Es gibt nur Gelingen – Eine spirituelle und psychologische Betrachtung von Erfolg und Bewusstsein
Die Aussage „Es gibt nur Gelingen“ drückt eine fundamentale Weltsicht aus, die sowohl in spirituellen Traditionen als auch in modernen psychologischen Erkenntnissen verankert ist. Sie geht über das klassische Erfolgs- und Misserfolgskonzept hinaus und fordert eine neue Sichtweise auf unser Dasein: Alles, was geschieht, trägt letztlich zur persönlichen und kollektiven Entwicklung bei.
Diese Betrachtung ist nicht nur ein optimistischer Denkansatz, sondern auch eine tiefgründige Philosophie, die sich in verschiedenen kulturellen, religiösen und wissenschaftlichen Perspektiven widerspiegelt. Die Idee des ständigen Gelingens – selbst in Momenten des Scheiterns – hat nicht nur eine transformierende Kraft auf unser persönliches Erleben, sondern auch auf unser gesamtes Lebensgefühl.
1. Spirituelle Wurzeln des „Gelingens“
Die Vorstellung, dass das Leben stets einen Sinn und eine Entwicklung beinhaltet, ist in vielen spirituellen Traditionen tief verwurzelt. Hier einige Beispiele:
Buddhismus: Vom Scheitern zum Erwachen
Im Buddhismus gibt es keine absolute Vorstellung von Erfolg oder Misserfolg. Stattdessen steht die Erfahrung im Vordergrund. Siddhartha Gautama, der historische Buddha, musste zahlreiche Hindernisse überwinden, bevor er Erleuchtung fand. Doch keine seiner Fehlschläge wurden als endgültiges Scheitern betrachtet – vielmehr dienten sie als Schritte auf seinem Weg zur Erkenntnis.
Der zentrale buddhistische Begriff Dukkha (Leiden) beschreibt die Unvermeidlichkeit von Herausforderungen. Doch durch Achtsamkeit (Sati), Weisheit (Prajna) und richtige Anstrengung (Viriya) kann der Mensch ein Bewusstsein entwickeln, das Leid nicht als Misserfolg ansieht, sondern als Gelegenheit zur inneren Transformation.
Hinduismus: Das Gesetz des Dharma
In der hinduistischen Philosophie gibt es das Konzept des Dharma – der kosmischen Ordnung. Jeder Mensch hat eine bestimmte Lebensaufgabe, die er erfüllen soll. Wer sein Dharma lebt, erfährt Gelingen, unabhängig von äußeren Umständen.
Der indische Weise Sri Aurobindo (1872–1950) betonte, dass jede Handlung, selbst wenn sie nach weltlichen Maßstäben „scheitert“, im größeren Kontext des Universums zu einem tieferen Zweck dient.
Christentum: Die Kraft des Glaubens
Auch im Christentum finden wir die Vorstellung, dass selbst die dunkelsten Momente einen tieferen Sinn haben. Jesus von Nazareth wurde gekreuzigt, doch für Christen symbolisiert dies nicht sein Scheitern, sondern die Erfüllung seines göttlichen Auftrags.
Der christliche Mystiker Meister Eckhart (1260–1328) lehrte, dass wahres Gelingen nicht an äußeren Ergebnissen, sondern an innerer Hingabe an das göttliche Wirken gemessen wird.
Daoismus: Wu Wei – Das natürliche Gelingen
Im Daoismus steht das Prinzip des Wu Wei im Mittelpunkt – das „Nicht-Erzwingen“. Laut Laozi geschieht wahres Gelingen nicht durch Kampf oder Druck, sondern durch ein harmonisches Mitschwingen mit dem natürlichen Fluss des Lebens.
Daher gibt es in dieser Philosophie keine Trennung zwischen Erfolg und Misserfolg – es gibt nur den Fluss der Dinge, der in sich bereits vollkommen ist.
2. Psychologische Perspektiven: Wie unser Bewusstsein Gelingen erschafft
2.1. Die Macht der Wahrnehmung: Konstruktion der Realität
Die Psychologie zeigt, dass unsere Wahrnehmung der Realität nicht objektiv ist. Das Konzept des Konstruktivismus (Paul Watzlawick, 1984) besagt, dass wir unsere Welt interpretieren, anstatt sie direkt wahrzunehmen.
Wer also glaubt, dass das Leben ein ständiges „Gelingen“ ist, wird diese Realität für sich erschaffen. Wer hingegen an „Scheitern“ denkt, wird überall Bestätigung für Misserfolge finden. Dies wird in der Self-Fulfilling Prophecy (Robert Merton, 1948) beschrieben – unsere inneren Überzeugungen beeinflussen unsere äußere Welt.
2.2. Resilienz: Die Kraft der inneren Stärke
Resilienzforschung zeigt, dass Menschen, die Krisen als Chancen sehen, widerstandsfähiger sind. Laut Studien von Emmy Werner (1995) sind resiliente Menschen erfolgreicher und glücklicher, weil sie Hindernisse nicht als Niederlagen, sondern als notwendige Lektionen auf ihrem Weg begreifen.
2.3. Das Growth Mindset: Erfolg durch Veränderbarkeit
Carol Dweck (2006) beschreibt das Growth Mindset als entscheidenden Faktor für Entwicklung. Menschen mit dieser Denkweise glauben, dass Fähigkeiten und Intelligenz nicht festgelegt, sondern durch Lernen und Erfahrung erweiterbar sind.
Wer also an das Prinzip „Es gibt nur Gelingen“ glaubt, wird sich kontinuierlich weiterentwickeln, statt sich von Rückschlägen entmutigen zu lassen.
3. Spiritualität und Flow: Wenn Gelingen zur Lebensweise wird
3.1. Flow-Zustand als Inbegriff des Gelingens
Der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi (1990) beschreibt den Flow-Zustand als Moment des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit. Menschen, die Flow erleben, fühlen sich glücklich, kreativ und erfolgreich – unabhängig von äußeren Ergebnissen.
Dieser Zustand ist mit der spirituellen Haltung des „Gelingens“ vergleichbar, weil er zeigt, dass wahres Erfülltsein nicht von Ergebnissen abhängt, sondern von innerer Hingabe.
3.2. Die Kraft des Loslassens
Spirituelle Lehrer wie Eckhart Tolle betonen, dass unser Leiden oft dadurch entsteht, dass wir an bestimmten Vorstellungen von Erfolg festhalten. Sobald wir diese loslassen und dem Moment vertrauen, geschieht Gelingen von selbst.
4. Praktische Umsetzung: Wie man die Haltung des Gelingens kultiviert
4.1. Tägliche Reflexion über Gelingen
Jeden Tag bewusst fragen:
- Was habe ich heute gelernt?
- Wie hat sich eine scheinbare Niederlage als nützlich erwiesen?
- Welche unerwarteten positiven Entwicklungen gab es?
4.2. Achtsamkeit und Dankbarkeit
- Meditation und Achtsamkeitspraktiken helfen, den Moment wertzuschätzen.
- Dankbarkeitstagebücher stärken den Fokus auf das Gelingen.
4.3. Positive Sprachmuster kultivieren
- Statt „Ich habe versagt“ lieber sagen: „Ich habe gelernt.“
- Statt „Das war ein Fehler“ lieber sagen: „Das war ein Entwicklungsschritt.“
Fazit: Ein Leben im Bewusstsein des Gelingens
Die Überzeugung „Es gibt nur Gelingen“ ist eine transformative Haltung, die spirituelle Weisheit mit psychologischen Erkenntnissen verbindet. Sie ermöglicht es uns, das Leben als fortwährenden Entwicklungsprozess zu sehen, in dem selbst vermeintliche Rückschläge Teil des größeren Gelingens sind.
Durch Achtsamkeit, Resilienz und eine veränderte Wahrnehmung kann jeder Mensch diese Perspektive in sein Leben integrieren – und damit eine tiefere innere Zufriedenheit und Gelassenheit erreichen.
30.10.2024
Uwe Taschow
Uwe Taschow
Als Autor denke ich über das Leben nach. Eigene Geschichten sagen mir wer ich bin, aber auch wer ich sein kann. Ich ringe dem Leben Erkenntnisse ab um zu gestalten, Wahrheiten zu erkennen für die es sich lohnt zu schreiben.
Das ist einer der Gründe warum ich als Mitherausgeber des online Magazins Spirit Online arbeite.
“Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.”
Albert Einstein
Hinterlasse jetzt einen Kommentar