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Ekel, Abscheu und Abneigungen
Ekel und Abscheu
Der Ekel ist eine umfassend erforschte Negativemotion und gehört zu den sieben Basisemotionen. Ekel ist ein Gefühl der Abneigung und der Abscheu („abgestoßen sein“), das sich häufig in Sprachbildern ausdrückt und in seiner massivsten Ausprägung in Übelkeit mündet. Als sogenannter „Urekel“ ist die Vorstellung anzunehmen, etwas Abstoßendes und als unrein Empfundenes oral aufnehmen zu müssen.
Ekel hat also eine Gesundheitsfunktion, weil er uns davon abhält, beispielsweise Verdorbenes zu essen. Das Ekelthema etabliert sich etwa ab dem vierten Lebensjahr, da Kinder vorher noch keine ausreichenden kognitiven Fähigkeiten zur Empfindung von Ekel besitzen. Ekel löst häufig den Impuls aus, das Objekt des Ekels loszuwerden. Dies kann durch Würgen oder Erbrechen geschehen, aber auch durch ein sich Abwenden, wenn der Ekel von einem äußeren Impuls ausgelöst wird (z.B. einen unangenehmen Anblick loswerden wollen). Die Umkehrfunktion von Ekel ist die Vergegenwärtigung sozialer Abneigungen, sodass wir Menschen und Dingen ausweichen, die wir sozial oder moralisch abstoßend finden. Seit den 1980er Jahren gilt Ekel gegenüber Mitmenschen als asoziale, tabubehaftete Emotion.
Kopplungen und Auslöser des Ekels
Ekelauslöser können Geschmack, Geruch, Anblick, Geräusche und Berührungen sein. Auch persönliche Einstellungen anderer Menschen können als ekelhaft empfunden werden. Emotionen wie der Ekel vermögen es, menschliche Triebe zu unterwerfen, z.B. den Esstrieb durch Ekel, den Sexualtrieb durch Unlust oder den Überlebenswillen durch Selbstmord.
Ekel und Abscheu sind oft gekoppelt mit Zorn, Hass, Verachtung oder Schadenfreude. Ekel ist ebenfalls verknüpft mit Hypermoral, Rechthaberei, Diskursunwilligkeit, Identitätsfixierung, Widerstandsreaktionen, Kritik, Herablassung, Konkurrenzdenken, Egoismus, Machtorientierung und Selbstdarstellung. Die Variationen des Ekelthemas sind kulturell sehr unterschiedlich (z.B. regionale Vorlieben für ungewöhnliche Speisen), da nicht jede Kultur alles gleichermaßen bevorzugt oder abstoßend findet.
Allerdings gibt es genetisch disponierte Universalthemen für Ekel, zu denen Fäkalien, Erbrochenes, Urin, Auswurf und Blut gehören. Es ist anzunehmen, dass wir mit Urekel auf Dinge reagieren, die unseren Körper verlassen haben.
Es gibt fünf Gruppen zwischenmenschlicher Ekelauslöser:
- Das Fremde
- Das Kranke
- Das Unglückliche
- Das moralisch Verwerfliche/Abscheuliche/Normverletzende
- Der emotionale Überdruss
Diese Ekelauslöser sind als Variationen des Urekels (Gesundheitsfunktion) anzusehen und müssen als „erlernt“ bewertet werden. Ekel ist allgemein oft an Vorurteile gegen Fremdes gekoppelt. Ressentiments gegen das Fremde kommen in allen Kulturen und Religionen gleichermaßen vor. Man zählt daher das Ressentiment gegen das Fremde (fremdes Aussehen, fremde Kultur, fremde Religion, fremde Sprache, fremdes Essen etc.) zu den sogenannten Ekelauslösern. Ursprünglich bedeutete Ressentiment das Nachfühlen, Nachempfinden oder Nacherleben können.
Durch Friedrich Nietzsche wandelte es sich zu einem Ausdruck des Gegengefühls, des Vorbehalts, der Abneigung oder sogar des Hasses. Ressentiments sind insofern als emotionale Haltung gegenüber einem oder mehreren anderen zu werten. Weitere Auslöser situativen Unbehagens oder situativer Abneigungen oder Abscheu sind:
6. Abneigung gegen den Gesprächspartner
7. Abneigung gegen den Ort oder das Umfeld
8. Allgemeines Unbehagen
9. Schuldgefühle/Schlechtes Gewissen
10.Vorenthalten von Informationen
11. Täuschung/Lüge
Psychologische Aspekte und Auswirkungen von Ekel
Menschen, die allgemein Schwierigkeiten haben, Gefühle zuzuordnen, aber relativ problemlos das Gefühl Ekel erkennen können, könnten möglicherweise mit einer Abhängigkeit zu kämpfen haben (Erkennung durch Betroffenheit und Umgang). Eine mit Abscheu und Ekel assoziierte Störung ist bei Zwangsneurosen von Bedeutung. Waschzwänge, Tierphobien, Sozialphobien oder Essstörungen können ein Hinweis auf einen zwanghaft entwickelten Ekel sein.
Dysmorphophobie (Angst und Scham, dass der eigene Körper entstellt oder unzulänglich sein könnte) führt oft zu Ekel oder Verachtung, da das eigene Aussehen als abstoßend empfunden wird. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Ekel gegenüber Mitmenschen relativ unbefangen ausgedrückt und ausgelebt, beispielsweise durch die ästhetisch motivierte Isolation verstümmelter Patienten in Krankenhäusern.
Ob eine Verstümmelung in uns Ekel oder Trauer auslöst, hängt davon ab, ob uns die betroffene Person fremd ist oder es sich um eine nahestehende Person handelt. Die Abneigung gegen physische Zeichen von Krankheit und Leid sind evolutionär etabliert, da sie uns vor Ansteckung geschützt haben.
Grundsätzlich gilt, dass Nähe und Vertrautheit ekelmindernd wirken, z.B. beim Windelwechseln bei den eigenen Kindern. Die Überwindung von Ekel kann also eine soziale Funktion haben, bei der das Überwinden von Ekel als Zeichen von Vertrautheit und Akzeptanz anzusehen ist. Im Umkehrschluss erhöht die Distanz die Wahrscheinlichkeit einer Abscheureaktion, z.B. etwas sprichwörtlich „satt haben“.
Mimik und Körpersprache des Ekels
Vier menschliche Gefühlsmimiken gelten als universal, nämlich Freude, Ärger, Ekel und Trauer. Eine hochgezogene oder geraffte Nase kann ein Hinweis auf verborgenen Ekel sein. Verachtung und Widerwillen haben vergleichbare mimische Signale und werden daher oft mit Ekel verwechselt.
Ekel wird als mimischer Mikroausdruck häufig kombiniert mit einem sogenannten Mischlächeln, einer Vermengung von verächtlichem Lächeln und Ekel. Zusammengekniffene oder geschürzte Lippen sind ebenfalls ein Hinweis darauf, dass jemandem etwas nicht passt oder er Ressentiments hat, die er jedoch nicht offen aussprechen möchte. Ekelempfindungen drücken sich durch Würgereiz und die Überempfindlichkeit von Oberlippe und Nase aus.
Ein charakteristisches Merkmal von Ekel ist das Rümpfen der Nase bei häufig gleichzeitigem Anheben der Oberlippe. Bei Ekel ist die Oberlippe weit heraufgezogen, die Unterlippe leicht angehoben und nach vorne geschoben, die Falte von den Nasenflügeln bis zu den Mundwinkeln bildet ein umgekehrtes U, die Nasenflügel sind gebläht, auf dem Nasenrücken erscheinen tiefe Falten, die Wangen sind angehoben und die Augenbrauen gesenkt. Das gerade und ggf. vollständige Herausstrecken der Zunge ist ein direkter Ausdruck von Abscheu.
Ekel und Zorn werden mimisch oft verwechselt, allerdings werden bei Zorn zusätzlich die Augenlider angehoben und die Augenbrauen zusammengezogen. Ein kurzes, stoßartiges Ein- und Ausatmen bei paralleler Beschleunigung des Herzschlags kann auf starke Abneigung oder sogar Hass hinweisen. Das Senken der Augenbrauen bei gleichzeitigem Zusammenkneifen der Augen ist ein Signal für Abneigung.
Das Zusammenkneifen oder Schließen der Augen ist als Abwehrverhalten entwicklungsgeschichtlich sehr alt und bereits bei Kindern im Mutterleib nachweisbar. Auch Blindgeborene reagieren auf schlechte Nachrichten mit dem Schließen der Augen, was auf eine Signalwirkung hinweist. Das Zusammenkneifen der Augen kann als Ursache Konzentration, Lärm, Licht, Schmerz oder Sehprobleme haben. Beim Erscheinen eines anderen Menschen ist das Schließen der Augen allerdings eher ein Signal für Abneigung, Zweifel, Kritik oder ganz allgemein für ein Negativempfinden. Auch das Abbrechen des Blickkontaktes oder das Ausweichen des Blickes ist häufig ein Hinweis auf ein Negativempfinden oder Vermeidungsverhalten. Blickvermeidung bewahrt das Gehirn vor unliebsamen oder negativen Anblicken.
Ein nach unten absinkender, abwandernder Blick kommt daher gelegentlich ebenfalls bei Ekel vor. Eine reine Oberkörper- oder Rumpfzuwendung ohne gleichzeitiges Zuwenden der Fußspitzen signalisiert Unwilligkeit oder Abneigung gegen die Person, den Ort oder das Gesagte. Studien haben gezeigt, dass Geschworene bei Zeugen, die sie nicht mögen oder abstoßend finden, nur ihren Oberkörper zum Zeugen drehen, ihre Fußspitzen aber tendenziell zum Ausgang deuten (Distanzgeste). Es ist ein Ausdruck situativer Unfähigkeit oder Unwilligkeit, mit den eigenen Gefühlen oder den Gefühlen des Gesprächspartners umzugehen.
Allgemein gilt, dass die vorne liegende Seite des Körpers (Gesichtsseite/ventrale Seite) aus limbischer Perspektive sehr sensibel ist (Zentralorgane), und dass das Abwenden der Vorderseite des Körpers als Ausdruck von Unbehagen oder Schutzbedürfnis bei Negativemotionen wie z.B. Ekel zu werten ist.
22.02.2025
Claus Eckermann
Sprachwissenschaftler und HypnosystemCoach®
Kurzvita
HSC Claus Eckermann FRSA
Claus Eckermann ist ein deutscher Sprachwissenschaftler und HypnosystemCoach®, der u.a. am Departements Sprach- und Literaturwissenschaften der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel und der Theodor-Heuss-Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung unterrichtet hat.
Er ist spezialisiert auf die Analyse von Sprache, Körpersprache, nonverbaler Kommunikation und Emotionen. Indexierte Publikationen in den Katalogen der Universitäten Princeton, Stanford, Harvard und Berkeley.
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