Gib zurück, was nicht dir gehört – Spiritueller Essay über Besitz, Verantwortung und das Prinzip des Zehnten
“Du sollst nicht begehren … alles, was deinem Nächsten gehört.” (Ex 20,17)
In einer Welt, die auf Konsum, Eigentum und Leistungsanspruch ausgerichtet ist, wirkt ein Gedanke wie aus der Zeit gefallen: Gib zurück, was nicht dir gehört. Und mehr noch: Gib zurück, selbst wenn du etwas bekommen hast. Nimm nicht alles für dich. Teile. Gib weiter. Lass zirkulieren, was du erhalten hast.
Diese Haltung ist nicht nur moralisch. Sie ist tief spirituell. Sie ist das Gegenteil von Gier, Anhaftung und geistiger Enge. Wer zurückgibt, anerkennt, dass nichts in letzter Konsequenz wirklich “mein” ist.
Der Zehnte: Vom Besitz zur Verantwortung
In der jüdisch-christlichen Tradition spielt der Zehnte eine zentrale Rolle. Zehn Prozent von allem, was man erhält – sei es Ernte, Geld, Zeit oder Aufmerksamkeit – sollen bewusst abgegeben werden. Nicht als Steuer, sondern als Ausdruck der Einsicht:
“Ich bin nicht der Ursprung des Segens. Ich bin nur Verwalter.”
Der Zehnte ist keine Pflichtabgabe, sondern ein geistiges Training. Er hält uns wach gegenüber dem Irrglauben, wir seien autonom, abgeschottet oder Eigentümer unseres Glücks. Wer gibt, verbindet sich mit dem Kreislauf des Lebens.
Besitz verpflichtet – Rückgabe befreit
In modernen Begriffen würden wir sagen: Der Zehnte ist eine soziale Rendite. Wer Erfolg hat, gibt einen Teil zurück – an Gemeinschaft, Projekte, Bedürftige oder geistige Quellen.
Es ist der Ausgleich für empfangene Energie:
- Wer Wissen empfängt, teilt es.
- Wer Reichtum anhäuft, fördert damit andere.
- Wer spirituelle Einsichten gewinnt, gibt sie in Form von Zeit, Worten oder Fürsorge weiter.
Der Zehnte ist keine Spende aus Überfluss, sondern ein Akt der Bewusstheit. Er fragt: Was darf ich behalten? Und was schulde ich dem Ganzen?
Der spirituelle Kern: Ich bin Teil des Ganzen
Das 10. Gebot mahnt uns, nicht zu begehren. Es wendet sich gegen die tieferliegende Störung: das geistige Unmaß, immer mehr zu wollen, ohne zu geben.
Rückgabe heilt diese Unordnung. Sie richtet uns innerlich aus:
- auf Dankbarkeit, nicht auf Mangel.
- auf Gemeinschaft, nicht auf Trennung.
- auf Gleichgewicht, nicht auf Aneignung.
Der Zehnte ist damit ein Gegenimpuls zu den krankmachenden Tendenzen unserer Zeit: Besitzhunger, Dauererwerb, Wettbewerb.
Zitate zur Vertiefung
“Was du nicht brauchst, ist das Brot des anderen.” – Aurelius Augustinus
“Niemand ist arm, der geben kann.” – Erich Fromm
“Frei ist, wer geben kann, ohne sich zu verlieren.” – Unbekannt
“Tithe is not a tax. It’s a trust.” – spirituelle Weisheit
FAQ
Warum soll ich zehn Prozent zurückgeben?
Weil du nie allein bekommst. Jeder Erfolg ist eingebettet in soziale, kulturelle oder spirituelle Bedingungen. Rückgabe ist eine Antwort auf das, was du empfangen hast – bewusst und konkret.
Muss es Geld sein?
Nein. Auch Zeit, Wissen, Mitfühlen oder praktisches Handeln können dein “Zehnter” sein.
Wem soll ich geben?
Dem Leben. Der Gesellschaft. Denen, die dich genährt haben. Wähle bewusst: Organisationen, Projekte, Menschen, die Wandel fördern.
Was, wenn ich nichts übrig habe?
Dann gib, was du kannst. Nicht die Höhe, sondern die Haltung zählt. Auch ein Gebet, ein Gedanke, ein Impuls ist Rückgabe.
Schlusswort: Rückgabe als spirituelle Revolution
“Gib zurück, was nicht dir gehört” ist mehr als ein moralischer Appell. Es ist eine Lebensweise. Wer gibt, lebt nicht im Mangel, sondern in der Verbindung.
Der Zehnte ist keine Regel. Er ist eine Erinnerung: Du bist eingebunden. Du bist beschenkt. Und du kannst weitergeben.
Das macht frei. Und menschlich.
Artikel aktualisiert
24.07.2025
Uwe Taschow
Spirit Online
Uwe Taschow
Als Autor denke ich über das Leben nach. Eigene Geschichten sagen mir wer ich bin, aber auch wer ich sein kann. Ich ringe dem Leben Erkenntnisse ab um zu gestalten, Wahrheiten zu erkennen für die es sich lohnt zu schreiben.
Das ist einer der Gründe warum ich als Mitherausgeber des online Magazins Spirit Online arbeite.
“Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.”
Albert Einstein
Hinterlasse jetzt einen Kommentar