Aberglaube, Rituale und Gebete zum Fußball-Gott: Was hilft den Spielern auf dem Platz?
Es gibt diese Momente im Fußball, in denen ein ganzes Stadion für einen Sekundenbruchteil den Atem anhält. Der Ball zittert auf der Linie, der Torwart blickt in den Himmel und irgendwo am Spielfeldrand streicht sich ein Spieler dreimal über das linke Handgelenk, weil er das eben immer so macht.
Obwohl der moderne Fußball inzwischen mit GPS-Westen, xG-Werten und Videoanalysen arbeitet wie ein Ingenieursbüro in Aktion, haben sich überraschend irrationale Gewohnheiten bis ins Zentrum des Geschehens gehalten. Rituale, Aberglaube und stille Gebete gehören längst nicht mehr zur kuriosen Randerscheinung, sie sind tief in die Alltagskultur des Spiels eingebrannt.
Wenn die FIFA Klub-Weltmeisterschaft 2025 bald beginnt, reisen nicht nur Trainer, Bälle und Taktiktafeln an, sondern auch Ketten, Bibeln und Schweißbänder mit. Die Fans schauen auf die Klub WM Quoten, wenn sie Wetten platzieren wollen und hoffen natürlich auf ihr Glück. Aber primär geht es um die Spieler auf dem Platz, die darüber entscheiden, wie die Matches ausgehen werden.
Wenn der rechte Fuß zuerst den Rasen berührt
Der Moment, in dem ein Spieler den Rasen betritt, ist häufig genau durchdacht und das nicht, um das Publikum zu beeindrucken, sondern um das eigene Innenleben zu ordnen.
Viele Profis halten an festgelegten Abläufen fest. Erst das rechte Schienbeinpolster, dann der linke Schuh, anschließend drei kurze Hopser am Spieltunnel anziehen. Für Außenstehende mag das skurril wirken, doch für diejenigen, die sich so vorbereiten, bedeutet es Struktur und Sicherheit.
Solche Rituale entwickeln sich meist früh, oft bereits in der Jugend. Sie schleichen sich in den Spieltag, werden zur Routine und verlieren dadurch ihre Fragwürdigkeit. Sie liefern mentale Stabilität, helfen dabei, den Fokus zu finden und reduzieren das Gefühl, dem Zufall schutzlos ausgeliefert zu sein. In einer Sportart, die binnen Sekunden kippen kann, wirken diese kleinen persönlichen Rituale wie ein Anker im Sturm.
Skurriler Aberglaube im Fußballalltag
Ein Blick auf die Eigenheiten mancher Profis offenbart eine Bandbreite an originellen Gewohnheiten. Laurent Blanc etwa küsste während der Weltmeisterschaft 1998 vor jedem Spiel den kahlrasierten Kopf von Torwart Fabien Barthez und niemand konnte belegen, dass diese Geste Tore verhindert, aber am Ende hielt Frankreich den Pokal in der Hand.
Sergio Goycochea wählte ein weniger elegantes Ritual und urinierte vor Elfmeterschießen auf dem Rasen. Ob das seinen Fokus schärfte oder die Gegner verwirrte, bleibt offen. Andere Spieler tragen dasselbe Trikot Spiel für Spiel, solange das Team gewinnt. Wieder andere verteidigen ihren Stammplatz im Mannschaftsbus mit der Entschlossenheit eines Kapitäns auf hoher See.
Religion, Gebet und spirituelles Vertrauen
Während viele Spieler auf Routine setzen, vertrauen andere auf spirituelle Kraft. Die Verbindung zwischen Glaube und Fußball zeigt sich in stillen Gesten wie einem Kreuzzeichen vor dem Anpfiff, einem Blick gen Himmel nach einem Tor oder einem kurzen Gebet in der Kabine. Solche Handlungen sind nicht für die Kameras gedacht, sie entstehen aus echter Überzeugung.
In manchen Mannschaften gehören gemeinsame Gebete oder Bibellesungen zur festen Vorbereitung. Besonders in Regionen mit tief verwurzelter Religiosität, etwa in Brasilien, Nigeria oder Ägypten, wird der Glaube ganz selbstverständlich mit auf das Feld genommen. Doch auch in europäischen Ländern leben viele Spieler ihren Glauben ruhig, fast unsichtbar, allerdings mit fester Entschlossenheit.
Aberglaube versucht, das Spielgeschehen durch symbolische Mittel zu beeinflussen. Der religiöse Glaube hingegen sucht Kraft, Beistand oder Schutz, ganz unabhängig vom Ergebnis. Was auf dem Rasen geschieht, lässt sich kaum kontrollieren, deshalb bietet der Glaube für viele etwas, das über das Spielerische hinausreicht.
Warum Rituale wirken, selbst wenn niemand daran glaubt
Manche Rituale wirken wie harmlose Marotten, doch aus psychologischer Sicht haben sie eine klare Funktion. Wer dieselbe Strecke zum Stadion läuft, dieselben Bewegungen vor dem Anstoß vollzieht oder dieselben Worte murmelt, verschafft sich emotionale Stabilität. In einem Sport, der ständiger Beobachtung und enormem Druck ausgesetzt ist, können diese Handlungen ein Schutzschild sein.
Der Glaube an das eigene Ritual zählt oft mehr als der tatsächliche Inhalt. Ein Placebo funktioniert nicht, weil es wirkt, sondern weil man daran glaubt und dasselbe Prinzip gilt auch auf dem Platz. Die Wirkung entsteht im Kopf und der entscheidet in vielen Situationen über Sieg oder Niederlage.
Wie sich Rituale je nach Herkunft und Heimatland unterscheiden
Mit der FIFA Klub-Weltmeisterschaft rücken Spieler aus allen Ecken der Welt zusammen. Dabei wird deutlich, wie unterschiedlich Rituale gelebt werden. In Südamerika ist es üblich, sich vor Spielen von Familienmitgliedern segnen zu lassen oder religiöse Objekte bei sich zu tragen. In Afrika spielen auch traditionelle Zeremonien eine Rolle, etwa das Auflegen heiliger Tücher oder symbolische Waschungen.
In Europa herrscht eher ein pragmatischer Ansatz, denn es stehen Routinen und Abläufe im Vordergrund, nicht Spiritualität. Dennoch bedeutet das nicht, dass die Rituale oberflächlich wären, vielmehr spiegeln sie eine andere Art, mit Druck und Erwartung umzugehen.
Der Aberglaube ist auch auf den Tribünen
Nicht nur auf dem Platz wird gehofft, gebangt und gerätselt, auch auf den Rängen und vor den Fernsehgeräten greifen viele auf eigene Spieltagsrituale zurück. Immer dasselbe Trikot, dieselbe Chipssorte, dieselbe Haltung auf dem Sofa und das nicht aus Langeweile, sondern aus dem Wunsch, Teil des Spiels zu sein.
In den Fanblöcken entstehen kollektive Rituale. Gesänge zu bestimmten Spielsituationen, rhythmische Bewegungen bei Standards, das Hochhalten von Schals zu bestimmten Minuten schaffen Identität. Es geht nicht darum, ob das Spiel dadurch beeinflusst wird. Entscheidend ist, was dabei im Inneren passiert.
Rituale der Fans geben ein Gefühl von Einfluss, sie verwandeln Zuschauer in Mitwirkende und dadurch entsteht eine emotionale Brücke zum Geschehen auf dem Platz, die nicht greifbar, aber doch oft spürbar ist.
Spirit Online
06.06.2025