
Die Erlösung des Lebens
Was ist wahre Heilung? Eine Frage, die immer wieder durch mein Wesen hallt. Aneckt, verschluckt wird und in unerwarteten Momenten wieder aufhallt. Was ist wahre Heilung? Ich erinnere mich an Meditationserfahrungen. Tief versunken, hinausgezogen aus dem menschlichen Drama durch den Schöpfungspunkt jenseits der Form in die Unendlichkeit hinein. Der Ort, den diese Frage nicht erreicht, den diese Frage nicht berühren kann. Ein Ort, wo keine Heilung nötig ist und kein Gebet mehr gesprochen werden muss. Ich erinnere mich und frage mich, was wahre Heilung ist.
Wenn wir alle in der Essenz diese unendliche Lichtkraft jenseits jeglicher Zeit und jeden Raumes in uns tragen, ja diese sogar unsere wahre Natur sein soll, wie kam die Frage um Heilung auf?
Im menschlichen Drama verschluckt erscheinen die Probleme des Lebens real bis massiv bis bedrohlich. Unumgänglich. Oder spirituelles Bypassing droht. In Meditation versunken das Finanzamt vergessen, was sich nun mit fünfstelligen Forderungen meldet. Vielleicht ist es auch die Schwiegermutter, die sich immer häufiger in die Beziehung einmischt. Oder es ist der unverrückbare OP-Termin als ein letzter Versuch, bevor Teile des Darms sich verabschieden müssen. Roh, sehr roh und zäh kann uns das Leben entgegenkommen. Wuchtig türmt es sich auf und ein Untergang wirkt panisch nah. Der Partner – ein Pflegefall seit 10 Jahren und mit jedem Jahr undankbarer. Ein Verlust scheint unausweichlich nah. Seit dem Schulwechsel ist der Kontakt zum Kind nicht mehr da, dafür umso mehr Verzweiflung wegen dem Drogenskandal. Und dann taucht diese Frage wieder auf. Was ist wahre Heilung?
Todeskult und Hoffnungssterne
Besserung? Ein Wunder? Mitten im Drama und der Krise sind weise Worte allzu oft nur Trost, der die scheinbare Unlösbarkeit für einige Minuten in die Zukunft verrückt, bis auch diese zu einem Jetzt wird. Dann verwandelt sich Spiritualität in Ablenkung und die Rufe nach Positivität als Allheilmittel werden lauter bis fordernd. Gott? Warum hast du mich verlassen?
Jesus am Kreuz. Hat er sich gefragt, was wahre Heilung ist? Hat er gebangt, ob sein Körper und seine Psyche wieder heil werden können? Hat er gehofft, dass es gleich besser wird und die ganze Kreuzigung schnell vorbeigeht? Schneller Tod als Hoffnungsstern? Die meisten verbringen so ihr Leben. Ob spirituell angemalt oder nicht – sie leben von der Hoffnung getrieben, einen besseren Zustand erreichen zu müssen. Das ist Zelebrierung des Todes! Ganz still und heimlich hat sich der Totenkult durchgesetzt. Und dann erzittern die gleichen Hoffnungssucher im Angesicht der Verschwörungstheorien, dass ein satanischer Kult die Welt regiert. Welch Spiegel wird uns dort vorgeführt?
Während ich diese Zeilen in den Laptop tippe, frage ich mich, wer bis hierhin gelesen hat.
Mit einem einfachen Klick sind die Worte weg – diese viel zu schweren Worte. Warum nicht ein 5-Schritte-Programm der Erlösung? Oder ein prägnanter Absatz über den Denkfehler, den es zu verbessern gilt, damit die Probleme verschwinden? Zumindest eine Hoffnungsgeschichte, bei der man sich für einige Minuten sicher vor dem Grauen des Lebens fühlen kann und inspiriert ist weiterzumachen?!
Den Krieg überlebt, die Trauer transzendiert, den Meister im Himalaya gefunden…Das Gute hat gesiegt. Die Welt erscheint für eine Weile heil…bis sich das Finanzamt wieder meldet oder…Die Antwort darauf, warum ich nichts dergleichen schreibe, ist so einfach, wie die Versuchung des nächsten Klicks.
Das alles ist keine wahre Heilung!
Die erlösende Christuskraft
Ich nehme an, das Jesus am Kreuz meditiert hat. Meditation als unerschütterliche, bedingungslose Präsenz dem Leben gegenüber. Nichts fordernd, alles gebend. Ich erkenne darin die Essenz der Lehre Christi und wahrer Selbstheilung. Jesus ist nicht am Kreuz gestorben, damit unsere Sünden vergeben sind und wir nun spirituellen Hedonismus spielen können. Er ist nicht am Kreuz gestorben, damit die nachfolgenden Menschengenerationen Selbstverleugnung praktizieren können, ohne dass es Konsequenzen hat. Denn es gibt kein eindeutigeres Symptom von Selbstverleugnung als sich als Opfer seines Lebens zu erleben, bedroht, verloren und auf eine Wundergeschichte wartend! Und dies mit Weisheitssprüchen zu ummanteln, ist fernab jeder wahren Heilung.
Jesus hat sich von keiner Angst abhalten lassen, dem Leben ins Gesicht zu schauen und im Kontakt mit der direkten, unmittelbaren Erfahrung zu sein. Keine Brutalität war zu groß und keine Ungerechtigkeit so verführerisch, um seine Lebensaufgabe aufzugeben. Gott sei Dank!
Denn das macht ihn zu einem Symbol der Erlösung, welche er so exemplarisch verkörpert hat. Er wusste um seine Lichtkraft und als diese ist er der menschlichen Erfahrung begegnet. Er ist für unsere Sünden am Kreuz gestorben, weil wir durch ihn sehen können, dass es keine Sünde, keinen Horror und keinen Schmerz gibt, dem wir nicht begegnen können – bedingungslos.
Das ist die Kraft Christi, die in uns allen schlummert. Das ist die Gewaltigkeit Gottes, die uns Menschheit geschenkt ist. Das ist der Urgrund unseres Seins, vergessen und verleugnet doch niemals verloren! Deswegen schreibe ich über die Schwere und Hoffnungslosigkeit des Lebens ohne 5-Punkte-Plan. Wir brauchen keine Strategien, um mit dem Leben zurecht zu kommen und möglichst schnell eine heile Welt zu haben. Wie klein, wie selbst verletzend ist das! Wie sollen wir wahre Heilung erfahren, wenn wir dieses Selbstbild kollektiv aufrechterhalten und uns dafür sogar beklatschen und bejubeln?
Erlösung sein mitten im Schatten
Wahre Heilung? Das ist die bedingungslose Verkörperung der Lichtkraft – beim Finanzamt, bei der Schwiegermutter, in der OP und bei den abweisenden Kindern. Es ist die Begegnung mit dem Leben in uns, genauso wie es sich in seinen Schattengestalten zeigt, und ein Durchdringen dieser Erfahrung Schicht um Schicht bis das Leben im Schatten erlöst ist.
Ja, Jesus war der Christus der Erlöser. Und so bist Du es, so bin ich es und so sind wir es. Dafür brauchen wir uns kein tatsächliches Kreuz suchen. Wir alle haben unsere Kreuze, unsere Heraus-forderungen. Jede Seele genau an ihrem individuellen Punkt der Entwicklung.
Das sind unsere Lebensaufgaben, in denen wir den Schattenbildern begegnen und unsere wahre Größe und Fähigkeit wiederentdecken können.
Die Fähigkeit das Leben bedingungslos zu lieben. Denn es ist genau diese Liebe, die wir sind. Wir lieben, um uns zu erkennen. Das ist Selbsterkenntnis. Wir leben, um zu erlösen. Das ist Selbstheilung. Und in diesem Lieben und in diesem Leben löst sich die Frage nach wahrer Heilung auf. Sie geschieht. Wer diese ehrenwerte Aufgabe annimmt, muss nicht mehr fragen, sondern ist selbst zu der heilsamen Antwort geworden. Das ist wahre Heilung!
Wir sind hier, um das Leben zu erlösen – nicht ein äußerer Messiahs uns.
16.04.2025
Sara Gnanzou
https://tiefbewegtblog.wordpress.com/
Die Sehnsucht nach Lebendigkeit führte Sara Gnanzou zunächst zu Reisen durch die Welt, einem interdisziplinären Philosophiestudium und Tätigkeiten im Beratungs- und Choachingbereich. Seit 2020 widmet sie sich der spirituellen Lebensforschung. In Ihre Arbeit fließen neben tantrischem Wissen und westlicher Philosophie auch die Körper- und Traumaforschung mit ein. Durch das Teilen ihrer Forschungserkundungen durch Wort und Bild möchte sie unterstützend dazu inspirieren, das eigene Sein zu erforschen und die Lebendigkeit erblühen zu lassen.
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