ver.ant.wortung übernimmt, baut eine enge Beziehung zum Leben auf.
Dieses Leben, also die Situations.welt des Menschen als das vom Leben Angebotene, die Lebens.inhalte werden dem Menschen zu Identifikations.inhalten, die sein Selbst.verständnis tragen. Und mit diesen Identifikations.angeboten, die das Leben einem Menschen unterbreitet, wächst auch die Herausforderung an seine Ent.scheidungsfähigkeit – er muss wählen, muss Ent.schlüsse fassen, muss eine Haltung einnehmen, die ihn an eine bestimmte Position bindet.
Verantwortung heißt dem Leben antworten – Das heißt:
Wer Ent.scheidungen fällt, bekennt sich zu den Konsequenzen, die sich aus der Ent.scheidungshaltung ergeben. Damit aber übernimmt ein Mensch die Ver.ant.wortung für das, wofür oder wogegen er sich ent.schieden hat. Aber gerade da beginnt das Dilemma:
Wer sich ent.scheidet, bindet sich:
Jede Ent.scheidung bedeutet immer auch eine Bindung. Je intensiver die Angst vor Ent.scheidungen bei einem Menschen geworden ist, desto offener manifestiert sich seine Flucht.tendenz vor Bindungen.
Aus dem Ent.scheiden folgt das Binden, mehr noch: Das Bindungs.erleben erfährt eine weitere Intensität mit der Dauer des Gebunden.seins, so dass z.B. Ehepaare sich mit der Dauer ihres Zusammen.seins noch besser kennenlernen und tiefere Feinheiten in der Persönlichkeit des andern zu entdecken vermögen. Auch eine langjährige Firmenzugehörigkeit vermittelt einen gründlichen Einblick in das Interne einer Unternehmenswelt, die dem nur kurzzeitig Verweilenden vorenthalten bleibt.
Dort, wo Ent.scheiden und Binden in der menschlichen Persönlichkeit zu einer lebendigen Kontinuität verschmelzen, wächst die Souveränität eines Menschen im Umgang mit den Lebens.aufgaben, wozu der ängstliche Mensch kaum befähigt ist:
Ängstliche Menschen sind nämlich zumeist bindungs.unfähige Menschen – bindungs.unfähige Menschen aber scheuen Ent.scheidungen und damit die Ver.ant.wortung.
Zu den Konsequenzen einer Ent.scheidung könnte eine Veränderung des Bestehenden gehören.
Weil aber die Angst vor Veränderung eine der tiefsten Ängste im Menschen ist, scheuen sich auch viele Menschen vor Ent.scheidungen, und damit vor Ver.ant.wortung.
Dass eine Ent.scheidung freilich nicht der Ent.scheidung wegen getroffen werden soll, versteht sich von selbst. Ich halte nichts von der Trunkenheit der Aktion als einer Flucht in die schnelle Ent.scheidung, die oft nur Schwäche und Un.geduld verrät. Eine Ent.scheidung muss sinn.voll sein:
Ob sie mit dem Stigma der Sinn.haftigkeit belegt ist, das erfahre ich erst, wenn ich die Ent.scheidung mit Hilfe des Gewissens geprüft und getroffen habe, was bedeutet, dass ich mich als Ent.scheidender nicht nur meiner Ent.scheidungs.freiheit, sondern auch meiner sittlichen Ver.ant.wortung für das zu Ent.scheidende bewusst gewesen sein muss. …Was ist der Mensch?
Verantwortung und Freiheit heißt dem Leben bewusst antworten
Verantwortung und Freiheit – In der Ver.ant.wortung kommt es zu einer Ver.pflichtung, das heißt: Wir werden in die „Pflicht“, in An.spruch genommen und auf etwas oder auf jemanden hin beansprucht, dem zu ant.worten ist. Dies tangiert zweifel.los unsere Freiheit. Ich kann aber Freiheit nie an sich und als solche diskutieren, Freiheit muss vielmehr stets von der Ver.ant.wortung her verstanden werden:
Wie frei jemand ist, das erfährt er daran, wofür er als verantwortlich „erklärt“ werden kann.
Somit sind in meinem Verständnis Freiheit und Ver.ant.wortung Wechsel.begriffe, wobei letzterer den ersteren übergreift. Das hat schon Georg Bernard Shaw in seinem satirischen Aphorismus erahnt: „Freiheit“, sagt er, „bedeutet Ver.ant.wortlichkeit. Das ist der Grund, weshalb die meisten Menschen sich davor fürchten.“
Dort, wo ich frei gehandelt habe, kann ich niemanden anderen ver.antwortlich machen, etwa im Sinne der Schuld.abschiebung – es kann sich aber auch niemand anderer statt meiner selbst als ver.antwortlich ausgeben im Sinne der Verdienst.zuschreibung:
Verantwortung und Freiheit
Die Tat, die wir setzen, bleibt an uns selber hängen und sie ist Ausdruck der eigen.ständigen, wirklichen Person und ihrer Ziele, denen sie sich verbunden fühlt. Ver.ant.wortlichsein bedeutet immer, sich selber ins Spiel zu bringen, d.h. Ver.ant.wortung taucht dort auf, wo etwas MICH angeht, wo es auf MICH ankommt, wie ich handle und ob ich handle. Überall also, wo ICH zu ent.scheiden habe, stehe ich mitten in der Ver.ant.wortlichkeit.
Wer zu etwas gezwungen wird, handelt weder un.ver.antwortlich noch ver.ant.wortung.slos – hier greift weder Ver.ant.wortlichkeit noch Zu.rechnung oder Zu.rechenbarkeit, so dass ich sagen kann:
Alle Ver.ant.wortung setzt die Freiheit der Person voraus.
Freiheit und Ver.ant.wortung sind un.trennbar miteinander verbunden,
sie sind wie zwei Seiten e i n e r Medaille. Frei.sein heißt eben, selbst zu ent.scheiden und damit der Ver.ursacher einer Wirkung zu sein:
Somit schließt freies Handeln zwingend Ver.ant.wortlichkeit in sich ein, ganz gleich, ob man darum weiß oder nicht. Diese prinzipielle Ver.ant.wortlichkeit ist die Basis für die konkrete Ver.ant.wortung in jeder Situation.
Der Ver.ant.wortung geht also die Freiheit voraus.
Wenn wir diesen Gedanken von der anderen Seite betrachten, dann heißt das, dass es bei der un.trennbaren Verbindung von Freiheit und Ver.ant.wortung darauf ankommt, wie die Freiheit sinn.vollerweise verwendet werden soll. Frei.sein um des Frei.seins willen mündet in Leere, Chaos und Un.verbindlichkeit. Wenn wir aus unserer Freiheit das Beste machen wollen, dann geschieht es dadurch, dass wir sie hergeben für den Sinn der Situation. Dadurch geht die Leere des „Frei.sein VON etwas“ über in die Fülle des „Frei.sein FÜR etwas, FÜR jemanden“. Den negativen Aspekt der Freiheit ersetzt ein positiver: die Freiheit wurde mit einem Sinn erfüllt – der Sinn der Freiheit ist die Verantwortung.
Schon Platon hat gesagt, die Demokratie würde sich auflösen durch ihre Un.ersättlichkeit nach Freiheit. Daran werde ich erinnert, wenn heute nach einer Freiheit ge.giert wird, die dem Menschen nahezu alles gestatten soll, und wenn dem sog. technischen Imperativ im Sinne eines un.überbietbaren Machbarkeits.wahns gehuldigt wird – daran denke ich auch, wenn die Flucht vor Bindungen – reflektieren Sie nur die Eskalation der Single.Haushalte – ein besonderer Ausdruck der Scheu ist, sich dem Dia.logischen des Lebens zu stellen.
Wer Freiheit fordert, muss Ver.ant.wortung übernehmen.
Es kann und darf keine grenzen.lose Freiheit geben, weil damit eine Ignoranz jeglicher sittlicher Werte dominierte, die ein kommunikativ ersprießliches, also konstruktives Mit.einander ver.un.möglicht. Freiheit muss ver.antwortet gepflegt und umsorgt werden, so wie es der Spielraum des Gewissens gestattet. Gewissen.lose Menschen gehen auch mit ihrer Freiheit ver.ant.wortung.slos um.
Eine Freiheit, die sittliche Autorität leugnet, eine Freiheit, die die Sittlichkeit als die Grund.orientierung und das Ausgerichtet.sein des Menschen in seinem Handeln auf allgemein gültige Normen negiert, eine Freiheit, die nur den eigenen Egoismus und Narzissmus inthronisiert, wird in sich zusammenstürzen und wird de.struktiv, weil ihr die stabilen Fundamente fehlen:
Freiheit ohne Moralität, ohne die frei.will.ige Akzeptanz von Eigen.ver.ant.wortung bedroht das elementare Lebens.gefühl einer Gesellschaft und ihrer Menschen.
Meiner Freiheit sind Grenzen gesetzt – Freiheit ohne Grenzen ist Chaos, und im Sozialverbund jeglicher Gemeinschaftsformierung nicht lebbar. Die Freiheit des Mit.menschen und das Lebens.recht der gesamten Schöpfung setzen meiner Freiheit die Schranken und fordern von mir seins.gerechtes Verhalten.
Der Mensch BRAUCHT Grenzen, er braucht Eck.punkte, die ihm ein Terrain, die ihm einen Raum abstecken, innerhalb dessen er sich frei bewegen kann, darf und auch soll, einen Spielraum, innerhalb dessen er sich behaupten, verteidigen, einrichten, von wo aus er sich entfalten und entwickeln kann.
Freiheit ist gewissermaßen Ent.grenzung, aber erst, wenn Grenzen gelernt sind, wird Ent.grenzung möglich.
Freiheit ohne Grenzen führt zu Verwahrlosung und Selbst.zerstörung – und deshalb sind Gesetze und Normen und sittliche Werte als Stütze der Freiheit un.entbehrlich. Der Existentialismus eines Jean-Paul Sartre hatte den Menschen als „zur Freiheit verurteilt“ deklariert. Ich halte dem entgegen, der Mensch sei eher dazu „verurteilt“, Ver.ant.wortung zu übernehmen, und behaupte:
Ohne Verantwortung „gibt“ es keine Freiheit, weil jemand erst dann frei „für sich“ ist, wenn er es auch für andere (und anderes) sein kann. Diese These gilt freilich nur, wenn wir als den eigentlichen Ort der Ver.ant.wortung die wesentliche Ein.bindung des Menschen in Formen der Institutionen des Mit.einander.lebens sehen, wobei selbstredend das Mit.einander nicht nur Menschen, sondern alle Lebewesen und die gesamte uns umgebende Natur integrieren muss. Verantwortung und Freiheit ist eine bewusste Antwort auf das Leben!
15. Februar 2013
(c) Dr. Bernhard A. Grimm
Autor
Dr. phil. Bernhard A. Grimm
war Philosoph, Theologe und Althistoriker und beschäftigte sich – nach seiner Tätigkeit in Lehre und Forschung an der Universität München und im Management eines mittelständischen Unternehmens – 25 Jahre als selbständiger Dozent in Seminaren, Kolloquien, Vorträgen und Publikationen mit Fragen der Persönlichkeitsbildung, Führungsethik, Sinnfindung, Wertorientierung (Logotheorie) und Spiritualität. Er war Autor von sieben Sachbüchern (so z.B. „Ethik des Führens“, „Macht und Verantwortung“, „Die Frau – der bessere Mensch“, „Lust auf Leben – Leben braucht Sinn“, „Älter wird man in jedem Alter“).
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