Connaissance Wissen und Geburt

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Connaissance Wissen & Gemeinsame Geburt

Bewusstsein ist stets ein Geburtsprozess in Verbindung mit dem kosmischen Urgrund, der Quelle unseres Seins. Im Zuge der sich vollziehenden Transformation, des in nahezu allen Lebensbereichen zu beobachtenden großen Veränderungsprozesses, wird sehr häufig vom Neuen Bewusstsein, von Bewusstseinserweiterung, von höherem Bewusstsein u.a. gesprochen. Mit dem Begriff Bewusstsein wird häufig eher intuitiv spekulierend, als um seiner eigentlichen Bedeutung wissend, leichtfertig und auch manipulierend umgegangen.

Auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober 1986 hatte ich zusammen mit dem damals fast 88-jährigen Connaissance  cover LASSALLE Leben im Neuen Bewusstsein legendären Jesuiten und ZEN-Meister H.M. Enomiya-Lassalle das von mir herausgegebene Buch „LEBEN im NEUEN BEWUSSTSEIN“ vorgestellt. Es wurde in hohen Auflagen verkauft und in 9 Sprachen übersetzt.

Schaut man sich das lateinische Wort conscientia genau an, so stößt man geradezu augenfällig auf die ursprüngliche Bedeutung:
Das Verb conscire heißt wörtlich: zusammen (gemeinsam, mit-) wissen.

Es handelt sich um das Wissen um oder mit der Urquelle.

Das Sanskrit-Wort chit wird auch mit Erkenntnis (engl.: knowledge) übersetzt.
Erkenntnis (Bewusstsein) ist Ur-Kenntnis, das aus der Urquelle stammende Wissen. Bewusstsein ist immer In-Kontakt-Sein mit dem Ursprung, der Quelle allen Seins.

Im tiefsten Schweigen, im Kontakt mit dem Urgrund, den wir Christen mit Gott bezeichnen, erfährt sich jeder auf der tiefst-möglichen Stufe des Bewusstseins, der Erkenntnis. Aus diesem Grund ist die Kontemplation, die objektlose Versenkung so bedeutungsvoll.

Es geht nicht um Höhe, sondern um Tiefe.

Die lateinische Sprache kennt für die Worte Bewusstsein und Gewissen nur das Wort conscientia, wörtlich das Mitwissen. Wir verstehen unter Gewissen das Bewusstsein moralischer Handlungen und bewerten damit den Akt reinster und interpretationsfreier Wahrnehmung. Der stetige Appell an unser Gewissen ist oft ein Aufruf an unsere Schuldhaftigkeit, die uns kirchliche wie weltliche Institutionen ständig vor Augen führen und damit den Zugang zum ureigentlichen Bewusstsein, zur Quelle des Wissens und der Erkenntnis versperren.

Der Engländer unterscheidet die zwei deutschen Begriffe als consciousness (Bewusstsein) und conscience (Gewissen), der Franzose in connaissance und conscience, wobei die lat. etymologische Wurzeln der französischen Worte sehr verschieden sind: conscience kommt von lat.: conscire (gemeinsam wissen), connâitre kommt von lat.: conasci (gemeinsam geboren werden). Das Wort conasci existiert in der lateinischen Sprache bedauerlicherweise nicht, aber ich habe es eingeführt, um die Sprachlogik zu verdeutlichen. Aus diesem eigentlich sinnvollen Deponens conasci hat der Lateiner das Wort cognoscere gemacht (erkennen, wahrnehmen, wissen); das hieraus abgeleitete englische Wort heißt knowledge.

Bewusstsein ist stets ein Geburtsprozess in Verbindung mit dem kosmischen Urgrund, der Quelle unseres Seins.

Für den Franzosen sind Bewusstsein und Wissen identisch: connaissance. 

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Ein connaisseur ist ein bewusster Mensch, ein Wissender. Der Wissende (nicht der Wissenschaftler) wird zum Weisen, lat.: homo sapiens, engl.: sage, frz.: sage – und Weisheit wiederum heisst im Lateinischen sapientia, engl.: wisdom, frz.: sagesse. Wissen und Weisheit sind eine sinnliche Geschmackserfahrung – lat.: sapio = ich schmecke, ich verstehe.

Hinzufügen möchte ich das im Deutschen gern benutzte Wort Gewissenhaftigkeit, engl.: conscientiousness, frz.: conscience. Hier gebraucht der Lateiner die Worte religio und diligentia. Wenn man nur religio, Religion, richtig verstehen würde, hätten wir weniger Probleme in der Welt. Religare bedeutet nicht mehr und nicht weniger als: wieder anbinden; es geht um die Rückbindung an unseren innersten Wesenskern, wo im Zustand göttlichen Bewusstseins Wissen und Erkenntnis ihren Wohnort haben.

Wer Selbstbewusstsein (nicht Ego-Bewusstsein) hat, erlebt den Wahrnehmungsbereich absoluter Wirklichkeit, die sich projektionsfrei nur in der radikalen Gegenwart, im Hier und Jetzt unverschleiert und in Fülle manifestieren kann.

Unser deutsches Wort Wissen hat keinen Bezug zu irgendeiner europäischen Sprache; es geht auf das Sanskritwort Vidya (Wissen, Erkenntnis) zurück. Wir benötigen dringend Vidya-Shakti, Erkenntnisstärke, die den Jiva, den im sterblichen Körper Lebenden, den durch das hinderliche Ego Dualität und Kausalität Schaffenden, aus der Nicht-Erkenntnis (Sanskrit: Avidya) zur Verwirklichung Brahmans, des göttlichen Urgrundes führt. Die Worte leben (deutsch) und to live (englisch) gehen interessanterweise auf das Sanskritverb jiv zurück.

Das Ziel unseres spirituellen Lebens muss Jivanmukta heißen:

ein zu Lebzeiten Befreiter; ein Mensch, der sich noch im Körper befindet, sich aber von den Fesseln der Nicht-Erkenntnis und der Illusion (Sanskrit: Maya) befreit hat. Als Selbst (Atman) weiß er sich eins mit Brahman.

Bewusstsein ist das Erwachen zu dem schon immer im Verborgenen vorhandenen Ur-Wissen, das dann in leuchtende Erscheinung tritt, wenn das Ego völlig überwunden ist.

Auf dem Bewusstseins-Pfad zur Befreiung geht es nicht um mein Leben (Ego), sondern um die Erfahrung des Lebens schlechthin. Wir haben das Leben zum Drama gemacht; das Drama ist eine Falle und ein Hindernis. Emotional interessant, aber spirituell völlig bedeutungslos. Ein großartiges Drama läuft ab über unsere Opferrolle im Leben, über das, was uns alles zugemutet wird und wie schlimm alles ist. Unser persönliches Drama hat mit der tiefsten Ebene des Lebens überhaupt keine Berührung. Die Störungen, die auf dem spirituellen Übungsweg oft auftreten, sind unsere Meinungen. Es geht nicht darum, etwas zu finden, denn es ist ja alles vorhanden.

Erleuchtung ist das Erwachen zum Erkennen der Wirklichkeit; alles, was wir sind, ist immer der Augenblick, die Gegenwart. In diesem Bereich findet Befreiung (Sanskrit: Moksha) und Erlösung statt, nicht in Vergangenheit und Zukunft.

07.11.2024
Roland R. Ropers
Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher, Buchautor und Publizist

https://kardiosophie.network


Über Roland R. Ropers

Ehrfurcht vor dem Leben Roland Ropers

Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.

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Buch Tipp:

cover kardiosophie Roland RopersKardiosophie
Weg-Weiser zur kosmischen Ur-Quelle

von Roland R. Ropers und
Andrea Fessmann, Dorothea J. May, Dr. med. Christiane May-Ropers, Helga Simon-Wagenbach, Prof. Dr. phil. Irmela Neu

Die intellektuelle Kopflastigkeit, die über Jahrhunderte mit dem Begriff des französischen Philosophen René Descartes (1596 – 1650) „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) verbunden war, erfordert für den Menschen der Zukunft eine neue Ausrichtung auf die Kraft und Weisheit des Herzens, die mit dem von Roland R. Ropers in die Welt gebrachten Wortes „KARDIOSOPHIE“ verbunden ist. Bereits Antoine de Saint-Exupéry beglückte uns mit seiner Erkenntnis: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Der Autor und die sechs Co-Autorinnen beleuchten aus ihrem individuellen Erfahrungsreichtum die Vielfalt von Wissen und Weisheit aus dem Großraum des Herzens.

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