
Instrumentalisierung heute: warum wir leicht steuerbar sind
Zwischen Sinnsuche, Fremdbestimmung und spirituellem Erwachen
“Wo der Sinn verloren geht, gewinnt das System die Oberhand.” – Viktor Frankl
Spiritualität beginnt oft mit der Frage: Wer bin ich wirklich – jenseits von Rollen, Erwartungen und gesellschaftlichen Prägungen? Diese essentielle Suche kollidiert heute mit einer Wirklichkeit, in der Menschen, Gruppen und ganze Gesellschaften zunehmend instrumentalisiert werden – durch Medien, Politik, Technologie und wirtschaftliche Interessen. Dabei geht es nicht einfach um plumpe Manipulation, sondern um etwas Tieferes: Die Umnutzung von Menschen und Ideen für fremde Zwecke – oft unter dem Deckmantel von Moral, Sicherheit oder Fortschritt.
Was viele nicht erkennen: Instrumentalisierung ist subtil, systemisch und wirkt auch dann, wenn Menschen glauben, frei zu handeln. In einer Welt, in der spirituelle Werte wie Bewusstsein, Wahrheit und Integrität oft hinter Nützlichkeitsdenken zurücktreten, wird es umso wichtiger, diesen Mechanismus zu verstehen. Denn nur wer erkennt, wofür er benutzt wird, kann sich selbst wieder in den Mittelpunkt stellen.
Instrumentalisierung vs. Manipulation – ein notwendiger Unterschied
Der Begriff “Manipulation” ist geläufig – wir denken an emotionale Beeinflussung, versteckte Botschaften oder gezielte Desinformation. Doch Instrumentalisierung geht weiter: Sie beschreibt nicht nur die Beeinflussung, sondern die systematische Umnutzung von Individuen, Gruppen oder sogar ganzen gesellschaftlichen Ideen für fremde Interessen.
Beispiel Manipulation: Eine Werbung vermittelt unterschwellig, dass du ohne ein bestimmtes Produkt nicht attraktiv bist.
Beispiel Instrumentalisierung: Eine gesellschaftliche Bewegung – z. B. Klimaschutz – wird von politischen oder wirtschaftlichen Akteuren gezielt als Vehikel benutzt, um eigene Ziele zu verfolgen (z. B. Marktverdrängung, Kontrolle über Verhalten).
Zentrale Unterscheidung:
Manipulation verändert dein Denken – Instrumentalisierung verändert deine Funktion im System.
Warum wir heute so leicht instrumentalisiert werden
1. Verlust innerer Orientierung: Spiritualität als Antidot
In einer Zeit, in der traditionelle Glaubenssysteme bröckeln und materielle Werte dominieren, fehlt vielen Menschen eine tiefe innere Verankerung. Ohne Sinn, Selbstreflexion und seelisches Fundament wird der Mensch zum leichten Ziel – weil er im Außen sucht, was nur im Inneren zu finden ist. Spirituelle Praxis, bewusstes Leben und Selbstwahrnehmung sind deshalb nicht „esoterische Luxusgüter“, sondern essentielle Schutzfaktoren gegen Fremdbestimmung.
2. Die Systemlogik der Nützlichkeit
Unsere Gesellschaft ist durchzogen von einem Effizienz- und Verwertungsdenken, das Menschen nach ihrer ökonomischen Funktion bewertet. Bildung dient der Verwertbarkeit, soziale Medien der Aufmerksamkeitsökonomie, Gesundheitssysteme der Produktivität. Wer nicht nützt, fällt durchs Raster – oder wird durch „Narrative“ wieder funktional gemacht. Spiritualität stellt diese Logik radikal infrage.
“Der Mensch ist kein Mittel zum Zweck.” – Immanuel Kant
3. Algorithmen als neue Instrumentalisierer
Was früher politische Propaganda war, übernehmen heute lernende Maschinen. Die KI entscheidet, was du siehst, fühlst, kaufst – oder wählst. Der Mensch wird zur Spielfigur im Attention Game. Wer sich damit identifiziert, lebt ein Leben im Rahmen fremder Interessen.
Studie: Die Universität Stanford fand heraus, dass emotionale, vereinfachte Inhalte bis zu 7-mal häufiger auf Social Media geteilt werden – ein ideales Umfeld für instrumentalisierbare Massendynamiken.
4. Gesellschaftliche Bewegungen als Werkzeuge
Viele ursprünglich idealistische Bewegungen (Fridays for Future, #MeToo, Black Lives Matter) werden früher oder später Teil eines größeren Spiels: Parteien springen auf, Medien formen Narrative, Konzerne betreiben Greenwashing. Die eigentliche Botschaft geht oft verloren – was bleibt, ist Funktionalität.
5. Politische Instrumentalisierung durch Angst
Ob Pandemie, Inflation, Migration oder Krieg – viele politische Maßnahmen basieren auf dem Prinzip: Erzeuge Unsicherheit, biete Sicherheit – und gewinne Macht. Die Gesellschaft wird nicht aufgeklärt, sondern verängstigt. Angst lähmt Reflexion und öffnet die Tür für die Übertragung von Verantwortung. Ganze Gesellschaften werden so lenkbar gemacht.
“Dem Volk eine Angst geben, die nur du lösen kannst – das ist politische Instrumentalisierung.” – Hannah Arendt (sinngemäß)
Der kollektive Verlust von Dialog und Ambiguitätstoleranz
Wer nicht mehr zuhört, kann auch nicht erkennen, wie er benutzt wird. Polarisierung, Lagerdenken und digitale Echokammern zerstören das Fundament jeder aufrichtigen Gesellschaft: die Fähigkeit, komplexe Positionen zu halten, Fragen offen zu lassen und mit Unsicherheit zu leben. In diesem Vakuum gedeiht Instrumentalisierung besonders gut.
Beispiel: Ob links oder rechts – wer radikal denkt, glaubt, sich selbst zu vertreten. Tatsächlich reproduziert er oft nur Narrative, die systematisch gefüttert wurden. Die eigene Meinung ist dann nicht mehr Ausdruck von Freiheit, sondern Resultat von Steuerung.
Der spirituelle Weg als Weg der Ent-Instrumentalisierung
Wahre Spiritualität hat nichts mit Weltflucht zu tun. Im Gegenteil: Sie bringt uns radikal zurück zu uns selbst. Wer sich seiner inneren Werte, Wahrnehmungen und Intuition bewusst ist, wird schwerer manipulierbar – und erkennt schneller, wann er funktionalisiert wird.
Was Spiritualität leisten kann:
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Verbindung zu einer höheren Wahrheit jenseits von Ideologien
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Selbstermächtigung und Eigenverantwortung
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Unabhängigkeit vom Außen als Zentrum der Selbstdefinition
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Erhöhte Achtsamkeit für subtile Steuerung
“Nur wer sich selbst kennt, erkennt, wann er fremdgesteuert wird.” – Ram Dass
Fazit: Der Mensch als Zweck – nicht als Werkzeug
Instrumentalisierung ist die große Versuchung moderner Gesellschaften – weil sie Ordnung, Steuerung und Funktionalität verspricht. Doch sie bringt Verlust: an Würde, Freiheit, Spiritualität. Der Mensch wird reduziert auf Wirkung, nicht auf Wesen. Die Antwort liegt in der Rückbesinnung auf das, was ihn ausmacht: Selbst-Bewusstsein, Sinnsuche, innerer Kompass.
Die gute Nachricht: Jeder Mensch kann sich entziehen – durch Reflexion, durch spirituelle Praxis, durch echten Dialog. Die Rückeroberung der Souveränität beginnt im Kleinen – mit einem klaren Nein zur Rolle als Werkzeug. Und einem mutigen Ja zum eigenen Wesenskern.
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Edelman Trust Barometer 2024 – edelman.com
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Stanford Social Neuroscience Lab (2022): Viralität emotionaler Inhalte
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OECD PISA-Studie 2022 – oecd.org
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Welzer, H.: “Die smarte Diktatur” (2016)
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Frankl, V.: “Der Mensch auf der Suche nach Sinn” (1946)
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Ram Dass: “Be Here Now” (1971)
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Arendt, H.: “Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft” (1951)
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Kant, I.: “Grundlegung zur Metaphysik der Sitten” (1785)
10.05.2025
Uwe Taschow
Uwe Taschow
Als Autor denke ich über das Leben nach. Eigene Geschichten sagen mir wer ich bin, aber auch wer ich sein kann. Ich ringe dem Leben Erkenntnisse ab um zu gestalten, Wahrheiten zu erkennen für die es sich lohnt zu schreiben.
Das ist einer der Gründe warum ich als Mitherausgeber des online Magazins Spirit Online arbeite.
“Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.”
Albert Einstein