„Weise des Ostens als Zeugen der Wahrheit“ – Tomáš Halík
Der tschechische Theologieprofessor, Psychologe, Soziologe und katholische Priester Tomáš Halík (geb. 1. Juni 1948 in Prag) erhielt im Frühjahr 2014 den mit umgerechnet 1,3 Millionen Euro dotierten TEMPLETON PRIZE für seinen Einsatz für Religionsfreiheit im kommunistischen Regime in seinem Heimatland und wurde für sein Engagement für den Dialog zwischen verschiedenen Religionen und mit Nichtgläubigen geehrt.
Der TEMPLETON PRIZE ist eine der am höchsten dotierten Auszeichnungen für Einzelpersonen weltweit. Bisherige Preisträger waren u.a. Desmond Tutu, der XIV. Dalai Lama, Mother Teresa, Frère Roger von Taizé, König Abdullah II. von Jordanien. Im Jahr 2021 erhielt die englische Verhaltensforscherin Jane Goodall die Auszeichnung; sie wird 88 Jahre alt im April 2022.
Mit dem TEMPLETON PRIZE werden Persönlichkeiten geehrt, die durch ihre beispielhaften Leistungen die philanthropische Vision von Sir John Templeton (1912 – 2008) fördern: die Kraft der Wissenschaften zu nutzen, um die tiefsten Fragen des Universums und den Platz und Zweck der Menschheit darin zu erforschen. Im Oktober 1995 hatten wir Sir John auf den Bahamas besucht und ihm das Buch „UNIVERSAL WISDOM“ von Bede Griffiths persönlich überreicht. Im März 2004 kam sein letzter Gruß mit einer persönlichen Widmung.
Professor Halík zählt zu den bekanntesten katholischen Intellektuellen in Mittel- und Osteuropa.
Er war ein enger Vertrauter des ehemaligen tschechischen Präsidenten Václav Havel sowie des langjährigen Prager Erzbischofs František Kardinal Tomášek und genießt in der deutlich atheistisch geprägten tschechischen Gesellschaft hohes Ansehen. Er lehrt an der Karls-Universität in Prag und nimmt regelmäßig zu politischen und ethischen Fragen Stellung. Vor allem ermutigt er die Tschechen zu mehr gesellschaftlicher und politischer Mitbestimmung und einer ernsthaften Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit. Zudem setzt er sich seit langem für den weltweiten Dialog zwischen den Religionen ein. Im Jahr 2001 war er Gastprofessor in Oxford, 2003 in Cambridge. 2010 erhielt er den „Romano-Guardini-Preis“.
Tomáš Halík wuchs in einem liberal-intellektuellen Elternhaus auf.
Zur Kirche kam er erst nach seinem Ausschluss aus dem Wissenschaftsbetrieb durch die Kommunisten 1972. Er studierte im Geheimen Theologie und wurde 1978 in Erfurt (ehemals DDR) zum Priester geweiht. Elf Jahre lang arbeitete er im Zivilberuf als Psychotherapeut für Alkohol- und Rauschgiftsüchtige. Als Untergrundpriester hielt er geheime Seminare ab. Zu seinem Dissidenten-Zirkel gehörten auch führend die Brüder Havel. Zeitweilig lebte Tomáš Halík in einem buddhistischen Kloster in Indien und hielt Vorträge in den USA.
„Meine Asien-Reisen führten mich nach Thailand, nach Taiwan, nach Indien, nach Burma und zweimal nach Japan. Nach Hiroshima kam ich am 5. August 1998, am Vorabend des Jahrestags des Atomabwurfs am 6. August 1945. Am Abend konzelebrierte ich in der von Jesuitenpater und ZEN-Meister H.M. Enomiya-Lassalle (1898 – 1990) erbauten Weltfriedenskirche gemeinsam mit allen japanischen Bischöfen sowie vielen Priestern aus der ganzen Welt ein Requiem für die Opfer der Atombombenexplosion.
Ich führte anschließend eine Diskussion mit meinen Freunden, den buddhistischen Mönchen vom Berge Hiei, die sich bis in die frühen Morgenstunden hinzog. Unsere Gespräche kreisten um die Auffassung vom Leiden in der christlichen Kreuzestheologie und in Buddhas Erlösungslehre sowie das Verhältnis zur Natur in beiden geistlichen Traditionen. Wir erinnerten uns an die Worte von Pater Enomiya-Lassalle, die er 88-jährig in Tokio verfasst hatte:
Wir, die wir jetzt in dieser Welt leben, sollten bereit sein,
das zu erleiden, was erlitten werden muss, bis die Menschheit reif ist für den vollen Durchbruch des neuen Bewusstseins, das eine glücklichere Menschheit hervorbringt.’
Die Jesuiten in den berühmten asiatischen Missionen zögerten nicht, Konfuzius und andere Weise des Ostens als Zeugen der Wahrheit anzunehmen und verhalten sich gegen-über den örtlichen geistigen Traditionen noch entgegenkommender als Paulus zum ‚Altar des unbekannten Gottes’ auf dem Areopag in Athen. Christus im Dialog der Kulturen und Spiritualität – das ist bei weitem keine verrückte Neuheit der Postmoderne und Globalisierung, sondern das Vermächtnis der gesamten katholischen Tradition – katholisch im tiefsten Sinne des Wortes.
Als ob ich gehört hätte: Tritt tiefer ein in die Wolke des verwandelnden Geheimnisses, nimm am Gespräch geistiger Traditionen teil, hilf einen Raum für diesen Dialog zu schaffen und zu bewahren. Ich reihte mich ein in die bunte Menge von Buddhisten, Christen, Shintoisten, Hindus, Juden und Muslimen, die zu dem Ort strömten, wohin vor 53 Jahren die mörderische Bombe gefallen war, um gemeinsam für die Welt zu beten…“
Ursprünglich sollte Albert Schweitzer (1875 – 1965) die Orgel der Weltfriedenskirche in Hiroshima feierlich einweihen.
Glücklicherweise war der große deutsche Pianist (auch Organist und Komponist) Wilhelm Kempff (1895 – 1991) bereit, das Konzert zu übernehmen. Im November 1954 kam er nach diversen Japan-Konzerten nach Hiroshima, wo der Jesuit Professor Dr. Hugo Makibi-Enomiya Lassalle am 11.11. 1954 seinen 56. Geburtstag feierte. Pater Enomiya-Lassalle lehrte damals Religionsphilosophie an der „Elisabeth University of Music“ in Hiroshima.
„Mein Weg durch Japan“, so Tomáš Halík, „führte mich an einige weitere bemerkenswerte Orte, zu den Klöstern auf dem Berg Koya, in die ‚Bäder des göttlichen Drachens’, nach Nara, nach Kyoto, nach Kamakura und Tokio und endete mit dem nächtlichen Aufstieg auf den Vulkan Fuji. Jene dringliche innere Aufforderung aus Hiroshima, mich dem Dialog zwischen den Religionen und unterschiedlichen Kulturen zu widmen, hat mich nie wieder verlassen.“
Wenn wir das Erbe herausragender spiritueller Meister und Mystiker ernst nehmen,
Andere Beiträge von Roland Ropers
„Die Zeugen der Wahrheit bezeugen vor allem, dass die Wahrheit in dieser Welt unterliegt. Die Zeugen der Wahrheit sind unter den Besiegten, unter den Opfern, unter denen, die verlieren – und sie verlieren am Ende das Allerwertvollste, ihr eigenes Leben. Bereits Pilatus fragte zynisch: ‚Wahrheit? Was ist das?’ Ich habe oft gesagt und geschrieben, dass sich mit der Wahrheit zu identifizieren und sich als Besitzer der Wahrheit auszugeben, dieselbe Sünde ist, wie sich gar nicht mehr um die Wahrheit zu kümmern und ins Lager der Zyniker überzulaufen.
Wer beginnt, die Wahrheit für sein Eigentum zu halten, statt sie als sein Anliegen zu betrachten, der hat schon jeden Kampf mit der zynischen Politik der Macht im Vornhinein verloren, nicht nur physisch und politisch, sondern vor allem moralisch.
Die Wahrheit ist ein Buch, das noch niemand von uns zu Ende gelesen hat. Den Kampf mit Lüge und Hass, mit Dummheit und Bosheit, mit Korruption und Gewalt können wir wohl niemals endgültig gewinnen. Aber niemals, bis zum letzten Atemzug, dürfen wir ihn aufgeben.“
Zitate aus dem Buch: „Alle meine Wege sind Dir vertraut – von der Untergrundkirche ins Labyrinth der Freiheit“ HERDER-Verlag 2014
17.03.2022
Roland R. Ropers
Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher, Buchautor und Publizist
www.KARDIOSOPHIE-NETWORK.de
Über Roland R. Ropers
Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.
>>> zum Autorenprofil
Buch Tipp:
Kardiosophie
Weg-Weiser zur kosmischen Ur-Quelle
von Roland R. Ropers und
Andrea Fessmann, Dorothea J. May, Dr. med. Christiane May-Ropers, Helga Simon-Wagenbach, Prof. Dr. phil. Irmela Neu
Die intellektuelle Kopflastigkeit, die über Jahrhunderte mit dem Begriff des französischen Philosophen René Descartes (1596 – 1650) „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) verbunden war, erfordert für den Menschen der Zukunft eine neue Ausrichtung auf die Kraft und Weisheit des Herzens, die mit dem von Roland R. Ropers in die Welt gebrachten Wortes „KARDIOSOPHIE“ verbunden ist. Bereits Antoine de Saint-Exupéry beglückte uns mit seiner Erkenntnis: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Der Autor und die sechs Co-Autorinnen beleuchten aus ihrem individuellen Erfahrungsreichtum die Vielfalt von Wissen und Weisheit aus dem Großraum des Herzens.
> Jetzt ansehen und bestellen <<<
Hinterlasse jetzt einen Kommentar