Der Prozess geistiger Versenkung

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Der Prozess geistiger Versenkung

Dr.med. Carl Albrecht (geb. 28. März 1902 in Bremen – gest. 19. Juli 1965 in Bremen)  war der älteste Sohn einer reichen Bremer Kaufmannsfamilie und war väterlicherseits zu einem anderen Beruf und Leben bestimmt, als er es sich selber wünschte und dann auch gegen große Widerstände durchsetzte. Als Carl Albrecht starb, war sein ältester Sohn Dr. Ernst Albrecht (1930 – 2014) der spätere Ministerpräsident von Niedersachsen) 35 Jahre alt geworden, ich selbst wurde 8 Tage zuvor 20.  Der jüngere Bruder George Alexander war Dirigent und starb mit 86 Jahren am 21. Dezember 2021.

„Da wo in der Tiefe des Grundes leuchtendes Strahlen,
im Geheimnis verwoben, die Ur-Mitte verhüllt,
da wo das Reich des Glückes zitternd erahnt wird,
da wo die flammende Innigkeit heilig ruht,
da wo in der Tiefe des ewig stillen Wassers
die korallenrote Wunderblume lebt,
und da wo die blaue Luft ihr geheimstes Blau
und die Feurigkeit des Ur-Sternes hüllt,
da findest Du das Ur-Herz.“

Mit der Stadt Bremen waren wir sehr verbunden,

unser Großvater mütterlicherseits war dort als hoher Marineoffizier eine Zeitlang tätig und hatte dort auch einen illustren Freundeskreis, u.a. den Arzt Carl Albrecht und den Dichter Manfred Hausmann (1898 – 1986), bei dem wir häufig zu Besuch waren. Hausmann gehörte der Jury zur Vergabe des „Literaturpreises der Stadt Bremen“ an.  Als diese 1959 auf einer Sitzung, an der Hausmann nicht teilnahm, Günter Grass für den Literaturpreis 1960 vorschlug, wandte sich Hausmann öffentlich gegen diese Entscheidung und kündigte seine Mitgliedschaft in der Jury auf. Tatsächlich entschied sich der Bremer Senat gegen Grass und der Preis wurde für 1960 nicht vergeben.

Nach einem wechselvollen Jahr des Suchens an verschiedenen Fakultäten wählte Carl Albrecht schließlich das Medizinstudium, spezialisierte sich auf Innere Medizin. Als Assistenzarzt lernte er das Autogene Training kennen, das er später in seiner ärztlich-psychotherapeutischen Praxis zu einer eigenen Versenkungstechnik weiterentwickelte, die ihm schließlich, nach einer langjährigen Annäherung an den Glauben, die Tore zu religiös-mystischem Erleben öffnete. In der Folge dieses für ihn selber überraschenden Einbruchs waren die turbulenten Kriegsjahre für den in Bremen verbliebenen Arzt durch verschmelzungs-mystische Versunkenheitsstunden aufgehellt. Nach einem gesundheitlichen Zusammenbruch kamen Albrecht 1947 Zweifel bezüglich der mystischen Qualität seines Versunkenheitserlebens.

Diese Irritation bildete den Ausgangspunkt von Albrechts Forschung.

In einem Brief äußerte er sich rückblickend über das Motiv seiner wissenschaftlichen Arbeiten:

„Ich selber stand jahrelang im mystischen Erlebnisbezug. Wie jeder ernstzunehmende Mystiker wurde ich von der Frage gequält, ob das mystische Erleben ‚echt’ sei. Da ich nicht im 16. Jahrhundert, sondern im zwanzigsten lebe, bin ich nicht wie Teresa von Avila zu meinem Beichtvater hingegangen, sondern musste versuchen, das Phänomen in der Sphäre des kritischen Denkens zu prüfen.“

Die Frucht dieser Katharsis des Denkens sind seine in ihrer Weise einzigartigen Mystikstudien, die bald nach Erscheinen von Denkern wie Gabriel Marcel (1889 – 1973) und Karl Rahner (1904 – 1984) mit großer Zustimmung aufgenommen wurden. Carl Albrecht starb am 19. Juli 1965 nach einer längeren Herzkrankheit. Unser Großvater Fregattenkapitän a.D. Karl Richarz starb am 12. Januar 1966 im Alter von 78 Jahren an akutem Herzversagen in meiner Geburtsstadt Stade/Elbe.

Spiritualitätsgeschichtlich ist Carl Albrecht insofern eine Ausnahme, als er in sich vereinigte, was üblicherweise auf verschiedene Personen verteilt war. Er war zugleich mystisch Erlebender und nüchterner Mystologe. Im Laufe seines Lebens gelang es ihm, zwischen der Innenschau des Kontemplativen und dem diagnostischen Blick des Arztes hin und her zu wechseln und durch geduldiges Forschen die Vielfalt mystischer Erlebnisformen phänomenologisch aufzuhellen und zu ordnen.

Carl Albrecht war ein aufrichtiger Gottsucher. cover das mystische wort

Das Buch „Das Mystische Wort – Erleben und Sprechen in Versunkenheit“, mit einem Vorwort von Karl Rahner, ist eine sehr bereichernde Quelle. Neuauflage CROTONA-Verlag Juli 2017, 300 Seiten.

Mit Datum vom 28. April 1965 notiert Albrecht letztmalig:

„Die Versunkenheit ist vollkommen. Aber es kommt nichts an. Es ist ein Ruhen in einer schweigenden Helle, von der man weiß, dass sie endgültig und immerwährend sein wird. Nachher fallen einem die Worte: ‚Das lächelnde Nein’ zu. Dieses Nein ist das Finis nach 24 Jahren Sprechen in der Versunkenheit, nicht weil sich etwas verweigert oder weil eine Verfehlung einen Entzug bewirkte, sondern weil eine echte Finis geschehen ist.“

Seine Enkelin Ursula war damals fast 7 Jahre jung.

Dr.med Ursula Gertud von der Leyen, kam am 8. Oktober 1958 in Brüssel zur Welt; sie ist mit 6 Geschwistern aufgewachsen, ist Mutter von 7 Kindern, war Bundesfamilienministerin und Bundesverteidigungsministerin, seit dem 1. Dezember 2019 Präsidentin der Europäischen Kommission in Brüssel.

Ihr Vater Dr. Ernst Albrecht starb am 13. Dezember 2014 im Alter von 84 Jahren an Alzheimer.

Er hatte auf meinen Wunsch ein Geleitwort zu dem Buch „Wohin geht der Mensch?“ LASSALE Buch Wohin geht der Mensch
des legendären deutsch-japanischen Jesuitenpaters und ZEN-Meisters H.M. Enomiya-Lassalle (1898 – 1990) geschrieben, der Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker (1912 – 2007) verfasste das Vorwort. In seinen ZEN-Kursen empfahl er uns Pater Lassalle immer wieder die Lektüre des Buchs „Das mystische Wort“.

11.05.2023
Roland R. Ropers
Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher, Buchautor und Publizist

www.KARDIOSOPHIE-NETWORK.de


Über Roland R. Ropers

Prozess geistiger Versenkung Roland Ropers 2021

Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.

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Buch Tipp:

cover kardiosophie Roland RopersKardiosophie
Weg-Weiser zur kosmischen Ur-Quelle

von Roland R. Ropers und
Andrea Fessmann, Dorothea J. May, Dr. med. Christiane May-Ropers, Helga Simon-Wagenbach, Prof. Dr. phil. Irmela Neu

Die intellektuelle Kopflastigkeit, die über Jahrhunderte mit dem Begriff des französischen Philosophen René Descartes (1596 – 1650) „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) verbunden war, erfordert für den Menschen der Zukunft eine neue Ausrichtung auf die Kraft und Weisheit des Herzens, die mit dem von Roland R. Ropers in die Welt gebrachten Wortes „KARDIOSOPHIE“ verbunden ist. Bereits Antoine de Saint-Exupéry beglückte uns mit seiner Erkenntnis: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Der Autor und die sechs Co-Autorinnen beleuchten aus ihrem individuellen Erfahrungsreichtum die Vielfalt von Wissen und Weisheit aus dem Großraum des Herzens.

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