Zuflucht in das innerste Zuhause – Blaise Pascal und die Weisheit der Gegenwart

Zuflucht im inneren Zuhause am Beispiel einer Frau am See

In einer Welt voller Krisen suchen viele Menschen Zuflucht – doch wahre Geborgenheit liegt nicht außerhalb, sondern im eigenen inneren Zuhause. Roland Ropers verweist in diesem Beitrag auf Blaise Pascal und zeigt, wie die Weisheit der Gegenwart zur tiefsten spirituellen Erfahrung führt.


Zuflucht im inneren Zuhause

“Ich muss jetzt mal nach Hause gehen,
um nachzuschauen, ob ich überhaupt da bin!“
(Karl Valentin, 1882 – 1948)

In der krisenhaften Weltsituation wird die Frage nach dem Sinn des Lebens täglich bedeutungsvoller. Viele Menschen erkennen immer mehr, dass es kaum noch einen sicheren Zufluchtsort gibt. Kirchen, Tempel, Moscheen u.a.m. sind nicht mehr Orte der Geborgenheit.

👉 Der wichtigste Zufluchtsort ist und bleibt der jedem Menschen innewohnende Tempel des Geistes. Mehr darüber erfährst du in unserer spirituellen Lebenspraxis.

Für diesen Zugang benötigt man kontemplativ geschulte Wegbegleiter, die immer wieder die Gegenwart, die Erfahrung des „ich bin“, zum Inhalt ihrer Unterweisung machen.

„Die Welt ist so unruhig,
man denkt fast nie an das gegenwärtige Leben
und an den Augenblick, in dem man gerade lebt,
sondern an den, in dem man leben wird.
So droht man immer in der Zukunft zu leben anstatt jetzt.
Die Gegenwart ist die einzige Zeit, die uns wirklich gehört,
und wir sollten sie nach Gottes Willen nutzen.“
(Blaise Pascal, 1623 – 1662)

In einer gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Paris erschienenen Literaturgeschichte heißt es:
„Pascal ist der außergewöhnlichste Mensch, den Frankreich hervorbrachte, der tiefste Denker, durch den die Menschheit geehrt wurde.“

Blaise Pascal wurde am 19. Juni 1623 in Clermont (Auvergne) geboren. Sein Vater war Präsident am Obersteueramt. Mit drei Jahren verlor er seine Mutter. Blaise besuchte nie eine Schule. Die Erziehung und Unterrichtung lag ganz in den Händen des mathematisch ebenfalls hochbegabten Vaters.

12 Jahre alt war Blaise, als sein Vater ihn dabei überraschte, wie er auf spielerische Art uralte mathematische Erkenntnisse selbständig gefunden hatte. Mit 16 Jahren erlangte er durch eine mathematische Abhandlung Berühmtheit bei den Fachleuten. Mit 19 Jahren erfand er eine Rechenmaschine, mit der er seinem Vater die Arbeit erleichtern wollte. 1647 entdeckte er das Gesetz der kommunizierenden Röhren und erkannte bei der Untersuchung der Druckverhältnisse in flüssigen Stoffen die Möglichkeit, das Barometer als Gerät für die Höhenmessung zu benutzen. In jungen Jahren war er der führendste Gelehrte Frankreichs. Aber schon sehr früh war die Gesundheit des jungen Mannes für immer erschüttert.

Und so großartig ihm auch die Welt der mathematischen Gesetzlichkeiten erschien, so sehr es ihn zur Erforschung der Natur drängte, all dies war ihm doch zweitrangig gegenüber dem einen entscheidenden Problem:
Was ist Gott, und was ist der Mensch vor Gott?

👉 Fragen wie diese beschäftigen auch unsere Rubrik spirituelle Fragen und Antworten.

In der Nacht vom 23. zum 24. November 1654 – Blaise war 31 Jahre alt – hatte er ein Erleuchtungserlebnis, das er auf einen Pergamentstreifen schrieb, den man nach seinem Tode in seine Kleidung eingenäht fand:

„Von etwa halb elf Uhr abends bis etwa eine halbe Stunde nach Mitternacht Feuer. Der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs – nicht der Philosophen und Gelehrten. Gewissheit, Gewissheit. Inniges Erleben. Freude, Friede. Gott Jesu Christi… Vergessen der Welt und aller Dinge, außer Gott. Freude, Freude, Freude, Tränen der Freude. Völlige Unterwerfung unter Jesus Christus…“

Pascal verbrachte von da an den größten Teil seiner Zeit intensiv meditierend im Kloster Port-Royal. In seinem berühmten Nachlasswerk „Pensées“ („Gedanken über die Religion“) setzte Pascal dem Verstand die „Logik des Herzens“ gegenüber, wobei er unter „coeur“ eine unmittelbare, ohne Analyse und Definition gewonnene Sicherheit allein durch die göttliche Gnade verstand und sich unter Verwerfung aller kleinlichen theologischen Wortklaubereien zu einer umweglosen, persönlichen Erfahrung Gottes bekannte.

Er starb am 19. August 1662 39-jährig in Paris und zählt bis heute zu den faszinierendsten Gestalten der europäischen Geistesgeschichte.

👉 Mehr über diese geistige Dimension findest du in unserer Rubrik Forschung und Seele.

Wer die großartigen Schriften der Weisen, der Weg-Weiser, verinnerlicht hat, weiß um das große Geheimnis der nur in der absoluten, von allem losgelösten Leere erfahrbaren Wirklichkeit.

Spirituelle Meister begleiten uns, damit die immerwährende Gegenwart (Präsenz) als größtes Geschenk (Präsent) erfahren werden kann.

Kontemplation & Aktion, Theorie & Praxis, Wesensschau & kreatives Tun sind nicht voneinander zu trennen und können, falls die kosmische Erfahrung wirksam werden soll, nicht separat praktiziert werden. Dieses in vielen religiösen Traditionen noch anzutreffende Erziehungsmodell muss dringend auf eine sinnvolle Weise verwandelt werden. Wir haben Hoffnung zu lange als Geschehen in der Zukunft missverstanden. Hoffnung ist ein Geschenk der Gegenwart, des Augenblicks.

Das Mysterium der Gegenwart

Zuflucht im inneren Zuhause am Beispiel einer Frau am See
KI unterstützt generiert

Die weisen Meister ermahnen uns, stets gegenwärtig im Hier & Jetzt zu sein. Aber was bedeutet eigentlich das Wort Gegenwart, gegen was ist sie gerichtet?

Es gibt einige deutsche Worte mit der Endung „-wart“, z.B. Torwart, Tankwart, Hauswart, Schlosswart, Kassenwart. Das Suffix „wart“ hat hier die Bedeutung von hüten, verwalten, warten.

Bei dem Wort Gegenwart hingegen hängt das Suffix „wart“ etymologisch mit dem lateinischen Verb vertere (= wenden) zusammen. Somit ist Gegenwart das, was sich einem zuwendet, entgegentritt, das Jetzt, streng genommen der Augenblick der jeweiligen Wirklichkeit, der Übergang vom „nicht mehr“ (Vergangenheit) zum „noch nicht“ (Zukunft).

Die Gegenwart ist die Präsenz-Zeit. In der deutschen Sprache unterscheiden wir deutlich zwischen Präsens (Zeitform des Verbs, Gegenwartsform), Präsenz (Anwesenheit) und Präsent (Geschenk). Alle diese Worte haben ihren Ursprung im lateinischen Verb praeesse = voran-stehen, leiten. Das Partizip Präsens heißt im Latein: praesens (anwesend, gegenwärtig, jetzig, augenblicklich); das lat. Substantiv praesentia bedeutet Gegenwart.

Das Verb praeesse ist sehr irreführend; ohne das Präfix „prae“ bedeutet esse = sein; essentia ist das Wesen, die Essenz. Das lat. Verb praeesse wörtlich übersetzt hieße „voransein“, aber in der Gegenwart gibt es den Zustand von voran überhaupt nicht.

In der englischen Sprache unterscheiden wir zwischen presence (Gegenwart) und present (als Substantiv: Geschenk; als Adjektiv: gegenwärtig). Präsentieren und Präsentation werden bei uns als Darbietung, Darreichung verstanden und verfälschen eigentlich die ursprüngliche Herkunft des Wortes.

Befindet man sich in Paris und liest das Wort hier, muss man wissen, dass es gestern bedeutet. Bei uns ist hier = heute. Sprache (lat.: lingua = die Zunge) kann Irritationen erzeugen, hingegen führt das Herz den Menschen in das tiefste Verstehen des Seins, in die Essenz des Lebens.

👉 Weitere Impulse dazu findest du in unserem Bereich spirituelles Wissen.


FAQ

Was bedeutet „Zuflucht im inneren Zuhause“?
Es bezeichnet den Rückzug ins eigene Bewusstsein, in den „Tempel des Geistes“, wo Menschen unabhängig von äußeren Umständen Frieden finden können.

Warum verweist Roland Ropers auf Blaise Pascal?
Pascal verband Wissenschaft und tiefe spirituelle Erfahrung. Sein Erleuchtungserlebnis und die „Logik des Herzens“ zeigen, dass wahre Erkenntnis jenseits des rationalen Denkens liegt.

Welche Rolle spielt die Gegenwart?
Die Gegenwart ist nach Ropers und Pascal das eigentliche Geschenk des Lebens – nicht Vergangenheit oder Zukunft. Spirituelle Praxis lädt dazu ein, dieses Jetzt bewusst zu erfahren.

Wie kann man Gegenwart praktizieren?
Durch Kontemplation, Meditation und Achtsamkeit im Alltag. Spirituelle Meister erinnern daran, dass Präsenz nicht Theorie, sondern erfahrbare Wirklichkeit ist.

11.09.2025
Roland R. Ropers


Über Roland R. RopersRoland-Ropers

Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.
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