Die Tücke des Rettens

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Die Tücke des Rettens

Menschen vor dem Tod retten – Tiere retten – Bäume retten – aussterbende Arten retten- die ganze Welt retten…  –  Diese Liste kann fast endlos weitergeführt werden. Mir scheint, noch nie haben die Menschen ein so ausgeprägtes Rettungs-Bedürfnis gehabt wie in den letzten Jahren.

Aber ich frage mich, retten wozu?
Und wovor?

Vor dem Tod, dem Aussterben.

Eigentlich wollen wir, dass alles so bleibt, wie es ist

Wir möchten, dass alle Tiere inklusive aller Insekten, alle Pflanzen, alle Gewässer, alle Wälder, alle Gletscher, alle Moore, alle Küsten, Wüsten und Berge so bleiben, wie sie sind oder bis vor kurzer Zeit noch waren. Es soll möglichst alles so erhalten bleiben. Biodiversität und Arterhaltung ist in aller Munde.

Menschen sollen gesund bleiben bis ins hohe Alter, sollten möglichst nicht sterben. Dazu entwickelt die medizinische Forschung laufend neue Medikamente und Verfahren, welche Krankheiten immer besser zu eliminieren vermögen. Wie viel wird doch investiert in Operationen, Medikamente, in Fitness und unzählige Ergänzungsprodukte, die vor Alter, Krankheit und vor allem vor dem Tod schützen sollen.

Sterben ist tabu

Ganz egal, ob es sich dabei um Menschen, um Tiere, um Pflanzen, das gesamte Ökosystem oder eben die ganze Welt handelt. Diejenigen, die zu den Rettern zählen, haben ein gutes Gefühl. Sie denken, sie haben etwas Gutes getan für unsere Welt. Retter gelten schließlich als Helden!

Aber ist das wirklich so?

Auf Englisch heißt “retten” auch “to save”, französisch: “sauve”… Beides heißt sichern, absichern, bewahren.

Stelle dir einmal vor, wie es wäre, wenn alle Lebewesen, die in Not sind, gerettet würden.

Was wäre, wenn alle Landschaften und einfach alles, was wir lieben hier in unserer Welt, gerettet wäre: Es gäbe kein Leiden, keine Krankheiten, keinen Tod.

Alles Leben würde sich unendlich vermehren. Und vermehren. Und vermehren…

Wie sähe es dann mit dem Gleichgewicht auf diesem Planeten aus?

Ja, es wäre völlig zerstört.

Eigentlich genau das Gegenteil dessen, was wir angestrebt haben…

Transformation und Bewusstsein

In sogenannten spirituellen Kreisen ist man sich einig darüber, dass wir uns in einer Phase der Transformation befinden. Es wird viel von „neuem Bewusstsein“ gesprochen (als ob es ein altes Bewusstsein gäbe…), von einem neuen Menschen, von Akzeptanz und Liebe und anderen schön klingenden Begriffen.

Ja, man ist sich ja auch darüber einig, dass etwas sterben muss, bevor etwas Neues beginnen kann. Aber wehe, wenn es dann wirklich geschieht…

Ganz offensichtlich scheint hier eine Diskrepanz, eine Fehlsichtigkeit vorzuliegen. Fehlsichtigkeit insofern, als wir glauben, etwas erhalten zu müssen. Es sind ja interessanterweise gerade die “spirituellen” und weltoffenen Menschen, die sich für die Rettung von allem Möglichen engagieren.

Einerseits soll alles aufrechterhalten und festgehalten, eben gerettet werden, und gleichzeitig soll alles im Fluss bleiben?

Wie kann aber irgendeine Transformation geschehen, wenn wir gleichzeitig am Alten festhalten?

Wir befinden uns tatsächlich in einer globalen Transformation. Dies geschieht in der Wahrnehmung dessen, was wir sind. Aber sie geschieht auch in der äußeren Welt. Auch die Erde transformiert sich.
Der Klimawandel gehört mit dazu.

Solange wir glauben, wir müssten den Klimawandel aufhalten, werden wir kontraproduktiv. Ganz abgesehen davon, dass wir das gar nicht können. Dafür sind wir einfach zu klein und zu unbedeutend!

Das Gesicht der Erde wird sich völlig verändern

Das gehört ebenfalls dazu.
Eine totale Transformation wirkt sich in allen Bereichen aus!

Landschaften verschwinden, neue Landschaften entstehen.
Klimazonen verschieben sich.

Aus gemäßigten Zonen können tropische Zonen entstehen oder aus kalten Gebieten können sich sehr heiße entwickeln. Wo Wälder waren, entstehen vielleicht Wüsten, aus Feldern vielleicht Wälder, vielleicht werden völlig neue Landmassen auftauchen, während andere im Meer versinken. Wir können nicht wissen, wie sich alles verändern wird. Aber eines steht fest:

Es wird sich alles wandeln und wir können das nicht aufhalten.

Festhalten, aufrechterhalten, bewahren

Das sind wohl menschliche und nachvollziehbare Bedürfnisse. Aber wenn wir genau hinsehen, können wir erkennen, dass sie aus der Angst vor dem Sterben entstehen. Es ist immer wieder dasselbe: Die Menschen haben unglaubliche Angst vor dem Sterben! Angst davor, nichts mehr zu sein. Keine Bedeutung, keinen Einfluss, keine Erinnerung zu haben.

Weil niemand genau weiß, was nach dem Sterben geschieht, breitet sich die Angst aus, Angst vor dem Ungewissen. Und das Ungewisse erscheint den meisten Menschen immer als Bedrohung.

Was wäre denn die Alternative?

Nun, wenn schon von Transformation die Rede ist, und wenn doch wirklich viele Menschen auf eine friedlichere und harmonischere Zeit hoffen, als die, die wir gerade durchleben, dann gibt es eigentlich nur einen entscheidenden Schritt: Akzeptanz!

Akzeptanz ist ein viel benutztes Wort und bald jeder versteht darunter wieder etwas anderes.

Akzeptanz heißt einfach, das anzunehmen, was es ist, ohne irgendeine Bewertung hinzuzufügen.

Wie mir scheint, geht es in der jetzigen turbulenten Zeit mehr denn je darum, zu begreifen, dass wir eine noch nie dagewesene Chance haben, Akzeptanz zu erlangen und zu erfahren.

Einverstanden, das ist nicht einfach.

Akzeptanz

Denn ein akzeptierender Mensch bleibt ein Beobachter. Er greift nicht ein. Er hat nicht das Bedürfnis, sich überall einzumischen. Denn durch das Einmischen entsteht meistens eine „Verschlimmbesserung“. Wir wissen einfach viel zu wenig von den großen Zusammenhängen.

Wir wissen nicht, warum etwas so und nicht anders geschieht. Aber im Zustand des Nicht-Akzeptierens glauben wir, wir wüssten, was besser ist und wollen die Dinge gemäß unserem kleinen Verständnis ordnen. Dabei merken wir nicht, wie kurzsichtig unser Eingreifen ist und wie wir damit die Situationen eher verschlechtern, wie wir das Gleichgewicht erst recht durcheinander bringen.

Wir denken, es sei grausam, Menschen, Tiere, Pflanzen und die gesamte Welt der Erscheinungen sterben zu lassen. Wir denken das, weil wir Angst haben.

Es könnte aber auch anders sein!

Es könnte durchaus sein, dass wir uns bewusst werden (oder es bereits sind) über die harmonische Einheit, und dass wir ein winziges Teilchen davon sind. Wir könnten uns der Erfahrung hingeben, dass diese Einheit die Quelle der Liebe, der Freiheit, der Schöpferkraft ist. Wir könnten Gewissheit erlangen, dass wir stets in dieser Einheit geborgen sind und dass nichts verloren geht.

Nichts stirbt wirklich, alles wandelt sich nur

Unsere persönliche Transformation betrifft genau diesen Prozess: Die Wandlung von Angst in Vertrauen in die Liebe. Die Wandlung von Kontrolle in Hingabe an das Leben. Sind wir erst einmal verwurzelt in der Erkenntnis, dass wir Gäste sind auf dieser Erde und uns daran erfreuen dürfen, anstatt alles nach unserem Denken und Wollen umzumodeln, dann gelingt es uns, unparteiisch und voller Anteilnahme zu beobachten, was rund um uns herum geschieht. Dann wissen wir, dass Veränderung unabdingbar ist und wir nichts zu retten brauchen. Es hilft niemandem, gerettet zu werden, im Gegenteil, es verzögert den Prozess.

Sterben gehört einfach zum Leben

Ob das jetzt Individuen oder ganze Völker sind, ob es Tier- oder Pflanzengattungen sind… Wo etwas vergeht, entsteht etwas Neues. Ganz im Sinn der Anpassung an neue Bedingungen.

Nein, das Geschehenlassen und Akzeptieren hat nichts mit Gleichgültigkeit zu tun. Sondern mit der Erkenntnis, dass wir die großen Zusammenhänge nicht verstehen und deshalb mit unseren Rettungsversuchen eine Entwicklung erschweren, die ohnehin geschieht.

Die vielen Grausamkeiten, die in dieser Welt geschehen, die Kriege, die Gier und Gewalt, die Zerstörung durch die Menschheit, wir verhindern das nicht, indem wir uns als Retter oder Kämpfer ausgeben.

Jeder hat nur sich selbst und dafür ist er zuständig.

Indem wir aufmerksam in uns hineinschauen, auch unsere hässlichsten Gedanken und Gefühle akzeptieren, dürfen wir uns schließlich trotzdem erkennen als wertvolle einzigartige Geschöpfe.

Dann mischen wir uns nicht mehr ein.
Dann schaut jeder, dass er in seiner kleinen Welt Ordnung hat.

Ist die kleine Welt in Ordnung, dann ist sie durchdrungen von Akzeptanz, von Freude, von Mitgefühl und Liebe. Und alle Lebewesen innerhalb dieser kleinen Welt bekommen das zu spüren.

Kleine Welten voll Freude und Liebe schaffenretten erde hand schmetterling canva

Fazit: Je mehr kleine Welten es gibt, in denen Ordnung, Freude und Liebe herrschen, desto mehr weiten sich diese aus und verbinden sich miteinander.

Die Welt der Gewalt, der Gier, Macht und Kriege wird dann völlig uninteressant. Wir lassen sie „links liegen“ und akzeptieren die Tatsache, dass jene, die dort leben, diese Zustände aus irgendeinem Grund benötigen. Das ist nicht herablassend, sondern Anerkennung dafür, dass jedes Lebewesen auf seine Weise lernt und wächst…

Es ist nicht an uns, da einzugreifen, denn es gibt nichts zu retten!

Alles hat seine Zeit.
Dinge kommen und verschwinden.
Alles vergeht und alles erneuert sich!

In diesem Sinn

mit herzlichen Grüßen

Navyo Brigitte Lawson
Autorin und Coach für ein erfülltes Leben
24.01.2024

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Was ist ein guter Mensch Navyo Brigitte LawsonMein Name ist Navyo Brigitte Lawson. Ich wurde 1948 in der Schweiz geboren. Bereits seit frühster Jugend war ich auf spiritueller Suche, denn die christliche Religion, in der ich erzogen worden war, erfüllte mich nicht, auch nicht mein Psychologiestudium, das ich mit 30 Jahren begann. …

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