Mit Distanz das Leben betrachten

Lebensschwellen-erkennen-ueberwinden-Kamphausen-goal

Mit Distanz das Leben betrachten tor gitter landschaft

Mit Distanz das Leben betrachten – Lebensschwellen erkennen und überwinden

Wenn wir älter werden, gelingt es uns zunehmend besser, aus einer erhöhten Position auf größere Abschnitte unseres Lebens zurückzublicken. Wenn wir jünger sind, fehlt uns oftmals die nötige emotionale Distanz für einen solchen allumfassenden Rückblick.

Erst ab einem gewissen Alter ist es uns möglich, unser Leben – und somit auch uns selbst – als ein Gesamtkunstwerk zu betrachten. Aus der Distanz heraus erkennen wir, welche Konsequenzen unser Handeln hatte, wo es uns hingeführt hat und welche Umwege nötig waren, um dorthin zu gelangen, wo wir jetzt stehen. Plötzlich ist es möglich, sich selbst als etwas Vollendetes zu betrachten, das sich aber über viele Jahrzehnte formen musste.
Bis dahin blickt jeder Mensch in seinem Leben mehrfach erstaunt und gelegentlich auch verzweifelt auf das zurück, was ihm widerfahren ist und was er bis dahin erreicht hat.

In diesem Kontext stellen wir uns oft die Frage:

  • Was soll das Ganze eigentlich?
  • Welchen Sinn hat das und
  • warum passiert uns das eigentlich?

Wir kreieren eine Geschichte über unser eigenes Leben, die all diese Fragen in sich vereint und beantwortet. Sie erzählt von all den Ereignissen und Wandlungen, die unser Leben geprägt haben. Lebensgeschichten können ganz unterschiedlich erzählt werden. Manche erzählen als Opfer ihrer Umstände, vom Schicksal überrumpelt, andere legen einen Sinn in alles, was bisher geschehen ist.

Entscheidend ist dabei die persönliche Haltung zum eigenen Leben und in welcher Phase wir uns gerade befinden. Wenn wir uns unsere eigene Lebensgeschichte einmal genauer anschauen, wird uns schnell bewusst, dass wir aus heutiger Sicht viele Ereignisse anders beurteilen als in der jeweiligen Situation. Retrospektiv betrachtet, können Katastrophen der Auslöser für positive Wendungen sein. Neue Türen öffnen sich und unsere Lebensgeschichte schlägt eine vollkommen andere Richtung ein.

Das Narrativ, die Art des Erzählens, ändert sich zumeist dann, wenn eine neue Schwelle im Leben überschritten wird.

Ob Geburt, Pubertät, die erste Liebe, die Wahl des Berufes, Beziehungen, Sexualität, Kinderwunsch, Karriere und Pensionierung – wir alle durchlaufen immer wieder Phasen des Wandels, in denen wir eine weitere Lebensschwelle überschreiten. Oftmals fühlen sich diese Zeiten beängstigend an, da wir unsere Komfortzone verlassen müssen, um zu neuen Ufern aufzubrechen.

Es erfordert Mut und Zuversicht, die Schwelle zu überwinden und sich auf das einzulassen, was einen dahinter erwartet.
Lebensschwellen sind unausweichlich. Sie markieren Wendepunkte im nie endenden Prozess eines jeden Lebens und begleiten uns von der ersten Schwelle, der Zeugung, bis zur möglicherweise letzten, dem Tod.

Manche Wandlungen treten – aus unserer subjektiven Sicht – plötzlich und vollkommen unerwartet ein.

Wenn wir genauer hinsehen, stellen wir aber schnell fest, dass Schwellensituationen meistens Konsequenzen längerer Entwicklungen sind. Wäre man achtsamer und vor allem bewusster gewesen, hätte man die Schwellensituation rechtzeitig voraussehen können.

Doch es liegt in der Natur des Menschen, unangenehme und unabänderliche Ereignisse vor sich herzuschieben und zu verdrängen. Aber selbst, wenn man vor dieser Entwicklung die Augen verschließt, erreicht eine Schwellensituation irgendwann den Punkt, wo sie nicht mehr verdrängt und übersehen werden kann.

Uns allen sind sicher Situationen bekannt, in denen es uns so ging:

Die Trennung von unserem Partner, eine anstehende Kündigung oder auch eine Erkrankung, die sich zunehmend bemerkbar macht. Statt sich rechtzeitig mit der Schwellensituation auseinderzusetzen, versuchen wir alles, um ihr zu entkommen – und berauben uns selbst damit der Möglichkeit, den Übergang zur neuen Schwelle möglichst behutsam und vorbereitet zu gestalten.

Es ist also wichtig, das eigene Leben immer wieder achtsam zu betrachten und die Entwicklungen mit ihren möglichen Konsequenzen zu Ende zu denken. Auf diese Weise lässt sich eine zunehmende Sensibilität für die Schwellensituationen entwickeln, die uns davor bewahrt, unvorbereitet in einen neuen Lebensabschnitt zu stolpern.

Wolfgang Krahé und Hans Jürgen Weigt begleiten uns mithilfe ihres Buchs „Lebensschwellen“Wolfgang-Krahe-Heinz-Juergen-Weigt-kamphausen-lebensschwellen

durch unsere ganz persönliche Schwellenbiografie, indem sie exemplarisch die wichtigsten allgemeinen Schwellensituationen aus ihrer Sicht beschreiben und für uns greifbarer machen. Sie helfen uns dabei, unsere eigene Lebensgeschichte neu zu entdecken und anstehende Umbruchsphasen bewusster wahrzunehmen.

Immer wieder berichten sie aus ihrer langjährigen Erfahrung als Psychotherapeuten und regen mit ihren Fallgeschichten zur Identifikation an – und somit auch zu einer bewussten Auseinandersetzung mit den bereits überschrittenen und noch bevorstehenden Schwellen. Menschen, deren Leben sich momentan mitten im Wandel befindet, die nach einen (tieferen) Sinn im Leben suchen oder die sich in einer Krise allein gelassen fühlen, können sich über wertvolle Erkenntnisse und praktische Tipps freuen.

Hier folgt eine Leseprobe aus dem Buch „Lebensschwellen“ (S. 18-23)

“Falls Sie dieses Buch in einer Zeit lesen, in der Sie selbst in einer Krise sind, kann es ungeheuer hilfreich und tröstend sein, sich nicht nur rational, sondern vor allem emotional bewusst zu machen, dass die gleiche Schwelle, die Sie jetzt gerade beunruhigt, schon von unzähligen Menschen vor Ihnen bewältigt wurde. Es kann sehr erleichternd sein zu begreifen, dass wir letztendlich gar nicht die Wahl haben, unsere Schwellen zu überwinden oder nicht zu überwinden.

Viele von uns trösten sich mit der Illusion, Kontrolle über ihr Leben zu haben, oder sie versuchen, sich ins Agieren zu retten und auf diese Art die Schwelle zu vermeiden. Fast immer gibt es einen Scheideweg. Aber welchen Abzweig wir auch wählen, er führt auf seine Art über/hinter die Schwelle. Natürlich können wir einen Beziehungskonflikt durch Selbstmord lösen oder durch einen Wechsel des Partners, auch durch einen Wechsel der Arbeitsstelle.

Jeder dieser Ansätze ist ein Weg, die Schwelle scheinbar zu vermeiden und sie in der Vermeidung doch zu überschreiten.

Auch der Suizid beendet einen Beziehungskonflikt und bedeutet Wandlung. Mit einem neuen Partner, den ich, um einen Konflikt zu vermeiden, in mein Leben lasse, werde ich wahrscheinlich eine Ehrenrunde drehen, um an derselben Schwelle wieder anzukommen. Wechseln wir die Arbeitsstelle, weil wir gemobbt werden, ohne unseren Anteil zumindest für möglich zu halten, kann es gut sein, dass uns das Gleiche wieder passiert.

Damit sich etwas verändert, müssen wir den Mut finden, das Spektrum unseres Bewusstseins und seiner Lösungsalternativen zu erweitern. Auf diese oder jene Weise werden wir die Schwelle immer überschreiten, und danach, häufig auch dadurch, geht das Leben weiter. Sogar ein scheinbares Scheitern – manche glauben, dass es ein Scheitern im eigentlichen Sinne gar nicht gibt – bis hin zu einem daraus folgenden Zusammenbruch ist meistens nur der Ausgangspunkt für eine neue Lebensphase mit ihren eigenen Herausforderungen, aber auch neuen Stärken und ihrem Potenzial für Glück.

Manche Menschen fühlen sich nach jahrelangem verzweifeltem Ringen zutiefst erleichtert, wenn sie die Schwelle in die Privatinsolvenz überwunden haben. Sogar der Tod kann ein Glück sein, wenn er vom Siechtum erlöst. Gerade dieser Aspekt der Erlösung, also des Gnädigen im Tode, ist oft der wichtigste Trost für die Hinterbliebenen in ihrer Trauer.

Es sollte von vornherein auch erwähnt werden, dass nicht alle Schwellen, die wir in unserem Buch aufzeigen, qualvoll sind.

Andere Schwellen bedeuten den Sprung in ein verheißenes, neues Glück, das natürlich genauso wie das Unglück sein wahres Gesicht erst im weiteren Verlauf des Lebens zeigt. Neben den Aspekten von Trost und Erleichterung, die in der Erkenntnis bestehen, dass man nicht alleine ist mit seinem Ringen an den Schwellen, kann dieses Buch auch dabei helfen, ein wenig Orientierung im Leben zu finden.

Wir werden in diesem Text von vielen Menschen erzählen,

die uns Autoren in unserem privaten und beruflichen Leben in Schwellensituationen begegnet sind.
Dabei geht es im Besonderen auch um die Art, wie diese Menschen die jeweilige Schwelle, zu der wir ihre Geschichte erzählen, überwunden haben.

Vielleicht werden Sie sich in dem einen oder anderen wiedererkennen, vielleicht werden Sie auch staunen, wie unterschiedlich verschiedene Menschen auf eine ähnliche Herausforderung reagieren. Vielleicht können Sie von diesen Geschichten dadurch profitieren, dass Sie sie einfach dazu nutzen, das Spektrum Ihrer Lösungsalternativen zu erweitern.

Natürlich ist jeder Mensch anders, und natürlich muss unabdingbar jeder seine eigene persönliche Lösung finden – die auch nur er selbst finden kann. Dennoch ist jede Lösung abhängig vom persönlichen Entwicklungsstand und von der Breite der für den einzelnen Menschen denkbaren Alternativen.

Ein weiterer Grund, warum es sinnvoll sein kann, dieses Buch zu lesen, besteht darin, dass wir hier exemplarisch den Lauf eines ganzen Lebens schildern. Vielleicht können Sie sich vorstellen, Sie wären die Protagonistin oder der Protagonist einer initiatischen Geschichte, die Sie persönlich erleben und auf die Sie gleichzeitig, während Sie dieses Buch lesen, aus einer Art Vogelperspektive schauen. Wenn Ihnen das gelingt, wird sich Ihr Leben in seiner Gesamtheit vor Ihnen ausbreiten.

Dies kann Ihnen helfen, die Relativität der verschiedenen Schwellensituationen ebenso zu begreifen wie auch den roten Faden,

der das Gesamtkunstwerk Ihres persönlichen Lebens prägt. Stellen Sie sich einfach vor, es ginge um Sie, um Sie persönlich. Lassen Sie sich davon berühren, wie Sie den unterschiedlichsten Kräften einer unberechenbaren Welt ausgesetzt sind.
Trotz allem mäandert der Fluss Ihres Lebens, von der Quelle ausgehend, Strömungen und Altwasser entlang der letzten diesseitigen Schwelle entgegen.

Lassen Sie sich nicht davon ablenken oder verwirren, wenn Ihnen bei dieser Fantasiereise an allen möglichen Klippen Leute begegnen, die ganz anders sind als Sie. Versuchen Sie einfach, aus dem Ähnlichen, das Sie finden, Ihre Verbundenheit mit dem Mainstream Ihrer Zeitgenossen abzuleiten. Betrachten Sie gleichzeitig die aus Ihrer Sicht so sehr anderen, die Sie jetzt nicht verstehen können, vielleicht sogar ablehnen.

Schauen Sie mit wohlwollenden Augen auf diese anderen in dem Vertrauen, dass diese, ebenso wie Sie, ihrem Bewusstseinsstand entsprechend den besten denkbaren Beitrag für Ihr Leben und die Welt leisten, der ihnen möglich ist.

Manchmal sind es ausgerechnet diese so sehr anderen, die sich im Endeffekt als »Schwellenhelfer« für uns entpuppen.

Auf diese Schwellenhelfer werden wir im Buch noch öfter zurückkommen, zumal es immer wieder eindrucksvoll ist, dass gerade in Momenten großer Bedrängnis Menschen in unser Leben treten, die uns den Schritt über die Schwelle, hin zu einer neuen Stufe der Verwirklichung, massiv erleichtern.

Hierbei ergibt sich eine erste Gelegenheit, mit einer Schwelle zu experimentieren: Vielleicht schaffen wir es, die den meisten von uns gemeinsame Illusion, recht zu haben, als rigide Überzeugung zu erkennen und aufzugeben. Das ermöglicht uns, Empathie für das aus unserer Sicht scheinbar Abwegige zu entwickeln.

Damit wird unsere persönliche Welt ein wenig weiter.

Mancher von Ihnen wird uns Autoren jetzt für blauäugige, naive Optimisten halten, die die Existenz von Fehlern, Schuld und Abwegigkeiten leugnen. Dies wäre ein Missverständnis.

Selbstverständlich gibt es Fehler, und zu den existenziell konstruktiven Aspekten von Schuldgefühlen gehört natürlich deren Verankerung in dem – wahrscheinlich sogar biologisch fundierten – menschlichen Streben nach Optimierung. Menschen wollen aus Fehlern lernen, weil so ihr Überleben nachhaltig gesichert wird.

Ebenso verkennen wir mit unserem Ansatz in diesem Buch nicht, dass es Abwegigkeiten gibt, die in gewisser Weise ein Frevel dem Leben gegenüber und gegenüber dem Existenzrecht der Mitmenschen darstellen. Man muss bloß an gewisse Gewaltexzesse denken, wie sie sich auf der Grundlage ideologischer Verblendung im Terrorismus inszenieren.

Dennoch beharren wir auf unserer Empfehlung, auch das als fehlerhaft und abwegig Betrachtete mit dem Blick der Empathie neu zu begreifen. Oft kommen wir nicht umhin, das subjektiv Abwegige auf Dauer als jene Selbstanteile zu verstehen, die wir noch nicht integriert haben. Wir verurteilen diese im anderen. In der Psychologie nennen wir das Projektion. Jene uneingestandenen Selbstanteile formen das, was C. G. Jung als Schatten bezeichnete.

Ob wir es nun wahrhaben wollen oder nicht:

Letztendlich ist ein Selbstmordattentäter nichts anderes als ein subjektiv aufrechter, strebsamer junger Mensch, der bereit ist, seinen Einsatz für das aus seiner Sicht vermeintlich Gute mit dem Leben zu bezahlen. Der Stolz seiner Unterstützer und Gleichgesinnten, oft sogar seiner Eltern, tröstet ihn im eigenen Tod, ebenso die Gewissheit, von der Hand eines gütigen Gottes aufgefangen zu werden, von dem man ihn überzeugt hat. Das aus unserer Sicht Abwegige ist seine Theorie über das Leben, wobei gleichzeitig seine Intention darin besteht, ein Diener der Liebe zu sein.”

Buchtipp:kamphausen-lebensschwellen

Lebensschwellen
Wie Sie Umbrüche in Ihrem Leben erkennen, meistern und daran wachsen
von Wolfgang Krahé und Hans Jürgen Weigt

Dieses Buch möchte Ihnen die Angst nehmen und soll eine lebendige und ermutigende, zuweilen auch humorvolle Hilfestellung bieten, wenn die Wellen des Lebens gerade vielleicht höher schlagen als sonst.

>>> Details zum Buch <<<


Über die Autoren:

Heinz-Jürgen WeigtHeinz-Juergen-Weigt-kamphausen-lebensschwellen

Dipl.-Ing. Heinz-Jürgen Weigt war nach seinem Studium der Ingenieurswissenschaften in verschiedenen Aufgaben im Management tätig. Als Führungskraft war es ihm schon früh ein Anliegen ökonomische und humanitäre Interessen ins Gleichgewicht zu bringen. In seinem heutigen Tätigkeitsbereich bei Bridge into life, als Coach, Trainer und Unternehmensberater ist seine Leitmotivation: Führung ist eine Sonderform von Begegnung.

Wolfgang KrahéWolfgang-Krahe-kamphausen-lebensschwellen

Dr. med., Dipl.-Psych. Wolfgang Krahé ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, sowie Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Gemeinsam mit seiner Frau Katja betreibt er eine psychiatrisch, psychotherapeutische Praxis. Gemeinsam mit Heinz-Jürgen Weigt erarbeitete er die Organisationpsychotherapie, und gemeinsam betreiben sie Bridge into life PartG, ein interdisziplinäres Beratungsunternehmen.


14.09.2019
Wolfgang Krahé
Heinz-Jürgen Weigt
Mehr unter: www.bridge-into-life.de

Alle Beiträge der Autoren auf Spirit Online Alle Bücher und Beiträge von Kamphausen auf Spirit Online

1 Kommentar

  1. Jaaa, genauso sehe ich das auch: “Wenn wir älter werden, gelingt es uns zunehmend besser, aus einer erhöhten Position auf größere Abschnitte unseres Lebens zurückzublicken. … Erst ab einem gewissen Alter ist es uns möglich, unser Leben – und somit auch uns selbst – als ein Gesamtkunstwerk zu betrachten.”
    Für ich ist dies wieder einmal ein Beispiel für ein Thema und Wissen, dass man schon jungen Menschen (in Schulen und Hochschulen) vermitteln sollte. Es ist so schade, das alt und älter werden in unserer Gesellschaft so negativ belegt ist.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*