Moderne Nomaden

Gesicht-Metall-halber-Kopf-face

Aussteigen Gesicht Metall halber Kopf faceAussteigen oder Einsteigen? Einsichten in das Nomadenleben

Viele von uns träumen davon, irgendwie, irgendwann auszusteigen und so dem Alltagstrott zu entkommen. Wir leben diesen Traum in unserer Freizeit oder im Urlaub im kleinen Rahmen aus, aber wie wäre es denn ganz auszusteigen? Alles einfach hinzuschmeissen und beispielsweise nach Indien zu gehen, eben als moderne Nomaden zu leben?

Natürlich denkt man sich meist, dass das ohnehin nicht möglich ist – man muss ja Geld verdienen, sich um die Kinder kümmern, für den Partner da sein,… Aber lass uns für einen Augenblick mal so tun, als ob wir keinerlei Verpflichtungen hätten und auch genügend Geld am Konto. Was dann? Wäre Aussteigen dann das Richtige für uns?

Moderne Nomaden

Ich habe, während ich im Seminarhaus Centro d’Ompio in Italien gearbeitet habe, einige Menschen kennengelernt, die aus dem gemeinhin als „normal“ bezeichnetem Leben ausgestiegen sind. Die Lebens- und Arbeitsmodelle sehen da natürlich von Person zu Person sehr unterschiedlich aus. Manche sind ein halbes Jahr in Indien, kaufen dort Kleidung, Schmuck und ähnliches ein und verkaufen ihre Ware dann in Märkten in Europa. Andere machen Saisonarbeit in Seminarbetrieben (oder sind selber Seminarleiter bzw. Bodyworker) und verbringen die Wintermonate in Asien. Manche leben im Kloster, Ashram oder Tempel – was jedoch meist Geld kostet, also muss man erst recht wieder arbeiten gehen, um sich das zu finanzieren.

Oft haben diese „Aussteiger“ dann keine fixe Wohnung in Europa und auch weniger Besitztümer. Kinder hat man in so einem Fall eher nicht. Und auch für dauerhafte Beziehungen ist das Nomadenleben nicht gut geeignet. Natürlich bringt diese Art des Daseins eine gewisse Freiheit mit sich und auch eine Weltoffenheit, weil man ja viel sieht und erlebt. Von meinen Beobachtungen muss ich jedoch leider berichten, dass die modernen Nomaden meist nicht glücklicher sind, als fix ansässige „Normalbürger“.

Unser Leben hat es nämlich so an sich, dass sich in jede, scheinbar noch so wundervolle Lebenslage, eher früher als später, Probleme einschleichen. Im Endeffekt muss man immer erkennen, dass nicht die äußere Lebenslage für das Glück entscheidend ist, sondern die innere Weltanschauung. Wenn ein Vielreisender also glücklicher ist, dann liegt das nicht primär an dem Reisen selber, sondern eher daran, dass die Vielzahl an Erfahrungen und die viele Zeit mit sich selber, ihn oder sie nach innen geführt hat und gleichzeitig weltoffener gemacht hat. Damit einem das so ergeht, braucht es aber die richtige innere Einstellung – es ist kein automatisches Resultat des Reisens.

Auszeit

Wenn man sich in einer schwierigen Lebenslage wiederfindet und vielleicht nicht zufrieden mit seiner gegenwärtigen Tätigkeit ist, kann es durchaus hilfreich sein sich eine Auszeit zu nehmen. Man kann etwa das traditionelle „Sabbatical“ machen – also ein Jahr Auszeit zur Neuorientierung, Weiterbildung und Selbstfindung. Man kann auf Reisen gehen, Neues lernen, mehr Zeit mit der Familie verbringen. Doch irgendwann ist die Auszeit vorüber und danach ist die Gefahr groß, dass man bald wieder in seine alten Gedankenmuster hineinkippt und so auf’s Neue die selben Probleme und Missstände in seinem Leben erschafft. Es sei denn, man nutzt die Auszeit dafür, um seine Gewohnheiten zu ändern und beginnt konkret an seinem Geist zu arbeiten, seine innere Natur zu erforschen und somit seine Weltansicht zu verändern.

Die wirkliche Auszeit ist nämlich die Einzeit. Das effektivste Aussteigen, das Einsteigen.

Einzeit

Anstatt nach Außen zu blicken und sich nach einer Auszeit zu sehnen, sollten wir uns lieber Zeit nehmen, um uns mit uns selber zu verbinden. Es muss nicht übermäßig viel Zeit sein, aber es sollte regelmäßig sein, denn nur durch Regelmäßigkeit können wir unseren Geist verändern. Wir tragen Gedanken- und Verhaltensmuster in uns, die wir durch stetiges Wiederholen gefestigt haben. Nur wenn wir diese Muster immer und immer wieder ohne zu urteilen betrachten und uns bewusst für Tätigkeiten entscheiden, die unserem Geist wohl tun und unsere Gewohnheiten auflockern, werden wir langsam innerlich frei werden. Wie heißt es nochmal?

„Steter Tropfen höhlt den Stein.“

Wir brauchen eine regelmäßige spirituelle Praxis (Meditation etwa), im Rahmen derer wir für kurze Zeit aus unserem gewöhnlichen Geist aussteigen und uns mit unserer inneren Natur verbinden. Es ist auch hilfreich hin und wieder auf längere Retreats zu fahren, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und seine spirituelle Batterien aufzuladen. Aber Retreats und Seminare können eine regelmäßige, in den Alltag eingebettete Praxis nicht ersetzen. Durch die Energie und die Aufmerksamkeit, die unsere Praxis in uns hervorruft, können wir dann mit mehr Bewusstsein unseren „gewöhnlichen“ Aktivitäten nachgehen. Und wir können auch äußerliche Veränderungen in unserem Leben vornehmen, um es ruhiger, heilsamer und ganzheitlicher zu gestalten. Das könnte unsere Art des kleinen Ausstiegs sein…

13. Juni 2016
Sean
(c) Sean Grünböck
www.gruenboeck.at

Alle Beiträge des Autors auf Spirit Online

Moderne Nomaden Sean GrünböckSean Grünböck

Es ist mir ein Anliegen, im Alltag mit all seinen Höhen und Tiefen präsent zu bleiben und die tiefere Verbindung mit unserer inneren Geistesnatur auch Abseits von Meditationskissen, Seminaren und Retreats aufrecht zu erhalten.

Zu diesem Thema schreibe ich Artikel und singe Lieder.
Den sonntäglichen Artikel sowie das kommende Album gibt’s auf gruenboeck.at
SEAN GRÜNBÖCK: Leise-Schreiber, mit Bedacht-Komponierer, Tief-Singer und Buddha-Meditierer, Yoga-Verrenker, Web-Gestalter, Langsam-Läufer und Dreifach-Vater.

P.S.: Vielleicht interessieren Dich auch meine Lieder ‑„Weich wie Wasser“, von dem du ein Video auf YouTube sehen kannst

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*