Göttliche Unzufriedenheit – EinSamkeit

hand-sand-rieseln-unsplash

Göttliche Unzufriedenheit

Wenn ich von göttlicher Unzufriedenheit schreibe, meine ich keineswegs eine theologische oder ideologische Gedankenwelt, sondern einfach ein wahnsinnig tiefes Gefühl in mir drinnen. Dieses tiefe Wissen, dass mehr geht in einem Leben, dieser tiefe Wunsch nach Sinnhaftigkeit, nach Potential leben und nach Verständnis für die Zusammenhänge der Welt. Dieses tiefe Wissen, nach Mehr. Sie ist nicht greifbar, aber spürbar. Das Gefühl erzeugt Gänsehaut.

Göttliche Unzufriedenheit geht oft mit Einsamkeit einher. Einsamkeit, weil das Außen an Sinn verliert. Das tägliche Umher Gerenne als Mensch, zur Arbeit, um die Miete zu zahlen, das Einkaufen und das Essen, um den Verdauungsapparat und das Denken am Leben zu erhalten, das Zwischenmenschliche, das nicht ausreicht, diese tiefe Sehnsucht nach dem Zusammensein mit dem All-Eins zu erfahren, Atman.

Einsamkeit

Und was ist Einsamkeit, wenn man sich das Wort mal genauer anschaut: Ein-Sam-keit, einen Samen setzen oder einen Samen in sich tragen, wie eine Blume. Es genügt der Samen und die Blume wird ihrer Bestimmung folgen, in Wind und Wetter. Die Blume kennt kein Zeitgefühl, sie kennt nur die Phasen der Entwicklung, die sie wie selbstverständlich durchläuft: Durchbrechen des Bodens, ein Zögling sein, bis sie zur schönen und widerstandfähigen Blume heranwächst.

Der Unterschied zum Menschen ist mal wieder das Gehirn. Es regt zum Nachdenken und Fragenstellen an. Wir können nicht einfach die Lebensphasen durchlaufen, weil die Erfahrungen auf dem Weg eben das Leben ausmachen. Weil die Erfahrungen in uns Emotionen auslösen, die damit unsere weiteren Schritte bestimmen.

Die spirituelle Reise und die Einsamkeit

Einsamkeit ist die Plage der neuen Zeit.

Alle sind immerzu online und erreichbar und doch fühlt man sich mehr allein.
Die Städte werden immer voller, aber jeder lebt allein.

Einsamkeit und Alleinsein.
Einsamkeit als Angst vor sich selbst und ja, vor was noch? Dem Tod? Der Angst, nicht gelebt zu haben? Ist es nun eine Angst zu sterben oder doch eher die Angst, nicht richtig gelebt zu haben. Seinen Wünschen nicht gefolgt zu sein, sein Potential nicht ausgeschöpft zu haben?

Alleinsein zum Auftanken. Alleinsein, um sich und seinen Bedürfnissen zu lauschen. Alleinsein als Mutter oder in einer Familie erfordert Mut und Disziplin.

Einsam sind viele auch, wenn sie mit Menschen zusammen sind und trotzdem können sie oft nicht allein sein. Interessant.

„Fühlst Du Dich lebendig? Bist Du gern mit Dir allein? Hörst Du Dir zu in der Traurigkeit oder wenn Dir ist zum Schreien? Oder machst Du lieber laut den Fernseher an, gehst in die nächste Kneipe oder ziehst Dir sonst was rein, damit es ruhiger und erträglicher wird?“
aus „Ich krieg mein Leben nicht in den Griff“
von Tanja Sirbu, Nov. 2018

Und bringt uns die spirituelle Suche manchmal in Ebenen und Bereiche, die uns freier und selbstbestimmter fühlen lassen und dann doch wieder eingeengter und frustrierter?

Worum geht es denn wirklich? Yin und Yang

Und worum geht es denn dann eigentlich? Vielleicht wenden wir dieselben Techniken der materiellen Welt auch in der spirituellen Welt an und sie funktionieren eben nicht?
In der materiellen Welt musst Du eine Anstrengung in Kauf nehmen oder neben Zielen setzen auch Aktionen folgen lassen, um etwas zu erreichen. Du machst mehr, um mehr zu erreichen, das ist YANG.

Dasselbe versuchen wir auf dem spirituellen Weg. Wir machen noch mehr Ausbildungen, ziehen uns noch mehr zurück und reflektieren, verweigern uns dem weltlichen Spaß, um der eigenen Spiritualität näher zu kommen oder was wir dafürhalten. Wir strengen uns an, alles richtig zu machen, nachhaltig und bewusst zu leben, auf uns und andere zu achten, zu beobachten, statt zu bewerten, ja wir strengen uns sogar an, loszulassen, indem wir meditieren, bewusst atmen, es fühlen oder Vergebungsrituale vollführen, die uns heilen sollen.

All diese Praktiken helfen uns ein Stück auf dem Weg,Unzufriedenheit samen golden wind bruno kelzer
verlieren aber ihren Zauber und halten uns unbemerkt in der Anstrengung und Isolation. Das ganze Wollen und sich verändern wollen hält uns am Platz. Wir befinden uns im Widerstand statt im Flow. Wir versuchen zu entspannen, statt einfach zu entspannen (YIN), es zu tun. Versuchen impliziert schon das Scheitern des Ganzen.

Spiritualität

Diese göttliche Unzufriedenheit kann man nur nachempfinden, wenn man sie selbst erlebt und sie ist keineswegs wie eine Depression, denn sie macht dich weder handlungsunfähig noch unmotiviert. Ganz im Gegenteil, sie spornt dich immer wieder an, Lebenssituationen neu zu betrachten, zu bewerten und zu verändern. Sie lässt dich neugierig bleiben und tiefe Gefühle erfahren, von hoffnungsloser Traurigkeit bis zu völliger Ekstase, aber auf jeden Fall lebendig!

Göttliche Unzufriedenheit spiegelt die Idee des Samens wider, der in jedem von uns angelegt ist, mit dem Wunsch nach einem selbstbestimmten, sinnerfüllten und spirituellen Leben. Die Frage ist, wieso haben manche dieses Streben nach spiritueller Entwicklung und andere nicht?

Unter der Annahme, dass dieser Samen in jedem von uns angelegt ist, wie beginnt er zu keimen oder eben nicht? Oft wird der Impuls erst durch Geschehnisse im Außen aktiviert, durch Unfälle, Tod, Schicksalsschläge, Jobverlust oder kollektive Erfahrungen wie eine Katastrophe, Kriege oder eine Pandemie.

Und kann es sein, dass dieser spirituelle Drang dann nur eine Reaktion auf das Erlebte ist, um es zu verstehen oder wäre die Entwicklung auch so in Gang gekommen? Ich weiß es nicht. In meinem Prozess war dieser Samen schon immer da, ganz früh, eine tiefe Anbindung an etwas Größeres, ohne zu verstehen was es ist. Das musste ich zu der Zeit auch noch gar nicht, denn der wissenschaftsbasierte Verstand grätscht erst später hinein.

Zeiten des Umbruchs

Wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Noch nie hatten so viele Menschen Zeit und Muße, sich ihrer eigenen Suche hinzugeben, individuell und kollektiv. Früher gab es das auch schon, vereinzelter, und die Lösung waren oft dogmatische Glaubensstrukturen, die Halt und Sicherheit boten. Zum Beten ist man eben in die Kirche gegangen. Wenn man bestimmten gesellschaftlichen oder religiösen Regeln gefolgt ist, wurde einem die Zusammenkunft mit Gott versprochen. Heutzutage ist nur eins sicher, dass nichts sicher ist. Die Wissenschaft sagt es so, der Guru sagt es so, aber die Erfahrung will selbst gemacht werden, weil sie für jeden anders ist.

Und gerade, weil es anscheinend keine Regeln gibt für die eigene Erfahrung, nur Erfahrungsaustausch mit denen, die einen ähnlichen Weg gehen oder gegangen sind, kommt die göttliche Unzufriedenheit ins Spiel. Dann geht es nicht schnell genug, es fühlt sich nicht sinnvoll an oder die Freude bleibt auf dem Weg.

Das menschliche Zeitkonstrukt treibt uns an, in allen Lebensbereichen. Auch wenn die Seele keine Zeit kennt.

Die göttliche Unzufriedenheit zeigt die Diskrepanz auf zwischen dem, Unzufriedenheit hand sand rieseln unsplashhand sand rieseln unsplash
was man weiß, was in diesem Leben möglich ist und dem, wo man ist. Sie ist Motor, Gefühlsbarometer und Spiegel. Sie kommt zum Tragen, wenn das innere Empfinden im Außen so keinen Ausdruck findet. Wenn einem die eigene Kleinheit im Gesamtkontext bewusstwird und man trotzdem seinen Beitrag in dieser Entwicklung leisten möchte.

Mit dem Kopf in den Sternen sein und mit den Beinen auf der Erde. Angebunden und willig zu manifestieren. Wenn man aber nur noch dem Seelenweg folgen möchte und alles andere in den Hintergrund tritt, dann wird man ziellos und manchmal auch planlos. Dann steht sie da die göttliche Unzufriedenheit und lässt einen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen.

Und alles verliert wieder an Sinn. Das ganze Kleingeistige, was es hier auf Erden gibt, das ganze Streben und sich in den Mittelpunkt stellen, mehr von allem haben wollen und Macht ausüben, am besten noch auf Kosten anderer, das widert einen an.

Ein Experiment

Wir könnten den ganzen Weg auch als Möglichkeit sehen, ein Experiment zu machen. Ein Experiment versucht etwas, ohne zu wissen, was tatsächlich passiert. Das Resultat ist offen. Letztens hörte ich einen für mich zu der Zeit sehr passenden Satz

„If trying harder didn’t work, try softer!“

Bäng! Erwischt! Die eigenen Erwartungen mal wieder nicht erfüllt, weil man sie nicht erfüllen kann. Den eigenen Perfektionismus hochgehalten, ohne das Menschsein genügend einzukalkulieren. Erwartungen und Perfektionismus machen einsam und irgendwann müde, ausgelaugt. Wozu dieses ganze Versuchen, irgendwo hinzukommen, wenn doch nichts zu funktionieren scheint?

Spiritualität finden, um glücklicher zu sein? Um lebendiger sich und andere wahrzunehmen? Um inneren Frieden zu empfinden, egal was sich im Außen zeigt? Sind das nicht auch alles nur Konzepte? Konzepte hat sich jemand ausgedacht. Sie entsprechen selten den eigenen Erfahrungen, bieten aber Orientierung. Man versucht mal wieder etwas zu verstehen, was man vielleicht ganz anders empfindet.

Ich bin gerade an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich mich frage, wo mich meine eigene Spiritualität und göttliche Unzufriedenheit im letzten Jahrzehnt hingeführt hat oder hinführen soll? In die Ekstase? In einen Zustand von Erleuchtung, also einen Zustand im Gehirn, den ich selbst ohne äußere Zusätze bewusst herbeiführen kann? Oder in eine Spirale aus Wollen, Erwartungen, Verzweiflung, Frustration?

Zu viel Yang bringt uns zwar weiter, macht uns aber nicht zufriedener. Es ist mal wieder die Balance von Yin und Yang die dem Menschsein den Glanz verleiht.

Übe Dich doch heute mal im Sein, keine Reaktion auf das Außen, sondern ein Beobachten, was die Umstände mit Dir machen. Ein bewusstes „ich weiß es nicht“. Ich weiß nicht, was ich gerade brauche. Ich weiß nicht, wo die Reise hingeht. Ich lasse es einfach zu, diesen Moment. Ich atme. Ich bin.

Ein Gedicht

Hier mal ein Ausdruck meiner göttlichen Unzufriedenheit in einem Gedicht aus 2018:
(2018 © Tanja Sirbu)

Ausdruck des Lebens 

Ich finde keinen Ausdruck für mein Sein.
Ich fühle mich oft groß und doch erstaunlich klein.
Den Rebellen in mir und das Kätzchen gleich hier,
die Krallen ausgefahren und den Blick ganz klar,
bereit für den Sprung,
doch wohin nur?

Ich springe und springe,
ich übe und übe,
ich lebe und lache und
vergesse doch nie die Sache.
Die Sache…

Was ist der Grund des Daseins hier?
Weißt Du es und sagst es mir?
Weißt Du, was Du willst, wer Du bist und was Du kannst?
Weißt Du, womit du das Leben und andere bannst?
Was Dich Montagsfrüh aufstehen lässt,
am Leben hält und den Tag macht zum Fest?

Ist es die Arbeit, damit Geld reinkommt, um die Miete zu zahlen,
sich abends schön schlapp vor den Fernseher zu rollen
und sich wundervoll einzulullen,
damit die Sache ins Hinterzimmer huscht,
genügsam dort wartend
auf den Tag, an dem sie SWUSCH,
die Hand hebt und schreit:
Genug ist genug, jetzt wach mal auf,
das ist Dein Leben hier
und kein Kauf.

Du konsumierst die Zeit
Als wäre sie unendlich,
dabei weißt Du doch,
das Leben ist endlich.

Jetzt mach doch mal aus
Und setz Dich hin,
spür Dich ganz tief in Dir drin.

Spür die Wünsche und Träume,
die bunten Räume,
die gelebt werden wollen,
nach Verwirklichung streben sollen.

Hör die Zweifel und Fragen,
die dich plagen,
spür die Leere im Herzen,
die Hoffnung ausmerzen.

Höre das laute Gerase im Kopf,
als wäre der Hase im heißen Topf.
Spür die Angst in Dir hochkommen,
das Leben nicht zu leben,
das Hier und das Jetzt
einfach wegzugeben.

Wegzugeben ans gestern, ans morgen
An die Social Medias von heute
Oder das kiffende borgen.
Alles nimmt Dir die Zeit, Du hast 24 Stunden, 1440 Minuten pro Tag,
was machst du draus?
Komm sag.

Tick. Tack. Tick. Tack.
Wartest Du darauf, dass abbröckelt dein Lack?
Wann kommst Du auf Zack,
und gehst los mit Sack und Pack,
der Langeweile ins Gesicht pustend, der Hoffnung entgegen,
der Bedeutungslosigkeit des kleinen Lebens den Rücken zukehrend.

Und wann gestehst Du Dir ein,
dass das Leben ok ist,
ja ganz fein,
schön bequem und beschaulich,
ist doch erbaulich.
aber Ja, es könnte auch voller und bunter sein,
Du könntest Dich spüren,
das Leben ein Stück weit führen,
authentisch und frisch deine Stimme erheben,
und so ein Stück die Welt erbeben.

Du könntest den Mut in Dir wieder finden,
Verbündete suchen,
und Kräfte binden,
das Beste draus machen und ehrlich zu dir sein.
das wäre doch mal mehr als Schein.

Drum lad ich Dich ein, mach mal die Augen zu.
Spür’ deinen Atem,
das geduldige Warten,
das Kommen und Gehen,
eine Ode ans Leben
und ein Geschenk an Dich,
ein Nehmen und Geben,
für Dich und für mich.
das Beobachten und lauschen,
spür Dich.

Atme ein…atme aus…
spür den Atem an der Nase
und verpass keine Phase.

Atme ein…atme aus…
beobachte was da ist
und lass es da sein.
Die Ängste, die Zweifel, sag Dir:
Das ist mein.

Gib dem ganzen Raum zum Sein,
so kann es transformieren ohne Schreien.

Lass die Gedanken und Bilder
Wie Wolken am Himmel weiterziehen
Beobachte wie sie wilder und wilder
Sich dem Einfluss entziehen.

Fokussier Dich wieder und wieder,
lass das Licht deines Bewusstseins scheinen auf das Wichtige,
vernachlässig das Nichtige,
und werde zum Krieger, bleib da.

Ein friedvoller Krieger,
der auch mal Lieder singt,
Lieder, die die Angst vertreiben,
ohne gänzlich alles zu meiden.
Sing Dein Lied, finde deinen Ausdruck.
Zeig, was Du in Dir hast und gib Dir nen Ruck.

Wenn jeder sein Lied singt,
Auf seine ganz besondere Art,
wenn jeder spielt seinen Part,
im Karussell des Lebens,
ganz offen und im Bestreben,
dann und nur dann werden wir scheinen und wachen,
über das Leben, das Leiden und das Lachen.

10.12.2021
Namasté
Tanja Sirbu
www.tanjasirbu.com

Bilder-Dank an:
greg-rakozy-oMpAz-DN-9I-unsplash
Photo by Sasha Freemind on Unsplash
Photo by Bruno Kelzer on Unsplash
Photo by Kunj Parekh on Unsplash


Alle Beiträge der Autorin auf Spirit Online

tanja-sirbuTanja Sirbu
Der Weg der Sehnsucht nach Mehr fordert sie seit nunmehr 15 Jahren heraus, Neues zu wagen, bequeme Sicherheiten in Frage zu stellen und neugierig zu bleiben für ihren ganz eigenen Flow. Belohnt wurde sie mit Wachstum, Liebe zu sich selbst und Lebendigkeit durch ein fließendes ja zum Leben statt dem häufig gehörten chronischen Nein.
In Ihrer Arbeit als Dozentin, Autorin und Life Coach verbindet sie Disziplinen wie Intellekt, Logik und dem Interesse für Neurobiologie mit der Herzensseite des Fühlens, Spürens, der Spiritualität, Körperbewusstsein (Yoga, Thai Massage) und Energiearbeiten, Theta Healing und Chakren Yoga.
>>> zum Autorenprofil

Für Artikel innerhalb dieses Dienstes ist der jeweilige Autor verantwortlich. Diese Artikel stellen die Meinung dieses Autors dar und spiegeln nicht grundsätzlich die Meinung des Seitenbetreibers dar. Bei einer Verletzung von fremden Urheberrecht oder sonstiger Rechte durch den Seitenbetreiber oder eines Autors, ist auf die Verletzung per eMail hinzuweisen. Bei Bestehen einer Verletzung wird diese umgehend beseitigt. Wir weisen aus rechtlichen Gründen darauf hin, dass bei keiner der aufgeführten Leistungen oder Formulierungen der Eindruck erweckt wird, dass hier ein Heilungsversprechen zugrunde liegt bzw. Linderung oder Verbesserung eines Krankheitszustandes garantiert oder versprochen wird. Alle Inhalte des Magazins sind kein Ersatz für eine Diagnose oder Behandlung durch einen Arzt, Psychotherapeuten oder Heilpraktiker.

1 Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*