Niccolò Machiavelli – Buch der Macht: Bedeutung, Kontext & Thesen

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Claus Eckermann – Niccolò Machiavelli: Das Buch der Macht

Die Gesellschaft der Schatten

Im begehbaren Giftschrank der Geschichte residieren wahrhaft wundersame Werke der Wissenschaft und der Literatur, die das Denken der Menschen für viele Generationen oder gar grundsätzlich und für alle Zeit, zum Guten wie zum Bösen, verändert haben. Henricus Institoris’ „Malleus Maleficarum“ (1487) oder Thomas Hobbes’ „Leviathan“ (1651) lauern dort ebenso wie Jacques Collin de Plancys „Dictionnaire Infernal“ (1818) oder Friedrich Nietzsches „Der Antichrist“ (1888). Dass aber auch Niccolò di Bernardo dei Machiavellis 1513 verfasstes, aber erst 1532 posthum veröffentlichtes Kurzwerk „Von der Fürstenherrschaft“ (ital. Il Principe) in diese sinistre Gesellschaft der in die Schatten Geworfenen geraten ist, ist bei gegenwärtigem Lichte betrachtet eine einseitige Interpretation, geschichtliche Verirrung und nachträgliche Umdeutung seiner eigentlich nur bedingt ambivalenten Schriften; und es ist nicht gleich ausgemacht, wer als wessen Geminus zu gelten hat. Denn was den Missbrauch von Macht und Gewalt betrifft, sind das Alte Testament oder die antike Mythologie eine deutlich gnadenlosere Lektüre als Machiavellis Werk „Von der Fürstenherrschaft“. Grausam nämlich ist nicht Machiavellis umstrittenes Buch, grausam ist nur der Mensch, den es beschreibt. Und auch dieser ist es gerade insofern, als dass er bereit ist, alles Notwendige für seinen eigenen Vorteil zu tun. Das allerdings holt ihn zurück unter die Tiere und beraubt ihn seiner vermeintlichen Göttlichkeit und seines irdischen Gottesbürgertums.

Dämon und Philanthrop

Es mag sein, dass der späte Termin der Veröffentlichung, der unmittelbar in die Nachwehen der Belagerung von Florenz durch die kaiserlichen Truppen (1529–1530) fiel, zu Machiavellis Dämonisierung beigetragen hat. Seine weiteren Hauptwerke, die „Discorsi“ (ital. „Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio“) oder die Geschichte von Florenz (ital. „Istorie fiorentine“), die ihn als einen klugen und reflektierten – wenn auch zynischen – Philanthropen seiner Zeit ausweisen, rechtfertigen seine Dämonisierung jedoch ganz sicher nicht. Frei nach Edgar Bracht könnte man sagen: „Machiavelli ist kein Abschreiber, kein Quisquilienjäger, der nur Formalia und leeres Wissen auftürmt und einer eigenständigen geistigen Leistung kaum mächtig ist, seine Strategien haben sehr wohl Folgen, allerdings zuweilen sehr schreckliche.“ Es ist Machiavelli hoch anzurechnen, dass er sich nicht dem „…typischen Altersschicksal des kritischen Intellektuellen ergab, der meint, vieles von seinen ursprünglichen Überzeugungen relativieren zu müssen.“

Ungehorsam und Gewissen

Niccolò Machiavelli, der gemeinsam mit Carl von Clausewitz zu den einflussreichsten Staats-, Macht- und Militärtheoretikern der europäischen Geschichte zu zählen ist, wird am 03. Mai des Jahres 1469 in Florenz als Sohn des Anwalts Bernardo Machiavelli und dessen Frau Bartolomea geboren. Die Welt, in der er aufwächst und in der er schon in jungen Jahren eine umfassende humanistische Bildung erhält, ist eine Welt der Umbrüche und Veränderungen an der Schwelle zur Neuzeit. Und der Ort, an dem sein Scharfsinn gedeiht, ist ein Schmelztiegel der Macht, der Religion und der politischen Bluttaten und Extreme. Denn Florenz gehört zu Zeiten Machiavellis, neben Mailand, Venedig, Neapel und dem mächtigen Kirchenstaat, zu den führenden Mächten Italiens, und es verdankt seinen Reichtum den Banken, dem Fernhandel, den Manufakturen und der omnipräsenten Politik der Medici. In diesem explosiven Umfeld erkennt der heranwachsende Machiavelli wohl schon früh, allerspätestens jedoch als junger Mann, womöglich während der politisch wie kirchenpolitisch motivierten Verbrennung des exkommunizierten Dominikaners und Predigers Girolamo Savonarola 1498, der den gewählten Papst Alexander VI in Rom einen „Antichristen“ nannte, dass die Liebe zur eigenen Wahrheit und zum eigenen Gewissen, wie berechtigt sie auch immer sein mögen, stets als eine Art Ungehorsam gegen die jeweilige Majorität und die allgegenwärtige Kirche aufgefasst werden können, und dass der häufig dilettantische Standpunkt der Wahrhaftigkeit, der Treue und der Redlichkeit fast immer in die Armut, in die Verbannung oder den Tod führt.

Im Dunstkreis der Macht

Machiavelli selbst tritt fast dreißigjährig (1498) in den Dunstkreis der Macht, als er zunächst zum Sekretär der Zweiten Kanzlei und neun Jahre später zum Kanzler der Militärbehörde ernannt wird. Von 1498 an folgten zahlreiche Gesandtschaften zu Königen (zu König Ludwig XII. von Frankreich im Jahre 1500), Dynastien (zu Cesare Borgia im Jahre 1502, bei dem er mit Leonardo da Vinci zusammenarbeitete), Kirchenfürsten (zum Konklave im Jahre 1503 und zu Papst Julius II. 1505/06) und Kaisern (zu Kaiser Maximilian im Jahre 1508) zu beträchtlicher Höhe. Innerhalb eines einzigen Jahrzehnts beobachtet, begleitet und berät Machiavelli die meisten mächtigen Menschen seiner Zeit. Und was er bei ihnen sieht, sind ihre allzu menschlichen Eigenschaften wie Mut, Misstrauen, Machtbegehren oder Furcht.

Die Blaupause des Herrschens

Nun vermag Machiavelli sehr wohl zu unterscheiden zwischen dem eigentlichen Gegenstand „Mensch“ und dem jeweiligen Schatten, den dieser als „handelnder Mensch“ wirft. Und so entwickelt er nach und nach seine eigene Blaupause des Herrschens, die er an seinen eigenen Erfahrungen und den dokumentierten Ereignissen der Geschichte ausrichtet und 1513 in seinem Buch „Über die Fürstenherrschaft“ zusammenfügt. Die ursprüngliche Absicht des Werkes war wohl der zu seiner Zeit misslungene Versuch, Italien vor der bevorstehenden Zerstörung zu bewahren bzw. es gewinnbringend zu vereinen. Aber die eigentliche Qualität seines Werkes, nämlich die Gesetzmäßigkeiten des Herrschens, einzig ausgehend von einer kompetenten Wahrnehmung der Wirklichkeit und den typologischen Eigenarten des Menschseins, strategisch erfasst, inhaltlich erläutert und dadurch jederzeit reproduzierbar gemacht zu haben, beweist sich erst viele Jahre nach seinem Tod am 21. Juni 1527. Eben diese Qualität war und ist es, die sein Buch vom Fürsten seit über fünfhundert Jahren gefürchtet, gehasst und legendär gemacht hat. „Machiavelli hat uns ein Fenster zur Realität aufgestoßen, das wir nur zu unserem eigenen Nachteil wieder schließen können.“

Der Copernicus der Politik

Solange Sie zugrunde legen, dass sich die Sonne um die Erde dreht, können Sie die Bahnen und Positionen der Planeten und Gestirne nicht zufriedenstellend bestimmen. Und solange Sie davon ausgehen, dass das wirkliche Wesen des Menschen seinem christlichen Idealbild entspricht, können Sie die Bahnen und Positionen des tatsächlichen Menschseins ebenfalls nicht zufriedenstellend deuten. Allein die Existenz von Idealbildern jedoch beweist, dass sie nötig sind, weil der Mensch diesem Ideal in der Regel eben nicht entspricht. Insofern hat Machiavelli, der zugrunde gelegt hat, was er sieht, nicht aber, was der Mensch laut tradiertem Weltbild sein sollte, eine Umwertung bzw. Missachtung aller zeitgemäßen Ideale betrieben und so eine Grenze überschritten, die ihn zum analytischen Ketzer gegen das tradierte Ideal seiner Zeit gemacht hat. Und wie alle Ketzer musste er dazu entweder das Bestehende radikal in Frage stellen oder es nach seinen eigenen Kriterien neu vermessen, um es zu überwinden und etwas wahrhaft Neues zu erschaffen. Seine Ketzerei war aber nicht das Verleugnen von Gott oder Kirche, sondern vielmehr das Überwinden eines für ihn überholten, weil nicht die wahrgenommene Realität und das echte Leben widerspiegelnden, Musters des Menschen. Dazu meint der Philosoph und Übersetzer Horst Günther: „Machiavelli hat die Gesetze politischer Mechanik innerhalb eines Staatswesens zu formulieren versucht wie Copernicus die Gesetze der Mechanik der Himmelskörper. Es ist nicht gut, ein solches Unternehmen zu dämonisieren, auch wenn es bestehende Vorurteile verletzt.“ Tatsächlich ist nicht anzunehmen, dass Machiavelli dieses tradierte Muster des Menschseins per se in Frage stellte, es ihm sinnlos oder nicht erstrebenswert erschien, oder er dessen enormen Einfluss auf das Wesen und Selbstverständnis des gemeinen Menschen seiner Zeit unterschätzt hat. Vielmehr weigerten sich wohl sein gesunder Menschenverstand und sein ungetrübter Blick, die das Rüstzeug aller wahrhaft Großen sind, wechselwirkende Strategien von Schein und Sein an einem idealisierten Muster auszurichten, das demjenigen Muster, das er täglich um sich herum sah, so ganz und gar nicht genügen wollte. Denn Schein und Sein widersprechen sich nicht, sondern erschaffen und erhalten sich gewissermaßen selbst, und sie sind häufig genug ein bloßer Platzhalter taktischer Erwägungen oder vorläufiger Entscheidungen. Jede verantwortungsvolle Strategie muss dies berücksichtigen.

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Das wilde Wesen des Menschen

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Man müsste sich zweifelsohne durch etliche Bibliotheken lesen, um im Europa des frühen 16. Jahrhunderts einen vergleichbaren strategischen Scharfsinn wie den des Niccolò Machiavelli aufzuspüren, doch der eigentliche Dreh- und Angelpunkt seiner Strategien war das Konzept des „virtù“, also der persönlichen Tatkraft, Tüchtigkeit und Führung des Einzelnen, als Grundvoraussetzung für das Erreichen eines übergeordneten Ziels. Im Wesentlichen lässt sich Machiavellis Konstrukt auf den Satz „Wer hat was wovon; und wie groß ist sein Motiv?“ herunterbrechen. Das menschliche Bedürfnis, andere zu manipulieren, zu führen und gegebenenfalls zu verführen folgt nämlich denselben Gesetzmäßigkeiten wie die Eigenschaften des Menschseins an sich. Und das, was wir daran verdammen, ist nicht der zuweilen notwendige Gebrauch, sondern der jeweilige Missbrauch von Herrschaft und Macht durch Dritte, ist also nicht unbedingt das Führen von Menschen im Sinne des Voranschreitens, sondern das Verführen von Menschen mit der Absicht der sie benachteiligenden Manipulation. Doch verdammen die meisten Menschen Macht und Reichtum vor allem anderen dann, wenn sie sie nicht selbst besitzen. Und so sehr wir Menschen es hassen, selbst manipuliert zu werden, so sehr gefällt es uns doch, andere Menschen gewinnbringend zu manipulieren. Der Mensch hat also genau genommen kein Problem mit den Eigenschaften und den Möglichkeiten der Macht an sich, sondern vor allem damit, dass andere sie besitzen und sie gegebenenfalls gegen ihn oder seinesgleichen gebrauchen oder – wie es sich für ihn zumeist anfühlt – missbrauchen könnten. Dämonisieren wir also Machiavelli, der alles das zurecht in uns gesehen hat, so erkennen wir ihn an und dämonisieren uns gewissermaßen selbst. Denn jenen Spiegel zu verdammen, der uns unsere innere Hässlichkeit zeigt, ändert unser eigentliches Innenleben nicht. Das eigentliche Gebot des Menschseins müsste also das Maßhalten ohne die Verleugnung des eigenen Wesens sein. Das allerdings, so sagt Nietzsche, ist kaum zu schaffen, weil es dem wilden Wesen des Menschen zuwider läuft.

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Das gewaltigste Raubtier auf Erden

Kein Zweifel – Nächstenliebe, Mitleid und Güte sind Eigenschaften, die sich durch nichts Gleichwertiges ersetzen lassen, und die den sogenannten zivilisierten Menschen von der vermeintlichen Bestie vor seiner Tür unterscheiden sollten. Das wusste auch Machiavelli. Die Wahrheit aber ist: Diese Bestie sind wir selbst. Denn die dunkle Gabe, obschon sie sich bei allen anders zeigt, lauert in jedem von uns, und der zivilisierte Mensch ist, und das war er auch schon zu Machiavellis Zeit, das gewaltigste Raubtier auf Erden, mit einem unstillbaren Drang zur Zivilisation. Moralisches Erwachsensein orientiert sich vor allem daran, wie die Dinge wirklich sind, und nicht daran, wie sie unserer ggf. christlichen Grundgesinnung nach sein sollten. Die allgegenwärtigen Fragen lauten daher einerseits: Wo endet die notwendige Nächstenliebe und wo beginnt die verantwortungslose Naivität? Und andererseits: Wo endet die gesunde Einflussnahme und wo beginnt der methodische Machtmissbrauch? Denn irgendwo innerhalb der Grenzen von notwendiger Nächstenliebe und gesunder Manipulation sollte das menschliche Leben stattfinden. Doch die Dosis macht auch hier aus der Arznei das Gift.

Der Drang zur Macht

Was will nun Machiavellis Buch der Macht erreichen? Zunächst einmal will es mit dem Vorurteil aufräumen, dass die Macht per se etwas sehr Schlechtes sei, und dass das Streben nach Macht der erste Schritt in den moralischen Untergang darstellt. Denn die Macht an sich ist genauso gut oder schlecht wie alles andere von Menschen gemachte Hand- oder Geisteswerk auch. Die Macht zu erwerben beinhaltet ebenso die potenzielle Möglichkeit, mit der so erworbenen Macht zu schaden, wie mit der so erworbenen Macht Gutes zu tun. Wollten wir es also auf die Spitze treiben, so könnten wir behaupten, dass erst der, der die Allmacht besitzt, erfährt, wer er wirklich ist, und dass jeder, der die Erfahrung der Allmacht noch nicht gemacht hat, nicht mit Gewissheit sagen kann, welchen Sinns er wäre, wenn er sie besäße. Inwieweit dem ausgeprägten Drang zur Macht bereits die latente Bereitschaft, sie zu missbrauchen innewohnt, wird zu klären sein. Zweifellos jedoch sucht Machiavellis Buch der Macht die Konfrontation mit den elitären Idealen und verklärenden Trugbildern der christlichen Gesinnungsethik, die sich drohend zwischen Wahn und Heldentum bewegt und uns ein Menschenbild zeigt, das zwar zweifellos erstrebenswert, häufig jedoch ganz und gar lebensfern daher kommt. Insofern schließe ich die Einführung in das Buch der Macht mit einem entlehnten Gedanken des Theologen Walter Nigg: „Ein erstes Erfordernis ist die seelische Bereitschaft, einen ungewohnten Pfad zu betreten, der in ein unbekanntes Gebiet führt. Es bedarf einer Liebe zur Macht und zum Abseitigen, deren man sich nicht zu schämen braucht. Die Beschäftigung mit der Macht ist freilich nicht ungefährlich. Für unreife, innerlich ungefestigte Gemüter ist das Buch der Macht nicht geeignet, da es auf sie nur eine verwirrende Wirkung ausüben kann. Es müssen neben großen Überwindungen auch Versuchungen zur Sprache gebracht werden, welche ein selbstkritisches Denken und die Gabe der typologischen Unterscheidung erfordern. Das Wort Gideons „Wer blöde und verzagt ist, der kehre um!“ ist an dieser Stelle als Warnungstafel aufzustellen.“

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Machiavellis Thesen

Abschließende Übersicht über die wesentlichen Kernthesen Machiavellis:

  1. „Glück hat der, dessen Handlungsweise dem Charakter der Zeit entspricht, und Unglück der, der mit seiner Zeit im Widerspruch steht.“

  2. „Wenn es die Zeit verlangt, so muss man Fortuna schlagen und stoßen und ihr dreist befehlen, denn sie ist ein Weib.“

  3. „Die Gelegenheit macht Herrschaft; und dem Glück verdankt man die Gelegenheit, wie der Tüchtigkeit den Ruhm.“

  4. „Man muss Tugend nicht wirklich besitzen, sondern nur für tugendhaft gelten, denn jeder sieht, was du scheinst, aber wenige durchschauen, was du bist, und gerade der Pöbel hält es mit dem Schein; und die Welt ist voller Pöbel.“

  5. „Die Menschen, die das ausführen, was sie können, werden stets geachtet; wollen sie aber gewaltsam etwas ausführen, was sie nicht können, so handeln sie verkehrt und verdienen Tadel.“

  6. „Man sieht die Menschen in dem, was sie sich vorgenommen haben.“

  7. „Nichts bringt einem zur Macht Aufstrebenden mehr Ehre als neue Gesetze und neue Einrichtungen, die er erfindet.“

  8. „Wer sich gegen den Fürsten verschwört, kann nicht allein bleiben, und findet seine Gefährten unter jenen Unzufriedenen, denen er, durch die Einweihung in seine Verschwörung, die Gelegenheit und das Wissen gibt, ihn selbst zu stürzen.“

  9. „Wer seine Vorteile und Bequemlichkeiten für die der anderen aufgibt, verliert die seinen, und für die der anderen weiß man ihm keinen Dank.“

  10. „Der, welcher einem anderen zur Macht verhilft, geht selbst zugrunde, denn er macht den anderen stark durch Gewalt oder Geschick; und beides ist dem, der zur Macht gelangt ist, verdächtig.“

  11. „Ein Mann von Geist muss auf den Wegen der Größten wandeln, damit er, wenn er sie auch nicht erreicht, doch wenigstens in ihrem Geiste handelt und so dem Ziele nahekommt.“

  12. „Man kann ohne Tugend zwar die Herrschaft, nicht aber den Ruhm erwerben.“

  13. „Man bedarf der Gunst der Einwohner, um in ein Land einzudringen, und man hält es, indem man ihre Annehmlichkeiten und Sitten respektiert.“

  14. „Neue Wohltaten löschen alte Beleidigungen nicht aus.“

  15. „Man muss ein Fürst sein, um die Natur des Volkes zu erkennen, aber ein Mann des Volkes, um die Art der Fürsten zu erfassen.“

  16. „Der Erneuerer hat alle die zu Feinden, die sich in der alten Ordnung wohl befanden, und unberechenbare Mitstreiter in denen, die bei der Neuordnung zu gewinnen hoffen.“

  17. „Das erste Urteil über einen Menschen bildet sich stets durch die Personen, die ihn umgeben.“

  18. „Die Fürsten haben häufig mehr Treue und Vorteil bei denen gefunden, die verdächtig schienen, als bei denen, die ihre Vertrauten waren.“

  19. „Der schwächere Teil einer entzweiten Partei hängt sich bald an den äußeren Feind.“

  20. „Die Menschen sind immer dort schlecht, wo die Notwendigkeit sie nicht gut macht.“

  21. „Es gibt kein sichereres Mittel zur Beherrschung eines neuen Reiches, als seine vollständige Zerstörung oder das glaubhafte Residieren in seiner Mitte.“

  22. „Wo der Glaube versagt, muss die Gewalt nachhelfen, denn der Ruf der Grausamkeit bewahrt vor etlichen Gefahren.“

  23. „Die Hauptstützen der Macht sind die Gesetze und die Streitkräfte.“

  24. „Der gute Fürst muss seine Truppen züchtigen, seinen Körper abhärten, die Geschichte studieren und die Handlungen ausgezeichneter Männer nachahmen.“

  25. „Die Kriegskunst ist die einzige Kunst, die man von dem, der befiehlt erwartet, und ihre Verachtung ist die erste Ursache für den Verlust der Macht.“

  26. „Der gute Herrscher kennt keinen Wankelmut, und er besorgt, dass seine Untertanen gänzlich von seiner Gunst abhängen; denn nur so sind sie ihm treu.“

  27. „Der gute Fürst verbindet das Volk durch das Gute, das er ihm tut, ebenso wie durch das Gute, das er von ihm empfängt. Also ist ein Angriff auf den Fürsten auch ein Angriff auf das Volk.“

  28. „Der Fürst sollte alle harten Strafen durch andere ausführen lassen, die Gnadensachen aber sich selbst vorbehalten.“

  29. „Notwendige Gewalttaten müssen sofort und alle auf einmal geschehen, damit sie eher vergessen und als weniger empfunden werden. Notwendige Wohltaten jedoch müssen nach und nach erwiesen werden, damit sie sich dem Volke besser einprägen können.“

  30. „Es ist sicherer, gefürchtet als geliebt zu werden, denn die Liebe hängt am Bande der Dankbarkeit, das bei jeder Gelegenheit zerreißt, wo der Eigennutz im Spiel ist; die Furcht vor Strafe aber lässt niemals nach.“

  31. „Ein Fürst, der in allem nur das Gute tun will, muss, unter so vielen, die das Schlechte tun, notwendig zugrunde gehen; denn wer zu gutmütig ist, der wird arm und also verachtet, oder, um der Armut zu entgehen, räuberisch und verhasst.“

  32. „Der Ehrgeiz der Großen und der Übermut des Volkes sind zu bekämpfen.“

  33. „Ein Fürst muss Fuchs und Löwe sein, denn der Fuchs erkennt die Fallen, und der Löwe schreckt die Wölfe.“

  34. „Die Menschen verschmerzen leichter den Tod des Vaters als den Verlust ihres Erbteils, und weil sie jederzeit ihr Wort gegen dich brechen würden, so brauchst du ihnen deines auch nicht zu halten.“

  35. „Ein Fürst darf sich niemals ungefragt Rat erteilen lassen, denn darf ihm jeder Rat erteilen, so hört die Ehrfurcht auf. Darum beruft der kluge Fürst weise Männer, die er in seinem Sinne befragt.“

  36. „Einem notwendigen Kriege kann man nicht entgehen, sondern ihn nur zum Vorteil des Feindes aufschieben, denn die Zeit schafft Wechsel in allem und kann Gutes und Schlechtes mit sich führen, und was man von ferne kommen sieht, dem ist leicht zu begegnen; wartet man aber, bis es naht, so kommt die Arznei vielleicht zu spät, weil das Übel unheilbar geworden ist.“

  37. „Ein wahrer Herrscher macht sich frei von fremdem Glück und fremden Waffen, denn wer seine Macht auf Söldner stützt, der steht nie fest und sicher; und wer den Krieg mit fremden Heeren führt, ist bald schon ihr Gefangener.“

  38. „Nichts erscheint so schwach und unbeständig, wie der Ruf einer Macht, die nicht auf eigenen Füßen steht.“


FAQ zu Machiavelli: Das Buch der Macht

1. Worum geht es in Machiavellis „Buch der Macht“ (Il Principe)?
Machiavellis „Il Principe“ beschreibt die Gesetze der Macht, Herrschaft und Staatskunst. Es zeigt, wie Fürsten Macht gewinnen, sichern und nutzen – jenseits moralischer Idealbilder.

2. Was bedeutet „virtù“ bei Machiavelli?
„Virtù“ meint Tatkraft, Tüchtigkeit und Führungskraft. Es ist die Fähigkeit eines Herrschers, Chancen zu nutzen, politische Realität zu erkennen und Macht strategisch einzusetzen.

3. Welche Rolle spielt „Fortuna“ in Machiavellis Philosophie?
„Fortuna“ steht für Glück oder Schicksal. Machiavelli betont, dass Herrscher die Gelegenheit aktiv ergreifen müssen, um erfolgreich zu sein – Fortuna belohnt Mutige.

4. Warum gilt Machiavelli bis heute als umstritten?
Weil seine Machttheorie die Realität schonungslos beschreibt. Er trennt zwischen Schein und Sein, deckt Manipulation auf und zeigt, dass Macht moralisch neutral, aber missbrauchsanfällig ist.

 

09.09.2025
Claus Eckermann
www.claus-eckermann.de 
Sprachwissenschaftler und HypnosystemCoach®

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KurzvitaClaus Eckermann
HSC Claus Eckermann FRSA
Claus Eckermann ist ein deutscher Sprachwissenschaftler und HypnosystemCoach®, der u.a. am Departements Sprach- und Literaturwissenschaften der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel und der Theodor-Heuss-Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung unterrichtet hat.
Er ist spezialisiert auf die Analyse von Sprache, Körpersprache, nonverbaler Kommunikation und Emotionen. Indexierte Publikationen in den Katalogen der Universitäten Princeton, Stanford, Harvard und Berkeley.

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