Vom Einen als Ursprung aller Dinge
Alle Phänomene haben ihren Ursprung im Immateriellen. Das Ziel aller Bemühungen besteht daher in einer Annäherung an das Eine als Grundprinzip der gesamten Wirklichkeit. Notwendigerweise erscheint als Ausgangspunkt für die Existenz einer Pluralität, also des Unterscheidbaren, etwas Einfaches, also Undifferenziertes.
So lässt sich alles Zusammengesetzte und Mannigfaltige auf etwas Einfacheres zurückführen. Entsprechend ist das Einfachere stets dem Komplexeren übergeordnet in dem Sinn, dass es die Ursache für dessen Existenz bildet. Daher ist das Einfachere das Höherrangige, denn es bedarf des Komplexeren in keiner Weise, während umgekehrt das Komplexere ohne das Einfachere nicht existieren kann.
Gegenüber dem Einfachen ist das Komplexe stets mangelhaft.
Letztlich muss ein gedankliches Voranschreiten vom Komplexeren zum Einfacheren zu einem Einfachsten führen und so schreitet auch die Erkenntnis vom Komplexeren zum Einfacheren fort. Das Einfachste kann auf nichts anderes mehr rückführbar sein. Mit diesem Einfachsten ist der höchstmögliche Bereich der Gesamtwirklichkeit erreicht, der als äußerster Gegensatz zum Differenzierten und Mannigfaltigen keine Unterscheidung enthalten kann, weder als eine Zweiheit noch als sonstige Pluralität.
Dieses Einfachste ist das Eine.
Dieses erscheint als Ursprung und Existenzgrund aller Dinge, also als das Höchste, was es geben kann. In einer religiösen Terminologie käme ihm faktisch die Rolle der obersten Gottheit zu. Und dennoch handelt es sich bei einer derartigen Umschreibung um eine unangemessene Differenzierung, da jedwede Bestimmung bereits eine Art Unterscheidung impliziert, also einen wie auch immer gearteten Unterschied, quasi eine Nicht-Einheit.
Daher erweist es sich auch als unzulässig, dem Einen Merkmale zuzuschreiben, die als göttlich gelten. Vielmehr ist das Eine weder seiend noch nicht seiend, sondern quasi über seiend, weder gut noch schlecht, eher jenseits aller Begrifflichkeiten. Aus dem Blickwinkel des Denkenden erscheint es als etwas Höheres, Erstrebenswertes und damit Wahres, Schönes und Gutes; aber für sich selbst ist es das nicht.
Man kann vermutlich nicht einmal wahrheitsgemäß aussagen,
dass das Eine „ist“, denn das Sein als Gegenteil des Nichtseins oder das vollkommene Sein im Gegensatz zu einem geminderten Sein setzt bereits eine Unterscheidung voraus und damit etwas, was dem Einen nachgeordnet ist. Paradoxerweise erscheint überhaupt keine zutreffende Aussage möglich.
Das Eine erscheint als unsagbar und das gesamte Unterfangen erinnert an die sog. „Sprache der Zweige“, die mystische Sprache, die vor dem Problem steht, mit Worten dieser Welt, die andere Welt zu beschreiben, um deren Botschaften zu erfassen.
Begrifflichkeiten sind also nicht in ihrer gewöhnlichen Bedeutung gemeint, sondern sollen lediglich etwas andeuten, was nur unzulänglich ausgedrückt werden kann. Das unsagbare Eine bleibt somit einem verstandesmäßigen, diskursiven Begreifen prinzipiell entzogen und dennoch zwingt die Vernunft zur Annahme des Einen.
Ausschließlich die Wendung nach Innen macht einen übervernünftigen Zugang zum Einen frei und persönlich erlebbar. Dabei gilt es, alles Sinnliche und alles Geistige hinter sich zu lassen. Ein jeder, dem eine das Denken übersteigende Erfahrung einer höchsten Wirklichkeit aus persönlicher Offenbarung zu Teil wurde, kann in diesem Sinne als Mystiker bezeichnet werden.
27.12.2019
Dr. rer. nat. Alexander Crocoll
Bild und Text (c) AMORC
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Vita des Autors:
Dr. rer. nat. Alexander Crocoll, geb. 1966. Während seiner wissenschaftlichen Tätigkeit Publikation von Arbeiten zur Genetik molekularer Embryologie. Er beschäftigt sich seit frühester Jugend mit spirituellen Fragen, ist seit drei Jahrzehnten AMORC-Mitglied und arbeitet heute als Sekretär in der deutschen AMORC-Zentrale.
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