Spirituelle Arroganz – Der wahre Meister weiß, dass er kein Meister ist
Spirituelle Arroganz ist eine der hinterhältigsten kleinen Fallen die wir auf dem Pfad, der spirituellen Entwicklung erleben können. Und sie begegnet jedem von uns früher oder später. Wenn du die Sicht auf dich selbst verlierst, wenn du die Fähigkeit ein Schüler zu sein verlierst, weil du zu sehr damit beschäftigt bist, ein Meister zu sein, hilft nur die ehrliche Rückbesinnung auf die Tatsache, dass Stillstand der Tod jeder Entwicklung ist.
Mache dir bewusst, dass die wahren Meister sind immer Schüler geblieben sind
Der wahre Meister weiß, dass er kein Meister ist. Der einzige Blick der dir nach vorne hilft, ist der Blick zurück auf dich und dein Verhalten. Wer von sich behauptet irgendetwas zu sein, hat in diesem Moment seine Entwicklung beendet, denn er definiert seinen Seinszustand als absoluten.
Wir häufen im Laufe unserer Lebensjahre zunächst viel Wissen an und glauben dadurch auch viel zu verstehen. Jedoch bedeutet Wissen nur Information aufnehmen. Das sagt zunächst nichts darüber aus, ob wir diese Information auch wirklich verstanden haben. Du kennst sicher diesen Moment, wenn Wissen vom Verstand ins Herz rutscht. Dort wird Wissen zu einer Erkenntnis. Erst dann haben wir die Information wirklich verstanden. Deshalb kann es sein, dass wir bestimmte Inhalte in 20 verschiedenen Formen lesen oder hören und erst beim einundzwanzigsten mal lesen oder hören wir es so, dass es klick macht und wir verstehen, dass es das war, was uns die anderen 20 Male auch schon versucht haben zu sagen. Dann ist Wissen im Herzen zu Erkenntnis geworden.
Du erkennst spirituelle Arroganz daran,
dass es dir schwer fällt Kritik anzunehmen, dass du das Gefühl hast du musst deinen Standpunkt auf jeden Fall verteidigen oder im inneren das Gefühl hast, du blickst auf den anderen von oben herab. Achte immer auf das Gefühl wahrer Demut, versuche selbst dann, wenn du so gar nicht der Meinung des anderen bist, zu verstehen, dass sowohl deine als auch seine Meinung nur eine Meinung ist. Es ist nichts wirklich wichtig, Meinungen sind heute so und morgen schon verändert. Sie ist nur das Geschwätz von Gestern.
Achte nur darauf was es mit dir macht, ob dich die Meinung, also im Grunde das woran ein anderer glaubt, wirklich angreifen kann, und wenn ja, warum? Es ist nur seine Meinung. Es gibt bei den Sufis eine Übung, die dir zur Aufgabe macht, die Meinung deines Gegenüber zu vertreten, gerade wenn sie so ganz und gar nicht deiner inneren Überzeugung übereinstimmt. Du wirst feststellen, wenn du das mit Ernsthaftigkeit tust, kannst du sogar irgendwann diese Meinung verstehen. Es sind eben nur Gedankengebäude mit denen der Verstand Städte der Zwietracht baut.
Issam, der Schüler eines bekannten Sufiweisen, kam eines Tages aufgeregt in den Tagesraum, der für die Schüler des Sufi vorgesehen war
„Wo ist der Meister?“ Wollte er aufgeregt wissen. Der Meister ist im Garten bei seinen Blumen, du wirst ihn dort aufsuchen müssen“ schallte es aus der für die Schüler groß angelegten Küche. Issam lief den Gang hinunter, pflückte sich noch einen Apfel von den Apfelbäumen, die den Weg zum Garten des Meisters säumten, und kam dann, endlich bei ihm an.
„Ich grüße dich oh Meister“ sprach Issam, der Meister war so sehr in die Arbeit mit seinem Garten vertieft, dass er ihn fast nicht bemerkte, er fuchtelte etwas unbeholfen in der Luft herum und hatte dabei ein recht seltsam anmutenden Zylinder auf dem Kopf, der ihn vor übermäßigen Bienenstichen schützen sollte, und er glich damit eher einem verirrten Astronauten, als dem gewohnten Bild des entspannten Sufimeisters. Issam versuchte sich das Lachen zu verkneifen. Als der Meister etwas erschrocken herumfuhr, verrieten seine für Sekunden aufgerissenen Augen, dass er sich tatsächlich ganz der Meditation seiner Blumen hingegeben hatte.
„Huch! Issam, was machst du denn hier?“ wollte er wissen. Issam hatte auf einem Teil des wunderschön angelegten Gartens Platz genommen und bewunderte in aller Stille die wundervoll duftende Farbenpracht. „Ich muss dich etwas fragen.“ „Das tust du doch immer, Issam” lachte der Meister zu ihm herüber „Ja, aber das hier beschäftigt mich schon eine ganze Weile, und ich wusste nicht wie ich die Frage stellen sollte.“
„ Lass sie einfach frei“
Djadi hat den jüngeren in der Schule erklärt, dass sie alle noch nichts von Spiritualität und dem wahren göttlichen Wissen verstehen könnten, weil sie noch nicht in die Weisheit der heiligen Schriften eingetaucht wären. Sie wären alle noch kleine dumme Schafe und sollten lernen den Mund zu halten, wenn ein älterer zu ihnen spricht.“ Der Meister legte seine Schere für einen Moment bei Seite und sagte dann: „weißt du Issam, die Ohren sind nur Werkzeuge um Klänge und Töne aufzunehmen, und manchmal ist das was Menschen sagen, nicht mehr als Lärm.
Lerne in deinem Herzen zu lesen, statt in den Büchern dieser Welt, denn in den Büchern dieser Welt liest du nur, was andere in ihren Herzen gefunden haben. Djadi ist selbst noch sehr jung und er gibt ein bisschen vor euch an, weil er älter ist als ihr. Das führt ihn gerade in die enge Gasse der spirituellen Arroganz.“ Issam blickt den Meister mit großen Augen an „ Was ist spirituelle Arroganz, Meister?” Der Meister lächelte Issam freundlich an und sprach.
„Spirituelle Arroganz ist nur das Erlangen einer Fähigkeit, die ein Glas so lange rieb, dass es blind wurde.”
02.07.2017
Ralph Valenteano
www.VALENTEANO.com
Ralph Valenteano
ist Lebenscoach, Autor, Künstler und Komponist.
Er arbeitet verbal und nonverbal durch seine Musik zum Wohle eines besseren Miteinanders.
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