Spiritualität und Politik – ein unvereinbares Duo?
Politik als die gestalterische Kunst des Möglichen ist in Umbrüchen, wie wir ihn zurzeit erleben, besonders gefordert. Nie ist die Erwartungshaltung größer, diffusen und manifesten Ängsten größer als in Krisen. Politikerinnen und Politiker sind gefordert bis an ihre persönlichen Grenzen. Man ist nach wie vor geneigt, auf ‚die da oben‘ hinzuschimpfen. Doch – sie wurden von uns mehrheitlich gewählt, selbst wenn Sie nicht gewählt haben. Das ist das Los einer Demokratie, die Winston Churchill als die schlechteste Staatsform bezeichnete – und nachschob, dass es eben keine bessere gäbe. Ob es uns passt oder auch nicht. Ob wir mit politischen Prozessen und Entscheidungsfindungen zufrieden sind oder nicht.
Die Volksvertreterinnen und Vertreter sind wohl eine jener Gruppe, die am meisten attackiert werden. Schon 1972 schrieb Hannah Arendt in ihrem Buch “Wahrheit und Lüge in der Politik:
“Niemand hat je Wahrhaftigkeit zu den politischen Tugenden gerechnet. Lügen scheint zum Handwerk nicht nur des Demagogen, sondern auch des Politikers und sogar des Staatsmannes zu gehören. Ein bemerkenswerter und beunruhigender Tatbestand.“
Politik über soziale Medien zu betreiben, ist mittlerweile vollkommen normal. Der Pranger der sozialen Medien gibt Menschen, die eben nicht gewählt sind, auch die Möglichkeit, auf politische Prozesse Einfluss zu nehmen. Die Grenzen verschwimmen sehr oft. Und doch fordern wir immer wieder den Rechtsstaat ein, wenn es eng wird. Oder – wir berufen uns auf unsere Grundrechte und das Grundgesetz bzw. die Verfassung … oft ohne es je gelesen zu haben.
Demgegenüber stehen in der Tat Politiker, die auf Grund ihrer vermeintlich beschränkten Fähigkeiten und Wahrnehmungen im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Gerade in Krisen globalen Ausmaßes sehen wir sehr deutlich das Versagen und seine Auswirkungen. Macht, Ohnmacht und Lügen als Erfolgsgarant für dauerhaften betrug am Wähler? Da nützt auch eine christliche Verortung oder parteipolitischer Humanismus nicht. Werte, Würde und Menschlichkeit werden ausgetauscht zu Gunsten einer diffusen Macht, die niemand mehr so richtig versteht. Mancher zweifelt und verzweifelt an der Lernfähigkeit der Politiker.
Was hat Spiritualität damit zu tun? Wie ist Spiritualität als gelebte Achtsamkeit und Bewusstsein in einem Netz an politischen, persönlichen und gesellschaftlichen Bedingtheiten möglich? Kann man es als Politikerin und Politiker überhaupt ‚leisten‘, spirituell zu sein – oder es ist gar eine Notwendigkeit, um mit sicherer Hand zwischen Skylla und Charybdis das jeweilige Schiff zu steuern? Lässt die globale Vernetzung spirituell basierte Entscheidungen zu? Hat Spiritualität in der Kurzatmigkeit von Tagespolitik überhaupt Platz? Fragen über Fragen – und doch so wenige Antworten. Doch der Weise stellt Fragen. Der Bequeme nimmt die Antworten.
Spiritualität in unterschiedlichen Ausprägungen – kann – ein Grundgerüst für politische Entscheidungen sein. Sie kann helfen, durch unruhige Gewässer eine Kommune, eine Stadt, eine Bundesland, ein Land zu steuern. Muss man sie nach außen tragen? Nein, warum auch. Wesentlich sind das Ergebnis und die Entscheidung zum Wohle des großen Ganzen. Es ist ein persönlicher, sachlicher, emotionaler Spagat, der oft zu machen ist.
Uwe Taschow

Politik und Anstand
Wenn wir uns die Geschichte der Menschheit ansehen, so ist klar, dass Politik und Anstand immer schon eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Geschichte ist voll von Beispielen, in denen Menschen aufgrund von politischen Entscheidungen gelitten haben. […]