Phänomenale Welt, eine Selbstmanifestation des Ewigen – Hingabe an das Göttliche
„Das Prinzip, das vor uns steht, ist ein Sich-Überantworten, ein Aufgeben des menschlichen Seins in das Sein, Bewusstsein, in die Macht und Freude Gottes hinein, eine Union oder Kommunion an allen Treffpunkten der Seele des Menschen, des geistigen Wesens, durch das Gott selbst, direkt und ohne Verhüllung und Mittelsmann, durch das Licht seiner Gegenwart und Führung das menschliche Wesen in allen natürlichen Kräften für ein göttliches Leben vollkommen machen soll.“
„Hingabe an das Göttliche“
Sri Aurobindo (1872 – 1950)
Aurobindo (bengalisch: Arabinda Ghosh), geboren am 15. August 1872 in Kalkutta,
seit dem Jahr 2001 Kolkata, gestorben am 5. Dezember 1950 in Pondicherry, war ein indischer Philosoph, Hindu-Mystiker und Guru. Er steht in der Tradition der indischen Seher (Rishis), die durch das wirken, was sie sind. Der Vater, Dr. K.D. Ghose, der in England gelebt hatte, wollte für seine Kinder eine westliche Ausbildung und schickte Aurobindo und seine Geschwister auf die Loretto-Klosterschule in Darjeeling.
Im Alter von sieben Jahren kam Aurobindo an die St. Paul’s School in London. Dort lernte er Latein, Griechisch und die klassischen west-lichen Schulfächer. Während seiner Zeit an der St. Paul’s School erhielt er den Butterworth Prize für Literatur, den Bedford Prize für Geschichte und ein Stipendium für die Universität Cambridge. Im Jahr 1893, er war 21 Jahre jung, kehrte er nach Indien zurück.
In den folgenden Jahren arbeitete Aurobindo für den Maharaja Sayajin Rao, erst in der Verwaltung des Fürstentums Baroda (Varodada) und schließlich am Baroda-College als Französisch-Lehrer, später als Professor für Englisch und dann als Vorstand des College. In Baroda lernte er Sanskrit und verschiedene andere indische Sprachen, besonders Bengali, Marathi und Gujarati. Während der Baroda-Zeit, im April 1901, heiratete Sri Aurobindo Mrinalini Bose, die im Jahr 1918 einen frühen Tod starb.
1906 verließ Aurobindo Baroda und ging nach Kolkata
(vormals: Kalkutta) – als Vorstand des neu gegründeten „Nationalen Bengalischen College“. Er wollte die Idee der Unabhängigkeit im Denken seiner Landsleute festigen und gleichzeitig eine Partei und schließlich die ganze Nation zu intensiver und organisierter politischer Aktivität bewegen, die zur Verwirklichung dieses Ideals führen sollte.
Sri Aurobindos Anliegen war, die vollständige Unabhängigkeit Indiens als politisches Ziel offen und nachhaltig zu propagieren; er war der erste Politiker in Indien, der den Mut aufbrachte, dies öffentlich zu tun.
Während dieser Zeit politischer Aktivität wandte sich Sri Aurobindo verstärkt der Ausübung und des Studiums der indischen Yoga-Lehren und Yoga-Übungen zu.
1910 fuhr Aurobindo nach Pondicherry in Süd-Indien, wo er bis zu seinem Tod am 5. Dezember 1950 blieb. Er begann den „Integralen Yoga“ zu entwickeln, im Sinne einer modernen, zukunftsweisenden, umfassenden Bewusstseinsentwicklung.
Sri Aurobindo sah es als seine Aufgabe an, das „Supramentale“ (den Übergeist)
in das Erdbewusstsein herabzubringen oder diese Herabkunft zumindest zu ermöglichen.
Aurobindo strebte auf Grundlage des Vedanta eine neue Synthese indischer und abendländischer Gotteserkenntnis an. Das unpersönliche Göttliche und das persönliche Göttliche sind gleichwertige und ko-existente Aspekte des Ewigen, wofür er die Bezeichnung des Vedanta Sat-Chit-Ananda (Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit) verwendet. Dieses Sat-Chit-Ananda ist das „Unbekannte, Allgegenwärtige, Unentbehrliche, welches das menschliche Bewusstsein in seinem Erkennen und Fühlen, in Empfinden und Handeln ewiglich sucht“.
Die phänomenale Welt, eine Selbstmanifestation des Ewigen, sei real, wiewohl sie nicht die gesamte Realität umfasst. Das göttliche Wesen wohne im Menschen, in ihrem tiefsten Wesen. Das Verhältnis von Absolutem und Relativem wird also nicht als gegensätzlich angesehen, sondern als Identität in der Verschiedenheit. Die Antwort auf die Frage, weshalb das Eine die Vielheit wurde, warum das in Brahman integrierte Universum transformiert wurde, sucht Aurobindo im „göttlichen Spiel.“
Wesentliches Anliegen von Aurobindos Philosophie ist die Evolution der niedrigen Formen zu den höheren. Es sei die irdische Aufgabe des Menschen, die Identität mit dem Absoluten zu erreichen und zwar dadurch, dass er über die Sphäre des Geistigen hinaussteigt.
– Roland Ropers zusammen mit dem Jesuitenpater und Gandhi-Preisträger Prof.Dr. Michael A. Windey
Das zentrale Wesen wird nicht geboren und durchläuft keine Evolution.
Vielmehr lenkt es die individuelle Geburt und Evolution.
Die dreifache Anstrengung ist Streben nach dem Göttlichen ohne Vorbedingungen, Zurückweisung von Ideen, Vorlieben, Stolz des Geistes, oder der niedrigen vitalen Natur, und Hingabe an das Göttliche, die ohne Bedingungen des Ego oder persönlichen Gewinnstreben zu geschehen hat.
Letztlich kann nur das Göttliche selbst diese Umwandlung bewirken, was ein Zurücktreten des Individuums voraussetzt.
Über die Psychoanalyse schrieb Aurobindo:
„Moderne Psychologie ist eine Wissenschaft in den Kinderschuhen, gleichzeitig vorschnell, unbeholfen und grob. Wie jede Wissenschaft, die noch in den Kinderschuhen steckt, läuft hier die weitverbreitete Angewohnheit des menschlichen Verstandes, eine beschränkt oder in Einzelfällen zutreffende Wahrheit unzulässig zu verallgemeinern und damit einen ganzen Bereich der Natur zu erklären, vollkommen Amok. Die Psychoanalyse (vor allem die von Freud) nimmt einen bestimmten Teil, und zwar den dunkelsten, gefährlichsten, ungesundesten Teil der Natur, die unterbewusste Schicht des inferioren Vitals, betrachtet einige seiner morbidesten Erscheinungsformen isoliert und misst ihm Auswirkungen bei, die in keinem Verhältnis mehr zu ihrem wirklichen Stellenwert innerhalb der menschlichen Natur stehen… Man sollte in jedem Fall mit einer positiven und nicht mit einer negativen Erfahrung beginnen, indem man etwas von der göttlichen Natur – Ruhe, Licht, Gleichmut, Reinheit, göttliche Stärke – herabbringt in jene Teile des bewussten Wesens, die verändert werden müssen. Erst wenn das in ausreichender Weise getan ist und so eine solide Grundlage besteht, lassen sich die verborgenen, unterbewussten widrigen Elemente gefahrlos an die Oberfläche des Bewusstseins bringen, um sie dort durch die göttliche Ruhe, Leuchtkraft, Stärke und Weisheit auszusondern und zu zerstören. ..Man muss das Ganze kennen, bevor man ein Teil kennen kann, und das Höchste, bevor man wirklich das Niederste verstehen kann. Das ist die Verheißung der größeren Psychologie der Zukunft, die ihre Stunde erwartet und der gegenüber dieses unergiebige Im-Dunkeln-Tappen verschwinden und sich in Nichts auflösen wird“.
Der erste und älteste Schüler von Sri Aurobindo, K.D. Sethna, lebte bis zu seinem Tod am 29. Juni 2011 in Pondicherry. Er wurde fast 107 Jahre alt. Ich hatte ihn wiederholt besucht und mit ihm lange Gespräche geführt. Er war ein großer Verehrer von Bede Griffiths.
17.07.2025
Roland R. Ropers
Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher, Buchautor und Publizist
Über Roland R. Ropers
Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.
Buch Tipp:
Kardiosophie
Weg-Weiser zur kosmischen Ur-Quelle
von Roland R. Ropers und
Andrea Fessmann, Dorothea J. May, Dr. med. Christiane May-Ropers, Helga Simon-Wagenbach, Prof. Dr. phil. Irmela Neu
Die intellektuelle Kopflastigkeit, die über Jahrhunderte mit dem Begriff des französischen Philosophen René Descartes (1596 – 1650) „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) verbunden war, erfordert für den Menschen der Zukunft eine neue Ausrichtung auf die Kraft und Weisheit des Herzens, die mit dem von Roland R. Ropers in die Welt gebrachten Wortes „KARDIOSOPHIE“ verbunden ist. Bereits Antoine de Saint-Exupéry beglückte uns mit seiner Erkenntnis: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Der Autor und die sechs Co-Autorinnen beleuchten aus ihrem individuellen Erfahrungsreichtum die Vielfalt von Wissen und Weisheit aus dem Großraum des Herzens.
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