Mentale Modelle versus Realität
Oftmals unterscheiden Menschen nicht zwischen einem mentalen Modell der Realität und der Realität selbst. Zum Beispiel ist eine Person von diesem und jenem überzeugt. Ich frage sie dann: Ist das Realität oder denken Sie über die Realität nach?
Wir sollten das herausfinden und nicht die Realität mit dem Denken über sie verwechseln. Das sind verschiedene Dinge. Gedanken über die Realität sind immer ein unzureichendes Bild der Welt, eine unzureichende Beschreibung. Alles, was wir denken, sind nur Gedanken über die Realität. Sie selbst sieht anders aus.
Realität liegt jenseits der Gedanken
Wir kennen die Realität erst, wenn wir wissen, was jenseits der Gedanken liegt. Die Realität ist den Heiligen bekannt, den Göttern, die über die Gedanken hinausgedrungen sind. Wenn wir mit diskreter Logik operieren, einfach bestimmte Schemen und Konzepte aufbauen, dann ist das nicht die Realität. Das sind Gedanken darüber. Wenn wir mit einem so primitiven System wie dem Denken über die Realität als Sichtweise arbeiten, können wir die Realität natürlich weder erkennen noch kontrollieren.
Diese diskrete Logik bildet einfach das Ego (Ahamkara) heraus. Warum sagt man immer wieder, man würde nicht-konzeptuelles Bewusstsein benötigen und müsse konzeptionelles Denken überwinden? Es geht darum, die diskrete Logik, den dualen Schwarz-Weiß-Denkansatz zu überwinden und zur unscharfen Logik, der Sattarka-Logik als einer höheren Ebene überzugehen.
Gedanken als Spiele der natürlichen Bewusstheit
Wenn wir kontemplieren und im meditativen Zustand sind, bedeutet das nicht, dass wir unseren Geist und unsere Gedanken überhaupt nicht nutzen sollten. Die Gedankenenergie ist sehr stark und wir können den Geist überhaupt nicht blockieren. Das bedeutet, dass wir zu einem anderen Denksystem übergehen. In diesem Denksystem ist der Beobachter, also das Bewusstsein, und zwar das natürliche kontemplative Bewusstsein das Wichtigste. Gedanken werden hier als ein Spiel der Energien dieser natürlichen Bewusstheit gesehen. Anders als im Rahmen des Systems der diskreten Logik, entsteht nun zwischen der natürlichen Bewusstheit und den Gedanken eine Beziehung, so wie zwischen einem König und einem Diener oder Minister.
In den spirituellen Traditionen sind die Meister oft so vorgegangen, dass sie die Konzeptualisierung des Geistes der Schüler zerstörten. Was tut ein Zen-Meister, wenn er einem Schüler eine Frage stellt oder ihn mit einem Stab schlägt? Er versucht, ihn aus der Logik des diskreten Geistes herauszureißen und sein Denken auf die Sattarka-Logik zu übertragen. Denn wenn er mit einem diskreten Geist meditiert, wird er keine Erleuchtung erlangen und die Realität nicht verstehen.
Mentale Konstruktionen durchbrechen
Als Tilopa Naropa (beide waren buddhistische Heilige und Siddhas) dazu ermutigte, verschiedene scheinbar verrückte Dinge zu tun, half er Naropa, sich von der diskreten Logik zu befreien, obwohl Naropa selbst ein berühmter Weiser und Kenner der Schriften war. Er war Wissenschaftler, ein großer Meister der diskreten Logik.
Als ein Novize zu einem christlichen Ältesten kam, gab der ihm eine Matte und sagte: „Hier ist eine Matte für dich, zerreiße sie.“ Als er sie zerriss, sagte der Älteste: „Jetzt nähe sie zusammen.“ – „Warum?“ – „Später wirst du es verstehen.“
Aus der Sicht der diskreten Logik liegt darin keine Rationalität, es ist bedeutungslos. Aus der Sicht der Sattarka-Logik stellt dies eine Leistung dar, um durch Demut und Gehorsam oder durch die Trennung von der üblichen Denkweise aus dem konzeptionellen Denken herauskommen.
Diskrete Logik ist der Denkapparat von Menschen ohne kreatives Denken. Wer sich selbst nicht vertraut, spürt sein höheres Selbst nicht, da er vom Universum getrennt ist. Die diskrete Logik schneidet das nicht konzeptuelle Bewusstsein, das „Ich bin“-Gefühl, vollständig ab. Sie betrachtet es überhaupt nicht als Teilnehmer am Denkprozess. Manchmal kann ein Wissenschaftler gute Theorien entwickeln. Aber er stolpert sofort, wenn man ihn fragt: „Wie wäre es, den zu verstehen, der denkt?“ Er sagt dann, dass dies unmöglich sei, weil sein kognitiver Apparat stark eingeschränkt ist….
06.08.2024
Swami Vishnudevananda Giri
https://de.advayta.org
Lust auf mehr?
Mehr zum Thema gibt es in den Büchern „Laya Yoga“, „Shakti Yantra“, „Kundalini Yoga“, „Leben in der Multirealität“, „Nada und Jyoti Yoga“ und „Leben in Gott“ von Swami Vishnudevananda Giri
Mehr über den Meister und die Lehre: https://de.advayta.org
Leben in der Multirealität: Parasattarka Logik
von Swami Vishnudevananda Giri
Leben in der Multirealität – „Ich denke, also bin ich.“ – Dieses Lebensgefühl ist den meisten Menschen eigen. Die alten vedischen Schriften sagen jedoch, dass Denken eine Art künstliches Leben darstellt. Die wirkliche Existenz und die Präsenz des Bewusstseins sind keine Denkprozesse, sondern jenseits des Verstandes in der Natur des Geistes verankert.
Mehr erfahren
Swami Vishnudevananda Giri (Swami Vishnudev) ist ein spiritueller Lehrer in den Traditionen des Advaita Vedanta und des Yogas, ein Sadhu, ein realisierter Meister und Jnani in der Linie des Advaita Vedanta, Philosoph, Theologe und Schriftsteller. Er stammt aus der yogischen Tradition des Sahajayana, des natürlichen Weges der Siddhas, er ist Linienhalter einiger Übertragungslinien des Yogas der Siddhas und spiritueller Meister für viele Schüler in Ost- und Westeuropa, den USA und Indien. Er wurde 1967 in der Ukraine geboren.
Seine spirituelle Praxis und Meditation begannen im Alter von 6 Jahren von selbst, indem er sich intuitiv auf Erinnerungen aus der Vergangenheit stützte. Er hat den Sanatana Dharma als seinen religiösen Weg im Alter von 19 Jahren angenommen. Er absolvierte einige intensive Retreats, deren längstes fast 3 Jahre andauerte. Als Resultat dieses letzten Retreats in den Jahren 1993-1995 erreichte er Samadhi und Realisation.
https://de.advayta.org
Hinterlasse jetzt einen Kommentar