Wandlung ist ein Zeichen des Lebens

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Wandlung ist ein Zeichen des Lebens

Lama Anagarika Govinda
(1898 – 1985)

„Dreifach ist des Lebens Rhythmus: nehmend, gebend, selbstversunken.

Einatmend nehme ich die Welt in mich auf.
Ausatmend gebe der Welt ich mich hin.
Leergeworden leb ich mich selbst –
Lebe entselbstet und öffne mich neu.

Einatmend nehme ich die Welt in mir auf.
Ausatmend gebe der Welt ich mich hin:
Entleert erleb ich die Fülle,
Entformt erleb ich die Form“.

Wandlung ist ein Zeichen – Der am 17. Mai 1898 in Waldheim/Sachsen geborene Ernst Lothar Hoffmann

wuchs als Sohn einer bolivianischen Mutter und eines deutschen Vaters dreisprachig auf und träumte als Kind von den weiten Hochebenen und mächtigen Schneegipfeln der Anden. Nach vergleichenden Studien der Weltreligionen, die er als Schüler begonnen hatte, veröffentlichte er 1920 sein erstes Buch: Grundgedanken des Buddhismus und ihr Verhältnis zur Gottesidee, das wenig später ins Japanische übersetzt wurde. Eine an der Universität Neapel vorhandene Ausgabe des Pali-Kanon zog ihn im gleichen Jahr nach Italien, wo er Pali zu lernen und zu meditieren begann.

Von Italien aus brach er 1928 nach Sri Lanka auf, legte bei dem ehrwürdigen Nyanatiloka Mahathera die Brahmacari-Gelübde ab und erhielt von ihm den Namen Govinda. Ein Jahr später legte er in Burma das Gewand eines  „Anagarika“ (Pali: ein religiöser Bettler) an.

Nyānatiloka Mahāthera wurde am 19. Februar 1878 als Anton Walther Föorus Gueth in Wiesbaden geboren und starb am 26. Mai 1957 in Colombo/Sri Lanka, wo er ein Staatsbegräbnis erhielt. Er war der erste deutsche buddhistische Mönch.

Von 1931 bis 1935 lehrte Govinda an der vom indischen Literaturnobelpreisträger Rabindranath Tagore (1861 – 1941) gegründeten Visva-Bharati University in Shantiniketan europäische Sprachen, buddhistische Philosophie, Psychologie und Archäologie. Indira Gandhi (1917 – 1984), die spätere Premierministerin Indiens, die in Shantiniketan studierte, lernte hier von Govinda Französisch. Mit dem Leiter der Universität, Rabindranath Tagore, verband Govinda eine intensive freundschaftliche Beziehung.

„Die falsche Grundeinstellung der meisten Religionen scheint mir darin zu bestehen, dass sie Vollkommenheit entweder in einer fernen Vergangenheit oder in einer fernen Zukunft suchen: entweder in einem verlorenen Paradies oder in einem noch zu gewinnenden Himmel. Ich bin der Meinung, dass der Höhepunkt des Lebens weder in einem unerschaffenen Urzustand noch in einer Rückkehr in das Ungewordene liegt, sondern vielmehr im Erwachen jedes bewussten Individuums zur Universalität in-mitten aller Hindernisse und Spannungen des Lebens…“

Govindas Forschungs- und Pilgerreisen begannen 1932.

Er bereiste Sikkim und das Chumbi-Tal in Süd-Tibet, 1933 Ladakh und das Changthang in West-Tibet, sowie 1938 wiederum Sikkim und das tibetische Grenzgebiet.

„Die Pilgerschaft im äußeren Raum wird zum Spiegelbild einer inneren Bewegtheit und Bewegungsrichtung auf ein noch unbekanntes, aber in jener Richtung keimhaft enthaltenes, fernes Ziel hin.“

Obwohl er inzwischen britisch-indischer Staatsbürger wurde, wurde Govinda bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Internierungslager Dehra Dun festgesetzt, weil er der indischen Unabhängigkeitsbewegung um Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru nahestand.

1947 heiratete Govinda die als Li Gotami bekannte parsisch-indische Künstlerin Rutty Petit,

die er im Umfeld Rabindranath Thakurs kennen-gelernt hatte. Gemeinsam brachen sie zu Forschungs- und Pilgerreisen nach Tibet auf, darunter 1948 zu der legendären Tsaparang-Expedition, die wert-volle kunsthistorische Dokumentationen brachte.

Er war den zu seiner Zeit im Westen vorhandenen Erkenntnissen über den tantrischen Buddhismus weit voraus, als er 1956 sein bahnbrechendes Werk Grundlagen tibetischer Mystik veröffentlichte, das dem Westen die faszinierend fremde Geisteswelt Tibets zu einer Zeit zugänglich machte, als diese Kultur noch als eine entartete Form der „reinen“ Buddha-Lehre und eine wilde Mischung aus Dämonenverehrung, Magie und idyllischem Shangrila galt. Hierin klärte Govinda zahlreiche Missverständnisse auf, die bislang die ernsthafte wissenschaftliche Erforschung des tantrischen Buddhismus verhindert hatten. Seine spirituelle Autobiografie Der Weg der weißen Wolken (1966) war für die meisten Menschen im Westen der Türöffner zum tibetischen Buddhismus.

Die zentrale Übungspraxis Lama Govindas war der Weg der Bodhisattvas.

Der Bodhisattva und zukünftige Buddha Maitreya war ihm lebendig wirkende Wirklichkeit sowie Hoffnung und Gewissheit, dass die weise Entfaltung von Liebe, Güte und Mitgefühl eine mitleidlose Welt verändern kann. Govinda war Zeitzeuge zweier Weltkriege, als die Völker im Hass versanken, und er sah die Bedrohung der Menschheit durch die unermessliche Gier nach Reichtum und Macht im 21. Jahrhundert voraus. Viele Westler suchten ihn in den 1960-er-Jahren im Kasar Devi Ashram bei Almora, vorderes Himalaya/Indien, auf und verdanken ihm nach eigenen Aussagen wesentliche Anstöße für ihr Denken und weiteres Forschen.

Ab 1955 lebten Lama Anagarika Govinda und  Li Gotami (geb. 1906 in Bombay – gest. 1988 in Bombay) gemeinsam zurückgezogen auf 1.600m Höhe in ihrem Ashram, wo sie sich mit Malerei, buddhistischen Studien und Meditation beschäftigten. Von dort aus unternahmen sie mehrere Vortragsreisen, die sie um die ganze Welt führten. Nachdem Li Gotami an Parkinson erkrankt war und Anagarika Govinda mehrere Schlaganfälle erlitten hatte, verlegten sie ihren Wohnsitz aus gesundheitlichen Überlegungen von Indien nach Kalifornien. Bis zum Tod Anagarika Govindas am 14. Januar 1985 lebte Li Gotami mit ihm in Mill Valley in der Nähe von San Francisco. Dann kehrte sie in ihre indische Heimat zurück, wo sie drei Jahre nach ihrem Mann mit 82 Jahren verstarb.

„Alles was die unendliche Bewegung des Geistes zu hindern, aufzuhalten oder einzuschränken versucht, ist Unwissenheit – gleichgültig, ob sie durch begriffliches Denken, Begierden oder Verhaftungen verursacht wird. Ruhe aber bedeutet nicht Stillstand, sie bedeutet nicht das Anhalten des Denkens, sondern besteht in der Nicht-Behinderung des Bewussseinsstroms durch künstliche Begriffe und selbstisches Wollen oder durch Unterbrechung des natürlichen Flusses durch Sezierung seiner Bewegungen in isolierte Phasen, in dem zwecklosen Versuch, seine Natur zu analysieren. Dies soll nicht bedeuten, dass wir alles begriffliche Denken aufgeben sollen – was eine Unmöglichkeit ist – sondern nur dass wir uns nicht in ihm verstricken, nicht zu seinem Sklaven werden sollen“.

Es gibt zahllose Veröffentlichungen über Tibet – aber kein anderes Buch reicht an Lama Govindas autobiographisches Meisterwerk „Der Weg der weißen Wolken“ heran.

der weg der weissen wolken ropersDas Buch ist seit den 1980-er Jahren immer wieder neu aufgelegt worden. Ursprünglich im Scherz Verlag, später im O.W. Bartth Verlag – 456 Seiten.

Es lässt nicht nur das alte, von den Chinesen zum Teil zerstörte Tibet wiederaufleben, es öffnet vor allem den unverstellten Blick auf die tibetische mystische Tradition und die geistige Größe ihrer herausragenden Lamas.

Als Schüler des legendären Tomo Geshe Rimpoche wird Lama Govinda in die spirituelle Tradition Tibets initiiert und kann, mit dem Segen seines Meisters, die verborgenen mystischen Orte Tibets aufsuchen. Außer Alexandra David-Neel hat kein Abendländer ein solches Wissen aus erster Hand über Tibet sammeln können wie der in Deutschland geborene große Buddhist.

12.01.2023
Roland R. Ropers
Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher, Buchautor und Publizist

www.KARDIOSOPHIE-NETWORK.de


Über Roland R. Ropers

Wandlung ist ein Zeichen des Lebens Roland Ropers 2021

Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.

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Buch Tipp:

cover kardiosophie Roland RopersKardiosophie
Weg-Weiser zur kosmischen Ur-Quelle

von Roland R. Ropers und
Andrea Fessmann, Dorothea J. May, Dr. med. Christiane May-Ropers, Helga Simon-Wagenbach, Prof. Dr. phil. Irmela Neu

Die intellektuelle Kopflastigkeit, die über Jahrhunderte mit dem Begriff des französischen Philosophen René Descartes (1596 – 1650) „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) verbunden war, erfordert für den Menschen der Zukunft eine neue Ausrichtung auf die Kraft und Weisheit des Herzens, die mit dem von Roland R. Ropers in die Welt gebrachten Wortes „KARDIOSOPHIE“ verbunden ist. Bereits Antoine de Saint-Exupéry beglückte uns mit seiner Erkenntnis: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Der Autor und die sechs Co-Autorinnen beleuchten aus ihrem individuellen Erfahrungsreichtum die Vielfalt von Wissen und Weisheit aus dem Großraum des Herzens.

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