
Spirituelle Akzeptanz
Die Kunst, ein Yogi zu sein, ist eine Kunst der Akzeptanz. Das erste, was wir lernen müssen, ist, andere Menschen zu akzeptieren, sie zu verstehen und ihnen zuzuhören. Spirituell zu sein bedeutet offen zu sein, unser Herz für andere Menschen zu öffnen und das Göttliche in ihnen zu sehen.
In den Lehren von Advaita wird die Dimension des göttlichen transzendenten Bewusstseins als Brahman, das Absolute, bezeichnet. Von dieser Dimension gehen verschiedene Phänomene und Welten unterschiedlicher Ebenen aus.
Alle Manifestationen kommen aus dieser Bewusstseinsquelle. Nicht nur unsere Manifestationen kommen von Gott, genauso auch die Manifestationen anderer. Das vergessen wir oft. Wir denken manchmal: Was ich zum Ausdruck bringe, mag göttlich sein, aber das, was andere machen, ist vielleicht böse. Wenn wir anderen die Göttlichkeit verweigern, entsteht Abneigung.
Wir sollten Standhaftigkeit, Mut und Weisheit beweisen und uns selbst sagen: Die Manifestationen aller anderen kommen auch von Gott. Sie sind einfach anders. Sie entsprechen nicht meinem Karma, meinen Vorstellungen. Das Göttliche in einem anderen Menschen zu sehen, ist eine reine Sichtweise. Daraus entsteht Akzeptanz.
Man hört dem Anderen zu, man kann seinen Standpunkt einnehmen, man kann seinen Gedankengang nachvollziehen. Man versteht wie er denkt, wie er fühlt, was seine Werte sind und warum er so redet, denkt und handelt. Man klammert sich nicht an den eigenen Standpunkt, sondern man kann den Standpunkt eines anderen nachvollziehen. Spirituelle Akzeptanz bedeutet, dass man – anders als üblich – jeden Menschen und sein Denken verstehen kann.
Das Göttliche in jedem sehen
Mit Hilfe der Praxis von Akzeptanz kann man nicht nur Menschen verstehen, sondern auch Tiere oder Heilige. Das Bewusstsein der Heiligen ist sehr weit und offen, es ist grenzenlos. Daher können sie alle Lebewesen im Universum verstehen. Aus diesem Grund zitieren wir aus der Bhagavad Gita, wenn wir unsere spirituellen Verdienste widmen: „zum Wohl aller Wesen“.
Es ist wichtig, das Bewusstsein so zu erweitern, dass man das Göttliche in jedem Wesen sehen kann und in der Lage ist, alle Lebewesen zu akzeptieren und ihnen entsprechend ihrem Karma alles Gute zu wünschen.
Das Bewusstsein der Heiligen ist ein vollumfänglich akzeptierendes Bewusstsein, das wirklich alles akzeptiert und nichts ablehnt.
Eingeschränktes duales Bewusstsein
Ein nicht erwachtes Bewusstsein ist dagegen begrenzt, es ist ein duales Bewusstsein. Die uneingeschränkte Akzeptanz gilt für alle Kulturen, Religionen und Arten von spiritueller Praxis. Alles zu akzeptieren bedeutet nicht etwa, alles machen zu können. Akzeptanz für andere ist kein Freibrief für die eigene Wunscherfüllung.
Allumfängliche Akzeptanz bedeutet, jede Konstellation von Ort, Zeit und Umständen anzunehmen: in tiefer Harmonie mit dem Universum in jeder Ausprägung von Ort, Zeit und Umständen. Diese tiefe Harmonie erweckt Sie als göttliches Wesen und reinigt die Welt um Sie herum. Dann beginnen sich Ort, Zeit und Umstände Ihnen zuzuwenden, Ihnen zu dienen.
Diese tiefe Akzeptanz verlangt, in tiefer kontemplativer Präsenz zu sein. In Präsenz von was? In der Gegenwart des Göttlichen. Allumfängliche Akzeptanz ist die Gegenwart des Göttlichen.
Der aufstrebende Yogi befindet sich nicht in der Gegenwart des Göttlichen, aber er kann in der Gegenwart der Methode sein. Das nennt man Kriya-Jnana (Weisheit der Übung), Ihre Methode ist immer bei Ihnen. Aber wenn man den Segen des Göttlichen empfängt, befindet man sich in der Gegenwart des Göttlichen. Und das ist wahre Präsenz, Shuddha-Jnana (reine Weisheit).
Einziger Geschmack
Wenn Sie sich selbst beobachten, werden Sie feststellen, dass es viel Ablehnung, viel Trennung und viel Dualität gibt. Wenn sich Ihre uneingeschränkte Akzeptanz zu zeigen beginnt, wird es Ihnen egal, welche Lebensmittel Sie essen. Es wird keine Rolle spielen, welche Kleidung Sie tragen.
Es wird keine Rolle spielen, an welchem Ort Sie sich befinden. Auch wird es keine Bedeutung für Sie haben, welchen Status oder welche Position Sie haben. Sie werden immer glücklich sein ohne jeglichen Grund. Wenn es soweit ist, bedeutet es, dass Sie einen flüchtigen Blick auf den „einen Geschmack“ werfen und das Göttliche beginnt, Sie zu segnen.
Heilige befinden sich in einem Zustand völliger Akzeptanz, weil sie ihr Ego losgelassen und dem Göttlichen, übergeben haben. Ihr Ego sucht nichts mehr. Man sollte aufhören, in der Welt nach irgendetwas gesteuert vom Ego zu suchen. Persönliche Ambitionen, persönliche Hoffnungen, persönliche Pläne – all das führt zu Ablehnung von was auch immer. Weil das Ego das eine will und das Leben ihm etwas Anderes gibt. Das Ego kämpft mit dem Leben, damit seine Wünsche gewinnen. Natürlich hat man eine Abneigung gegen das, was das Leben gibt, und man klammert sich stark an das, was man will.
Konzentration auf die Quelle des Bewusstseins
Wir können aber aufhören, all dies zu suchen. Wir können alle Ziele und Pläne, alle Hoffnungen und Ängste außerhalb des Göttlichen fallen lassen, dann werden wir uns im Einklang mit der göttlichen Natur der Realität bewegen.
Allakzeptanz bedeutet, dass ein Mensch so subtil ist, dass er den göttlichen Willen, der zur Harmonie führt, versteht und ihn jede Sekunde hört. Er schätzt ihn als das Wichtigste im Leben. Er hat sogar Angst, vom göttlichen Willen abzuweichen; er hat einen inneren Regulator, der ihn ständig auf diesen göttlichen Willen hinweist. Er erkennt ihn in jeder Tat, in jeder Handlung. So weit wie möglich versucht er, ein Kanal des göttlichen Willens zu sein, ein Kanal der Allakzeptanz.
13.03.2025
Swami Vishnudevananda Giri
https://de.advayta.org
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Leben in der Multirealität: Parasattarka Logik
von Swami Vishnudevananda Giri
Leben in der Multirealität – „Ich denke, also bin ich.“ – Dieses Lebensgefühl ist den meisten Menschen eigen. Die alten vedischen Schriften sagen jedoch, dass Denken eine Art künstliches Leben darstellt. Die wirkliche Existenz und die Präsenz des Bewusstseins sind keine Denkprozesse, sondern jenseits des Verstandes in der Natur des Geistes verankert.
Swami Vishnudevananda Giri (Swami Vishnudev) ist ein spiritueller Lehrer in den Traditionen des Advaita Vedanta und des Yogas, ein Sadhu, ein realisierter Meister und Jnani in der Linie des Advaita Vedanta, Philosoph, Theologe und Schriftsteller. Er stammt aus der yogischen Tradition des Sahajayana, des natürlichen Weges der Siddhas, er ist Linienhalter einiger Übertragungslinien des Yogas der Siddhas und spiritueller Meister für viele Schüler in Ost- und Westeuropa, den USA und Indien. Er wurde 1967 in der Ukraine geboren.
Seine spirituelle Praxis und Meditation begannen im Alter von 6 Jahren von selbst, indem er sich intuitiv auf Erinnerungen aus der Vergangenheit stützte. Er hat den Sanatana Dharma als seinen religiösen Weg im Alter von 19 Jahren angenommen. Er absolvierte einige intensive Retreats, deren längstes fast 3 Jahre andauerte. Als Resultat dieses letzten Retreats in den Jahren 1993-1995 erreichte er Samadhi und Realisation.
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