Wasser und Wickel – In der Tradition von Sebastian Kneipp 

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Wasser und Wickel – In der Tradition von Sebastian Kneipp 

Wickel und Auflagen gehören zu den ältesten Heilverfahren der Menschheit. Schon in der Medizin der Antike, bei Hippokrates (460-375 v. Chr.), waren sie wichtiger Bestandteil der Wasser- und Kräuterheilkunde. Die Anwendung bis in die heutige Zeit spricht für ihre Wirksamkeit.

Geschichte der Wickel

Die moderne Wassertherapie begann im 18. Jahrhundert mit den Ärzten Johann und Siegmund Hahn (“Wasserhähne”) und wurde im 19. Jahrhundert von Prießnitz weiterent­wickelt. Viele der heute gebräuchlichen Wickel beruhen auf seiner Entwicklung, z.B. die kal­ten Ganz- und Teilwickel. Ebenfalls um diese Zeit entdeckte der Pfarrer Johann Sebastian Kneipp (1821 – 1897) die Heilkräfte des Wassers.

Er systematisierte die Wirkungen und Indikationen der verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten und kombi­nierte die Wassertherapie (Hydrotherapie) mit verschiedenen Naturheilmitteln und Zusätzen, z.B. Wickel und Auflagen mit Pflanzen, Lehm und Quark. Dem „Wasserdoktor”, wie Kneipp auch genannt wurde, ist es zu ver­danken, dass die Wassertherapie heute in der Medizin allgemein anerkannt und inte­griert ist.

„Wie jeder Wickel seinen eigenen Namen trägt, so hat er auch seine eigene Wirkung, und wie die Wickel ganz verschieden voneinander sind, so sind auch ihre Wirkungen verschie­den. Doch darin stimmen alle überein, daß sie auflösen, die kranken Stoffe selber aufneh­men, ausleiten und so die Natur verbessern.”
Aus: Sebastian Kneipp, „Meine Wasserkur”

Die Begriffe “Wickel” und „Auflagen” werden in der Praxis nicht streng getrennt bzw. häufig gar nicht unterschieden. Allgemein gilt die Definition:
Wickel werden zirkulär angelegt, d.h. sie umgeben den gesamten Körperteil. Ein klas­si­scher Wickel besteht aus einem Innentuch (grober Leinen), einem Zwischentuch (Baumwolle) und einem Außentuch (Wolle oder Flanell).
Auflagen: Sie umschließen nicht den ganzen Körperteil, sondern liegen nur einseitig bzw. teilweise auf. Dazu gehören auch Kompressen, die nur kleine Stellen bedecken, z.B. Gelenkkompressen.

Allgemeine Hinweise

Das nasse Innentuch liegt unmittelbar dem Körper an, die anderen Tücher werden trocken darüber gelegt. Das Zwischentuch hat die Aufgabe, eine langsame und gleichmäßige Abdunstung zu erzie­len. Es ist stets etwas breiter als das Außentuch, damit die Wolle nicht unmittelbar auf der Haut liegt (der direkte Kontakt ist mitunter unangenehm). Wolle lässt sich nur schlecht von Schweiß und anderen Stoffen reinigen, sie sollte daher nicht direkt auf dem nassen Tuch liegen.
Beim Anlegen der Wickel soll die Zimmertemperatur etwa 20 Grad betragen, die Fenster müssen geschlossen sein. Größere Wickel sollten nicht nach dem Essen verabreicht werden.

Wie wirken Wickel?

Die Heilwirkung der Wassertherapie, und damit auch der Wickel, beruht vor allem auf einem Wärme- oder Kältereiz. Da die Leitungsfähigkeit des Wassers wesentlich größer ist als die der Luft, leitet die feuchte Haut Temperaturreize bes­ser als die trockene.

Bei (größeren) Wickeln und Auflagen bleibt die Wirkung der Wickel nicht auf den Ort der Behandlung beschränkt, sondern setzt sich im gesamten Organismus fort. Beeinflusst wer­den Kreislauf- und Nervensystem, Stoffwechsel und das Immunsystem. Wichtig ist auch die Schmerzlinderung. Die Heilwirkung der Wickel und Auflagen beruht auf mehreren Faktoren:

Beeinflussung der Durchblutung

Heiße Anwendungen führen dem Körper passiv Wärme zu. Sie wirken beruhigend, ent­krampfend und durchblutungsfördernd.

Kalte Anwendungen wirken anregend auf Kreislauf und Stoffwechsel. Zunächst kommt es zu einer Steigerung des Sympathikotonus mit einer Gefäßverengung und einer leichten Blutdrucksteigerung sowie einer Beschleunigung der Atmung. Diese geht nach etwa 5 Minuten in einen erhöhten Vagotonus über, d.h. in die Erholungsphase. Es kommt zu einer reaktiven Durchblutungssteigerung, zur Muskelentspannung im Bereich des Bewegungsapparates sowie der inneren Organe. Es schließt sich eine aktive, körpereigene Wärmewirkung an, so dass man sogar evtl. zu schwitzen beginnt.

Kurzzeitige Kälteanwendungen führen zum Wärmeentzug, z.B. Wadenwickel bei Fieber. Die Wickel müssen ausreichend feucht sein, sodass durch die entstehende Verdunstungskälte dem Körper Wärme entzogen wird. Das Wasser sollte nicht zu kalt sein, maximal 10 Grad unter der Körpertemperatur. Bei längerer Anwendung wird dagegen eine Wärmeentwicklung als Eigenleistung des Körpers angestrebt, z.B. kalter Lendenwickel bei chronischer Obstipation (Verstopfung).

Intensive Kälte, die länger einwirkt, ruft einen gefäßverengenden Effekt hervor, z.B. Eisbeutel, cold packs, Eiswasserkompressen, z.B. bei akuter Gelenkschwellung nach Verletzungen, Verstauchungen, Entzündungen, Blutergüssen, nach Operationen usw. Alternativ mit Quark oder Zitrone.

Reflektorische Beeinflussung innerer Organe

Die Hautreize ge­langen nach Umschaltung im Rückenmark zu vegetativen Neuronen, die den Tonus der glatten Muskulatur im betreffenden Organ verändern. Über diesen kuti-vis­zeralen Reflexbogen ist es mög­lich, Einfluss auf die Funktion innerer Organe zu nehmen.

Ausleitende Wirkung

Über die Temperaturreizwirkung der Wickel kommt es zu einer verstärkten Durchblutung im betroffenen Gebiet und einer ver­mehrten Ausscheidung von Toxinen. Besonders effektiv ist diese Ausscheidung bei Zusätzen, die Toxine und Stoffwechselendprodukte bin­den, wie z.B. Quark oder Kohl.

Grundregeln bei der Anwendung

1. Auswahl der geeigneten Wassertemperatur:

  • kalt: bis 18 Grad
  • warm: 36 bis 38 Grad
  • heiß: 39 bis 41 Grad

2. Bei Entzündungen und akuten Erkrankungen sind eher Kaltreize angezeigt, bei chronischen Erkrankungen sind dagegen Warmreize günstiger. Dabei kann man sich auch von seinem Gefühl leiten lassen, ob eher Kälte oder Wärme vertragen ist. Als Probe kann man auch eine warme und eine kalte Hand auf die betroffene Stelle legen.

3. Kalte Anwendungen werden grundsätzlich nur auf warmer Haut vorgenommen! Sind die Füße kalt oder ist der Körper nicht ausreichend warm, muss zunächst für eine Erwärmung gesorgt werden, z.B. durch aktive Bewegung oder warmes Wasser.
Je weiter die Temperatur der Anwendung von der normalen Körpertemperatur abweicht, desto stärker ist der Reiz. Auch die Dauer der Anwendung entscheidet über die Intensität.

5. Die Auswahl der Anwendungen richtet sich nach der Konstitution: Asthenische Menschen bevorzugen eher warme Anwendungen, während Plethoriker kalte Anwendungen meist sehr gut vertragen.

6. Nach jeder Anwendung sollte für ausreichend Ruhe und eine Wiedererwärmung des Körpers gesorgt werden. Fühlt man sich nach der Anwendung wohl, so ist dies ein si­cherer Hinweis dafür, dass der passende Wickel ausgewählt wurde: wohltuende, entspan­nende Wärme oder entlastende Kühlung, individuell dosiert nach den Beschwerden und der Konstitution.

Beispiele für einfache Anwendungen

Ansteigendes Fußbad
Ein ansteigendes Fußbad wirkt manchmal wahre Wunder: Schüssel oder Fußwanne mit warmem Wasser füllen. Die Anfangstemperatur liegt bei etwa 35 °C und wird innerhalb von 20 Minuten durch zufließendes Wasser auf 40 bis 42 °C gesteigert. Anschließend abtrocknen. Nicht anwenden bei Venenerkrankungen!
Einsatzgebiete: chronisch kalte Füße, drohende Erkältung, Kopfschmerzen.

Ansteigendes Armbad
Ein ansteigendes Armbad (von 35 °C auf 40 bis 42 °C innerhalb von 15 Minuten) bewirkt eine reflektorische Gefäßerweiterung und Kreislaufentlastung. Diese Anwendung hilft auch bei Erkältungskopfschmerz, weil sie den Schleim löst.

Die Leber mit Wärme verwöhnen
Eine feucht-warme Leberauflage fördert auf reflektorischem Wege die Funktion und Durchblutung der Leber: Dazu einen Waschlappen in heißes Wasser tauchen, auf die Lebergegend legen, mit einem Handtuch abdecken und eine Wärmeflasche darauf legen. Solange belassen, wie es angenehm ist.
Tipp: Abends angewendet, wirkt der Leberwickel schlaffördernd.

22.12.2022
Maria Lohmann
https://www.maria-lohmann.de/

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Ihre Leidenschaft für Naturheilkunde, traditionelle Heilverfahren und gesunde Ernährung hat sie zum Beruf gemacht. Seit 1992 ist sie Heilpraktikerin, Medizinjournalistin und Autorin zahlreicher Veröffentlichungen und Bücher.
Einer der inhaltlichen Schwerpunkte von Maria Lohmann ist die Ernährungstherapie, insbesondere der Säure-Basen-Haushalt.
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