Der Clown – ein ewig Suchender

Clown-maske

Der Clown – ein ewig Suchender

„Ein Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag!“
(Charlie Chaplin, 1889 – 1977)

Am 19. Juli 2016 schloss der weltberühmte Clown Dimitri Jakob Müller (80 J.) gegen 22 Uhr in Anwesenheit seiner Frau Gunda (82 J.) in Borgnone/ Tessin nach kurzem Unwohlsein für immer die Augen. Wenige Tage zuvor war er noch aufgetreten und hatte große Pläne für die kommenden Jahre.

„Der Clown ist ein aufrichtiges Wesen, rein in seinen Gefühlen, das sich absichtlich in den Zustand der Kindheit zurück versetzt und seine komische Begabung spielen lässt. Im Grunde kann er sich alles erlauben, vorausgesetzt, dass es clownesk ist. Viele von uns haben gemalt; ich selbst stand natürlich unter dem Einfluss meines Vaters, der Maler und Bildhauer war. Außerdem absolvierte ich eine Töpferlehre, während der ich auch Unterricht im Zeichnen erhielt. Heute bringe ich meine Ideen umso leichter zu Papier, als ich mich überhaupt nicht um Technik oder Stil kümmere; es ist mir völlig egal, ob meine Zeichnungen schön sind und ob sie Erfolg haben. Das Zeichnen ist für mich Selbstzweck, es ermöglicht mir Dinge darzustellen, die ich auf der Bühne nie zustande brächte.

Es eröffnet meiner Vorstellungskraft ungeahnte Möglichkeiten: ich zaubere Clowns auf das Papier, die fliegen können, ich entweiche in eine Traumwelt, wo es weder Bühne noch Manege gibt. Dies bringt mir viel Freude und Entspannung. Doch ich bin sehr egozentrisch, und meine Zeichnungen kommen immer wieder auf die Welt der Clowns, auf meine innere Welt zurück. Der Clown ist ein ewig Suchender. Er sucht nach Glück, nach Heiterkeit, nach Einfalt – ein Typ, der die Allüren eines Kräutersuchers hätte, wenn die Wahrheit eine Blume wäre. Er ist auch ein ewiger Hofnarr, der auf seine Weise die Leute zum Lachen bringen, unterhalten und ihnen einen Teil seiner selbst schenken möchte“. (Dimitri)

Das Wort „Clown“ kommt von lat. „colonus“ (Bauer, Töpel).

Im Mai 1973 gastierte der Schweizer Circus Knie 6 Wochen lang in der Innenstadt von Zürich, am Sechseläutenplatz. Limmat Quai 1. Fast 4 Wochen lang besuchte ich jede Abendvorstellung, in der der Clown Dimitri auftrat und anschließend saßen wir in der Kronenhalle in gemütlicher Runde zusammen. Er brauchte einen Gesprächspartner.

Dimitri wurde am 18. September 1935   in Ascona/Schweiz als Dimitri Jakob Müller geboren. Dimitri verbrachte seine Kindheit im Tessin. Sein Vater war der Bildhauer und Architekt Werner Jakob Müller, seine Mutter Maja war Kunsthandwerkerin; durch die Eltern begegnete er der Anthroposophie. Als er im Alter von sieben Jahren den Schweizer Clown Jakob Andreff im Circus Knie erlebte, entschloss er sich, auch Clown zu werden. Nach zehn Schuljahren im Tessin und in Zürich absolvierte er eine Töpferlehre bei Margit Linck in Zollikofen bei Bern. In dieser Zeit nahm er bereits Unterricht in Schauspiel, Musik, Ballett und Akrobatik. Er spielte erste komische Rollen an Studentenbühnen und schuf erste kurze Clown- und Pantomime-Nummern.

Nach Abschluss der dreijährigen Lehre zog er 1954 nach Aixen-Provence und 1955 weiter nach Paris; dort studierte er Pantomime bei Etienne Decroux, Akrobatik und Seiltanz bei Zirkusartisten und lernte Gitarre bei Flamenco-Spielern. Es folgte ein kurzer Aufenthalt in Schweden, wo er als Töpfer arbeitete und gleichzeitig Kurse bei einem Kunstturner besuchte. Wieder in Paris, wurde er 1958 Schüler von Marcel Marceau (Straßburg 22. März 1923 – Paris 22. September 2007), der ihn bald für zwei Mimodramen in seine Truppe aufnahm. Darauf arbeitete er als Dummer August mit dem berühmten Weißclown Maiss an verschiedenen Galas, in einem Wanderzirkus in Frank-reich und schließlich im Cirque Medrano in Paris.

1959 fand die Uraufführung seines ersten Soloprogramms in Ascona statt.

In Innsbruck hatte er sein erstes Engagement als Clown im Ausland, danach spielte er drei Monate lang im Berner Kleintheater Kramgasse 6. In den folgenden Jahren schuf er drei weitere Soloprogramme (Porteur, Teatro und Ritratto). Daneben zeichnete und malte er und sang Volkslieder. So kamen verschiedene Platten und Bücher von ihm heraus, und seit 1990 finden regelmäßig Ausstellungen seiner Bilder und Objekte statt. 1970, 1973 und 1979 war er mit dem Circus Knie unterwegs. Tourneen führten ihn durch Europa, Nord- und Südamerika, China, Japan und Australien.

Nebst anderen Projekten gibt Dimitri mit seinen Soloprogrammen und der Familienshow La Famiglia Dimitri aktuell mehr als 100 Vorstellungen pro Jahr. 1961 heiratete er Gunda Salgo (geb.  1934); 1964 wurden sie in Borgnone im oberen Centovalli sesshaft. Von ihren fünf Kindern sind heute vier im Umkreis von Theater und Zirkus tätig; bekannt ist besonders der Seiltänzer David Dimitri. 1971 gründete Dimitri mit Gunda ein Theater in Verscio und 1975 die Scuola Teatro Dimitri, heute Hochschule für Bewegungstheater und Theaterkreation. 1978 entstand die Compagnia Teatro Dimitri, für die er fast alle Stücke selber kreiert hat (Idee, Regie, Kostüme, Plakate), 1981 die Fondazione Dimitri.

Lache, Bajazzo, auch wenn du innerlich traurig bist
Zirkus-Clown und Zirkus Poet
Oleg Konstantinowitsch Popow (1930 – 2016)

Der am 31. Juli 1930 in Witrubowo bei Moskau  geborene weltberühmte Clown Popow starb am 2. November 2016 in südrussischen Rostow am Don.

Noch im Alter von 86 Jahren war auf einer Zirkus-Tournee.

Er war zuletzt mit seiner deutschen Mitarbeiterin Gabriele Lehmann verheiratet und lebte seit 1992 in dem fränkischen Ort Eglofstein. 1994 hatte ich bei einer Veranstaltung am Tegernsee eine Reihe von Fotos gemacht, die Popow in seinem Zirkusprogrammheft 1995 abgedruckt hatte.

Als seine erste Frau Alexandra 1990 in Moskau starb, musste er beim Zirkus bleiben, der gerade in Hamburg gastierte, damit die Aufführungen nicht platzten. Er ging zum Zirkusdirektor und bat ihn, zur Beerdigung fahren zu dürfen. „Wie stellst du dir das vor? Es ist Wochenende, und wir sind ausverkauft.“ Popow entschied sich für das Publikum, dachte aber die ganze Zeit an das russische Lied Lache, Bajazzo, auch wenn du innerlich traurig bist. Es war eine furchtbare Situation für ihn , und nur ein Gedanke hatte ihn gerettet: „Meine Frau war sehr schön, und meine Tochter hat mir erzählt, dass sie sich in ihren letzten Tagen furchtbar verändert hatte. Wenn ich sie auf dem Totenbett gesehen hätte, wäre dieses Bild mir ewig in der Seele geblieben. So bleibt sie mir als wunderschöne Frau in Erinnerung“.

Man könnte Popow als den „Vater aller Clowns“ bezeichnen.

Seit mehr als 50 Jahren begeisterte er mit seinem sanftmütigen Humor das Publikum. Der Zirkus war sein Lebenselixier, der Publikumsapplaus hielt ihn jung. „Solange ich denken kann und solange meine Beine laufen und sich meine Arme bewegen lassen, will ich Clown sein!“ Die Strapazen auf den monatelangen Tourneen steckte Popow locker weg. „Das bin ich gewohnt. Zirkusleute sind das ganze Leben auf Reise“, sagte er und wischte so Fragen nach seiner Belastbarkeit beiseite. Über die Gesundheit mache er sich keine Gedanken. Er habe Zeit seines Lebens eine eiserne Gesundheit besessen – und dass trotz des unsteten Zirkuslebens mit unregelmäßigem Schlaf und sehr unregelmäßigen Mahlzeiten. Ein Geheimnis für seine Fitness im Alter hatte er nicht. „Wenn ich Ihnen einen Ratschlag geben darf: Ein Leben mit Humor und eine positive Lebenseinstellung trägt sicher zu einem langen Leben bei.“

Auch an Popows Markenzeichen

hatte sich in seinem mehr als 50-jährigen Clownleben nichts geändert.

Mit seiner schwarz-weiß karierten Ballonmütze und seinen anrührenden Geschichten begeisterte er sein Publikum. Berühmt wurde er vor allem mit dem von ihm geschaffenen neuen Clowntyp, der sich mehr an Charlie Chaplin als am „Dummen August“ orientiert. Die subtilen Pointen trugen ihm unter Kennern bald den Ruf des „Zirkus-Poeten“ ein. Popow kam ohne Klamauk aus. Er setzte stattdessen auf Situationskomik, ließ  das Publikum mit ihm und nicht über ihn lachen – etwa wenn er in der Zirkusarena Sonnenstrahlen einfing, um sie anschließend im Publikum auszuschütten.

Schminke setzt Popow nur sehr sparsam ein.  Popow selbst kam über Umwege zur Clown-Karriere. Er machte zunächst eine Ausbildung als Setzer bei der Zeitung Prawda“. Bei einer sportlichen Jungarbeiter-Vorführung wurden Lehrer der staatlichen Zirkusschule auf ihn aufmerksam und empfahlen ihm eine Artisten-Ausbildung. Die ersten Jahre trat er als Schlappseiltänzer und Jongleur auf, bis er für den berühmten sowjetischen Clown Karrandasch einspringen musste – sein improvisierter Auftritt wurde zum überraschenden Publikumserfolg.

Der Ruf an den weltberühmten Moskauer Staatszirkus, den er später über viele Jahre lang selbst leitete, folgte umgehend. Im politischen System der früheren Sowjetunion spielte Popow eine zwiespältige Rolle: Einerseits wurde er als hochdekorierter Volkskünstler gefeiert, andererseits leistete er sich bei seinen Auftritten immer auch Parodien auf ordens-behängte Sowjet-Politiker.

06.05.2021
Roland R. Ropers
www.KARDIOSOPHIE-NETWORK.de




Über Roland R. RopersRoland-Ropers

Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.
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