Frauen suchen Kooperation statt Konkurrenz

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Frauen suchen Kooperation statt Konkurrenz frauen lachen Kommunikation peopleFrauen suchen Kooperation statt Konkurrenz – Wie Frauen in die Fülle finden

„Ich komme zu dir, weil du meine größte Konkurrentin bist.“ Mit diesen Worten stellte sich Johanna in meinem Frauentraining vor. Sie fügte noch hinzu: „Ich möchte in Zukunft Seminare für Frauen anbieten, so wie du. Meine Marketing-Beraterin hat mir empfohlen, vorab eine Konkurrenzanalyse zu machen. So bin ich auf dich gestoßen.“

Ich war beeindruckt von Johannas frischer Offenheit und Ehrlichkeit. Indem sie so direkt sprach und rundheraus sagte, was ihr eigentliches Motiv war, erlebte ich nicht die Gefühle, die in Konkurrenzsituationen durchaus auftreten können: Ehrgeiz, Ansporn zu Höchstleistungen aber auch: auf der Hut sein, Eifersucht, Neid und Missgunst. „Konkurrenz“ wird oft mit einer Ellbogenmentalität assoziiert. Erfolgsstrategien sollten dringend verborgen und als Geheimnis gehütet werden.

Diese weitverbreitete Meinung geht auf die Annahme zurück, dass es von dem, was wir wollen, zu wenig gibt. Ein Gefühl des Mangels steht dahinter. Die Angst, dass nicht genug für uns übrigbleibt, wenn auch andere ein Stück vom großen Kuchen abbekommen.

Mangel oder Fülle?

Die Erfahrung zeigt mir, dass Frauen und Männer in ganz unterschiedlichen Bereichen einen Mangel erleben. Ebenso versuchen wir auf ganz unterschiedlichen Ebenen in die Fülle zu kommen. Bei uns Frauen beobachte ich den ausgeprägten Wunsch zur Selbstoptimierung. Das Bild von der idealen Frau ist schön, schlank, jugendlich und obendrein noch selbstbewusst. Mit Leichtigkeit verbindet sie Kinder, Familie, Haushalt und Karriere. Gelingt ihr das eine oder andere nicht, erlebt sie es meist als persönliches Versagen. Ein Scheitern, von dem viele glauben, es nur mit Selbstoptimierung verhindern oder wettmachen zu können.

Die Schönheitsindustrie lebt schon eine ganz Weile von diesem Irrglauben – und das ganz ausgezeichnet! Sie boomt und der Trend ist weiter steigend. Neben der körperlichen Selbstoptimierung stagniert es dagegen in anderen Bereichen ganz gewaltig.

Jia Tolentino bringt es auf den Punkt:

„Wir wissen noch immer erstaunlich wenig über – mal als Beispiel – hormonelle Verhütungspillen und warum sich so viele der weltweit hundert Millionen Frauen, die sie nehmen, schlecht fühlen. Wir haben weder unser Einkommen noch unser Kinderbetreuungssystem oder unsere politische Repräsentation „optimiert“, in diesen Bereichen erscheint noch nicht einmal die Gleichstellung realistisch, geschweige denn etwas, das man auch nur annähernd Perfektion nennen könnte.“

Hier scheint die Fülle in weiter Ferne. Der Weg dorthin nicht gerade leicht, eher steinig. Erschwerend kommt hinzu, dass es unter Frauen durchaus üblich ist, sich gegenseitig zusätzliche Steine in den Weg zu legen. Sie gehen in die Konkurrenz, anstatt sich gegenseitig den Weg zu ebnen oder ihn gemeinsam zu gehen.

Konkurrenz unter Frauen

Die Konkurrenz unter Frauen unterscheidet sich vom Wettbewerb unter Männern, und sie hat eine lange Tradition. Um ihre Hintergründe zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf unsere Kulturgeschichte:
Frauen haben jahrtausendelang in Verhältnissen gelebt, in denen sie auf den verschiedensten Ebenen einen Mangel erlebt haben: in finanziellen, politischen, kreativen Dingen. Allzu oft war die andere Frau – die klügere, die schönere, die ältere und auch die jüngere – eine Bedrohung für die eigenen Lebenschancen. Sie wurde immer wieder eine Konkurrenz in Bezug auf den Mann, um dessen Gunst sie buhlen musste, um an das heranzukommen, was ihr auf anderem Weg versagt war: Bildung, Macht, Besitz, Kreativität, Erfolg. Dies bewirkte eine Entsolidarisierung unter den Frauen, die bis heute nachwirkt.

In den alten Märchen und Mythen wurde das Motiv der Konkurrenz mit der Frage an den Spiegel aufgegriffen: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“
Hier ging es nicht nur um schnöde Eitelkeit, sondern oftmals hing von der Antwort die Verwirklichung der eigenen Lebensträume und nicht selten sogar das Überleben ab.

Konkurrenz unter Männern

Männer konkurrieren natürlich auch, doch haben sie eine ganz andere Tradition in gegenseitiger Unterstützung und Solidarität über alle Kontroversen und Grenzen hinweg. Oft teilen sie in Männerrunden ihre Erfolgsgeheimnisse. Sie versuchen eher dem anderen zu imponieren und stellen immer wieder die Frage nach der Position des Alphatiers. Doch sie bilden auch Seilschaften, schanzen einander Vorteile zu, schaffen Win-win-Situationen und protegieren sich in vielerlei Hinsicht. Sie verurteilen einander nicht so leicht, werten sich nicht gegenseitig in dem Maße ab, wie Frauen es mitunter tun, zollen sich gegenseitig häufig größeren Respekt. So gelingt es vielen Männern, Macht und Geld unter sich aufzuteilen, während so manche Frau ihre Energie damit verschwendet, eine Nebenbuhlerin außer Gefecht zu setzen und letztlich mit leeren Händen dasteht.

Kooperation statt Konkurrenz

Zurück zu Johanna und mir. Wir beide haben uns bewusst gegen die Konkurrenz und für die Kooperation entschieden. Eine Win-Win-Situation, die unser beider Leben bereichert. Wir gehen beide davon aus, dass es genug für alle gibt. Gemeinsam gründeten wir die Feminist Coach Academy, in der wir eine Coaching Ausbildung exklusiv für Frauen anbieten – wissenschaftlich fundiert, ganzheitlich und konkret. Ziel dieser Ausbildung ist es, Frauen zu befähigen, andere Frauen auf ihrem Weg zu Glück und Erfolg in allen Lebensbereichen zu begleiten. Hier wird ein Netzwerk unter Frauen geknüpft, gegenseitige Unterstützung geleistet und Persönlichkeitsentwicklung praktiziert.
Wir wollen nicht gegeneinander antreten, sondern miteinander voranschreiten. Und wir wollen Frauen ermutigen, dasselbe zu tun. Dass es dafür tatsächlich Mut braucht, zeigt ein Blick auf unseren Sprachgebrauch.

Karrierefrau und Karrieremann

Ein männliches Pendant zu dem Wort „Karrierefrau“ gibt es nicht. Der „Karrieremann“ existiert nicht, da die Karriere seit jeher den Männern vorbehalten war. Wenn Frauen heute nach Karriere und Erfolg greifen, dann wird auch heute noch kritisch hinterfragt: Kommen dann nicht die Kinder, der Mann und die pflegebedürftigen Eltern zu kurz? Wie schafft sie das, alles unter einen Hut zu bekommen? Sind da nicht zu viel Egoismus und Härte im Spiel? Kann diese Frau überhaupt fürsorglich, weiblich, herzlich sein? Kann sie für den Mann begehrenswert und hingebungsvolle Geliebte sein?
Erfolgreiche Frauen müssen sich diese Fragen gefallen lassen, während ein Mann durch Erfolg uneingeschränkte Wertschätzung erfährt – von Männern wie von Frauen.

Frauen auf dem Weg zur Fülle

Auf dem Weg zu Fülle und Erfolg glauben wir an eine neue Solidarität und Kooperation unter Frauen, sowie eine tiefgreifende Beobachtung der eigenen Denk- und Handlungsimpulse, um ein neues Verständnis von sich als Frau und als Mann zu entwickeln. Wenn wir über zu eng gewordene Rollenklischees hinauszuwachsen und Erfolg neu definieren, dann profitieren auch Männer davon.

Wenn Frauen sich zusammenschließen, ihre unterschiedlichen Qualitäten und Talente zusammenführen, können sie gemeinsam neue Wege in der Gesellschaft, der Geschäftswelt und in der der Liebe gehen. Dann kann verbissene Konkurrenz einem freudvollen Miteinander weichen. Dann können aus Rivalinnen Freundinnen werden. Dann können Frauen es wagen, nicht nur nach Erfolg, sondern nach den Sternen zu greifen.

10.08.2021
Sabine Groth
www.sabine-groth.com


neue-Erde-Sabine-GrothSabine Groth
ist Lehrerin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Autorin, Lehrtherapeutin, Paartherapeutin, Leiterin von Frauen- und Paarseminaren, Expertin für Gender Identität

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